Protocol of the Session on March 8, 2017

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Aktuell sind vier von fünf Alleinerziehenden mit zwei oder mehr Kindern auf staatliche Grundsicherung angewiesen. Das ist ein beschämender Wert. Eine wichtige Voraussetzung für nachhaltige Lösungen schaffen derzeit die Arbeitnehmerkammer und das Jobcenter, indem sie alle arbeitslosen Alleinerziehenden angeschrieben haben, damit diese in einem Fragebogen ausführlich beschreiben, was sie hindert, in Arbeit zu kommen. Die dringende Bitte an Sie ist: Nehmen Sie diese Zahlen und Ergebnisse ernst! Bauen Sie darauf auf, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen zu schaffen, um insbesondere Alleinerziehenden die Chance auf eine eigenständige Existenzsicherung zu ermöglichen!

Mit zwei Beispielen aus unserer Arbeit möchte ich schließen. Auf praktischer Ebene haben wir das Thema „Entgeltgleichheit“ bewegt. Übrigens besagt die für heute ganz aktuelle Zahl, dass die Lohnungleichheit im Lande Bremen 23 Prozent beträgt. Das heißt, wir sind von 25 Prozent auf 23 Prozent gekommen. Wir liegen damit immer noch über dem Bundesdurchschnitt, und wir liegen immer noch doppelt so hoch wie vergleichbare Großstädte. Die zwei Prozent sind unseres Erachtens dem Mindestlohn geschuldet.

„Geschuldet“ im Sinne von: Der Mindestlohn hat insbesondere Frauenlöhne richtig gehoben.

Wir haben das Pilotprojekt „Entgeltgleichheitscheck“ für zwei landeseigene Betriebe im Land Bremen initiiert und in Kooperation mit dem Wirtschaftsressort und dem Europäischen Sozialfonds begleitet. Wir haben dort ein Entgeltgleichheitscheckverfahren durchführen lassen. Dieser Check sollte im Grunde Anstoß sein, sich die internen Gehaltsstrukturen kritisch anzusehen. Das können alle anderen auch. Ich glaube, das sollten sie auch tun.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Um etwas zu verändern, braucht es Anstöße. Manchmal können sie Initialzündung sein, um neue Wege einzuschlagen. Das gilt für Unternehmen wie für individuelle Lebenswege. Aus unserer Sicht bedarf es deshalb – das ist das zweite Thema meines Schlusses – zukünftig größerer Anstrengungen, das Thema „Berufsorientierung“ anzugehen, um echte Chancengleichheit herzustellen. Denn die gelebte Realität der Berufsorientierung hinkt weit hinter dem her, was eigentlich getan werden muss und auch getan werden könnte.

Warum entscheiden sich noch immer wenige junge Frauen für einen Beruf in derzeit männerdominierten Branchen, die übrigens oft gutes Geld versprechen? Dies als ausschließlich individuelle Entscheidung oder sogar Fehlentscheidung abzutun, verkennt einen ganz wichtigen Kern. Wir lernen Rollenbilder und geben sie weiter.

Wer sich selbst als fortschrittlich bezeichnet, sieht seine oder ihre Tochter noch lange nicht in der Technologiebranche. Da müssen wir uns ein bisschen ans eigene Revers fassen. Das belegen nämlich Studien noch und nöcher. Traditionelle Berufszuschreibungen und niedrige Entlohnungen in den bestimmten Berufsfeldern entlang der Geschlechterlinie gehören endlich ernsthaft hinterfragt!

(Beifall)

Wir haben das Jahr 2017. Manchmal fragt man sich: Wo sind wir eigentlich?

Ich möchte Ihnen nur ein wunderschönes und wirklich wunderbares Beispiel dafür nennen, was wir manchmal tun. Es tut der Seele gut. Die ZGF führt deshalb unter anderem die Aktion „Klasse-Frauen“ fort. „Klasse-Frauen“ ist ein Wortspiel: Klasse Frauen gehen in Klassen, in Schulklassen. Einmal im Jahr – gerade wieder in dieser Woche – gehen Frauen mit interessanten Berufsbiografien in Bremer Schulklassen und erzählen Mädchen und Jungen aus ihrem Job. Sie erzählen von der Feuerwehrfrau bis zur Geschäftsführerin, wie sie wurden, was sie sind.

In Bremerhaven bieten wir gemeinsam mit der Hochschule das Schnupperstudium für Mädchen an. Es

ist übrigens ein Leuchtturm weit über Bremerhaven hinaus, was dort geschieht.

(Beifall Abg. Dr. Buhlert [FDP])

Das macht jetzt der Bremerhavener Herr Hinz. Das ist richtig. Das ist wirklich großartig, was dort passiert.

Es tut mir leid, nichts anderes sagen zu können als: Von der Verwirklichung der Gleichberechtigung sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Ich kann Ihnen aber versprechen, wir bleiben dran. Es geht auch nur gemeinsam mit Ihnen. Sie sind für uns auch eine Bank. – Herzlichen Dank!

