Ich glaube, wir können uns darauf verständigen, dass das Jugendhilfesystem in Bremen auf diese Anzahl von Jugendlichen so nicht vorbe reitet war. Meines Erachtens haben wir aber auch in den letzten Jahren adäquat darauf reagiert und das Angebot aufgebaut.
Ich glaube, man braucht eine deutlich breitere und differenzierte Angebotspalette als nur eine geschlos sene Einrichtung. Insbesondere sind in dem Bereich zur Vermeidung von Haft eigentlich andere Angebote einschlägig, die im Rahmen der Haftvermeidung ar beiten. Das klingt jetzt vielleicht nicht robust genug für diese Zielgruppe, aber das, was mit Haftvermeidung gemeint ist, heißt, dass dort ein Haftbefehl außer Kraft gesetzt und sehr streng geschaut wird, ob die Auflagen, die die Jugendrichterinnen und Jugend richter erheben, auch tatsächlich eingehalten werden, sodass ich davon ausgehe, dass es eine sehr adäquate Antwort auf viele dieser Jugendlichen gewesen wäre, wenn wir diese Plätze zu diesem Zeitpunkt gehabt hätten. Auch wenn ich mir die Kritik des Richters Herrn Rogoll zu dieser Zeit ansehe, war der Kern
seiner Kritik, dass es keine alternativen Angebote gab, die es ihm ermöglicht hatten, Alternativen zur Haft zu prüfen. Inzwischen können wir diese Angebote mit Ausnahme der geschlossenen Unterbringung anbieten, sodass ich glaube, dass wir einen großen Schritt vorangekommen sind.
Nun wissen wir aus der In nendeputation und auch aus einer früheren Frage stunde hier in der Bürgerschaft, dass es eine große Fluktuation bei diesen unbegleiteten minderjährigen Ausländern gibt, eine Fluktuation dahingehend, dass sie Bremen verlassen, manchmal wiederkehren, und insbesondere auch die straffällig gewordenen unbe gleiteten minderjährigen Ausländer darunter sind davon betroffen. Sie begehen jetzt möglicherweise – ich habe es nicht überprüfen können – in anderen Ländern, in anderen Städten wiederum Straftaten. Meine Frage ist, wie gehen Sie mit diesem Prozess um? Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie viele es sind, und haben Sie Erkenntnisse über den Aufenthalt derjenigen, die Bremen verlassen haben?
Also, erstens haben wir seit dem 1. November des letzten Jahres eine neue Rechtslage, die eine Umverteilung neu ankommender unbeglei teter minderjähriger Ausländer vorsieht. Demnach sind seit diesem Zeitraum so gut wie keine neuen unbegleiteten Minderjährigen nach Bremen gekom men, für die wir in Bremen eine jugendrechtliche oder jugendhilferechtliche Zuständigkeit haben. Das heißt, die Gruppe derjenigen, um die es geht, ist eine Bestandsgruppe, die vor dem 1. November 2015 eingereist ist. Es ist in der Tat so, dass sich nicht alle von ihnen immer in Bremen aufhalten. Sobald sie volljährig sind, liegt das außerhalb unserer Zu ständigkeit. In den anderen Fällen wird dann eine entsprechende Vermisstenanzeige aufgegeben und nach diesen Personen gesucht.
Sie weisen ja mehrfach darauf hin, dass unbegleitete minderjährige Ausländer, die in der Vergangenheit zu uns gekommen sind, mittlerwei le über 18 Jahre alt sind. Welche Verfahrensschritte laufen denn da bei denen, die kriminell geworden sind? Werden da andere Maßnahmen eingeleitet?
Jugendgerichtshilfe geschaut, welche unterstützenden Maßnahmen das Jugendhilferecht zur Verfügung stellt. Die geschlossene Einrichtung kann aber für diese Zielgruppe nicht mehr gelten, weil nach Paragraf 41 des SGB VIII für alle Inanspruchnahme von Ju gendhilfeleistungen die Einwilligung des Betroffenen notwendig ist, der sie auch jederzeit widerrufen kann. Das bedeutet, eine Unterbringung gegen den Willen des Jugendlichen in einer Jugendhilfeeinrichtung ist ab dem 18. Geburtstag nicht mehr möglich, sondern kann nur erfolgen, wenn es freiwillig passiert. Daher können in den Fällen nur Maßnahmen geschehen, die diesem Umstand Rechnung tragen.
In diesem Rahmen, da haben wir länger Erfahrungen, eine ganze Palette von Maßnah men, diese reichen von der eben genannten Haftver meidung, die in Einzelfällen Volljährige aufnehmen kann, über mobile Betreuungsangebote, bis hin zu diversen Aktionsmaßnahmen. In der Jugendhilfe gibt es eine breite Palette des Umgangs mit straffällig gewordenen Heranwachsenden. Dieses Instrument steht auch für unbegleitete minderjährige Ausländer zur Verfügung.
Herr Staatsrat, wenn Sie von einer geschlossenen Einrichtung sprechen, gehe ich doch richtig davon aus, dass Sie eine fakultativ geschlos sene Einrichtung meinen, die in einen gesamten intensivpädagogischen Prozess eingeschlossen ist, und nicht eine geschlossene Einrichtung, die die jungen Menschen wegsperrt und keinerlei pädago gische Maßnahmen hat? Sie benutzen ganz häufig den Begriff „geschlossene Einrichtung“. Ich möchte nur noch einmal klarstellen, worum es dabei geht.
