Protocol of the Session on January 25, 2017

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü nen, LKR)

Wir müssen uns aber auch außerhalb der parlamen tarischen Debatte bewegen. Ich nenne einmal zwei, drei Stichworte: Wo „national befreite Zonen“ und Angsträume geschaffen werden, brauchen all dieje nigen unseren Schutz, unsere Aufmerksamkeit und unsere praktische Solidarität und Unterstützung, die von solchen Parteien beziehungsweise deren Mitgliedern bedroht werden. Klar ist auch, wenn sich Terrorgruppen wie die „Grup pe Freital“ bilden, müssen sich Polizei und Staatsan waltschaft anders aufstellen und hart durchgreifen. Wir sind auch 70 Jahre nach Ende des Zweiten Welt kriegs leider immer noch in einer Situation, in der das nicht selbstverständlich ist. Im Fall der „Gruppe Freital“ – deswegen habe ich sie soeben erwähnt – haben nämlich drei Polizeibeamte geheime Infos an diese Nazigruppe durchgestochen. Auch darüber muss man sich einmal Gedanken machen. Ich habe hier klar und deutlich gesagt, dass auch wir LINKE der Auffassung sind, dass die Anwendung staatlicher Zwangsmittel manchmal – wie in diesem Fall – un erlässlich ist. Der staatliche Zwang muss dann auch durchgesetzt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Der momentane gesellschaftliche Rechtsruck ver läuft vielschichtig; das ist schon erwähnt worden. Wir müssen daher auf unterschiedlichen Ebenen Anstrengungen unternehmen.

Abschließend möchte ich zu dem gemeinsamen An trag sagen, dass wir in der Fraktion am Montag lange diskutiert haben, weil wir uns nicht ganz sicher sind, ob eine Änderung des Grundgesetzes mit dem Ziel, verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Finanzierung auszuschließen, im Schnellverfahren hundertprozentig rechtssicher möglich ist. In dem Ziel sind wir uns völlig einig. Auch wir finden es unerträglich, dass eine Partei wie die NPD Steuer mittel erhält, mit denen sie Plakate wie „Geld für die Oma statt für Sinti & Roma“ finanzieren und ihre Propaganda öffentlich verbreiten kann. Das ist überhaupt nicht der Punkt. Unserer Meinung nach haben aber zwei gescheiterte Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass es schwierig ist, eine rechtssichere Regelung selbst für offen verfassungswidrige Parteien zu finden, für Parteien, die unseren Staat, unsere Gesellschaftsord nung ganz offen bekämpfen. Wir hätten uns daher in dem Antrag eine Konkretisierung gewünscht, wie und durch wen die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei rechtssicher festgestellt wird, bevor die Versagung der staatlichen Finanzierung greift. Das sage ich vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass die Begründungen solcher Eingriffe auch vor dem EGMR Bestand haben müssen. Einen dritten Propagandasieg der NPD vor Gericht möchten wir vermeiden.

Wir tragen diesen Antrag trotzdem mit, weil es uns wichtig ist, dass die Fraktionen der Bürgerschaft ein gemeinsames Signal nach außen senden. Es ist das Signal, dass nach dem Urteil des Bundesver fassungsgerichts aus der vergangenen Woche der Kampf gegen die NPD, gegen alte und neue Nazis nicht vorbei ist. Wir hoffen darauf, dass im Rahmen der Gesetzgebung, die der Bundestag auf den Weg bringen wird, eine vernünftige und rechtssichere Regelung gefunden werden kann. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü nen, LKR)

Meine Damen und Herren, bevor ich der Kollegin Aulepp das Wort erteile, begrü ße ich auf der Besuchertribüne ganz herzlich zwei 9. Politik-Klassen der St.-Johannis-Schule. – Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Au lepp.

Sehr geehrter Herr Prä sident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will an erster Stelle, und das mit Vehemenz, sagen: Die SPD tritt alten und neuen Nazis klar und deutlich entgegen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir standen und stehen für einen entschiedenen Kampf gegen rechtsextremes, menschenverachtendes und antidemokratisches Gedankengut. Wir stehen gegen diejenigen, deren Politikkonzept auf die Aus grenzung, die Verächtlichmachung, die weitgehende Rechtlosstellung und die Vertreibung von einzelnen Menschen oder von gesellschaftlichen Gruppen ge richtet ist, egal ob es gegen „die Ausländer“, „die Kommunisten“, „die Sozialisten“, „die Muslime“ oder „die Juden“ geht. Meine Damen und Herren, wir wissen – und wir werden uns immer daran erin nern –: Das letzte Mal, als die nationalsozialistischen Faschisten hier das Sagen hatten, stand am Ende die industrielle Massenvernichtung.

