Protocol of the Session on March 8, 2017

Das eine ist, dass wir eine Abkehr vom traditionellen Familienbild haben, was erst einmal nicht schlecht, aber faktisch einfach so ist. Die traditionelle Familie, in der ein Mann arbeitet und die Frau zu Hause bleibt und die Kinder hütet, gibt es nicht mehr so. Das ist auch in Ordnung.

(Beifall)

Trotzdem geht damit einher, dass wir noch nicht die richtigen Instrumente oder sie nicht weit genug ausgebaut haben, um mit dieser Veränderung auch Schritt zu halten.

Ein weiteres Problem ist natürlich – das haben Sie dargestellt –, dass wir einen immens hohen Anteil an erwerbslosen Müttern haben. Das stimmt einen nicht nur traurig, sondern es stimmt einen auch pessimistisch, wenn man die wie eben von Ihnen beschriebene Perspektive dieser Frauen sieht, wenn es dann später in Richtung Rente und damit unter Umständen vorprogrammiert in Richtung Altersarmut geht. Außerdem darf man nicht vergessen, in welcher Abhängigkeit sich die Frauen mitunter befinden, wenn Unterhaltszahlung nicht geleistet werden und all diese Problematiken auftreten, die dann verhindern, dass sie tatsächlich auch in Arbeit kommen können, weil sie ganz andere Problemlagen haben, die erst einmal geklärt werden müssen.

Bei dem Punkt Betreuungssorgen gebe ich Ihnen recht. In Bremen und in Bremerhaven – Sie haben den Schwerpunkt etwas mehr auf Bremen gelegt – müssen wir besser werden, müssen wir dafür sorgen, dass wir ausreichend Krippenplätze haben. Wir müssen dafür sorgen, dass wir ausreichend Kita-Plätze haben. Damit sind wir nicht zufrieden. Sie haben aber auch beschrieben, dass wir uns auf den Weg machen und dabei sind und versuchen, Schwerpunkte zu setzen. Zumindest hat sich die SPD-Landespartei entschlossen, in den nächsten Haushaltsberatung ganz klar zu

sagen, dass für den Bereich frühkindliche Bildung, für den Bereich Kita auskömmlich Mittel bereitgestellt werden müssen, um einen bedarfsgerechten Ausbau auch zu verwirklichen. An dieser Stelle geht auch kein Weg daran vorbei. Wir müssen das Geld in die Hand nehmen, und wir werden das auch tun.

(Beifall SPD)

Wir müssen dabei aber auch berücksichtigen – ich habe das zumindest für Bremerhaven nachgefragt –, dass wir in Bremerhaven Kindertagesstätten haben, in denen um die 15 Prozent bis 20 Prozent der Eltern, die ihre Kinder dorthin schicken, Beiträge bezahlen. Der Rest, die Beitragsordnung in Bremerhaven ist eine andere als in Bremen – das weiß ich wohl – ist aufgrund geringer oder nicht vorhandener Einkommen freigestellt. Wir müssen uns also in dem Gesamtkonzert der sozialen Lage überlegen, wie viel das Land Bremen, wie viel die beiden Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven jetzt schon ausgeben. Sie müssen es tun, aber sie müssen das Geld auch in die Hand nehmen, um eine frühkindliche Bildung, eine Betreuung zu gewährleisten. Das ist ein Haushaltsansatz, der beachtenswert ist. Wir wollen da besser werden. Aber wir tun auch nicht nichts.

(Beifall SPD)

Die politischen Forderungen, die Sie gestellt haben, decken sich zum Teil mit denen der Arbeitnehmerkammer. Sie decken sich aber interessanterweise auch mit denen der SPD im Bund. Sie haben auf die bundespolitischen Diskussionen verwiesen. Wir haben scheinbar Problemlagen, die wir zum einen gesetzlich lösen müssen. Dabei ist die Frage von Familienarbeitszeit eine ganz entscheidende.

(Beifall Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE])

Genau, das verdient Beifall!

(Beifall SPD)

Wenn Sie darauf abheben, dass weniger Männer in der Lage sind oder es überhaupt können, sich mit in die Familienzeit einzuklinken, hängt es natürlich auch daran, dass häufig die Männer immer noch mehr Geld verdienen. Man muss es sich leisten können. Man braucht einen flexiblen Betrieb, der es tatsächlich ermöglicht, flexibel arbeiten zu können, mitunter einmal die Kinderbetreuung zu übernehmen. Wenn das nicht möglich ist – Sie haben ein Beispiel genannt –, wenn ein Betrieb den Menschen diese flexible Arbeitszeit nicht ermöglicht, ist das eine Aufgabe für den Gesetzgeber zu sagen, dass es ein Recht auf Familie gibt. Ein Recht auf Familie bedeutet auch ein Recht auf familienfreundliche Arbeitszeiten. Daran müssen wir arbeiten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Die weitere Fragestellung ist die der Bildungsangebote. Ich selbst stelle es auch fest. Ich sehe das in meinem beruflichen Leben. Ich stelle fest, wenn die Kinder aus der Grundschule an die Oberschule kommen, wie gut sie das machen. An der Stelle muss ich einmal die Grundschulen loben, auch wenn sie es nicht allein machen. Es machen auch die Kitas und zum Teil schon die Krippen.

Ich stelle fest, wie gut die Kinder vorbereitet sind, was das soziale Miteinander angeht, was Toleranz angeht und was die Fragestellung von Funktionieren in einem Betrieb wie Schule angeht. Das funktioniert nicht einfach so. Darin steckt verdammt viel Arbeit. Gerade wenn man einmal aus verschiedenen Kulturkreisen und verschiedenen sozialen Schichten kommt, ist der Austausch in den Kindertagesstätten, in den Krippen und in den Schulen wichtig. Es ist leider ein Trend, die Schichten vereinzeln sich in unseren Stadtgesellschaften immer mehr. Darin, das Miteinander verlässlich zu gewährleisten, sind wir schon ganz gut, können aber besser werden, was außerschulische Jugendarbeit, was die Betreuung mit Sonderpädagogen und so weiter angeht.

