Protocol of the Session on November 10, 2016

Wir haben immer noch Schiffe, klar, aber wir finan zieren sie nicht mehr über die Sektsteuer, genauso wenig, wie wir den Straßenbau über die Kraftfahr zeugsteuer oder die deutsche Einheit über den Soli daritätszuschlag finanzieren.

Damals sagte Helmut Kohl: Die deutsche Einheit wird zu keinen Steuererhöhungen führen. Deshalb hat man den Kunstgriff des Solidaritätszuschlags gewählt, um diese Unwahrheit zu verschleiern, eine Unwahrheit, die offiziell zur Lüge wird, wenn der Solidaritätszuschlag zur Steuer umgewandelt wird.

Insofern ist der Antrag der FDP vollkommen zu Recht gestellt. Der Solidaritätszuschlag muss auslaufen.

Er muss aber auch noch aus einem anderen Grund auslaufen: Wir haben in Deutschland die drittgrößte Steuer- und Abgabenlast innerhalb der ganzen OECD. Nur Belgien hat erheblich und Österreich marginal noch höhere Steuern und Abgaben. Das, meine Da men und Herren, ist ein Problem in einer Welt, die globalisiert und von Wettbewerb geprägt ist. Wir sind in einem europäischen Binnenmarkt, in dem Arbeit nehmer und Unternehmen frei entscheiden, wo sie sich ansiedeln wollen. Deutschland ist aufgrund seiner Abgabenpolitik für Hoch- und Höchstqualifizierte genauso wie für Unternehmen extrem unattraktiv, wir haben einen negativen Wanderungssaldo. Pro Jahr verlassen 150 000 Qualifizierte Deutschland, weil sie mit gut bezahlten Jobs woanders mehr für sich selbst behalten können als das, was in die Um verteilung fließt.

Wir erleben es auch bei Unternehmen. Wenn zum Beispiel – wie bei Kellogg – ein Werk aus Kapazitäts gründen schließen muss, dann nicht das in Spanien oder England, sondern jenes in Deutschland. Ich kann das aus unternehmerischer Perspektive nachvollzie hen. Wenn wir wirtschaftlich nachhaltig erfolgreich sein wollen, müssen wir uns dem Wettbewerb stel len, und dieser besteht auch im Bereich der Steuern und Abgaben. Es kann nicht sein, dass wir unseren Arbeitnehmern zumuten, dass die Steuer- und Abga benlast regelmäßig die Hälfte ihrer Wirtschaftsleistung auffrisst, zumal wir in Bezug auf die Sparquote noch eine schleichende Enteignung dadurch haben, dass der Zinssatz im Moment, politisch gewollt, unterhalb der Inflationsrate liegt. Deshalb unterstützen wir den Antrag der FDP. – Vielen Dank!

(Beifall ALFA)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Gottschalk hat schon versucht, einen Teil der Mythen, die die Solidaritätsabgabe betreffen, zu entlarven. Es gibt derer vier: Sie sollte erstens von Anfang an zeitlich beschränkt sein, das ist unserer Meinung nach nicht der Fall. Der zweite Mythos ist, dass sie nur für den Aufbau gedacht sei. Nach unseren Informationen steht im Errichtungsgesetz noch mehr, unter anderem die Ausbausicherung der neuen Länder, Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und Entlastung der öffentlichen Haushalte. Der dritte Mythos lautet, kleine und geringe Einkom men würden entlastet. Ich habe es überprüft. Auf der Homepage des Bundesministeriums der Finanzen gibt es einen Abgabenrechner, der zeigt, wie viel Steuern man bezahlt. Ich habe 24 000 Euro eingegeben, ein niedriges Gehalt. Das führt zu 135 Euro Soli im Jahr,

das sind 0,56 Prozent des Einkommens. Wenn man 100 000 – –.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das ist ziemlich viel, wenn man wenig verdient! – Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Die hat man dann zur Verfügung!)

Das Problem ist, dass eine sinnvolle Debatte über Fi nanzen und Wirtschaft nicht durch Zwischenrufe und Dazwischenreden möglich ist. Sie können sich gern im Detail damit auseinandersetzen! Ich kann auch bei Ihnen ständig dazwischenreden, wenn Sie diesen Politikstil bevorzugen, aber ich würde es bevorzugen, dass wir versuchen, die Dinge abzuschichten und uns dann eine Meinung zu bilden.

Ich habe dann 100 000 Euro in den Abgabenrechner eingegeben. Wenn der Soli abgeschafft ist, zahlt die ser Mensch – Steuerklasse I, keine Abgabe, einfach nur mal so – 1 652 Euro weniger in die Kasse. Das sind 1,2 Prozent, wenn ich mich nicht irre, das ist mehr. Das heißt, der Mythos der Entlastung kleiner Einkommen ist falsch. Es werden im Wesentlichen hohe Einkommen und Kapitalerträge entlastet, und zwar in einer Größenordnung, die die Entlastung bei den Kleinen deutlich übersteigt.