(Starker Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter Herr – –! Nein, Entschuldigung. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was für ein Fauxpas am heutigen Tag!

(Zuruf)

Sehr geehrte Frau Ulrike Hauffe! Ich finde es großartig, dass wir es so entwickeln konnten, dass wir heute, am 8. März, diesen ZGF-Bericht besprechen. Das finde ich aus mehrfachen Gründen, auf die ich noch eingehen möchte, wirklich gelungen. Wir haben in unserem Gleichstellungsausschuss einen Antrag zum 20. Bericht erarbeitet. Auch das halte ich für eine bemerkenswerte Zusammenstellung. Wir haben ihn beraten und letztlich unseren Antrag verfasst.

Ich finde es sehr beeindruckend, was in diesem Bericht steht. Ich möchte darauf im Folgenden eingehen. Lassen Sie mich aber zuerst eines sagen. Im Intro steht, wenn man einen Blick in den ersten Bericht aus 1982 wirft, dann zeigt sich, dass sich an den Arbeitsfeldern kaum etwas geändert hat. Wörtlich steht dort:

„Noch immer gibt es strukturelle Benachteiligungen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt, geschlechtsspezifische Rollenverteilungen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebenso wie das Berufswahlverhalten beeinflussen, und es gibt nach wie vor Gewalt, die explizit Frauen trifft.“

Genau das war es 1982 auch. Das war vor 35 Jahren. Meine Damen und Herren, 35 Jahre sind im historischen Ablauf nichts, gar nichts! Ich kann Ihnen das als Historikerin sagen. Bedenken wir, wie lange es gedauert hat, bis das Frauenwahlrecht tatsächlich durchgesetzt war, oder bis Frauen arbeiten durften, ohne dass ihr Mann dazu Ja oder Nein sagen musste, oder bis die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt wurde. Wir haben kein besonders hohes Tempo in der Bekämpfung des Patriarchats. Es bewegt sich aber auch etwas. Das ist auch zu konstatieren.

Auch der heutige Bericht illustriert uns deutlich die Knackpunkte bei der Umsetzung von Gleichberechtigung, von der Berufswahl über die traditionellen Geschlechterrollen bis zum Gender Pay Gap. Die aktuelle Zahl haben wir gerade zu hören bekommen. Es geht um Altersarmut und auch um die prekäre und sensible Lage gerade bei geflüchteten Frauen. Es geht natürlich auch, um einen weiteren Schwerpunkt in diesem Bericht zu nennen, um die Gesundheitsversorgung. Hier wurden eben besonders die Geburtshilfe oder die zunehmende Zahl von Essstörungen in den Blick genommen.

Es ist vollständig unmöglich, zu diesem Bericht die gesamten Inhalte und die Arbeit zu referieren. Ich möchte anerkennend betonen, dass die ZGF all diese Themen bearbeitet, die in den einzelnen Ressorts jeweils auch bewegt werden und, wie ich finde, deutlich genderspezifischer bewegt werden müssen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte nur zwei Punkte herausgreifen. Das eine ist die Vereinbarkeit. Wir haben das heute Morgen sehr intensiv diskutiert. Ich finde, wir hatten dazu eine sehr gute und durchaus interessante Debatte, die deutlich gemacht hat, dass wir in der Lage sind, die Situation zu reflektieren, und dass wir auch in der Lage sind, die Knackpunkte und die benötigten Möglichkeiten deutlich auszubauen. Das ist so. Wenn ich mir ansehe, dass Mädchen deutlich seltener ihren Wunschberuf wählen können, wie es in diesem Bericht dargestellt wurde, wenn ich sehe, welche geschlechtsspezifische Berufsorientierung es immer noch gibt, die sehr früh in der Prägung zwischen Männern und Frauen und zwischen Jungen und Mädchen verankert sind, dann ist das natürlich bedenklich.

Ein Beispiel möchte ich kurz herausgreifen. Das ist der EG-Check. Wir hatten eigentlich vor, dass auch im öffentlichen Dienst welche unter die Lupe genommen werden. Die WFB stand auf der Liste. Leider hat sich da bislang nichts bewegt. Das ist ein Feld, an dem wir unbedingt dranbleiben müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Einen zweiten Punkt möchte ich benennen, den ich wichtig finde, weil er in der letzten Zeit besonders virulent geworden ist. Das ist die Integration. Wir haben hier geflüchtete Frauen, die Gewalterfahrungen gemacht haben. Wir haben für sie Möglichkeiten geschaffen. Diese reichen immer noch nicht aus. Wir müssen aber auch darüber nachdenken, was Arbeitsmarktintegration, was Qualifizierung für diese Frauen heißt. Diese Integrationsbedarfe sind aber nicht erst in den letzten Jahren entstanden. Die haben wir vorher auch schon gehabt. Das heißt also, Migrantinnen sind letztlich immer unter einem besonderen Augenmerk einzubeziehen. Was tun wir dafür? Welche Unterstützung gibt es? Welchen Beratungsbedarf gibt es? Vor

allen Dingen: Welche Qualifizierungen bekommen wir in dem Zusammenhang realisiert?

