Protocol of the Session on November 10, 2016

Der Solidaritätszuschlag war ein sehr gutes Instrument, das großen Rückhalt in der Bevölkerung hatte, zur Realisierung der deutschen Einheit, des sogenannten Aufbaus Ost. Er hat einen wichtigen Teil dazu beige tragen. Jeder Bürger, der ihn gezahlt hat, hat einen wichtigen Teil zur deutschen Einheit beigetragen, und viele Bürger haben es sehr gern getan.

(Unruhe)

Ich bitte um etwas Ruhe und Aufmerksamkeit für den Redner! Auch kurz vor der Mittagspause haben wir noch interessante Themen.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident! Viele Bürgerinnen und Bürger haben den Solidaritätszuschlag gern bezahlt und so ihren Teil zur deutschen Einheit beigetragen, aber wir befinden uns mittlerweile im 26. Jahr nach der deutschen Ein heit, gestern haben wir zum 27. Mal den Jahrestag des Mauerfalls begangen. Die deutsche Einheit ist, zumindest was die Infrastruktur betrifft, vollzogen.

(Beifall FDP)

Deswegen hat der Solidaritätszuschlag seine Schul digkeit getan, und wir sind der Meinung, dass er im Jahr 2019 auslaufen muss.

(Beifall FDP)

Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit von Politik. Wenn vor gut 25 Jahren die Herren Kohl und Genscher das Versprechen gegeben haben, eine vorübergehende Abgabe zu erheben, dann muss auch die Nachfolgeregierung dazu stehen und das, was als vorübergehend ange dacht war, dann auslaufen lassen.

(Beifall FDP)

Wenn wir das nicht tun, kommen wir an einen Punkt, den wir gestern in den USA sehen konnten: Verspre chen, die gemacht, aber nicht eingehalten, nicht umgesetzt wurden, führen dazu, dass Populisten mit ihren einfachen, platten Parolen bedient werden und damit große Wahlerfolge feiern. Auch das ist ein Grund, warum wir der Meinung sind, Politik zu ihrem Wort stehen muss und dass Vorübergehendes nur vorübergehend bestehen bleibt.

(Beifall FDP)

Aber es gibt einen weiteren Aspekt, weshalb sich der Solidaritätszuschlag überholt hat: Er fließt, auch zukünftig, in den Bundeshaushalt, aber der Bund hat unglaublich hohe Steuereinnahmen. Die November schätzung hat wieder gezeigt, dass wir Rekord-Steu ereinnahmen haben. Dazu hat die Niedrigzinspolitik die Schuldenlast des Bundeshaushaltes deutlich verringert. Die schwarze Null steht, und jetzt ist es an der Zeit, die Menschen, die den Solidaritätszuschlag jahrelang gezahlt haben, zu entlasten.

(Beifall FDP)

Das ist ein wichtiger Schritt.

Auch die Entlastung der Menschen ist für die Glaub würdigkeit von Politik wichtig. Wollen wir immer mehr Steuern erheben, die Menschen immer weiter belasten, oder wollen wir sagen: Genug ist genug, weitere Schulden werden nicht gemacht? Die Steuer einnahmen sind auf einem Rekordniveau, und es geht darum, die Menschen zu entlasten. Der Bund kann seine Aufgaben, auch die, mit denen er die Länder unterstützt, auch aus den verbleibenden Steuerein nahmen decken. Deshalb bitten wir Sie, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, meine Damen und Herren. Der Soli muss weg! – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Herr Professor Hilz hat die weithin bekannten Argumente für ein Auslaufen des Solidaritätszuschlags wiederholt, wir sollten zur Abwechslung über die Folgen nachdenken. Herr Professor Hilz, hochgerechnet würde der Solidari tätszuschlags dem Bund im Jahr 2020 20 Milliarden Euro an Einnahmen bringen. Wenn der Bund sie unter den Bedingungen nicht ausgibt, dass die Schulden bremse greift und keine weiteren Steuererhöhungen stattgefunden haben, bedeutet das – das ist für Sie als erklärter Vertreter der Wirtschaft oder einer Partei, die der Wirtschaft nahesteht, sicher interessant –, dass 20 Milliarden Euro weniger direkt oder indirekt in die Wirtschaft fließen.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Nein, die Wirtschaft kann sie selbst ausgeben, und die Leute können sie auch selbst ausgeben!)

Moment, Herr Dr. Buhlert! Bevor Sie hier das HBMännchen machen, gedulden Sie sich doch ein biss chen! Wenn man hinzurechnet, dass Ausgaben im investiven Bereich zusätzliche Investitionen anregen, man also sogenannte Multiplikatoreffekte hat, dann bedeutet der Wegfall der 20 Milliarden Euro bei einem Multiplikatoreffekt, der zwischen 1,30 und 1,80 Euro liegt, dass der Negativeffekt für die Wirtschaft bei 26 bis 36 Milliarden Euro liegt. Das ist der Effekt, Herr Professor Hilz, den man isoliert betrachtet.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Alles Geld dem Staat, und dann wird alles besser, oder wie?)

