Protocol of the Session on March 8, 2017

Ich möchte gar nicht nach Sachsen als Vorbildland schauen, denn dann wird mir angst und bange. Wissen Sie, dass ein Neuntklässler aus Bremen im Vergleich zu einem Neuntklässler aus Sachsen einen Lernrückstand von drei Jahren hat? Das ist wirklich unglaublich und überhaupt nicht mehr hinnehmbar!

(Beifall FDP)

Auch in den Grundschulen sieht es nicht besser aus. Frau Dr. Bogedan, wenn Ihr Staatsrat, Herr Pietrzok, sagt, er wisse nicht konkret, was im Unterricht läuft, dann ist es auch kein Wunder, wenn Singen, Tanzen und Klatschen zwar schön sind, aber vor Schreiben und dem Einmaleins stehen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Was reden Sie da ei- gentlich? – Abg. Güngör [SPD]: Sagen Sie auch noch etwas zum Chancenspiegel der Bertelsmann Stiftung, wie angekündigt?)

Das dritte Versprechen: Sie haben gesagt, Sie wollen die Verlässlichkeit des Unterrichts garantieren. Die Unterrichtsversorgung ist an den Bremer Schulen mangelhaft. Allein im Dezember 2016 fielen 8 540 Stunden aus. Bei weiteren 21 888 Stunden gab es keinen Regelunterricht.

(Beifall FDP – Abg. Güngör [SPD]: Unglaublich, so einen Stuss zu erzählen!)

Das ist Verlässlichkeit nach rot-grünen Koalition!

(Lachen CDU, DIE LINKE)

Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es vielleicht sogar witzig. Da gibt es aber nichts zu lachen. Wir haben in 2016 eine Anfrage zum Thema „Wirtschaft, Arbeit und Technik“ gestellt. Dabei kam heraus, das Unterrichtsfach wird zu 44 Prozent fachfremd unterrichtet. Mehr muss ich zum Versprechen „Verlässlichkeit des Unterrichts“ hier gar nicht sagen.

(Beifall FDP)

Viertens – noch ein Versprechen –: Sie wollten die Verbesserung der Personalausstattung an Schulen. Es fehlen immer noch Lehrer. Der fachfremde Unterricht, der Unterrichtsausfall und natürlich auch die fehlende Schulqualität sind die harten Belege dafür. Die menschlichen Belege sind aber noch viel, viel schlimmer.

(Abg. Güngör [SPD]: Und die finden Sie in der Studie wieder? Wo sind die denn in der Studie? Sie reden am Thema vorbei!)

Herr Güngör, hören Sie einmal zu! Dann können Sie vielleicht auch einmal etwas in diesem Land ändern!

(Beifall FDP)

Menschlich ist es viel schlimmer. Die Lehrerinnen und Lehrer sind überlastet. Sie leiden an Krankheiten. Sie haben unglaublich hohe Krankenstände. Das ist auch kein Wunder, wenn man so alleingelassen wird.

Fünftens: Im Koalitionsvertrag werden auch ganz kurz Privatschulen erwähnt. Ich weiß, das ist ein

böses Kapitalistenthema. Auch sie gehören aber nun einmal dazu. Es steht nun einmal im Gesetz. Ich zitiere: Privatschulen „ergänzen und bereichern das öffentliche Schulwesen durch besondere Inhalte und Formen der Erziehung des Unterrichts“.

Das steht darin. Wie sieht es bei Ihnen aus? Privatschulen möchten Sie offensichtlich nicht. Sie verheimlichen sogar deren Existenz. Oder können Sie mir erklären, warum sie in diesen hübschen Hochglanzbroschüren nirgends zu finden sind?

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Was steht darauf? „Übersicht über die Schüler der öffentlichen Schu- len“! Mann, wie blöd kann man sein!)

In diesem Heft ist nicht eine Privatschule enthalten. Es gibt sie offensichtlich nicht auf der Landkarte.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Frau Kohlrausch, können Sie das bitte übernehmen?)

Wäre ich an Ihrer Stelle, wäre mir das auch saupeinlich.

(Zuruf Abg. Tschöpe [SPD])

Das liegt übrigens auch an Folgendem: Die Einzelauswertungen des IQB sind sehr interessant. Sie zeigen zum Beispiel, dass die Schüler am Ökumenischen Gymnasium zu Bremen im Vergleich zu den staatlichen Bremer Schulen ein Jahr voraus sind.

(Beifall FDP – Unruhe – Glocke)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie mögen das hier alles nicht hören wollen. Frau Steiner hat aber das Recht, die Rede zu halten. So einfach ist das.

