Ich freue mich besonders, dass wir diese Grundsatz entscheidung, zukünftig nach einem Beschluss zu flag gen, heute schon mit einem konkreten Fall verbinden können, nämlich mit der Beflaggung zur Erinnerung an den Tibetaufstand von 1959 am morgigen 10. März. Ich weiß, dass es sehr unterschiedlich wahrgenommen
wird, wie und ob für Tibet beflaggt wird, und ich weiß auch, dass es politische Diskussionen gibt, ob man eigentlich für ein religiöses Oberhaupt eintreten soll und für einen möglicherweise religiösen Staat Tibet. Ich sage Ihnen deutlich, das ist gar nicht mein Ansatz, mein Ansatz ist der für das Selbstbestimmungsrecht der Tibeterinnen und Tibeter.
Erst wenn die Tibeterinnen und Tibeter überhaupt die Möglichkeit haben, darüber zu entscheiden, wie sie arbeiten, wie sie leben und ihren Staat gestalten wollen, haben sie die Möglichkeit, auch darüber zu entscheiden, wer ihren Staat anführen soll. Das mögen sie dann in eigener Souveränität machen wie alle anderen Staaten dieser Welt hoffentlich auch, gleich wohl finde ich es bis dahin richtig, daran zu erinnern, dass den Tibeterinnen und Tibetern Selbständigkeit und Souveränität durch China genommen worden ist und dass der Aufstand nicht zum Erfolg, sondern seitdem zu ständiger Unterdrückung geführt hat, die den Dalai Lama ins Exil gezwungen hat.
Wir haben heute nur eine Fünfminutendebatte, und deshalb möchte ich Sie heute bitten, sowohl dem An trag zur Beflaggung der Bremischen Bürgerschaft in der Form zuzustimmen, wie es durch den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss vorgeschlagen wurde, als auch dem Antrag zur Beflaggung anlässlich des Tibetaufstands am morgigen Tag. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie wichtig es ist, wortwörtlich Flagge zu zeigen und damit auch Zeichen zu setzen für dieses Haus, darauf ist Frau Grotheer ja schon eingegangen. Flaggen zeigen für Tibet, das ist eine Aktion der Tibetiniti ative Deutschland, die seit dem Jahr 1996 in jedem Jahr am 10. März stattfindet. Seit 1996 rufen Städte, Gemeinden, Landkreise dazu auf, an dem National feiertag Tibets, an dem an den Volksaufstand von 1959 erinnert wird, der von chinesischen Truppen blutig niedergeschlagen wurde, die tibetische Flagge an den Rathäusern zu hissen. Es wird verstanden als ein Zeichen der Solidarität mit dem tibetischen Volk, dem seit der Regierung von Mao im Jahr 1949 beziehungsweise 1950 die Selbstbestimmung und die Souveränität vorenthalten beziehungsweise ge nommen wurden.
Es ist ein Zeichen für Freiheit, für Gerechtigkeit und Wahrheit und leistet einen wichtigen Beitrag bei der globalen politischen Kultur der Gewaltlosigkeit, des Dialogs und der Versöhnung als den Weg, der Konflikte im 21. Jahrhundert aufzeigt, um Konflikte zu lösen.
Das sind nicht nur meine Worte, das sind vor allen Dingen die Worte des Dalai Lama, des Oberhaupts der Tibeter, und ich finde, er hat recht.
