Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist in der Bundesrepublik ein hohes Gut, und dafür hat der Länderfinanzausgleich gesorgt.
Die Frage ist: Haben wir eigentlich gleichwertige Lebensverhältnisse in den Stadtteilen in Bremen? Wenn ich mir die Stadtteile anschaue und wenn ich mir anschaue, welche Situation wir im Bildungsbe reich haben – die Debatte ist gestern geführt worden –, dann sind wir das Schlusslicht. Wenn ich mir an schaue, wie es mit der Sockelarbeitslosigkeit aus sieht, wie es mit Alleinerziehenden aussieht, wie es in den Lebenslagenberichten der Arbeiterkammer geschildert wird, dann stelle ich fest, Bremen ist ein sozial gespaltenes Bundesland mit Stadtteilen, in denen eben keine gleichwertigen Lebensverhältnisse herrschen. Ich finde, wenn wir hier reklamieren, dass der Länderfinanzausgleich eine gute Einrichtung ist und für gleichwertige Lebensverhältnisse in den Bundesländern sorgt, dann ist es unsere allererste Aufgabe, auch wieder dafür zu sorgen, dass in den bremischen Stadtteilen gleichwertige Lebensver hältnisse herrschen.
Die Antwort auf die Frage, ob 487 Millionen Euro ab 2020 eigentlich gut sind oder wie gut das eigentlich ist: Rein rechnerisch müssen wir bei der Beantwor tung dieser Frage zwei Dinge berücksichtigen: Bisher fehlen zum Erreichen einer schwarzen Null, also zur Einhaltung der sogenannten Schuldenbremse,
2020 190 Millionen Euro. Wir müssten sie entweder in den laufenden Haushalten kürzen oder sie durch Einnahmeerhöhungen beseitigen. Fakt ist, wenn wir das nicht tun, dass uns dann 190 Millionen Euro von den 487 Millionen Euro fehlen.
Wir haben bisher noch nicht genau ermitteln können, wie die Kosten für die geflüchteten Menschen in der Zukunft getragen werden sollen. Im letzten Jahr und in diesem Jahr sind extrem hohe Ausgaben wegen der notwendigen Investitionen angefallen. Sie werden zukünftig nicht so hoch ausfallen. Es werden aber deutliche Belastungen daraus entstehen, und sie sind in diesen 487 Millionen Euro noch nicht enthalten.
Wir werden auch steigende Sozialausgaben ohne fluchtbedingte Kosten haben. Die Steigerungsraten, die bisher in der mittelfristigen Finanzplanung ab gebildet sind – ich sage es jetzt einmal optimistisch vorsichtig –, haben sich in der Größenordnung nie mals bewahrheitet, sondern sie sind immer höher gewesen. Das wissen alle. Das steht sozusagen auf der Minusseite.
Wir haben auf der anderen Seite in der Tat prognos tizierte Einnahmesteigerungen über Steuermehr einnahmen in einer Größenordnung, die sehr über raschend ist und uns deutlich hilft. Wir haben auch noch weitere Kostenübernahmen durch den Bund im Zuge der Flüchtlingsunterbringung. Es gibt also ein paar Elemente, sodass noch nicht klar ist, welche Mehreinnahmen im Jahr 2020 zur Verfügung stehen.
Wenn man die Effekte gegeneinander aufgerech net, dann kann es durchaus sein, dass ein gewisser Spielraum entsteht. Dieser Spielraum wird nicht 487 Millionen Euro betragen. Es kann sein, wenn es nicht so gut läuft, wenn also die Sozialausgaben steigen und wenn die Zinsen nicht auf dem bisherigen Ni veau verharren, sondern um 0,5 oder um ein Prozent steigen, dass dann kein Spielraum entsteht und wir froh sein können, wenn wir 2020 eine Situation wie heute haben.
Die Einhaltung des Neuverschuldungsverbots ist durch die Mehreinnahme von 487 Millionen Euro im Jahr 2020 in eine erreichbare Nähe gerückt. Was bedeutet das eigentlich für die Entwicklung bis zu diesem Zeitpunkt? Es haben bereits mehrere Redner ausgeführt, dass wir bis zum Jahr 2020 die geschlos sene Sanierungsvereinbarung einhalten müssen. Wir wissen aber auch, das haben auch alle gesagt, dass die bisherige Sanierung Kosten produziert hat, und zwar nicht nur monetär, sondern auch durch eine soziale Schieflage.
