Es ist kurz vor 13.00 Uhr. Ich schlage vor, wir treten in die Mittagspause ein und treffen uns um 14.30 Uhr wieder.
Bevor wir die Tagesordnung fortsetzen, möchte ich Ihnen mitteilen, dass nachträglich interfraktionell vereinbart wurde, bei den miteinander verbundenen Tagesordnungspunkten 31, Klare Rahmenbedingungen für Social Media in der Schule, Gesetz zur Änderung des Bremischen Schuldatenschutzgesetzes, Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 19/913, und 42, Social Media in der Schule angeleitet fördern – Leitfaden und Unterstützung sicherstellen, Dringlichkeitsantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 19/964, auf eine Aussprache zu verzichten.
Des Weiteren möchte ich Ihnen mitteilen, dass nachträglich interfraktionell vereinbart wurde, dass die miteinander verbundenen Tagesordnungspunkte 28, Farbe bekennen – Beflaggung der Bremischen Bürgerschaft – Änderung der Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft, Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 19/816, Neufassung der Drucksache 19/740, 29, Änderung der Geschäftsordnung – Beflaggung der Bremischen Bürgerschaft, Bericht und Antrag des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses, Drucksache 19/938, und 43, Am 10. März Solidarität zu den Menschen in Tibet zeigen, Dringlichkeitsantrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD, Drucksache 19/966, zu Beginn der Sitzung morgen Nachmittag aufgerufen werden.
20. Tätigkeitsbericht der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau, 2014 bis 2015 Mitteilung des Senats vom 6. September 2016 (Drucksache 19/726) Wir verbinden hiermit: Bericht und Antrag des Ausschusses für die Gleichstellung der Frau zum 20. Bericht der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau über deren Tätigkeit vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015 vom 15. November 2016 (Drucksache 19/833)
Meine Damen und Herren, der 20. Tätigkeitsbericht der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Frau 2014 bis 2015 vom 6. September 2016 ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 28. Sitzung am 21. September 2016 zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für die Gleichstellung der Frau überwiesen worden. Dieser Ausschuss legt mit der Drucksachen-Nummer 19/833 seinen Bericht und Antrag dazu vor.
Frau Hauffe*): Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen Abgeordnete! Ich freue mich sehr, dass wir heute, am Internationalen Frauentag, diesen 20. ZGF-Bericht beraten, übrigens einen Tag, nachdem das BMFSFJ, Frau Schwesig, das Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht vorgelegt hat. Eigentlich sind wir just in time. Es geht um dieses Werk, was wir Ihnen vorgelegt haben.
Übrigens ist das wahrscheinlich meine letzte Rede hier in diesem Hohen Hause, fällt mir gerade ein. Es ist also auch für mich etwas ganz Besonderes.
Ja, das ist so! Ich mache im Moment manches zum letzten Mal und fühle immer nach, wie ich das empfinde.
Lassen Sie mich auf den Bericht eingehen. Zum Entgelttransparenzgesetz, die frauenpolitisch übrigens schon lange geforderte und dann infolge der Kölner Silvesternacht politisch befeuerte Reform des Sexualstrafrechts! Wir brauchen nur auf die vergangenen Monate zu schauen, um zu sehen, dass wir als Gesellschaft nach wie vor sehr stark das verhandeln, was laut Grundgesetz längst selbstverständlich sein sollte, nämlich die Gleichberechtigung der Geschlechter.
Es gibt Menschen, die Sie auch kennen und die die Gleichberechtigung schlichtweg zur Realität erklären. Das wird in den konkret geführten Debatten übrigens auch immer wieder deutlich. Punkt. Dass dem nicht so ist, stellen wir als ZGF jeden Tag wieder in unserer Arbeit fest. Gerade heute, am Tag der offenen Tür, bekommen wir wieder ganz viel mitgeteilt, egal, ob es um Lohnungleichheit bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit oder um Gewalterleben geht. So auch in den Jahren 2014 bis 2015, aus denen ich Ihnen heute zu berichten habe!
Wie Sie wissen, ist die ZGF in verschiedenen Schwerpunktbereichen aktiv. Dazu zählt seit Anbeginn die Bekämpfung der Gewalt an Frauen und Mädchen. Es gibt ganz viele Formen von Gewalt, die Frauen in Beziehungen und in der Familie erleben. Sie erleben sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz. Sie erleben Vergewaltigung, Cybergewalt und wie mit ihnen Handel getrieben wird.