Den zweiten Mythos hat Herr Gottschalk schon erklärt. Wenn wir dem Bund 15 Milliarden Euro wegnehmen und sie den Bürgerinnen und Bürgern als Steue rerleichterung geben, entziehen wir dann wirklich Binnenkaufkraft? Was macht denn der Bund mit diesen 15 Milliarden Euro? Kauft er im Ausland? Sind sie nicht in Gehälter oder vielleicht durch den Länderfinanzausgleich in Richtung Bremen besser investiert, und das Geld wird dann in der Regel auch ausgegeben? Dass da Binnenkaufkraft umgeschichtet wird, ist falsch. Wenn wir aber diese 15 Milliarden Euro umschichten und ein großer Teil davon bei Menschen landet, die ohnehin genug Geld haben, dann ist bewiesen, dass sie es nicht ausgeben, weil sie ohnehin nicht mehr wissen, wohin mit dem vielen Geld, sondern es anlegen.

(Heiterkeit CDU – Abg. Gottschalk [SPD]: Die ver stehen das einfach nicht!)

Das ist so! Bei 100 000 Euro bekommt man 1 600 Euro dazu, und dann hat man vorher schon nicht besonders schlecht gelebt. Dann ist die Chance deutlich höher, dass man die 1 600 Euro irgendwo anlegt und hofft, damit noch mehr Geld zu machen – was man mit den Steuererleichterungen vorher auch schon gemacht hat –, als wenn jemand seine 135 Euro irgendwo anlegt, die er weniger bezahlen muss, denn er braucht das Geld, um möglicherweise ein zweites Paar Schuhe für seine Kinder zu kaufen. Das ist der Unterschied, so einfach ist das!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir können gern darüber reden, die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag anders zu verwenden, das finden wir auch. Man sollte sie unter Umständen zweckgebunden anlegen. Wir haben den Vorschlag gemacht, damit Altschulden zu tilgen. Der Bürger meister hat gesagt, der Investitionsstau in der ge samten Bundesrepublik beträgt 130 Milliarden Euro. Glauben Sie, es nützt der Wirtschaft, das zuzulassen und dann nicht Verhältnisse zu schaffen, wo man das ändert? Glauben Sie im Ernst, wir erhalten am Ende eine blühende Wirtschaft, wenn wir einen solchen Investitionsstau nicht mittelfristig durch die Erhebung von Steuern beseitigen? Dann zerstören wir die Infrastruktur.

Die Leute gehen nicht weg, weil sie möglicherweise die eine oder andere neue Steuer bezahlen sollen, sondern weil die Straßen, Gebäude und die Umge bung kaputt sind. Das können wir uns nicht leisten. Zum jetzigen Zeitpunkt hätte die Abschaffung des Soli zur Konsequenz, dass wir den Investitionsstau noch langsamer beseitigen und die öffentlichen Ein nahmen noch länger nicht reichen, um die nötigen Ausgaben zu tätigen.

In Ihrem Antrag stehen wieder sprudelnde Steuer einnahmen, und diese –

(Glocke)

ich komme zum Schluss! – sind kein Bodenschatz oder Brunnen, den man bohrt, und auf einmal kommt Wasser heraus. Selbst wenn es so wäre, wäre immer noch die Frage: Wenn das Wasser sprudelt, gibt es genug Wasser? Diese Frage ist beantwortet. Wir haben derzeit nicht genug Steuern, um alle Aufgaben zu erledigen, sonst hätten wir keinen Investitionsstau. Wir lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist spannend, welche Einlassungen wir auch hier wieder hören. Jedem muss klar sein, was der Soli ist und was nicht, und er ist auf jeden Fall kein Ersatz für eine Vermögenssteuer, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall CDU, FDP)

So war er nicht gedacht, und dafür ist er auch nicht eingeführt worden.

(Abg. Rupp [DIE LINKE]: Ist er auch nicht, weil Sie Vermögen gar nicht besteuern!)

Nein, nein! Wenn man Ihre Rede gehört hat, lieber Herr Rupp, wonach Sie alle, die ein Jahreseinkom men von 100 000 Euro haben, in unserer Gesellschaft schon zu den Superreichen erklären, dann weiß man, wo Ihre Politik anfängt.

(Beifall FDP)

Dass Leute, die 100 000 Euro zur Verfügung haben, nicht mehr wissen, wohin mit diesen riesigen Reich tümern von 1 600 Euro, die sie durch eine Steuerer leichterung bekommen, das ist Klassenkampf pur, lieber Kollege Rupp!

(Beifall CDU, FDP)

„Der Soli muss weg!“ hat die FDP getitelt und entdeckt damit einen Slogan, der schon 2013 nicht gereicht hat, um in den Bundestag zu kommen.