Wollen wir tatsächlich angesichts der Tatsache, dass wir ohne den Sanierungspfad, wie er jetzt program miert ist, die Schuldenbremse einhalten, die Verfas sung einhalten und auch das Grundgesetz einhalten? Wollen wir das dann wirklich auch noch im Bundesland Bremen kürzen, um letztlich einen Kürzungspunkt zu erreichen, auf dem wir gar nicht mehr kürzen müssen? Ich persönlich halte das für paradox.
Ich halte nach wie vor die nachfolgend beschriebene Situation für begrenzt verständlich oder paradox: Aus der Steuerschätzung dieses Jahres ergibt sich, dass es zu Mehreinnahmen von 100 Millionen Euro kommen wird. Wir haben gestern festgestellt, dass dringend Kindergärten und Schulen errichtet werden müssen. Wir brauchen sie schnell. Wir haben aber eine Vereinbarung geschlossen, die ausschließt, dass wir einen Teil dieses Geldes schon jetzt dazu nutzen, um diese Kindergärten und Schulen zu bauen. Ich persönlich finde das paradox.
Ich finde, man muss an einer neuen Regelung arbeiten. Man darf Bremen nicht zu diesem Verhalten zwingen.
Das geht im nächsten Jahr weiter, denn auch im nächsten Jahr dürfen wir die Einnahmen nicht in irgendeiner Weise in den Haushalt hineinrechnen. Die jetzigen Steuermehreinnahmen wirken frühes tens im Haushalt 2018. Wie gesagt, ich finde das paradox, und ich finde, man muss dafür sorgen, dass der Sanierungspfad neu formuliert wird, weil wir es uns nicht leisten können, diesen Sanierungspfad, wie er jetzt formuliert ist, fortzuführen. Wir müssen ihn justieren, und wir müssen dafür sorgen, dass wir in der Lage sind, ein Stück weit gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen.
Unserer Meinung nach ist es angesichts der sozialen Lage in Bremen nicht in Ordnung, auf einen Punkt zu kürzen, auf den wir nicht mehr kürzen müssen. Unserer Meinung nach sind die Steuermehreinnah men, die wir jetzt haben, dazu zu nutzen, die soziale Lage in Bremen zu verbessern. Wir brauchen nach wie vor eine besondere Berechnung der Kosten für die Geflüchteten, denn diese Kosten werden uns auch in der Zukunft begleiten. Diese Kosten sind von uns nicht verursacht.
Es ist insbesondere eine Debatte notwendig, weil der Kollege Röwekamp gesagt hat, dass er mit den 400 Millionen Euro Mehreinnahmen, die ab 2020 zur Ver fügung stehen, die bestehenden Schulden tilgen will: Mit der erzielten Zinsersparnis von zwölf Millionen Euro will er dann Wirtschaftsförderung betreiben. Einmal ganz davon abgesehen, dass er selbst die Frage gestellt hat, ob überhaupt 4,5 Millionen Euro Mehreinnahmen vorhanden sind – und ich bezweifle das in diesem Zusammenhang –, stellt sich mir die Frage, was wir mit den sozialen Schulden machen.
Ich sage es noch einmal, und ich werde es so lange wiederholen, bis es Früchte trägt: Wir können es uns nicht leisten, immer größere Teile von Bremen abzu hängen. Wir können es uns nicht leisten, Abgehängte
nicht wieder einzugliedern, weil das natürlich auch neben der moralischen Verpflichtung und neben der sozialen Verpflichtung ein Kostenfaktor ist. Im Moment steigen die Ausgaben für Sozialleistungen deutlich stärker als die Ausgaben für Zinsen. Daher ist es doch richtig zu sagen, an welcher Stelle – auch haushaltstechnisch – denn diese Mehreinnahmen am besten investiert sind.