1959, für alle noch einmal in Erinnerung gerufen, hatten sich viele Tibeter, man spricht von einer Anzahl bis zu 300 000, um die Sommerresidenz Norbulingka des Dalai Lama versammelt, um ihn zu beschützen. Man hatte damals Angst, dass er entführt werden sollte. Es gab zu der Zeit sehr viel Unmut über die chinesische Regierung und auch Besetzungen. Des Weiteren wurden Forderungen nach dem Abzug der chinesischen Truppen laut. Die Proteste dauerten circa eine Woche, und am 17. März wurden dann diese Proteste blutig niedergeschlagen, in der Folge sind dann Tausende Menschen gestorben. Man geht von Zahlen bis zu 80 000 Toten aus. Der Dalai Lama floh damals ins indische Exil nach Dharamsala. Im Jahr 1988 verzichtete der Dalai Lama in seiner Straßburger Rede erstmals auf die Unabhängigkeit Tibets, seit her wirbt er für den „mittleren Weg“. Was versteht man darunter? Das meint die Autonomie Tibets in Chinas Staaten. Die tibetische Exilregierung bekennt sich, auch nach dem der Dalai Lama 2011 alle politischen Ämter abge geben hat, weiterhin zur Politik des „mittleren Wegs“. Der Dalai Lama und die tibetische Exilregierung versuchen seit Jahrzehnten, durch Verhandlungen mit der chinesischen Regierung eine einvernehmliche Lösung für den Tibetkonflikt zu finden. Nur mittels Dialog zwischen der chinesischen Regierung und den Vertretern der tibetischen Exilregierung kann meines Erachtens die Tibetfrage friedlich gelöst werden, meine Damen und Herren. Wir möchten uns mit unserem Zeichen gegen die Menschenrechtsverletzungen und für den Erhalt und die Ausübung der tibetischen Kultur und ihrer Religion einsetzen. Meine Damen und Herren, Chi na ist ein starkes Land und weltweit ein wichtiger Handelspartner, trotzdem müssen wir hier in einer Demokratie wie in Deutschland auch Kritik üben dürfen an der Politik in Tibet. Wir haben das in der Vergangenheit im Übrigen auch gemacht, ich erinnere an den Westsaharakonflikt, und ich finde es auch richtig, dass das Parlament sich mit solchen Themen beschäftigt. Aber Konflikte anzusprechen heißt auch, Lösungen zu suchen und darauf zu drängen, dass der gemeinsame Dialog stattfindet. Wenn wir in Bremen mit diesem Symbol der Flagge einen Betrag leisten können, dass dieser Prozess für eine friedliche Lösung weiter betrieben wird, dann sollten wir dies auch tun.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum einen freut es uns als Freie Demokraten, dass das, was wir damals angeregt haben, jetzt vollzogen wird, nämlich dass wir eine Regelung dafür finden, wie und wann wir Flaggen aufhängen und unter welchen Voraussetzungen wir das hier beim Parlament tun, denn es ist nicht nur die Frage des Hausrechts, sondern es ist eine Frage des gesamten Parlaments, wie es zu den einzelnen Punkten steht. Die Frage ist hier befriedigend gelöst, so, wie der VGO es vorschlägt. Herzlichen Dank dafür, dass das möglich ist!
Der zweite hier angesprochene Punkt betrifft die Frage, wir haltet ihr es denn mit Tibet? Diese Frage ist auch ganz klar zu beantworten. Wir stehen als Freie Demokraten für das Selbstbestimmungsrecht der Völker sowie dazu, dass Menschen selbst bestim men wollen, können und das auch sollen, wie und in welchem Staatswesen sie leben. Es geht darum, dass die Tibeter ihre Autonomie wollen, ihr Leben selbst bestimmen und sicherlich auch ihre Religion stärker ausleben wollen, als sie das derzeit können. Das gehört eben auch zur Religionsfreiheit dazu, sich entscheiden zu können, ob man seine Religion ausübt, und nicht gezwungen zu werden, diese nicht auszuüben, wie es derzeit der Fall ist. Diese Freiheit muss eben auch gewährt werden, auch in einem säkularen Staat, in dem man dann ein autonomes Staatswesen ist.
Insofern unterstützen wir, wie die Vorredner auch, dieses Ansinnen, hier zu beflaggen, um deutlich zu machen, dass es ein Selbstbestimmungsrecht für die Menschen in Tibet geben soll, und sind dafür, dass die Bürgerschaft Flagge zeigt für Tibet. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es liegt ein Antrag vor, dass die Bürgerschaft mit Zweidrittelmehrheit das Recht hat, zu besonderen Anlässen und aus besonderen Gründen andere Fahnen zu hissen als normalerweise. Ich halte es für einen ausgesprochen guten und sinnvollen Weg, als Bürgerschaft in einer
Welt voller Konflikte, voller Widersprüche Stellung zu beziehen, und wenn es hier in vielen Fragen einen Konsens gibt, das dann auch deutlich zu machen.