(Beifall SPD)

Da trat man ja damit an. Das war sozusagen die gro ße Steuerreform, und es hat nicht geklappt. Beim letzten Bundesparteitag hat die FDP diesen Antrag noch einmal verabschiedet und hofft, damit eventuell 2017 in den Bundestag zu kommen. Ob das allein als Aussage reichen wird? Ich bin skeptisch!

Sicher ist richtig, dass wir aus dem Soli keine zweite Sektsteuer machen wollen. Er ist zeitlich begrenzt, und die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts in diversen Urteilen dazu sind ziemlich eindeutig. Des halb ist es klug, dass man sich jetzt damit beschäftigt, wie es weitergeht.

Übrigens hat der Bundesfinanzminister dazu klare Vorschläge gemacht. Ihm schwebt im Moment vor, den Soli ab 2019 abschmelzen zu lassen. Der letzte Vorschlag lautet, den Soli bis zum Jahr 2030 in elf gleichen Jahresschritten jeweils um 0,5 Prozent auf null abzusenken, das würde nicht das Loch in die Steuerkassen reißen, das Herr Gottschalk beschrieben hat. Wir haben ja, lieber Herr Gottschalk, auf der anderen Seite auch zusätzliche Steuereinnahmen, auch im Bund, und es hätte darüber hinaus eine gewisse Entlastungswirkung. Ich denke, dieser Vorschlag von Herrn Schäuble stellt einen guten Mittelweg der verschiedenen Punkte dar, die hier angesprochen worden sind.

(Beifall CDU)

Aus diesem Grund werden wir als CDU Ihrem Antrag nicht zustimmen, da Sie die sofortige Abschaffung des Solidaritätszuschlags wollen, aber dass er zeit lich begrenzt sein wird, ist richtig. Das war auch so gewollt. Wenn man sich übrigens die neuen Bundes länder heute anschaut, so hat er seine Wirkung an vielen Orten nicht verfehlt. Er war und ist ein gutes

Instrument, und dieses wollen wir noch für einen begrenzten Zeitrahmen weiter nutzen. Danach wird er nach und nach auslaufen. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Herr Prä sident, meine Damen und Herren! Ich habe jetzt nur noch zwei Minuten Redezeit, und ich will mich auch kurz fassen, weil wir gleich alle, denke ich, auf dem Marktplatz einen wichtigen gemeinsamen Termin haben.

In dieser Debatte wurde schon viel Richtiges gesagt, und ich will noch einmal auf die strategische Dimen sion eingehen. Sehr geehrter Herr Kollege Hilz, eine Vorfestlegung bereits am heutigen Tag, die den Senat für zukünftige Verhandlungen bindet, obwohl wir noch nicht wissen, in welche Richtung es geht und welche Optionen es für die Zukunft des Soli gibt, halte ich, auch unter strategischen Gesichtspunkten, für falsch.

Inhaltlich ist schon eine Menge gesagt worden. Zu der Frage, wen wir eigentlich treffen, gibt es die Mär, mit der man auch im Wahlkampf antritt, dass wir beim Solidaritätszuschlag quasi kleine und mittlere Ein kommen entlasteten. Die Wahrheit lautet eigentlich, dass es hohe mittlere und hohe Einkommen sind, aber klar ist aus grüner Sicht auch, dass der Soli so, wie er jetzt ist, nicht wird weiterlaufen können.

Auf der anderen Seite gibt es weiterhin einen Be darf, das Aufkommen zu erhalten, und daher wird es Diskussionen geben, ob man beim Soli nicht von der Sortierung nach Himmelsrichtungen wegkommt – um es einmal zurückhaltend zu sagen – und ihn zukünftig nach Bedürftigkeit verteilt, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

In Deutschlands Kommunen muss es auch FDPMitglieder geben. Das glaube ich jedenfalls; sollte es vielleicht – oder auch nicht! Ich frage mich immer: Wie wollen wir den klammen Kommunen in unserem Land bei allen Fragen der Organisation des Gemein wesens helfen, die hier genannt wurden, wenn wir das Steueraufkommen immer weiter reduzieren? Ich denke, das ist der falsche Weg.

Meine Damen und Herren von der FDP, wenn Sie eben bei der Debatte zu den Länderfinanzen gut aufgepasst haben, so ist dort schon ein wichtiges Kapitel, eine offene Frage benannt worden, für die es auch eine Finanzierungsnotwendigkeit gibt, nämlich die Altschulden. Wir haben noch keine Lösung dafür. Auch das ist in den Verhandlungen ein Bestandteil zu der Frage, ob der Soli vielleicht auch geeignet ist, die

Altschuldenproblematik in einem Anteil, in welcher Form auch immer, mit zu beseitigen.

Insofern denke ich, Ihr heutiger Antrag kommt zu früh. Ich glaube, er ist auch zu kurz gedacht. Am Ende des Tages gibt es mehr Probleme als den klammen Spruch: „Der Soli muss weg!“ – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)