Mir ist eben noch einmal bewusst geworden, dass das Parlament gar nicht weiß, wie viele Bremer und Bremerhavener Firmen inzwischen auditiert sind, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, was die Arbeitgeber hier im Land schon getan haben und auch noch tun wollen, damit Frauen nicht dauerhaft ausgeschlossen sind, wenn das erste Kind oder das zweite Kind kommt. Die Arbeitgeber tun etwas dafür, dass junge Väter auch der Erziehungsarbeit nachgehen können. Frau Dr. Kappert-Gonther hat das anhand des Beispiels des Arztes geschildert. An der Stelle ist jede Menge passiert. Wir müssen stolz darauf sein, dass wir die erste Handwerkskammer in Deutschland haben, die die Kindertagesbetreuung mit einer Großtagespflegestelle, den Handwerkszwergen, umgesetzt hat. Die haben in ihrem Fort- und Ausbildungszentrum schon 2011 die ersten Grundsteine dafür gelegt, eine Kindertagesbetreuung für Frauen – sie haben auch gleich gesagt: „und für junge Väter“ – einzurichten. Ich finde das großartig. Wir sollten allen in der Republik erzählen, wie fortschrittlich die Bremer Unternehmen sind.
Ich kann daran anknüpfen, dass sich die Sparkasse Bremen und die Bremer Heimstiftung zusammengetan und in der Kindertagesbetreuung etwas getan haben. Sie haben auch den Bereich Pflege aufgegriffen und umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um ihre Belegschaft in diesen verschiedenen Familienphasen zu unterstützen. Nicht zuletzt stellt Bremerhaven mit Ingo Kramer den Präsidenten des Bundes der Arbeitgeber, einen Vater von vier Kindern, der dieses Thema ganz selbstständig anspricht und auf Bundesebene thematisiert. Darüber bin ich sehr froh, ist das Parlament sehr froh. Darauf ist der Senat sehr stolz, dass wir nicht, wie noch von 99 Jahren, die Welt erklären und sagen müssen, dass es wichtig ist, dass sich auch Arbeitgeber dafür interessieren und es eben auch ein Thema für Männer und für die Personalabteilung ist.
Mittlerweile sind die meisten Ressorts auditiert, so wie die Hochschulen und Universitäten auch. Ich weiß nicht, wie das mit dem Parlamentsbetrieb ist, Herr Präsident, ob es hier auch schon ein Audit gibt. Ich erlebe, dass viele Betriebe in unserem Ressort nachfragen, wie das geht, ob sie sich beteiligen können und was das kostet. Wir ermutigen die Unternehmen, sich an diesen Auditierungen zu beteiligen. Es gibt Hilfestellungen, wie man die Arbeitsprozesse noch verbessern kann.
Ich möchte noch ein Beispiel aus Bremerhaven nennen. Das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven hat sich bereits vor Jahren, schon vor 2011, der Herausforderung gestellt, Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Das Alfred-Wegener-Institut hat sogar einen eigenen Unternehmenspädagogen eingestellt, der die Familien ständig im Unternehmen begleitet.
Dort arbeiten Menschen aus unterschiedlichen Professionen. Dort arbeiten Wissenschaftler, die manchmal sehr kurzfristig zu Vorträgen in die Welt aufbrechen müssen. Das Alfred-Wegener-Institut kümmert sich in dieser Zeit um die Kinder, kümmert sich darum, dass die Kinder betreut werden, organisiert ein Ferienprogramm und organisiert auch Praktika. Ich finde das sehr vorbildlich. Auch der Kindergarten gehört ganz selbstverständlich dazu, so wie es mittlerweile auch EADS und Astrium nachgemacht haben. Die bremische Evangelische Kirche hat seit 2002 das Thema betriebsnahe Kinderbetreuung auch ganz stark vorangetrieben.
Klar, es gibt noch jede Menge zu tun. Das haben die Debattenrednerinnen und -redner hier auch vorgetragen. Es gibt aber auch unheimlich viel, worauf wir stolz sein können, Dinge, auf die wir aufbauen und von denen wir lernen können. Es gibt jede Menge Best-Practice-Beispiele.