Das Bundesverfassungsgericht hat sehr deutlich ge macht, dass das politische Konzept der NPD wesens verwandt mit dem Nationalsozialismus ist, dass es auf die Beseitigung der zentralen, für den freiheitlichen und demokratischen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlichen Grundprinzipien unseres Grund gesetzes, die in der unantastbaren Menschenwürde wurzeln, gerichtet ist, ja, dass die NPD so ziemlich gegen jeden unserer Verfassungsgrundsätze steht. Deshalb stehen wir natürlich dafür, die verfassungs feindliche NPD weiterhin zu bekämpfen.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, LKR)

Das wichtigste Mittel in diesem Kampf ist die politi sche Auseinandersetzung, ist die zivilgesellschaftliche Arbeit. Dazu gehört es auch und an erster Stelle, den Rechtspopulisten entschieden entgegenzutreten, die gerade dabei sind, völkische und rassistische Welt bilder salonfähig zu machen.

(Beifall SPD)

Herr Röwekamp, ich bin Ihnen für Ihre klaren Worte gegenüber der AfD sehr dankbar.

Herr Professor Hilz, über Ihre Abwiegelung habe ich mich schon ein bisschen gewundert.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Menschenverachtende und antidemokratische Ideo logien gehören als solche bezeichnet, auch wenn sie nicht in Springerstiefeln daherkommen, sondern im Anzug und im Abendkleid.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Auch diese werden wir offen und entschlossen be kämpfen, denn sie sind die Wegbereiter der Nazis.

Es ist gut, dass wir eine Erinnerungskultur haben. Ich sage ganz offen, es widert mich an, wenn dagegen gehetzt wird. Wir brauchen umfassende Prävention gegen solche Hetze – durch Bildung und Aufklärung, durch Demokratieförderung und Ausstiegshilfen, auch durch Ermöglichung gesellschaftlicher Teilhabe, durch Gewährleistung der Chance auf gute Arbeit, durch Sicherheit für alle.

Wir müssen aber – das kommt jetzt von mir als Juris tin und Richterin wenig überraschend – den Kampf natürlich auch mit den Mitteln des Rechts führen. Unsere Demokratie muss gerade vor den Erfahrungen der deutschen Geschichte eine wehrhafte sein, eine mit ihren Institutionen gut für den Kampf gegen ihre Feinde gerüstete.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die Hürden vor der Anwendung des Parteiverbots sind hoch. Die Parteien sind Grundpfeiler der politischen Willensbildung und damit verfassungsrechtlich zu Recht sehr weitgehend geschützt; denn diese Wil lensbildung ist wiederum ein Grundpfeiler unseres demokratischen Gemeinwesens. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die NPD sei zwar ausreichend verfassungsfeindlich, aber nicht ausrei chend wirkmächtig, hat – das haben meine Vorred ner und meine Vorrednerin deutlich gemacht – für Überraschung und für Enttäuschung gesorgt. Deshalb ist es gut, dass das Bundesverfassungsgericht dem

verfassungsgesetzgebenden Gesetzgeber mitgeteilt hat, dass neben dem schärfsten Schwert, dem Par teiverbot, andere Instrumente von Verfassungsrang denkbar und auch sinnvoll sind – wohlgemerkt, auf der Grundlage einer notwendigen grundgesetzlichen Neuregelung. Die faktische Bedeutungslosigkeit einer offen rassistischen, völkischen, autoritären, menschenfeindlichen und antidemokratischen Orga nisation darf nicht dazu führen, dass man sie nicht nur gewähren lassen, sondern sogar unterstützen muss.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

In der Tat ist es nicht erträglich, den Staat zu verpflich ten, eine Partei, die seine Grundordnung beseitigen will, so lange zu fördern, bis sie bedeutend genug ist, um ihre Ziele durchzusetzen. Eine Organisation, die offen unsere freiheitliche demokratische Grund ordnung, unsere weltoffene Gesellschaft angreift und auf deren Beseitigung zielt, durch Steuergelder zu unterstützen – das ist unerträglich, meine Damen und Herren!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Völlig zu Recht hat unser Bundesjustizminister Heiko Maas festgestellt, dass Steuermittel für die NPD eine staatliche Direktinvestition in rechtsradikale Hetze sind, und völlig zu Recht müssen daraus gesetzgebe rische Konsequenzen gezogen werden. Das wollen und das werden wir von Bremen aus unterstützen.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Es geht um den verfassungsrechtlich gebotenen Kampf gegen extreme und gegen die Verfassung gerichtete Positionen, die eine Gesellschaft zwar nicht verbietet, aber auch nicht fördert.

In der Tat wäre es ebenso unerträglich – darauf hat Frau Kollegin Vogt schon hingewiesen –, die Ent scheidung über die Frage der Parteienfinanzierung von politischen Konstellationen abhängig zu machen. Das darf nicht einer politischen Instanz überlassen werden, die leicht in den – begründeten oder unbe gründeten – Verdacht geraten könnte, sie wolle sich einer unliebsamen Konkurrenz erwehren.

