Trotzdem verstehen wir ein bisschen: Gestik und Mimik offenbaren etwas über den Seelenzustand der anderen Person. Der Blick in die Augen zeigt, ob eine Person mir geneigt ist, und er gibt mir soziale Orientierung. Ein voll verschleierter Mensch – ich spreche jetzt von voll verschleierten Menschen - macht diesen Teil der Kommunikation unmöglich. Da man aber nicht nicht kommunizieren kann, kommt trotzdem eine Botschaft beim Gegenüber an. Ich spreche immer von der Wirkung, nicht unbedingt davon, dass wir sie richtig interpretieren.
Die Botschaften, die dennoch beim Gegenüber ankommen, sind folgende: Ich rede nicht, ich möchte nichts mit dir zu tun haben. Du sollst keinen Einblick in mich, meinen Seelenzustand und meine Absichten dir gegenüber erhalten. Ich lebe in meiner eigenen Welt, ich kommuniziere nicht mit dir. Deswegen ist die Klappe zu.
Kommunikation ist aber eine Schlüsselvoraussetzung dafür, dass unterschiedliche Menschen und Kulturen zusammenleben können, und sie ist die Voraussetzung für Integration. Deswegen ist bei der Integration das Thema Sprache so zentral. Vollverschleierung passt nicht zu einer offenen Gesellschaft, sie dokumentiert Integrationsverweigerung und kann somit der Bil
dung einer Parallelkultur mit Paralleljustiz Vorschub leisten. Daher hat sie in unserer westlichen freien Welt keinen Platz.
Die Botschaft, die durch die Vollverschleierung beim Gegenüber ankommt, ist im Übrigen wirklich stimmig, wenn wir an die kleine Personengruppe denken, die überhaupt in Deutschland voll verschleiert herumläuft, damit meine ich die Komplettverschleierung. Das sind nämlich ausschließlich junge, meist deutsche, zum Islam konvertierte Mädchen. Sie brechen mit ihren Familien, heiraten früh und leben mit ihren Partnern eine extreme Form des wahhabitischen Islams, der hier eigentlich kaum vorkommt. Sie leben in ihrer eigenen Welt, wollen nichts mit uns zu tun haben und ordnen sich einem fremden Geschlechtersystem unter.
Warum tun sie das? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen forcieren gegebenenfalls solche Entscheidungen? Was kann präventiv getan werden, um Alternativen anzubieten?
Themen wie Kinderehen, Vollverschleierung, Mehrfachehen, Mädchenbeschneidung und vieles mehr müssen in Bremen nicht erst in einem relevanten Ausmaß eine Rolle spielen, bis wir darüber diskutieren.
(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Ich würde Vollverschlei- erung und die Beschneidung von Mädchen nicht in einen Topf werfen, Frau Bergmann! Das ist schwierig!)
Ich finde, es steht Bremen durchaus gut an, solche Themen frühzeitig zu diskutieren, zu debattieren und auch Entscheidungen zu treffen und zu durchdenken, aber nicht erst immer dann, wenn die Hütte brennt.
Zurück zu den jungen Frauen! Sie nennen die Vollverschleierung eine religiöse Pflicht, aber im Koran gibt es keine Begründung für die Vollverschleierung. Millionen von Musliminnen üben ihren Glauben nicht minderwertig aus, nur weil sie nicht vollverschleiert herumlaufen.
ner Recherche im Übrigen auch gehört, dass ein Vollverschleierungsverbot von Musliminnen ihnen sogar einen gewissen Druck nimmt, weil es eine Art Frömmigkeitswettbewerb ausschaltet, nämlich nicht fromm genug zu sein.
Wir leben in einem Land, in dem Frauen einen langen und erfolgreichen Weg der Emanzipation hinter sich haben. Frauen der westlichen Welt sind in allen Bereichen des wirtschaftlichen, kulturellen, politischen und sozialen Lebens sichtbar und können gleichberechtigt teilhaben.
Unsere ganze Gesellschaft würde nicht anders funktionieren. Immer dann, wenn wir an Länder denken, in denen diese Entwicklung nicht stattgefunden hat, wird auch denen, bei denen dieses Thema keine Priorität hat, deutlich, wie gut es unserer ganzen Gesellschaft tut, dass Frauen heute frei, selbstbewusst und eigenständig ihr Leben gestalten.
Zur rechtlichen Situation! In bestimmten Bereichen ist eine Vollverschleierung in der Bundesrepublik bereits verboten, zum Beispiel, wenn wir an das Vermummungsgesetz denken. Auf Landessebene haben wir uns im Bremischen Schulgesetz schon einmal auf einen Passus geeinigt, der das äußere Erscheinungsbild der Lehrkräfte einschränkt.
Die CDU-Fraktion fordert den Senat heute auf, sich in der Freien Hansestadt Bremen, wo immer grundgesetzlich möglich, für das Verbot der Vollverschleierung – ich spreche von Vollverschleierung! – einzusetzen. Dazu gehören behördliche Einrichtungen, Orte, an denen pädagogische oder soziale Arbeit geleistet wird, und Plätze mit einer starken gesellschaftlichen Identifikation für alle Bremerinnen und Bremer. Dafür reichen die Befugnisse und Möglichkeiten des Senats auch aus.
