Protocol of the Session on February 15, 2017

Herr Eckhoff, Sie haben die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt zulässig ist, dass wir uns hier derart kritisch verhalten und diskutieren. Ich glaube, dass es zulässig ist, dass man unter Freunden – die Freundschaft ist ja unterschiedlich stark ausgeprägt – reden muss und dass man mit ihnen reden kann. Gerade mit Freunden kann man anders reden als mit Gegnern.

Wenn man sich einmal angehört hat, wie in den letzten Wochen und Monaten über unsere Bundeskanzlerin geredet wird, sozusagen als die Verursacherin der katastrophalen Zustände in Deutschland, dann finde ich es total angemessen – das sage ich jetzt auch einmal als Sozialdemokrat –, sich schützend vor unsere Bundeskanzlerin und ihre Flüchtlingspolitik zu stellen, und das auch in Gegnerschaft zu der amerikanischen Administration.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Darin sind wir uns doch wohl einig! Von daher müssten kritische Diskussionen an der Stelle auch in Ihrem Sinne sein.

Zweite Bemerkung! Sie haben richtigerweise, weil wir heute auch die großen historischen Linien ziehen,

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Bis zur Chinesischen Mauer!)

auf die Situation und auf die Isolationspolitik nach dem Ersten Weltkrieg hingewiesen.

Der Zusammenhang zu heute ist ja aber auch, dass ein Ergebnis der amerikanischen Isolationspolitik – America First! – unter Harding das Hineinrutschen in die Weltwirtschaftskrise gewesen ist. Die Erfahrungen, was mit der Welt passiert, wenn sich eine Ökonomie in einer derartigen Art und Weise abschottet und über Geldpolitik, über Industriepolitik und über Protektionismus das eigene Interesse allen voranstellt, haben wir einmal gemacht, einschließlich der Folgen, die das innenpolitisch bei uns, innenpolitisch in Europa hatte, und zwar hin bis zum Zweiten Weltkrieg.

Deswegen ist es richtig, sich gerade an dieser Stelle ganz offensiv und ganz massiv kritisch in die Diskussion einzubringen und zu sagen: Diese Politik ist falsch. Sie ist nicht nur aus nationalen Gesichtspunkten heraus zu betrachten, sondern sie ist aus internationalen Gesichtspunkten zu betrachten, weil damit die Welt in den Abgrund gerissen werden kann.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Dritte Bemerkung! Sie haben die CETA-Klaviatur herauf und herunter gespielt. Ich sage nach wie vor, dass die Diskussion, die dazu in Deutschland geführt worden ist, richtig ist. Ich sage auch, die Entscheidung, die dann innerhalb der SPD mit dem Konsensbeschluss, den Weg mitzugehen, getroffen worden ist, ist richtig. Ich glaube in der Tat, dass wir

eine Debatte mit dem Ziel führen müssen, Europa als einheitlichen Wirtschaftsraum zu stärken. Der einheitliche Wirtschaftsraum wird nicht die Summe der vielen kleinen gemeinsamen Nenner sein, sondern es wird so etwas wie eine gemeinschaftliche Wirtschaftspolitik sein, die Europa stärkt, und zwar unter Berücksichtigung nationaler Interessen, aber auch unter geschicktem Ausmoderieren nationaler Differenzen. Das muss das Ziel sein.

Letzte Bemerkung! Ich sage auch ganz deutlich, die Stimmung ist doch so – auch nicht völlig zu Unrecht –, was die Gefühle angeht, nicht aber die Realität, dass viele Menschen sagen: Europa, aber nicht um jeden Preis! Umso wichtiger ist es doch jetzt auch, von Deutschland aus zu sagen, Europa braucht nicht nur eine starke wirtschaftliche Basis, eine starke Ökonomie, eine starke Durchsetzungsfähigkeit auf den Weltmärkten, in Verträgen oder in mehr oder weniger gerechten Abkommen, sondern Europa braucht eine gerechte soziale Basis, und zwar in den einzelnen Ländern und in den einzelnen Regionen.