Meine Damen und Herren, über unsere Verfassung wacht das Bundesverfassungsgericht. Deshalb müssen die Voraussetzungen dafür, einer Partei die staatliche Finanzierung zu entziehen, in Artikel 21 Grundgesetz geregelt sein, und deshalb muss die Entscheidung darüber, ob die Partei erwiesenermaßen auf die Be seitigung der freiheitlichen demokratischen Grund ordnung und damit unserer Verfassung zielt, dem unabhängigen und verfassungshütenden Gremium unseres Staates, dem Bundesverfassungsgericht, vorbehalten sein, und das nicht erst am Ende eines langen Zuges durch die gerichtlichen Instanzen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Das muss Gegenstand der von uns gemeinsam mit den Grünen, der CDU, der Linkspartei und der FDP gewollten Senatsinitiative sein. Ich bin froh darüber, dass der Senat, insbesondere der Senator für Inneres, sich dieser Aufgabe angenommen hat. Er sieht das genauso wie wir. Das soll kein Schnellverfahren, kein Schnellschuss sein, sondern das muss ordentlich geprüft werden. Diese Herausforderung müssen und werden wir angehen.

Ich will nochmals sagen – das ist sicherlich wenig überraschend; meine Vorrednerin und meine Vorred ner haben es schon betont –: Ja, rechtsextremistisches Gedankengut verschwindet nicht durch ein Verbot. Aber ich bin mir sicher, dass sich alle demokratischen Parteien einig sind – jeder von uns gehört einer demo kratischen Partei an –, dass wir auch die rechtlichen Möglichkeiten nutzen und gegebenenfalls verbessern müssen, wenn es darum geht, rechtsextremistische Straftaten, rechte Gewalt und rechte Hetze mit allen Mitteln des Rechtsstaats zu verfolgen und zu ahnden.

Lassen Sie mich abschließend sagen: In Zeiten von erstarkendem Nationalismus und Protektionismus, in denen rechte Populisten Abschottung und Ausgren zung propagieren und Feindbilder schüren, müssen und werden wir dieser Propaganda den sozialen Zu sammenhalt entgegensetzen – mit innerer Sicherheit, mit guter Bildung und anständiger Arbeit für alle, mit vernünftigem und bezahlbarem Wohnraum, mit einer gerechten und ausreichenden Altersvorsorge, kurz, mit einer guten Lebensperspektive für alle. – Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, LKR)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Schäfer, KLR.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Tschöpe [SPD]: Nicht „Kosten- und Leistungsrechnung“!)

LKR! – Vielen Dank, Herr Prä sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben viele richtige Aussagen über die NPD gehört und vieles darüber, warum es bedauerlich ist, dass diese Partei nicht verboten worden ist. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den Blick von diesem speziellen Fall ins Allgemeine zu wenden. Es geht hier nämlich um prinzipielle Fragen: Wie gehen wir mit unserer Demokratie um? Wie geht eine offene Demokratie, die eigentlich alles gestattet, damit um, dass Leute diese Demokratie ablehnen, dass sie sich gegen Demokratie wenden? Wie tolerant kann Toleranz gegenüber Intoleranz sein?

Professor Andreas Voßkuhle hat in seiner Begrün dung des Urteils dargelegt, dass man eine Gesinnung

natürlich nicht verbieten kann. Man kann und muss aber darüber reden, wie man mit Parteien, Verbänden, Organisationen oder einzelnen Personen umgeht, die eben das Bestreben haben, unsere freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen, die sich gegen diese Demokratie wenden. Das ist ein Prüfstein, an dem sich die Handlungsfähigkeit dieser Demokratie erweisen muss. Ich bringe jetzt ein etwas unangenehmes Zitat. Joseph Goebbels hat 1928 in einem Leitartikel des „Völkischen Beobachters“ geschrieben:

„Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waf fenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. … Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache.“

Das ist eine klare Ansage. Da sagt jemand: Ich will diese Demokratie nicht, ich will sie abschaffen. Aber wenn sie so blöd ist, mich zu alimentieren, wird sie schon sehen, was sie davon hat.

Die NSDAP ist auf demokratische Art und Weise an die Regierung gekommen. Was also müssen wir tun, um das zu verhindern? – Deswegen unterstützen wir den gemeinsamen Antrag, den Sie eingebracht haben, obwohl er uns nicht weit genug geht. Ich glaube nicht, dass sich das Problem auf Parteien beschränkt; es geht auch um Verbände, um Organisationen, um mögliche Interessensvertretungen, die demokratiefeindliche Bestrebungen haben.

Unsere Demokratie ist nicht nur – auch, aber nicht nur – von Rechts bedroht. Wir haben international eine Polarisierung in der Gesellschaft, in Europa, in der Welt. Wir haben tatsächlich wieder faschisti sche Bedrohungen, kommunistische Bedrohungen, islamistische Bedrohungen. Es gibt jede Menge gut organisierter Bünde, die sich gegen die Demokratie wenden. Wir können sie vielleicht nicht alle verbieten, aber wir sind überhaupt nicht verpflichtet, mit ihnen zusammenzuarbeiten oder sie gar zu finanzieren.

Deswegen finden wir es richtig – Sie schreiben es in Ihrem Antrag –, das Grundgesetz in einer Weise zu modifizieren, die es ermöglicht, verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Wir würden das, wie gesagt, gern auf Verbände und verfassungsfeindliche Organi sationen erweitert haben, also im Prinzip auf jede Organisation, die die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung betreibt, die von ei nem anderen Deutschland träumt, die den Rechtstaat abschaffen möchte, die der Demokratie gegenüber feindlich gesonnen ist.