Bis heute bleibt es deshalb eine unserer zentralen Aufhaben, hier Ursachen und Verantwortlichkeiten klar zu benennen. Gewalt auszuüben, ist eine Straftat. Sie muss angemessen verfolgt werden, und sie muss für Täter Konsequenzen haben.
Dass Bremen bei der Straftat Vergewaltigung weit davon entfernt ist, hat die vom Innensenator dankenswerterweise – ich bin ihm wirklich dankbar! – in Auftrag gegebene IPOS-Studie zu Verfahrensverläufen und Verurteilungsquoten bei Sexualstraftaten 2015 klar belegt. Die Verurteilungsquote liegt bei nur 5,5 Prozent. Nun wissen wir, dass ein Teil der Erklärung darin liegt, dass Verfahrensabläufe und Verhörmethoden verbessert werden müssen.
Die Umsetzung gilt es nun wirklich auch von Ihnen aus konsequent zu verfolgen, denn die Notwendigkeiten, die zu tun sind, liegen völlig klar bei Polizei, Staatsanwaltschaft und denen auf dem Tisch, die die veralteten und unverständlichen Informationsmaterialien überarbeiten sollen. Ich weiß, dass Sie die Erörterung des Umsetzungsberichts – ich glaube, im Rechtsausschuss – schon terminiert haben.
Für Frauen, die eine Vergewaltigung erlebt haben, ist das aber zu spät. Auch sie zu unterstützen, bleibt wichtig. Das ist zum einen sicherlich eine gesellschaftliche Aufgabe. Eine Vergewaltigung darf ebenso wie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht zum persönlichen Problem der Frau erklärt werden.
Wir als Gesellschaft sind verantwortlich dafür, welche Haltungen wir bereit sind, zu akzeptieren, ob wir wegschauen oder nicht. Politischer Wille ist auch notwendig, um ein Hilfesystem zu gewährleisten, das im Notfall wirklich Hilfe bietet. Zum Beispiel wurde bei der Finanzierung der Frauenhäuser im Berichtszeitraum mit einer ab 2016 auskömmlichen Sockelfinanzierung ein wichtiges Signal gesetzt. Es ist aber nur eine Sockelfinanzierung. Es bleibt bei einer personenbezogenen Finanzierung. Das heißt, je mehr geschlagen wird, umso auskömmlicher ist ein Frauenhaus finanziert. Das finde ich bedenkenswert.
Diese Einrichtungen leisten eine immens wichtige Arbeit, indem sie im Notfall Schutzräume mit qualifiziertem Personal bieten. Dieses muss unabhängig von aktuellen Belegungszahlen bezahlt werden, denn es muss immer offen für jede Not sein. Die Häuser benötigen dafür eine verlässliche Finanzierung, weil sie schlicht da sein müssen, wenn eine Situation so ausweglos ist, dass eine Frau – oft mit ihren Kindern – Zuflucht sucht.
Sie als Abgeordnete sind in der Lage, das auch in Zukunft dauerhaft und verlässlich zu gewährleisten.
Eine Baustelle im Hilfesystem ist bisher nicht geschlossen, nämlich der Datentransfer vom Gericht zu dem Verein „Neue Wege“ wegen der von uns gewollten aufsuchenden Arbeit bei betroffenen Frauen. Das klappt nach wie vor nicht, obwohl dies in anderen Bundesländern funktioniert.
Wir wissen, viele Täter haben in ihrer Kindheit Gewalt erlebt. Das erklärt etwas, aber entschuldigt es nicht. Gewalt erzeugt Gewalt. Die Situation von Kindern deshalb in den Blick zu nehmen, hatte der Bericht der durch die ZGF geleiteten ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Häusliche Beziehungsgewalt“ von 2014 angemahnt. Was passiert mit den Kindern und Jugendlichen, wenn Gewalt in einer Familie herrscht? Verschiedene Behörden werden aktiv, ja. Es greifen Gesetze, ja. Doch schildern uns Beteiligte immer wieder, die Interessen der Kinder und Jugendlichen geraten bei Konflikten und Gewalt in Familien be
Die ZGF hat deshalb gemeinsam mit dem Parlamentsausschuss für die Gleichstellung der Frau einen Fachtag für all diejenigen organisiert, deren Berufsalltag das ist, um einen Austausch über Abstimmungsbedarfe zu initiieren. Das sind zum Beispiel die Sozialarbeiter und die Polizistinnen oder die Richterinnen und die Case-Manager im Jugendamt. Das haben wir gewollt. Der Fachtag war mit über 150 Teilnehmenden ausgebucht. Das ist ein Zeichen dafür, wie notwendig er ist.