Ich komme jetzt zu dem Punkt Elterngeldstelle. Auch hier muss ich sagen, dass es noch viel zu tun gibt. Wir haben neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingearbeitet. Sie haben jetzt zusätzliche Arbeitszeiten geleistet. Die Kolleginnen und Kollegen gehen jetzt in sehr kurzer Zeit wiederholt zweimal in die Samstagsarbeit, und die Ablauforganisation wird optimiert. Das sind Sachen, mit denen man nicht zufrieden sein kann, bei denen wir aber noch einmal schauen, wie wir mit dem Einsatz neuer Medien insgesamt – da gibt es noch Entwicklungsmöglichkeiten – bestimmte Dinge noch besser optimieren können.
Frau Ahrens hat angesprochen, sie befürchte das Schlimmste beim Unterhaltsvorschuss. Frau Ahrens, vielleicht lassen Sie uns erst einmal arbeiten. Wir sind schon dabei, das Gesetz umzusetzen. Ich finde es sehr erfreulich, dass wir Verbesserungen für die Alleinerziehenden bekommen, dass 5 800 Kindern und Jugendlichen durch die Reformierung des Unterhaltsvorschusses zusätzliche Leistungen gewährt werden. Die Höchstbezugsdauer von 72 Monaten wird aufgehoben, und die Höchstaltersgrenze von derzeit zwölf Jahren wird bis auf das 18. Lebensjahr heraufgesetzt. Das ist auch eine Debatte, die wir hier im Parlament viele Jahre geführt haben. Es ist sehr gut, dass die Bundesministerin, die heute Morgen auch im Fernsehen zu sehen war, das als einen sehr deutlichen frauen- und familienpolitischen Erfolg gefeiert hat.
Zum Abschluss möchte ich noch einmal sagen, dass das Thema Teilzeitausbildung auf der Tagesordnung steht. Es wird noch über Angebote für Alleinerziehende debattiert. Diese Debatte wird der Wirtschaftssenator führen. Er wird dann auch noch einmal deutlich machen, was derzeit gemeinsam mit dem Jobcenter geplant ist. Die Finanzsenatorin hat mir mit auf den Weg gegeben, dass der öffentliche Dienst
in Bremen einer der bundesweiten Vorreiter ist, was Teilzeitausbildung angeht. Wir versuchen, über das Bündnis, das wir seitens des Senats gemeinsam mit den Kammern geknüpft haben, auch dieses Thema in die freie Wirtschaft zu transportieren. Dort liegen wirklich Chancen für junge Mütter.
Wir beobachten, dass sich gerade Frauen mit kleinen Kindern in den Armutslebenslagen befinden. Wenn die Kinder älter werden, so zeigen uns aber auch die Armutsberichte, kommen die Frauen aus dieser Situation heraus. Wichtige Faktoren sind eben abgeschlossene Berufsausbildung, auch eine Teilzeitausbildung, die man durchlaufen hat, aber auch Chancen, die man durch die Förderung des Chefs bekommen hat.
Als ich 1992 mein Diplom gemacht hatte, wollte ich promovieren. Ich hatte einen Studienabschluss, der mir auch die Möglichkeit gegeben hätte, ein Stipendium zu bekommen. Ich stand dann vor einem Professor an einer niedersächsischen Universität, und auf meine Frage, wie das dann mit dem Promovieren ablaufe, sagte er: „Wissen Sie, Anja, Sie sind jetzt in dem Lebensalter, in dem auch bald Kinder kommen. Ich glaube, das hat nicht so einen Zweck, jetzt an der Universität zu promovieren.“ 1992! Ich wünsche mir zum Internationalen Frauentag, dass das keine junge Frau im Alter von 23 Jahren mehr hören muss, die einen höherwertigeren Bildungsabschluss oder einen Top Job anstrebt, die im Unternehmen aufsteigen will und die zeigt, dass sie leistungsfähig ist.
Frauen mit Kindern sind sehr engagierte Mitarbeiterinnen. Sie leisten Enormes. Das gilt auch für die jungen Väter, denen man oft nachsagt, sie leisteten viele Überstunden, wenn sie kleine Kinder haben. Junge Eltern sind sehr leistungswillig. Das müssen wir einfach als Gesellschaft erkennen und anerkennen.