Jetzt wird es für Sie interessant, Herr Dr. Buhlert! Sie werden jetzt sagen: Wenn die Gelder nicht mehr als Steuern, als Soli bezahlt werden müssen, haben die Menschen mehr Geld in der Tasche und können mehr ausgeben.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Ist es nicht so?)

Es ist so, aber schauen wir uns einmal die Struktu ren an! Wer wird von diesen 20 Milliarden Euro wie viel mehr in der Tasche haben? 55 Prozent davon werden von den oberen zehn Prozent der Zahler der Einkommensteuer gespart, 75 Prozent dieses nicht mehr gezahlten Solidaritätszuschlags entfallen auf die oberen 25 Prozent der Steuerzahler. Herr Hilz, es geht nicht um die Menschen an sich,

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Natürlich geht es um die Menschen!)

50 Prozent der Menschen werden von einer solchen Maßnahme überhaupt nicht oder eher negativ betrof fen sein, weil der Staat an anderer Stelle sparen muss.

(Abg. Buchholz [FDP]: Aber 50 Prozent der Menschen sind betroffen!)

Schauen wir weiter! Diejenigen, die im oberen Be reich dieses Geld nicht mehr mit den Steuern zahlen müssen, haben nicht das gleiche Sparverhalten wie diejenigen im unteren Bereich. Das oberste Prozent legt 50 Prozent von dem, was es nicht mehr zahlt, auf die hohe Kante oder lässt es in die Finanzmärkte flie ßen. Wenn man die unterschiedlichen Sparquoten – –.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: In die freien Finanz märkte fließt alles?)

Herr Hilz, hören Sie einfach zu! Es ist echt interes sant für Sie!

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Ich höre ja zu!)

Wenn man das durchgeht, kommen Sie bei den un terschiedlichen Sparquoten darauf, dass insgesamt 4,5 Milliarden Euro nach den üblichen Sachen nicht mehr in die Wirtschaft fließen, sondern irgendwo in die Finanzmärkte fließen oder auf die hohe Kante gelegt werden.

(Zuruf FDP)

Mit dem Multiplikatoreffekt liegen wir in einer Grö ßenordnung zwischen sechs und sieben Milliarden Euro, die jährlich weniger in die Wirtschaft fließen und entsprechend weniger Wirtschaftswachstum erzeugen würden.

(Zurufe FDP)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht nur verteilungspolitisch daneben, sondern auch wirt schaftspolitisch.

Die zweite Sache, die dann zu überlegen – –.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Und argumentativ auch daneben!)

Wissen Sie, Herr Hilz, ich stelle hier immer fest, wenn es um ökonomische Dinge geht, sind Sie hier auf der rechten Seite ein Totalausfall, weil Sie keinen Ökonomen in Ihren Reihen haben.

(Beifall SPD – Zurufe FDP)

(Abg. Röwekamp [CDU]: Also, da ist die Grenze! – Heiterkeit – Zuruf Abg. Dr. Buhlert [FDP])

Ja, genau! Wir stehen vor der Frage, was wir künftig mit dem Soli machen. Darüber wird zu entscheiden sein.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Es geht auch ohne Soli! Es geht sogar gut ohne Soli!)

Die SPD hat die Vorstellung entwickelt, dass wir ihn in den allgemeinen Einkommensteuertarif einarbei ten. Ich denke, wir Bremer sollten aber vielleicht über eine weitere Möglichkeit nachdenken: Wäre es nicht sinnvoll, einen Solidarpakt III zu finanzieren, der jenseits vom Gedanken von Ost oder West an die Kommunen und Regionen fließt, die in hohem Maße von Massenarbeitslosigkeit betroffen sind und finanzielle Schwächen haben? Wenn wir das Geld dort ausgeben würden, wäre das verteilungs-, wirtschafts- und strukturpolitisch und für die gleich mäßigen Verhältnisse im Lande positiv. Darüber sollten wir diskutieren und nicht nur Klientelpolitik betreiben. – Danke!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, es war die Sektsteuer, die irgendwann im Kaiserreich eingeführt wurde, um Schiffe zu finanzieren. Wir haben sie immer noch.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Wir haben auch immer noch Schiffe!)

Wir haben immer noch Schiffe, klar, aber wir finan zieren sie nicht mehr über die Sektsteuer, genauso wenig, wie wir den Straßenbau über die Kraftfahr zeugsteuer oder die deutsche Einheit über den Soli daritätszuschlag finanzieren.