Jetzt möchte ich doch noch einmal eine Gelegenheit ergreifen, weil ich mir die Mühe gemacht habe, Ihre
Pressemitteilung zu dieser Aktuellen Stunde anzuschauen, liebe Frau Steiner. Senatorin Dr. Bogedan und Kollege Dr. Güldner haben gesagt, wo wir im oberen Feld und wo wir im mittleren Feld stehen. Nur in zwei Bereichen stehen wir unten. Deshalb möchte ich jetzt die Zeit nutzen, die ich hoffentlich noch habe. Ich zitiere aus Ihrer Pressemitteilung, Frau Steiner:
„FDP-Fraktionschefin/Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner konstatiert: ‚Das Bremer Bildungssystem ist ein Trümmerhaufen.‘“
Liebe Frau Steiner, das Bremer Bildungssystem besteht aus Grundschulen, aus Oberschulen, aus Gymnasien und aus Berufsschulen. Dazu gehören die Lehrerinnen und Lehrer, Sonderpädagogen, Verwaltungskräfte, Schulsozialarbeiter, Hausmeister und viele weitere. Diese bezeichnen Sie pauschal als Trümmerhaufen.
Schulen, die für den Deutschen Schulpreis nominiert werden, Schulen, die den Deutschen Schulpreis bekommen, sind in Ihren Augen ein Trümmerhaufen, Frau Steiner. Schulen, die es schaffen, dass Menschen, die gar kein Wort Deutsch sprechen, binnen weniger Jahre in diesem Schulsystem sogar das Abitur erreichen, sind in Ihren Augen ein Trümmerhaufen.
Lehrkräfte, die sich jeden Tag mit den Problemen beschäftigen, die Schüler heutzutage von zu Hause mit in die Schule bringen, sind in Ihren Augen ein Trümmerhaufen. Wenn Sie sich wirklich ernsthaft mit dieser Studie beschäftigt hätten, wüssten Sie, wie absurd Ihre Aussage ist. Was denken Sie sich eigentlich, wenn Sie die Schulen und die Lehrkräfte in diesem Land öffentlich so mit einer Pressemitteilung beleidigen? Ich finde, hier wäre eine Entschuldigung von Ihrer Seite angebracht!
(Beifall SPD – Abg. Frau Steiner [FDP]: Im Leben nicht! – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Reden Sie doch einmal mit den Lehrern, was die dazu sagen!)
„Die FDP erwarte von der Bildungssenatorin Claudia Bogedan ‚endlich Lösungen, wie das Bremer Schulsystem schnellstmöglich verbessert werden kann‘.“
Rot-Grün hat sich immerhin mit der CDU gemeinsam auf den Weg gemacht und einen Weg eingeschlagen, vor dem Sie sich als Partei 2009 kurz vor Toresschluss noch gedrückt haben. Welcher Vorschlag kam denn?
„Lencke Steiner beklagt, dass die Qualität des Bremer Schulsystems seit Jahren abnimmt und Rot-Grün sich in Ausreden flüchte.“
Sie können der Studie entnehmen, dass diese Aussage falsch ist. Das habe ich mehrfach zitiert. Das bestätigen die Bertelsmann Stiftung und Bildungsforscher wie Wilfried Bos.
(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau Stei- ner [FDP]: Dann nennen Sie doch einmal die Fakten! Warum ist denn das Bremer Schulsystem schlechter? Reden Sie doch einmal darüber!)
Jetzt erwähnen Sie immer wieder, Neuntklässler in Bremen hinkten im Vergleich zu denen aus Niedersachsen mehr als zwei Schuljahre hinterher. Aus Ihrer Sicht gebe es keine Besserung. Dann schreiben Sie – ich zitiere weiter –:
„Da fallen hohe Abiturientenquote und Zahlen bei der Inklusion für die FDP auch nicht mehr ins Gewicht. Aufgrund des ‚unterirdischen Leistungsniveaus und der schlechten Qualität‘ sei das auch kein wirklicher Erfolg.“
Für Sie ist also die Momentaufnahme der neunten Klasse, die ich nicht schönreden möchte, wichtiger und wegweisender als das, was die Schüler an Abschluss erreichen? Die Inklusion, die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention ist für Sie unwichtig, weil Ihnen die Teilhabe von Menschen am allgemeinbildenden Unterricht unwichtig ist?
(Abg. Frau Steiner [FDP]: Ganz bestimmt nicht! Sie sollten das besser wissen und nicht irgendwelche Behauptungen in den Raum stellen!)
Diese Geisteshaltung war jene, die viele Menschen in diesem Land jahrzehntelang ausgegrenzt hat. Ich zitiere den Bildungsforscher Wilfried Bos dazu:
„Heterogenität macht sich positiv bemerkbar, wenn die Spannbreite im Rahmen bleibt. Sie führt dazu, dass schwache Schüler besser werden.“
Auch dazu gibt es eine Untersuchung. Wenn Sie schon keine Ahnung haben, dann machen Sie sich wenigstens die Mühe und hören sich die Bildungsexperten in Deutschland an. – Vielen Dank!
Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Thomas vom Bruch. Herr Kollege, Ihre Restredezeit beträgt vier Minuten.
Herr Präsident! Ich glaube, ich werde sie nicht benötigen. Die letzten beiden Beiträge haben mich jetzt aber doch provoziert, ein paar Worte dazu zu sagen.
Frau Steiner, Sie haben hier eingangs eine Rede gehalten, über die ich aus meiner Warte sage: Das war zum Teil grenzwertig. Ich hätte sie so nicht gehalten.
Jetzt kommt das Aber. Das, was eben eingangs von der Senatorin und auch von Ihnen, Herr Güngör, dazu gesagt worden ist, finde ich ebenso unangemessen. Ich finde es nicht richtig, dass pauschal in einer Art und Weise, die ich nicht unterstütze, Kritik an der Kritik geübt wird. Es muss im Rahmen einer solchen Debatte, in der es um den Chancenspiegel geht, möglich sein, auch in einer etwas generalisierten Art und Weise über Bildung in Bremen zu reden,
(Abg. Güngör [SPD]: Die dürfen pauschal kritisie- ren, aber ich nicht, ja? Sie können Ihre Rede noch zehnmal halten!)
Mich stört auch Folgendes: Herr Güngör, Sie haben in vergangenen Debatten immer wieder gefordert, wir sollten sagen, wo wir was ändern möchten. Darum habe ich mich zum Beispiel heute bemüht.
Wenn ich das richtig verstehe, hat die Kollegin Vogt das auch getan. Ich finde, es gehört in einer solchen Debatte nicht nur dazu, zu sagen, was im Chancenspiegel steht, sondern auch, welche Konsequenzen wir daraus ziehen möchten. Das habe ich bei Ihnen vermisst, Herr Güngör.
Deshalb muss ich ganz offen auch an Sie, Frau Senatorin, gerichtet sagen: Mit Kritik muss man souverä
ner umgehen als Sie das tun. Dünnhäutigkeit ist bei diesem wichtigen Thema, bei dem es kontroverse Erkenntnisse und Einstellungen in dieser Stadt gibt, völlig unangemessen. Ich sage ganz offen, das ist mir in der Vergangenheit schon ein bisschen aufgefallen.
Eines darf ich auch noch zum letzten Teil Ihrer Bemerkungen sagen, Herr Güngör. Sie sollten hier bei aller Kontroverse nicht den Eindruck erwecken, dass Sie am Ende des Tages einen solchen Chancenspiegel dazu nutzen, die Situation von Bildung in diesem Land schönzureden, denn dazu gibt es keinen Anlass. – Herzlichen Dank!