Eine letzte Bemerkung! Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehören auch die Arbeitszeiten. Das wünsche ich mir auch für den politischen Betrieb. Das gilt für den Senat, wie für das Parlament, wie für die Beiräte. Frauen wollen sich engagieren. Politik wird sich nur verändern, wenn sich Frauen engagieren. Wenn wir aber Sitzungszeiten haben, die gerade dann liegen, wenn die Kita geschlossen hat oder man mit seinen Kindern zum Zahnarzt oder zum Sport muss, werden wir bestimmte Mauern nicht einreißen.
dass die Oberschule Am Waller Ring eine sehr fleißige Schule ist und unser Haus besucht. Heute Morgen, zu Beginn unserer Sitzung, waren die Klassen 8a und 8c anwesend. Jetzt sind die Klassen 8 b und 8 d da.
Chancen im Spiegel der Wirklichkeit – Anspruch und Realität im Bremer Bildungssystem. Ergebnisse des Chancenspiegels 2017.
Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schüler! Schön, dass ihr da seid. Gerade bei einer solchen Debatte ist es wirklich sinnvoll. Unsere Bremer Bildungstragödie hat nämlich einmal wieder einen neuen Höhepunkt erreicht. Das Chancenprofil der Bertelsmann Stiftung bestätigt einmal wieder die katastrophalen Ausmaße Ihrer Bremer Bildungspolitik.
Gerade in den wichtigsten Bereichen sind wir einmal wieder die Schlechtesten. Zum einen betrifft es die Schulqualität. Die Schulqualität ist nun einmal der wichtigste Indikator in unserem System. Die ist und bleibt ein Desaster.
Zweitens die soziale Herkunft! Auch die soziale Herkunft ist nach wie vor entscheidend für den Bildungserfolg der Bremer Schülerinnen und Schüler. Verdammt noch einmal, das kann doch nicht wahr sein! Die Kinder können doch nichts dafür, aus welchem Elternhaus sie stammen. Sie sind auch nicht blöder als die anderen Kinder. Wir bekommen es nicht hin, diesen Kindern – damit allen Kindern – die gleichen Chancen zu ermöglichen. Das ist das wirkliche Armutszeugnis dieser rot-grünen Koalition.
Diese Schulpolitik ist, wenn man es genau nimmt, sogar sozial ungerecht. Sie verwehren den Kindern die Chance auf Entwicklung und damit auf Zukunft. Jetzt erzählen Sie mir nicht, das sei neu, die Herausforderungen mit den Zugewanderten seien anders und so weiter. Sicherlich sind die Herausforderungen komplexer geworden. Sicherlich sind die Herausforderungen auch größer geworden. Fakt ist aber auch, dass Sie als rot-grüne Koalition hier seit zehn Jahren die Macht haben, etwas zu verändern, zu verbessern
Im Prinzip kann man das mit den Bremer Schülerinnen und Schüler vergleichen, die weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Selbst der Rechnungshof hat in seinem Bericht vor vier Jahren in 2012 eingehend vor der Schulpolitik gewarnt. Schon damals war offensichtlich, dass die Gelder niemals ausreichen werden. Schon damals wurden Sie ermahnt, mehr Lehrer- und mehr Förderstellen zu schaffen. Doch was taten Sie? Nichts! Sie haben es ignoriert. Sie haben diese Warnung schon damals ignoriert. Bremen gibt im Bundesdurchschnitt auch im Doppelhaushalt 2016/2017 wieder am wenigsten Geld für jeden einzelnen Schüler aus. Gerade einmal 6 400 Euro beträgt das Budget pro Schüler. Damit sind wir meilenweit von all den anderen Bundesländern entfernt. Auf uns folgen Berlin mit 7 800 Euro und Hamburg mit 8 100 Euro. Bei aller Liebe zu den Stadtstaaten, in diesem Bereich dürfen diese beiden Länder kein bildungspolitisches Vorbild für uns sein. Sie sind gerade im Bereich der Bildung eben auch echt schlecht.