In meiner Wahrnehmung kann und sollte es zwei Dinge geben, die Anlässe für solche Beflaggungen bieten. Ich nehme einmal als Beispiel die Regenbo genflagge zum Christopher Street Day. Mit dieser Flagge haben wir uns gegen weltweite Diskrimi nierung von anders als heterosexuell orientierten Menschen ausgesprochen, ohne Ansehen des Landes, des Geschlechts, der Sprache. Wir haben gesagt, die Diskriminierung von Schwulen, Lesben, Transgender und so weiter geht nicht und darf nicht sein. Das Erste ist, wir stellen uns auf die Seite derer, die eine solche Diskriminierung nicht wollen.
In Bezug auf die Todesstrafe gab es jetzt keine Flaggen, sondern, wie auch im Antrag angemerkt, haben wir da einen symbolischen Galgen oder einen Henkers knoten aufgehängt, da ist das Zeichen so ähnlich. Wir gehen weltweit gegen die Todesstrafe vor. Wir sagen, die Todesstrafe ist einfach in keinem Land der Welt zu dulden, weder in den USA noch in China oder anderswo. Ich finde solche Zeichen richtig.
Das Zweite ist, es kann aktuelle Anlässe geben, wenn auf der Welt Dinge passieren, von denen wir im Hause finden, dass man dazu jetzt öffentlich Stellung nehmen muss. In meiner Wahrnehmung gibt es derzeit eine ganze Reihe von Anlässen, Kriege und Ähnliches, bei denen man darüber nachdenken könnte, aus Solidarität beispielsweise mit den Kurden, die von türkischen Kampfverbänden angegriffen werden, irgendetwas zu machen. Wir können uns mit anderen Dingen auseinandersetzen, über Palästina könnte man diskutieren, ob das etwas ist. Es gibt also eine ganze Menge Situationen in der Welt, die einen solchen aktuellen Anlass bieten. Wir haben am 16. Juli auch den „Tag der Begegnung“ mit Flüchtlingen, den Weltflüchtlingstag, und es wäre auch einmal einen Gedanken wert, dass man aus einem Anlass dieser Größenordnung sagt, Flücht linge sind erstens willkommen, zweitens müssen wir Fluchtursachen bekämpfen, und drittens muss dem begegnet werden, der Flüchtlinge verursacht. Auch das ist eine Möglichkeit, etwas zu tun. Deswegen stimmen wir auf jeden Fall für diesen Antrag, dass die Bürgerschaft das Recht hat, Extrabeflaggungen durchzuführen. Es gibt auch einen Antrag, den 10. März wiederum zu nutzen, um die Solidarität mit den Tibetern zu bekunden und vor allen Dingen zum Zeichen der Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen in China zu beflaggen. Wir gestehen freimütig, dass wir nicht vollständig sicher sind, ob das wirklich im
Sinne dieses Gesetzes ist und der Kriterien, die ich mir da vorstellen kann, denn natürlich ist es auch immer so, wenn wir Solidarität mit den Tibetern demonstrieren, die für ihr Selbstbestimmungsrecht kämpfen, und zwar nur für sie, und es bisher außer bei einer Veranstaltung für die Sahauris, außer bei einer Veranstaltung für die Sahauris, für andere noch nicht getan haben, dann ergibt sich die Frage, ob wir nicht eine Form von Selektion betreiben, sodass andere auch unter Umständen sagen: Hey, wieso die und nicht wir?