Ein weiterer Aspekt ist auch in der Perspektive wichtig, wenn wir wissen, dass Armut häufig die Folge von niedrigen Bildungsabschlüssen, niedriger Bildungsqualifizierung ist. Wir müssen in der Perspektive dafür sorgen, dass wir diesen Kreislauf von „ich komme aus einer Familie, die aus verschiedenen Gründen bildungsfern ist“ durchbrechen, damit sich diese Schicht eben nicht in der Folge weiter fortsetzt, sondern wir Aufstiegsperspektiven haben. An der Stelle sind wir mit der Inklusion, sind wir mit den Oberschulen ganz gut dabei. Trotzdem ist es eine Aufgabe, die sich immer weiterentwickeln muss. An der Stelle sind wir immer noch am Anfang des Weges, um wirklich eine Bildungsteilhabe zu organisieren.

Jetzt kommt noch die Frage des Steuerrechts. Sie haben das richtig dargestellt, und ich will es noch etwas genauer ausführen. Ich finde es in einem hohen Maße merkwürdig, dass ich als Bürgerschaftsabgeordneter, als Studienrat, dasselbe Kindergeld, einen Freibetrag habe, in einem höheren Maß – ich freue mich natürlich persönlich darüber, ich habe kein Problem mit mehr Geld – entlastet werde als Menschen, die in niedrigeren Einkommensstufen sind, die dementsprechend weniger partizipieren können.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Beim Kindergeld habe ich das verstanden. Dem Staat muss jedes Kind gleich viel wert sein. Dass ich aber, weil ich mehr verdiene, höhere Freibeträge für meine Tochter habe als jemand, der in der Schicht für einen geringen Stundenlohn arbeitet, erschließt sich mir nicht. Darauf muss die Bundespolitik auch eine Antwort geben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abg. Frau Ahrens [CDU]: Das Bundesverfassungsge- richt hat das ausgeurteilt! Das ist das Existenzmini- mum, das steuerfrei bleiben muss! – Abg. Röwekamp [CDU]: Eigentlich möchte sie eine Zwischenfrage stellen!)

Das Bundesverfassungsgericht urteilt mitunter! Das Schöne am Bundesverfassungsgericht ist aber auch, dass es sich auch ein Stück weit – –. Wollen Sie eine Zwischenfrage stellen?

(Zuruf – Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Ei- gentlich möchte sie reden!)

Aber das mag ich nicht!

(Zuruf: Postfaktisch!)

Ich muss hier aber auch zuhören dürfen!

Also, bitte! Herr Kollege, gestatten Sie die Frage der Abgeordneten Frau Ahrens?

Ist Ihnen bekannt, dass genau dieser Betrag vor dem Bundesverfassungsgericht ausgeurteilt wurde?

Welcher Betrag?

Es geht um den Betrag der Kinderfreibeträge und das Kindergeld. Das gehört zusammen. Es handelt sich darum, dass bestimmte Beträge auch von Kindern steuerfreies Existenzminimum sind und frei vom Zugriff des Staates und damit auch frei von der Einkommensteuer verbleiben müssen. Das hat man damals aufgeteilt: für diejenigen, die als Arbeitnehmer arbeiten, auf das Kindergeld, –

Mir ist das bekannt!

– und man hat das als Antragsveranlagung eingeführt.

(Zurufe SPD: Frage!)

Ist Ihnen das klar? Sie haben jetzt hier totalen Schwachsinn erzählt. Entschuldigung, wenn ich das so deutlich sagen muss.

Nein! Ich erzähle keinen Schwachsinn!

(Unruhe – Glocke)

Liebe Frau Kollegin! Hier in diesem Parlament habe ich in den 25 Jahren noch nie Schwachsinn erlebt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Frau Ahrens, mir ist das in der Tat bekannt. Ich möchte es folgendermaßen formulieren. Wir stellen fest – zumindest glaube ich, dass es ein Großteil dieses Hauses so sieht –, dass wir eine Bevorteilung von Kindern aus einkommensstärkeren Familien haben. Wir haben in der Tat ein Gerechtigkeitsdefizit, was die Behandlung von Kindern aus niedrigeren Einkommensschwellen angeht.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abg. Leidreiter [LKR]: Das ist das Existenzminimum! Kinder!)

An der Stelle müssen wir handeln. Wenn meine Beschreibung für Sie nicht ausreichend war, möchte ich Ihnen nur sagen, dass ich das als Problemfeld begreife. Auch das Bundesverfassungsgericht zeigt an verschiedenen Stellen, dass es seine Normen mitunter verändert, wenn sich der Zeitkreis verändert. Vielleicht wird es an dieser Stelle auch geschehen. Wir haben das bei anderen Entscheidungen auch erlebt. – Ist Ihre Frage damit auskömmlich beantwortet?

(Abg. Fecker [Bündnis 90/die Grünen]: Zufrieden ist sie, glaube ich, nicht! – Zuruf Abg. Gottschalk [SPD])

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage der Kollegin Frau Aulepp?

(Zuruf – Heiterkeit)

Sie haben es gerade schon gesagt. Ich frage aber doch noch einmal nach. Stimmen Sie mit mir überein, dass Existenzminimum bedeutet, dass man das mindestens machen muss und dass es aus Gerechtigkeitsaspekten manchmal angezeigt ist, manche Leute mehr als andere zu unterstützen?

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)