(Beifall SPD – Glocke)

Europa zerreißt gegenwärtig das soziale Gefälle in Frankreich, in England und in den südeuropäischen Ländern. Hier muss viel mehr getan werden, und dann hat Europa eine sehr starke soziale und wirtschaftliche Basis und kann international mithalten.

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Bürgermeister Dr. Sieling.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Von wem wird sich Herr Dr. Sieling jetzt distanzieren?)

Herr Präsident, verehrte Abgeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Senat hat weiterhin großes Interesse an einem guten und freundschaftlichen Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Dazu gehört auch gegenseitige Achtung, und dazu gehört auch, dass man sich aufmerksam unter Freunden, wie es eben einige Redner gesagt haben, befasst und mit der Politik auseinandersetzt, die in dem Land stattfindet.

Den Senat leitet, dass es uns um den Erhalt der Freizügigkeit geht und damit auch um die Freiheit und dass wir gegen diskriminierende politische Maßnahmen sind.

Der zweite Punkt ist, dass es darum gehen muss, wirtschaftlichen Chancen, der Sicherung von Arbeitsplätzen und auch einer vernünftigen Umweltpolitik den Raum zu geben.

(Vizepräsidentin Dogan übernimmt den Vorsitz.)

Der dritte Punkt ist natürlich die Sorge um die Art und Tiefe der Demokratie. Es geht dort auch um die Governance, wie man sagt. Ich finde, mit Dekreten regiert man nicht klug. Es kommt darauf an, die Demokratie breiter und breiter, in jedem Fall gegen Abschottung anzulegen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will ausdrücklich die Position und die Haltung von verschiedenen Rednern unterstreichen, die hier deutlich gemacht haben, dass es darum geht, dass wir in Europa den Zusammenhalt wahren und dass wir aufgerufen sind, Europa stärker zu machen und dafür zu sorgen, dass die Erfolge, die erzielt worden sind, bewahrt werden, dass aber auch die notwendigen Weiterentwicklungen, gerade auch um die sozialen Differenzen innerhalb unseres Kontinents zu reduzieren, bekämpft werden. Das heißt aber auch, dass man sich politisch klar und deutlich gegen den Brexit stellt und dass man sich klar und deutlich dagegen stellt, dass weitere Länder aus der Europäischen Union ausscheiden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wer sich für den Wechsel oder den Ausstieg Griechenlands aus der Europäischen Union ausspricht, der schwächt die Europäische Union und macht eine Politik, die in die falschen Hände spielt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Bremen hat ein großes Interesse, weil wir von dem internationalen Handel und dem internationalen Austausch profitieren. Dieses Interesse könnte in der Tat in eine bedrohliche Lage kommen. Bremen ist – das ist hier im Hause sehr bekannt – nicht nur ein international ausgerichteter Handels- und Wirtschaftsstandort, sondern es ist vor allen Dingen durch die höchste Exportquote geprägt, die ein deutsches Bundesland besitzt. Wir liegen bei circa 60 Prozent unserer Wirtschaftsleistung. Eine große Zahl der Unternehmen, gerade auch mittelständische Unternehmen, sind in vielen Bereichen Weltmarktführer und erfolgreich tätig. Das trägt dazu bei, dass unsere wirtschaftliche Entwicklung stabilisiert wird und dass Arbeitsplätze gesichert werden. Darum haben wir dieses außerordentliche Interesse.

Ich will auch Folgendes gern aus der Debatte aufgreifen: Wir müssen sehr genau die jahrelange Diskussion über die Handelsbilanzprobleme, über die nicht ausgeglichenen Wirtschaftsbeziehungen und Wirtschaftsgewichte betrachten. Es ist ein Problem, dass Deutschland dauernd einen Überschuss in der Handelsbilanz ausweist. Das heißt aber nicht, dass wir unseren Export reduzieren, dass wir unsere exportorientierte Wirtschaft schwächen sollen – das wäre ein großer Fehler –, sondern es heißt, Investitionen