Diese Forderungen halten wir, die CDU-Fraktion, für machbar, realistisch und wünschenswert und bitten daher um Zustimmung zu unserem Antrag. Die anderen Anträge lehnen wir folglich ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Vollverschleierung mit Nikab oder Burka ist seit Längerem in Westeuropa ein Thema, nicht nur in Deutschland. Aufgrund der Internationalisierung der Beziehungen, der Flüchtlingswellen und der Asylpolitik wird uns dieses Thema voraussichtlich auch noch mehrere Jahre beschäftigen.
Es ist gesagt worden, dass es nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung betrifft. Man kann aber auch in Bremen Beobachtungen machen, dass sich voll verschleierte Mädchen oder Frauen im Straßenbild bewegen. Es fällt auf, dass dies für uns ein Faktum der fehlenden Integration ist. Die westlichen Werte, die Werte unserer Demokratie und unserer Gesellschaft, werden dadurch nach außen hin abgelehnt. Wir können das auch als Unterdrückung für Frauen und Mädchen begreifen. Es gibt Parallelgesellschaften, es fehlt an einer offenen Kommunikation.
Es hat Verbote in Europa gegeben, und auch in Afrika gibt es Verbote, und auch Tunesien oder schwarzafrikanische Staaten haben ein Verbot ausgesprochen. Wie in Deutschland politisch und gesetzlich zu agieren ist, wird sehr unterschiedlich beurteilt, das ergibt sich auch aus diesen Anträgen. Ich halte es aber für notwendig, dass wir zu einer Regelung kommen und die Problematik nicht permanent vor uns herschieben, weil uns dieses Thema langfristig beschäftigen wird.
Wir haben einen Vorschlag der AfD, der ein rigides umfassendes Verbot enthält. Wir haben einen Vorschlag der Koalition, den ich als sozial-integrative Einzelfallbegleitung begreife, und wir haben einen Vorschlag der CDU, einen verfassungsrechtlichen Prüfauftrag. Unseren Vorschlag würde ich einmal so überschreiben, dass rechtsstaatlich konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet werden sollen.
Den Vorschlag der AfD lehnen wir ab. Allein die Begrifflichkeiten „deutsch“, „christliches Abendland“, „rigide Verbote mit Bußgeldverfahren“ sind uns zu populistisch, das hat einen deutsch-nationalen Unterton. Vom Grundsatz her wirkt diese Art und Weise des Vorgehens antiintegrativ, und dieser Vorschlag ist auch nicht vollständig von unserer Verfassung gedeckt.
Bei der CDU wird das Augenmerk zu sehr auf freie gesellschaftliche Kommunikation, Gestik, Mimik und den Aufbau von Vertrauen gelegt.
Ich gebe dazu zu bedenken, dass jeder auch berechtigt ist, einen individualistischen und autonomen Lebenswandel zu führen, es gibt keine Verpflichtung zur Kommunikation.
Zu Rot-Grün! Im letzten Moment noch einen Antrag mit in die Debatte einzuführen, ist sicherlich zu konzedieren. Sich aufklärerisch durch gesellschaftliche Einrichtungen zu beteiligen, den Mädchen und Frauen emanzipatorisch die Hand zu reichen, findet natürlich völlig unsere Unterstützung, aber dafür brauchen wir keinen eigenen Antrag. Nur bei der Frage der Anwendung in der Schule kneifen Sie schon, da gibt es eben den Widerspruch zu dem, was Sie allgemein machen wollen. Da erkennen Sie offensichtlich deutlich, dass das halbherzig ist, denn im Schulbereich wollen Sie dann doch mit Ausschlüssen arbeiten.
Die FDP tritt für eine rechtsstaatlich konkrete Lösung ein. Wir wollen einerseits ein deutliches Signal setzen, dass wir die Vollverschleierung nicht wollen, auch nicht in den öffentlichen Bereichen.
Das ist unser Signal und unser Appell. Wir wollen andererseits aber den Mädchen und Frauen Unterstützung gewähren, die aus dieser Situation herauskommen wollen.
Wir respektieren die Freiheit der Person und die Freiheit der Religionsausübung, und wie jemand seine Religion ausüben will, ist seine eigene Entscheidung.
Deshalb glauben wir nicht, dass mit einem generellen Verbot gearbeitet werden kann, das wird juristisch so nicht haltbar sein. Ich erinnere daran, dass vor einigen Jahren – das hat in der Tat nichts mit Wahlkampf zu tun! – der Deutsche Bundestag ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben hat, das zu dem Ergebnis gekommen ist, dass wir dieses umfängliche Verbot so nicht durchsetzen können. Deshalb unser Antrag, Verbot nein, aber der Appell, dass man sich im öffentlichen Raum nach Möglichkeit nicht so verhalten soll!