Bei den Schulden in Geld oder bei den sozialen Schulden? Ich sage, wir werden uns in nächster Zeit darüber Gedanken machen müssen, wie man IN DIE soziale Lage in Bremen investiert. Das ist nicht nur besser für die Menschen in Bremen, nicht nur besser für die soziale Lage; für die Bildung und alles, was damit zusammenhängt, sondern es ist auch letztendlich besser für den Haushalt. – Vielen Dank!
Herr Präsident, lieber Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Ich glaube, es ist schon ganz viel gesagt wor den, wir haben die Debatte über den Länderfinanz ausgleich auch schon oft hier geführt. Ich habe mir überlegt, was ich denn sagen könnte, damit es nicht hinterher wieder heißt: „Das wissen wir, das haben wir sowieso schon von Ihnen erwartet!“
Ja, ich hätte Ihnen natürlich sagen können, dass wir uns als Freie Demokraten gewünscht hätten, dass es zu einer echten Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern gekommen wäre, zu einem System, das eben tatsächliche Anreize schafft, denn im Prinzip ist es ja so, dass im heutigen System wieder diejenigen, die das Geld ausgeben, nämlich die Bundesländer, fast gar nicht dafür verantwortlich sind, dass das Geld auf der anderen Seite auch wieder verdient wird und hereinkommt.
Wir Freien Demokraten stehen bekanntermaßen für den Wettbewerb. Das schließt natürlich auch den Steuerwettbewerb ein, das ist kein Geheimnis, auch in der Hinsicht werde ich Ihnen nichts Neues erzählen. Vielleicht erinnern Sie sich ja noch an die Geschichte, die ich Ihnen von Monheim erzählt habe. Erinnern Sie sich an die Gemeinde, die aufgrund niedriger Gewerbesteuersätze durch die positiven Ansied lungseffekte ihren kompletten Haushalt saniert hat?
Ich glaube, eines ist auch klar: Diese sogenannte Reform geht auf Dauer vor allem zulasten der Steuer zahler. Warum ist das so? Ganz einfach! Im Endeffekt
ist der Bund jetzt stärker in der Pflicht. Bei einem Einbruch der Steuereinnahmen muss der Bund die Steuern erhöhen, weil die Länder ihre Zahlungen auch einfordern.
Das bedeutet natürlich, dass es jeden von uns betrifft. Es betrifft auch die ganz einfachen Leute draußen auf der Straße, es betrifft jeden Steuerzahler, wenn die Länder auf ihre Zahlungen bestehen. Glauben Sie denn wirklich, dass wir uns hier mit den 187 Millio nen Euro mehr große Sprünge leisten können? Es ist schon angeklungen, dass das wahrscheinlich nicht so ist, denn wir haben schon heute knapp 600 Millionen Euro mehr in der Staatskasse, als zu Beginn des Kon solidierungskurses für das Jahr 2016 prognostiziert wurde. Die neueste Steuerschätzung lässt allein in diesem Jahr mehr als 100 Millionen Euro Steuern über Plan erwarten, dass ist schon eine Menge Geld. Trotzdem hören wir hier immer wieder, wir hätten leider kein Geld, und das ist irgendwie absurd.
Sie können sich denken, dass wir es als Freie De mokraten gut finden, dass die Zuständigkeit für die Digitalisierung jetzt stärker beim Bund angesiedelt und gebündelt wird, genauso wie die Planung von Autobahnen, denn Letzteres macht Bremen sowieso schon erfolgreich.
Nur, ganz ehrlich, lieber Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, all das ist doch Beiwerk einer großen Debatte, die wir hier schon so oft und so ausführlich geführt haben. Seien wir ehrlich und reden nicht mehr um den heißen Brei herum, denn bei allen Argumenten für und wider die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen – und jetzt verzeihen Sie mir diese Wortwahl! –: Diese Einigung rettet uns Bremern hier den Arsch!
So ist es nämlich, denn mit den 187 Millionen Euro haben wir endlich ab 2020 eine Perspektive dafür, dass es hier wirklich vorangeht. Jahrelang stand die Eigenständigkeit Bremens auf der Kippe, und man kann schon ein bisschen sagen, dass diese Einigung zumindest für Bremen eine Art SchuldenbremsenRettungspaket ist.