(Beifall FDP – Abg. Tschöpe [SPD]: Wir haben das Recht, Zwischenrufe zu machen! Das ist keine Rede, das ist Belästigung!)

Bitte fahren Sie fort!

Ich wiederhole es gern, weil es so schön war. Am ÖG sind die Schülerinnen und Schüler im Vergleich zu den staatlichen Bremer Schulen ein Jahr voraus.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Woher wissen Sie das eigentlich?)

Das könnten wir doch eigentlich positiv sehen und sagen: Mensch, das ist kein Grund, Privatschulen totzuschweigen und aus den Karten zu löschen. Vielmehr können wir das als Chance nehmen und zeigen, was in Bremen auch geht.

Viele dieser Schulen haben übrigens noch freie Stipendienplätze. Verdammt, werden Sie doch einmal der Aufgabe gerecht und geben Sie Kindern aus Familien mit Aufstiegsschwierigkeiten einfach eine Chance. Sie müssen sie doch nur ergreifen. Sie ist doch da, wenn die Stipendienplätze frei sind.

Zum Schluss noch ein Wort zur finanziellen Ausstattung! Sie haben versprochen, dass der Bildungsbereich in der kommenden Legislaturperiode mit zusätzlichen Ressourcen und Mitteln ausgestattet werden soll. Die Realität ist aber leider so: Bremen ist Schlusslicht bei den Bildungsausgaben und Spitzenreiter bei den Sozialausgaben! Da erfordert es wirklich kein Politikstudium, um zu erkennen, dass hier etwas extrem falsch läuft. Schon im November 2016 haben wir gewarnt, dass zum Schuljahr 2020/2021 74 neue Grundschulklassen erforderlich sein werden. Am Tag darauf, als es um den IQB – –.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Das hat der Senat selbst gesagt! Sie erzählen Unsinn! Das sind Zahlen, die der Senat selbst genannt hat! Das haben Sie nicht erfunden!)

Hören Sie doch einmal zu, Frau Vogt! Ich weiß, es fällt Ihnen schwer. Es wäre aber manchmal hilfreich.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Sie machen sich gerade lächerlich! Lassen Sie Frau Kohlrausch reden! Die weiß, worüber sie redet!)

Am Tag darauf, als es um den IQB-Bildungstrend ging, haben Sie von der SPD, Herr Güngör, vollmundig betont, man müsse mehr ausgeben. Sie wollten sogar Lehrerdoppelbesetzungen vorschlagen. Was ist denn davon übriggeblieben?

(Abg. Güngör [SPD]: Frau Steiner, sind das alles Inhalte der Studie, über die wir diskutieren?)

Das haben Sie gesagt. Was ist davon übriggeblieben? Wo ist denn jetzt das Mehr? Wo sind denn die Gelder? Wo sind die Lehrer? Wo sind die Förderkräfte? Wo sind die Sonderpädagogen? Wo? Erklären Sie es mir bitte! Sie haben gleich die Möglichkeit dazu.

Jetzt verkünden Sie die Haushaltseckwerte 2018/2019 und nennen Mehrausgaben in Höhe von lächerlichen 9 Millionen Euro.

(Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Lächerlich ist das?)

Bei aller Liebe! Sind 9 Millionen Euro Ihr ernst? Das ist gerade einmal ein Inflationsausgleich. Gerade einmal so!

(Abg. Frau Ahrens [CDU]: Sogar weniger!)

Je nachdem sogar weniger! Genau, Sandra!

Verstehen Sie den Ernst der Lage nicht? Bremen fährt gerade mit Jetantrieb gegen die Wand.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Sie sind doch die Partei, die 200 Millionen Euro sparen wollte! Was ist das für ein armseliges Amateurtheater, das Sie hier aufführen! Holen Sie doch einmal Frau Kohlrausch nach vorn! So ein Unsinn!)

Ich verstehe den Zentralbeirat der Eltern, wenn er sich absolut veräppelt und betrogen fühlt.

(Zurufe Abg. Tschöpe [SPD], Abg. Frau Vogt [DIE LINKE])

Verdammt, hier geht es doch nicht um irgendwelche dusseligen Prestigeprojekte.

(Unruhe – Glocke)

So ist es, ja! Es geht nicht um Prestigeprojekte. Der Zentralbeirat der Eltern schreibt es hier. Lesen Sie es, Herr Tschöpe. Hier geht es um Kinder. Hier geht es um unsere Zukunft.