zu stärken und eine offensive Politik zu betreiben, damit sich die Binnenwirtschaft entwickeln kann. Dazu gehört auch, dass man sich für gute Einkommen und Löhne einsetzt, meine Damen und Herren, und dafür steht der Senat.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben uns in Bremen mit unserer Wirtschaftspolitik und mit unserer Wirtschaftsförderungspolitik immer für internationale Akquisition eingesetzt. Dabei wird es auch bleiben. Weil auch dies ein Thema ist, das nicht genug gewürdigt wird, will ich Sie darauf hinweisen, dass bei den Zahlen der internationalen Ansiedlungen Bremen im Ranking der Bundesländer im Jahr 2014 den sechsten Platz eingenommen hat. Wir sind also nicht nur davon abhängig, sondern wir haben auch ein großes Interesse daran.

Dieses Interesse besteht nicht nur im Hinblick auf die wirtschaftlichen Fragen, sondern auch in Bezug auf das, was unsere Wissenschaft leistet und leisten kann. An unseren Hochschulen und Universitäten – auch an der Jacobs University – haben wir eine große Zahl ausländischer Wissenschaftler und Studierender, gerade auch Wissenschaftler und Studierende aus den USA. Wir haben ein großes Interesse daran, dass das so bleibt.

(Glocke)

Herr Bürgermeister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kastendiek?

Ja, gern!

Bitte, Herr Abgeordneter!

Herr Bürgermeister, ich bin Ihren Ausführungen sehr aufmerksam gefolgt, in denen Sie deutlich gemacht haben, wie wichtig der Außenhandel für den Wirtschaftsstandort Bremen ist, wohl auch vor dem Hintergrund der guten Beziehungen, die wir zu Nordamerika haben. Das Thema CETA hat bereits in der Debatte eine gewisse Rolle gespielt. Jetzt meine Frage: Sind Sie für oder gegen CETA?

(Präsident Weber übernimmt wieder den Vorsitz.)

Herr Abgeordneter, wie Sie wahrscheinlich gut wissen, hat der Senat verschiedene Beschlüsse gefasst, die eindeutig den Handel, auch die Abkommen und CETA unterstützen. Wie Sie auch wissen, habe ich mich persönlich politisch für den jetzigen Stand des gut nachgebesserten CETAAbkommens eingesetzt, und ich unterstütze es.

(Beifall SPD)

Herr Bürgermeister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Kastendiek?

Ja!

Bitte, Herr Abgeordneter!

Herr Bürgermeister, was würden Sie Ihrem Parteikollegen und Europaabgeordneten Dr. Schuster empfehlen, wie er sich heute Nachmittag zu CETA verhalten soll,

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Er ist ein frei gewählter Abgeordneter! Haben Sie das schon einmal gehört, Herr Kastendiek? – Abg. Röwekamp [CDU]: Aber er gehört doch zum System Sieling! – Abg. Frau Grotheer [SPD]: Er ist nur seinem Gewissen verant- wortlich! – Abg. Röwekamp [CDU]: Er fragt ja nach einer Empfehlung!)

weil er sich gemessen an seinem Wahlkampf ausdrücklich für die Interessen Bremens einsetzen will? Die Schlussfolgerung aus Ihrer Aussage ist: Sie müssten davon ausgehen, dass er sich für Bremen einsetzt und im Europäischen Parlament für CETA votiert!

Herr Abgeordneter, ich würde mich auch gern zukünftig daran halten, dass ich beispielsweise Ihnen, aber auch anderen Abgeordneten keine Empfehlung für ihr Abstimmungsverhalten gebe. In diesem Fall verhalte ich mich auch so.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte gern – wenn ich denn fortfahren darf – ein bisschen genauer auf das Thema eingehen, weil wir ja in der Tat damit konfrontiert sind, dass wir nach wie vor mit den Regelungen, die in den USA gelten, noch keine rechtliche Veränderung haben. Die Kündigung des transpazifischen Abkommens TTIP per Dekret ist ein erstes Zeichen, wohin der Zug fährt, und was auf uns zukommen kann.