Vielen Dank, Herr Möhle! In dem Versuch, sich vielleicht etwas kürzer auszudrücken, bin ich etwas ungenau mit meiner Sprache gewesen. Die Grundlage, auf der wir Einrichtungen betreiben können, kann nur das SGB VIII sein, das den päd agogischen Auftrag in den Vordergrund stellt. Da ist die Möglichkeit des Einschlusses ein Teil eines Konzeptes, bei dem natürlich das Ziel ist, diese Phase möglichst kurz zu halten und dann eine Öffnung so schnell wie möglich herbeizuführen.
Sie haben in Ihrer Antwort gesagt, dass die Gutachten in Arbeit sind, also noch nicht endgültig entschieden sind. Gehe ich dann recht in der Annahme, dass es mit den Hamburger Trägern auch noch keine vertraglichen Vereinbarungen gibt?
Es gibt jedenfalls keine vertragliche Vereinbarung über den Betrieb der Einrichtung. Über das, was sie uns für das Geld, das sie bekommen haben, an Leistung schulden, gibt es aber selbst verständlich Vereinbarungen.
Es gäbe also die Möglichkeit, eine Einrichtung an einem anderen Standort und etwas kleiner zu planen und zu konzipieren?
Die jetzige Vertragslage spricht dem nicht entgegen, ich vermute nur, dass das erhebliche Auswirkungen auf den Zeitplan hätte.
Besteht die Möglichkeit, noch ein mal intensiv in der Sozialdeputation über das Thema zu diskutieren und eine Bewertung vorzunehmen, wenn die beiden Gutachten vorliegen?
Habe ich es richtig verstanden, dass nach den Kri terien für eine GU derzeit in Bremen überhaupt nur drei delinquente Jugendliche in Betracht kommen?
Drei von denen, die sich zurzeit im Gefängnis befinden! Wenn man noch einen Blick auf die Priorisierungsliste der Polizei wirft, dann kommen nach meinem Kenntnisstand noch einmal drei weitere dazu, und dann gibt es noch eine Nachrückerliste, auf der sich nach meinem Kenntnisstand noch eine hohe einstellige Zahl von unter 17-Jährigen befindet.
Das war nicht die Frage! Man muss aber auch deut lich machen, dass es nicht in der Verantwortung des Jugendamtes liegt, jemanden in diese Einrichtung zu schicken, sondern dass es einen Richtervorbe halt gibt, das heißt, wir gehen davon aus, dass ein Gericht nicht für jeden Jugendlichen entsprechend entscheiden wird.
Ich habe jetzt vernommen, drei plus drei Jugendliche. Wie viele Hamburger Jugendliche sollte es denn geben, wenn man mit dem Träger aus Hamburg eine Einigung erzielen würde?
Die bisherigen Planungen sehen über alle drei Phasen – also die geschlossene, die mittlere und später die offene Phase – 24 Plätze vor, für die vereinbart wurde, die eine Hälfte für Bremen und die andere Hälfte für Hamburg zur Verfügung zu stellen. Demnach wird Hamburg die Möglichkeit erhalten, zwölf Plätze zu belegen. Ich glaube, man muss in dem Punkt aber auch ehrlich sein, dass es auch üblich ist, Jugendliche aus anderen Bundesländern aufzunehmen, bevor Plätze frei werden.
Wenn wir davon ausgehen, dass die Zahlen stabil sind und wir jetzt circa sechs Bremer Jugendliche haben, die dafür infrage kommen – auch wenn wir selbst für Bremen zwölf Plätze hätten, und im Block land dafür ein Neubau entstehen soll –, dann ist meine Frage: Ist nicht auch geprüft worden, ob es Möglichkeiten gibt, für eine GU die Jugendlichen im Bestand unterzubringen?
Wir prüfen beständig Alternativen, um zu schauen, ob es nicht schneller oder günstiger möglich ist, das Ziel umzusetzen. Allerdings ist die Erfahrung mit geschlossenen Einrichtungen, dass die letzten drei Einrichtungen, die neu in Hamburg, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg gegrün det worden sind, inzwischen alle nicht mehr tätig sind und entsprechende parlamentarische Unter suchungsausschüsse zur Folge hatten. Dies ist darin begründet, dass es eine sehr sensible und schwierige Konstellation ist, Jugendliche geschlossen oder auch nur zeitweise geschlossen unterzubringen und dann vor allem die Frage im Mittelpunkt steht, wie mit
Die Planungsphase setzt voraus, dass wir – und das war die Erkenntnis aller drei Untersuchungsaus schüsse, dass das nicht passiert ist – sehr detailliert klären müssen, wie man mit solchen Krisen umgeht, und das setzt auch eine optimale räumliche Situati on voraus. Deshalb gehe ich davon aus, dass es uns nicht gelingen wird, ein Bestandsgebäude zu finden, das unseren Anforderungen entspricht, um dieses Kriterium, Reaktion auf Krisen, erfüllen zu können.