Das Dritte ist, und darüber gibt es kein Vertun: Selbstverständlich sind wir als LINKE gegen Men schenrechtsverletzungen. Die chinesische Regierung muss dringend handeln, die Todesstrafe in China abschaffen und vieles andere mehr. Sie darf auch derartige Gebiete wie Tibet nicht unterdrücken. Das heißt aber nicht automatisch, das heißt auch für mich und für uns nicht automatisch, dass wir die Ziele dieser Free-Tibet-Bewegung auch mit unterstützen wollen. Deswegen, weil wir es nicht nur auf einen Konflikt auf dieser Erde begrenzen wollen und weil wir mit den Zielen nicht vollständig übereinstimmen, werden wir uns in der Frage der Zustimmung oder Ablehnung der Tibetbeflaggung enthalten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur einige kurze Bemerkungen! Erstens, auch die CDU-Fraktion fin det es gut, dass man im Rahmen der Debatten im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss zu einer einvernehmlichen Lösung gekommen ist. Ich finde, es ist ein gutes Zeichen, dass man sich bei allen Konflikten, die es vielleicht auch in der Vergan genheit über einzelne Flaggen gab, in dieser Frage grundsätzlich verständigt hat. Auch das zeichnet Parlamentarismus aus, dass man bei solchen Punkten auch konsensbereit ist.
Die zweite Frage, die uns hier beschäftigt, ist die von Tibet selbst, und da finde ich es zumindest schade, Herr Rupp, dass wir dabei nicht genauso einvernehmlich zu einem einstimmigen Votum kommen.
Ich will Ihnen auch kurz beantworten, warum vielleicht die Frage von Tibet und der Tibeter eine etwas andere ist! Zum einen gab es ja eine Vorgeschichte: Im Jahr 1913 hat der Staat Tibet bereits eine Eigenständigkeit gehabt und erklärt. Diese ist ihm im Rahmen der
Revolution in China 1949 und des dann erhöhten Drucks auf den Staat Tibet in den Jahren 1950 bis 1951 abhandengekommen, und man musste sich dort aufgrund der militärischen Bedrohung im 17-PunkteAbkommen China entsprechend unterordnen. In den folgenden Jahren gab es in Tibet systematisch eine Vernichtung von Kultur- und Religionsgut. Deshalb, lieber Herr Rupp, sprechen wir hier natürlich nicht nur direkt für die Menschen, die in Tibet leben, sondern indirekt auch für die 450 Millionen Buddhisten, die es weltweit gibt.
Insofern passt das meines Erachtens, wenn ich das so sagen darf, auch in die Kriterien hinein, die Sie vor zwei Minuten für sich selbst definiert haben, und deshalb weiß ich nicht, warum Sie Ihre eigene Argumentationsschiene hier verlassen und dann plötzlich sagen, Sie könnten sich an dieser Stelle nur noch kraftlos der Stimme enthalten. Dafür, lieber Herr Rupp, habe ich kein Verständnis!
Das Thema ist ja nach wie vor aktuell, es gab Unru hen in Tibet in den Jahren 1987,1989 und 2008. Gott sei Dank gab es auch einvernehmliche Resolutionen des Deutschen Bundestags im Jahr 1995 und eine EU-Resolution im Jahr 1992, die noch einmal ganz eindeutig das Recht der Tibeter auf Selbstbestimmung ihres eigenen Status und dann vermutlich ihres eige nen Landes auch unterstrichen hat. Insofern befinden wir uns hier auch nicht in einer politischen Isolation, sondern wir sind gut eingerahmt im Rahmen unserer europäischen Politik, die wir hier betreiben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Obwohl in Tibet auch in den letzten 20, 25 Jahren eine aggressive Politik der Umschichtung der Be völkerung betrieben wurde, haben die Tibeter und hat der Dalai Lama die Weitsicht und feuert den Streit nicht an, sondern versucht, diesen Konflikt durch bedächtige Äußerungen friedlich zu lösen. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat vor der konkreten Situation in Tibet meine höchste Hochachtung.
Aus diesem Grund bin ich auch sehr froh – und Herr Senator Dr. Lohse sitzt ja da vorn –, dass wir von diesem Jahr an auch einen besonderen Draht haben, nämlich in der Botanika, wenn wir im Laufe dieses Jahres dort auch die einzige Buddha-Figur, den Friedensbuddha, der vom Dalai Lama auch gesegnet wurde, auf dem europäischen Kontinent präsentieren können. Aus
diesem Grund, lieber Herr Rupp, haben wir auch eine besondere Verantwortung, morgen Flagge zu zeigen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!