Lieber Herr Bürgermeister, wir, die FDP-Fraktion, gratulieren Ihnen wirklich ganz herzlich dazu, dass Sie nun auch die Chance haben, dieses Kapitel ein für alle Mal abzuschließen. Das ist eine riesige Chance, die eigentlich vor Ihnen kaum jemand gehabt hat. Dazu brauchen Sie aber auch echtes Durchhaltevermögen.
Wir haben heute von der LINKEN schon gehört, manche in diesem Hause wollen am liebsten jetzt schon das Geld ausgeben, das wir erst ab dem Jahr 2020 in der Tasche haben. Auch in Ihren eigenen Koalitionsfraktionen gibt es einige, die eben leider nicht so viel von der Schuldenbremse und von einem ausgeglichenen Haushalt halten. Ich glaube, Herr Bürgermeister, da werden noch diverse Versuchungen auf Sie zukommen, denen Sie widerstehen müssen, viele Kämpfe, die vor Ihnen liegen.
Fakt ist, dass die 300 Millionen Euro, die Ihnen zur Verfügung stehen, vor allem auch für mehr Lehrer, für Polizisten, für bessere Straßen, für Gründungs förderungen, für moderne Hafenanlagen, für die Infrastruktur und ganz vieles mehr zur Verfügung stehen, denn alles in die Schuldentilgung zu stecken, das wäre in unseren Augen nicht richtig. Damit näh men wir Bremen die Wachstumschancen.
Wir haben hier vor allem auch die Verantwortung für die kommenden Generationen. Wenn Sie diese historische Chance nutzen wollen, dann geht das nur, wenn sich Bremen selbst dazu verpflichtet, die 187 Millionen Euro auch in die Schuldentilgung zu stecken. Wir brauchen dieses klare Signal, um Vorsorge für Zeiten zu treffen, in denen die Zinsen wieder steigen, das hat Herr Röwekamp sehr ausführlich erklärt. Er hat damit absolut recht. Laut Prognosen zu Beginn des Konsolidierungszeitraums im Jahr 2011 sollten wir allein in diesem Jahr 220 Millionen Euro mehr Zinsen zahlen, als wir es heute tatsächlich tun. Das zeigt doch, wie schnell die 187 Millionen Euro auch wieder verpuffen können.
Deshalb sollten wir uns alle zusammen auf den Weg machen, um endlich von diesem monströsen Schul denberg in Höhe von 22 Milliarden Euro herunterzu kommen, aus Pflichtbewusstsein, aus Verantwortungs gefühl gegenüber kommenden Generationen! Wenn Sie dazu bereit sind, Herr Bürgermeister Dr. Sieling und auch Frau Bürgermeisterin Linnert, dann kann ich Ihnen felsenfest versprechen, dass die FDP-Fraktion diesen Weg gemeinsam mit Ihnen gehen will und Sie dabei auch unterstützen wird. Mit einem klaren Bekenntnis zur Schuldenbremse können Sie die Ei genständigkeit Bremens dauerhaft sichern. Bekennen Sie sich deshalb heute ganz eindeutig dazu, dass es mit Ihnen als Regierungschef nur einen Weg gibt, und zwar den der Schuldentilgung ab 2020 und nicht erst ab dem Sankt-Nimmerleins-Tag! – Vielen Dank!
darüber, was ab 2020 passiert. Ich möchte aber auch den Blick zurück schärfen. Wenn man in Bremen Politik macht, gerät gelegentlich aus dem Blick, dass die Welt südlich des Rastplatzes Achim-Ost meist völlig anders aussieht als das, was wir uns in diesem Parlament erzählen.
Wir halten es für selbstverständlich, dass die Selb ständigkeit Bremens angemessen ausgestattet werden muss und wir nicht das Griechenland an der Weser sind, sondern ein prosperierender, wirtschaftsstarker Standort mit einem Verteilungsproblem im Bundesfi nanzausgleich. Dafür muss man aber um Verständnis werben; im Rest der Republik wird das nicht unbe dingt so gesehen.