Auf den Aspekt der Gewalt gegen Frauen ist Frau Hauffe schon ausführlich eingegangen. Das möchte ich jetzt nicht noch einmal referieren, auch deshalb nicht, weil wir gleich noch einen Tagesordnungspunkt zu dem Thema behandeln. Dort kommt das sicherlich auch zur Sprache.

Ich möchte abschließend auf einen wichtigen Aspekt des Berichts hinweisen. Er liegt darin, dass wir Gegenwind bekommen. Rechte Politik und populistische Parolen machen klar, dass es auch bezüglich frauenpolitischer Auseinandersetzungen durchaus schwieriger wird. Es sind wieder Dinge en vogue, von denen wir nicht gedacht hätten, dass sie wieder Raum greifen. Dass alles, was nicht der heterosexuellen Norm entspricht, wieder stärker unter Rechtfertigungszwang gerät, muss uns Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Das halten wir jedenfalls für eine ganz schwierige Auseinandersetzung.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Dieser Fokus wird uns selbstverständlich begleiten. Das ist etwas, was die ZGF nicht nur begleitet, sondern auch mitgestaltet hat. Ich möchte mich am Ende meines Berichts auch im Namen des Ausschusses bedanken. Insbesondere gilt mein Dank Ulrike Hauffe und natürlich ihrem professionellen und wirklich sehr gut aufgestellten Team. Jede Einzelne macht dort einen sehr guten Job.

(Beifall)

Zum Schluss möchte ich mich dem Dank gern persönlich anschließen. Ich bin jetzt seit knapp sechs Jahren Ausschussvorsitzende. Seit dieser Zeit arbeite ich eng mit Ulrike Hauffe und der ZGF zusammen. Das war, ehrlich gesagt, etwas, was ich als großartige Säule und Basis meiner Arbeit empfunden habe. Auch dafür herzlichen Dank! – Danke schön!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Hauffe, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mit den Worten an, mit denen Frau Bernhard aufgehört hat. Ich möchte mich im Namen meiner ganzen Fraktion ganz herzlich für eine hervorragende, nachhaltige und für manche in diesem Land vielleicht auch nervige Arbeit der Landesfrauenbeauftragten bedanken,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

die genau am richtigen Platz und an der richtigen Stelle war. Vielen Dank dafür!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben heute Morgen in der Aktuellen Stunde schon sehr ernsthaft viele Themen diskutiert, die sich auch im 20. Bericht der ZGF wiederfinden. Es ging heute Morgen um die Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da haben wir relativ viel Nachholbedarf. Es ging um prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Es ging um die prekäre, um nicht zu sagen oft miserable Situation von Alleinerziehenden. Es ging um Altersarmut von Frauen, die ein Ergebnis der bisher benannten Punkte waren. Es wird im Anschluss an diese Debatte noch um Gewalt gegen Frauen gehen. Frau Hauffe hat es in ihrem Bericht schon erwähnt.

Alle diese Themen sind im Bericht benannt: Was haben wir bisher gemacht? Wo war die ZGF besonders stark? Welche Fortschritte haben wir da zu verzeichnen? Aber eben auch: Welche Defizite haben wir nach so viel engagierter Arbeit im Land Bremen immer noch zu verzeichnen? Auch wenn Frau Bernhard mit den langen Zeiträumen gnädig ist 35 Jahre, von diesem zitierten Bericht , bin ich im Hinblick auf das Tempo ein bisschen ungeduldiger. Ich finde, wir brauchen für die kleinen Schritte einfach viel zu lange. Natürlich sind wir froh, dass es die kleinen Schritte gibt. Ich wünsche mir, dass das demnächst ein bisschen größere Sprünge werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Themen, die in diesem ZGF-Bericht nicht benannt sind, aber natürlich zur Arbeit der ZGF gehören und wo auch viel gemacht wird, sind zum Beispiel die prekäre Beschäftigung von Frauen in der Wissenschaft und Forschung sowie die Anerkennung von Lebensrealitäten und von Gewalterfahrungen in der Justiz. Wo sind die Frauen im Städtebau? Ich finde, auch das ist eine interessante Frage. Darüber habe ich auch mit meiner Fraktion noch einmal zu sprechen. Die Lebensrealitäten von lesbischen Frauen in Bremen! Ein Thema, das aktuell auch nicht besonders häufig und öffentlich besprochen wird, obwohl diese Frauen wirklich auf eine unabhängige und eigenständige Existenzsicherung angewiesen sind, weil sie in der Regel keine Männer heiraten werden.

Alle diese Fragen sind Fragen, die noch offen sind, die wir weiter behandeln wollen und bei denen wir statt kleiner Schritte eben auch ein paar größere Sprünge erwarten können.

Wir haben es heute Morgen schon gehört: Im letzten Jahr ist die Berechnung von der Bertelsmann Stiftung herausgekommen. Wenn wir, wie bisher, in den Trippelschritten weitermachen erfolgreich, aber dennoch Trippelschritte , nämlich mit einem