Wissen Sie, wie weit Sie die Bremer Eltern in ihrer Verzweiflung schon getrieben haben? Diese erklären sich mittlerweile schon fast mit einem niedrigen Mittelmaß an Bremer Schulen und der Schulqualität zufrieden. Keiner, wirklich niemand, möchte für sein Kind Mittelmaß, schon gar nicht, wenn es um die Zukunft geht. Wir machen das Gedankenspiel einmal mit. Was ist denn Mittelmaß? Nur, um auf das Niveau von Hamburg und Berlin zu kommen – ich erinnere: dahin möchten wir eigentlich gar nicht –, bräuchten wir pro Jahr 100 Millionen Euro mehr. 100 Millionen Euro! Wir können uns die Zahl einmal merken. Wir benötigen sie später noch einmal.
Das ist doch eine Aussage. Sie wurde bereits vor vier Jahren getätigt. Also verstecken Sie sich nicht immer hinter diesen leeren Versprechungen! In diesem Land passiert nun einmal leider nichts, wie man sieht.
Sie möchten die Probleme aussitzen. Sie verspielen damit die Zukunft unserer Kinder und damit auch die Zukunft unseres Landes. Das ist so ignorant, dass es einen wahnsinnig macht.
Sie würden alles schon kennen und es sei gar nicht so schlimm, schauen wir uns einmal die harten Fakten an. Machen wir doch einmal den Spaß. Zwei Jahre der rot-grünen Koalition sind um.
Dann kann man erwarten, dass zumindest oder ansatzweise 50 Prozent der Versprechen umgesetzt sind. Also startet jetzt der rot-grüne Koalitionsfaktencheck.
Erstens: Sie haben versprochen, Schulen bei der Umsetzung der Inklusion zu unterstützen. Wie sieht es wirklich aus? Seit 2009 gilt der Auftrag, dass sich die Schulen inklusiv entwickeln sollen. Das ist also nichts Neues. Förderschulen wurden fast gänzlich abgeschafft. In 2016 haben die Schulleitungen aus dem Bremer Westen einen Brandbrief geschrieben, weil die Lage katastrophal ist.
Von den räumlichen Voraussetzungen ganz abgesehen, fehlt es an Sonderpädagogen, Lehrern und Assistenzkräften. Fakt ist: Auf dem Papier sieht die Inklusion gut aus. Sie scheitert aber an der finanziellen und personellen Ausstattung! Dass die Inklusion um 20 Millionen Euro pro Jahr unterfinanziert ist, war übrigens auch schon 2012 im Bericht des Rechnungshofs zu lesen.
Fakt zwei, zweites Versprechen: Investitionen in die Qualitätsentwicklung des Unterrichts! Das klingt grandios. Bisher konnten wir aber leider keine Verbesserung feststellen. Die Unterrichtsqualität sollte schließlich vom Lern- und Entwicklungsstand der Schüler abzulesen sein. Was ist die traurige Realität? Realität ist, dass Bremens Schüler in den Kernbereichen Lesen, Schreiben und Rechnen zu großen Teilen nicht einmal Mindeststandards erreichen. Gerade das ist doch das Entscheidende. Wir fordern schon seit langer Zeit eine Konzentration auf die Kernfächer. Es ist auch schön, dass Schüler Ausflüge machen und bei „Bremen räumt auf.“ mitmachen. Das kann aber doch bei aller Liebe nicht Priorität sein. Es ist ein Bonus, in dem Fall aber nicht das Prioritäre.
Wir sehen doch schon innerhalb Bremens krasse Unterschiede. Wir brauchen gar nicht so weit schauen. Wir brauchen nicht in andere Bundesländer sehen. Innerhalb Bremens gibt es krasse Unterschiede in der Schulqualität. Einige kommen lachend aus den Abiturprüfungen und sagen: Boah, wie einfach! Was ist mit den anderen? Die anderen fluchen und protestieren, weil es so sauschwer war und sie es nicht geschafft haben.
Ich möchte gar nicht nach Sachsen als Vorbildland schauen, denn dann wird mir angst und bange. Wissen Sie, dass ein Neuntklässler aus Bremen im Vergleich zu einem Neuntklässler aus Sachsen einen Lernrückstand von drei Jahren hat? Das ist wirklich unglaublich und überhaupt nicht mehr hinnehmbar!