Der genannte Bericht, von dem ich gerade spreche, beschreibt auch, dass das bestehende Hilfesystem bekannter werden muss. Die ZGF hat ihren Teil dazu beigetragen, indem sie das Informationsangebot im Netz erweitert und Broschüren zu Hilfsangeboten in Bremen und Bremerhaven in vielen Sprachen aufgelegt hat. Diese kleinen, farbig-poppigen Unterlagen kennen Sie alle, glaube ich.
Informations- und Schnittstelle zu sein, ist im Übrigen eine wichtige Funktion der ZGF, eine, die wir sehr ernst nehmen und die wesentlich die Art und Weise bestimmt, wie wir arbeiten. Wir bringen Beteiligte an einen Tisch. Wir wollen mit ihnen Probleme analysieren. Wir wollen mit ihnen Lösungen initiieren. Wir stehen im Austausch mit anderen Verwaltungseinheiten, Institutionen, Interessensvertretungen verschiedenster Couleur und Betroffenen. Wir denken quer zu den Ressorts, weil unser Job eine Querschnittsaufgabe ist. Manchmal ärgert es mich nach 22 Jahren übrigens immer noch, dass die Ressorts immer so denken und wir immer so.
Querschnitt ist die Durchsetzung der Gleichberechtigung. Das mag bisweilen unbequem sein und ist übrigens oft ungeheuer kleinschrittig. Es bringt uns aber in der Sache voran. Wenn wir uns ein bisschen von dem kleinen Problembereich wegbeamen, merken wir auf einmal, dass wir Schritte gegangen sind.
Genauso tun wir das im Themenfeld „Gesundheit“, beispielsweise in dem bundesweit gesehenen starken Bündnis der Geburtshilfe. Wir wurden aufgefordert, am nationalen Gesundheitsziel zu arbeiten – das ist eine Auszeichnung für uns –, im Bereich „Mädchen und Bildung“ und in dem großen Feld der Arbeits-, Wirtschafts- und Familienpolitik, auf das ich zuletzt eingehen möchte.
Auch hier ist es noch immer nicht selbstverständlich, den Blick explizit auf die Lebenssituation von Frauen zu lenken und zu fragen: Warum sind Frauen am Arbeitsmarkt nach wie vor strukturell schlechter gestellt als Männer? Wieso sind so wenige Alleinerziehende wie nirgendwo sonst in Deutschland in Lohn und Brot?
Fast jede fünfte Frau ist hierzulande auf Transferleistungen des Staates angewiesen. Seit Jahren beobachten wir zudem, dass die Zahl der Rentnerinnen steigt, die eine Grundsicherung benötigen, um über die Runden zu kommen. Es gibt dafür viele Ursachen. Bessere Zugänge von Frauen zum Arbeitsmarkt zu schaffen, bleibt hier die dringliche Aufgabe. Das heißt auch, als Frau in gleicher Weise in Zukunftsbranchen Fuß fassen zu können wie ein Mann. Hier haben wir eine gemeinsame Aufgabe, wenn wir die bremische Wirtschaftsförderung in den Clustern so definieren, wie wir es getan haben. Um hier die Voraussetzungen zu verbessern, hat die ZGF die Belange von Frauen bei der Erstellung der „Strategie zur Sicherung des Fachkräftebedarfs“ – so heißt das Teil – eingebracht.
Ich muss Ihnen das so deutlich sagen: Frauen sind nicht nur als genießbare oder ungenießbare Kirsche auf der Sahnetorte zu berücksichtigen, sondern als Teil des Bodens!
Doppelt schwer haben es Alleinerziehende. Im Berichtszeitraum haben wir uns deshalb bemüht, ihre Situation in den Fokus und auf die politische Agenda zu rücken. Das hat gefruchtet. Wir sind froh darüber. Doch es gilt, weiter an Lösungen und Modellen sowohl bei der Frage nach ausreichenden Betreuungsangeboten für Kinder als auch nach flexiblen Arbeitszeitmodellen in Unternehmen für Mütter und Väter zu arbeiten. Vereinbarkeit ist kein Mütterthema allein. Es ist bitte auch eines für Väter.