Protocol of the Session on November 9, 2016

Jahre war im Kern nicht wirksam. Es wurde entwe der deutlich zu wenig oder an den falschen Stellen gefördert. Im Mittelpunkt dieser Beobachtungen muss natürlich die Sprachförderung stehen, gerade wenn wir wissen, dass Migrationshintergrund und Mehrsprachigkeit dazu führen, dass Kinder und Ju gendliche schlechter in der Schule abschneiden. Ich weiß, dass das hier oft genug diskutiert worden ist, aber wir müssen immer noch kritisch hinterfragen, ob es die Ansätze zur durchgängigen Sprachförde rung in Kita und Grundschule, die wir irgendwie versuchen zu entwickeln, wirklich gibt und ob sie überhaupt etwas gebracht haben, oder ob wir zwar schöne Konzepte entwickelt haben, die aber in der Praxis der Kindertagesstätten und der Grundschulen keine Wirksamkeit entfalten.

Insbesondere muss an der Mittelvergabe für die Sprachförderung gedreht werden. Als wesentliches Instrument der durchgängigen Sprachförderung werden in den Senatsmitteilungen der letzten Jah re meistens die zusätzlichen BAföG-Mittel für die Schulen benannt. Das sind 500 000 Euro jährlich, die es zusätzlich für die Schulen in der Stadtgemeinde Bremen gibt. Wenn man das aber auf die einzelnen Schulen herunterrechnet, sind das oft nicht mehr als zwei zusätzliche Lehrerstunden pro Woche. Ich finde, das ist Sprachförderung in homöopathischen Dosen, und dann muss man sich auch nicht wundern, wenn sich an den Bildungsvergleichen für diese Gruppe nichts ändert.

(Beifall DIE LINKE – Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/ Die Grünen]: Als ob das das Einzige wäre, was wir machen würden!)

Sprachförderung in Bremen und Bremerhaven muss auf den Prüfstand und schleunigst verbessert werden. Das Warten auf die Ergebnisse der Evaluation der Schulreform darf kein Grund sein, nicht jetzt und heute schon anzufangen, die Sprachförderung zu überar beiten. Bei der Evaluation werden ohnehin eher die Oberschulen im Mittelpunkt stehen, und Grundschu len werden nur am Rande thematisiert werden. Wir müssen die Weiterentwicklung der Sprachförderung also unabhängig von der Evaluation wieder auf die Tagesordnung setzen und vorantreiben.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode eineinhalb Jahre in einer Gruppe im Rathaus gesessen, die sich überlegt hat, wie man Sprachförderung in Bremen anders regeln kann. Davon ist aber nach der Wahl nichts umgesetzt worden. Ich möchte die Ergebnisse, die wir damals erarbeitet haben, tatsächlich auch in einen Umsetzungsstand bringen, denn es war nicht verkehrt. Es war nicht verkehrt, was wir da mit vielen Leuten aus der Praxis zu erarbeiten versucht haben. Ich erwarte aber auch, wenn wir eineinhalb Jahre in einer Arbeitsgruppe im Rathaus arbeiten, dass das mit Mitteln hinterlegt und auch in die Realität umgesetzt wird,

(Beifall DIE LINKE)

denn es gilt generell, dass gezielte Förderung nur mit besserem Ressourceneinsatz möglich ist. Es kann wirklich nicht sein, dass wir in Bremen ein Schul system mit überdurchschnittlich vielen Kindern mit Sprachförderungsbedarf haben, aber gleichzeitig mit einem unterdurchschnittlichen Mitteleinsatz auskommen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn wir es jemals schaffen wollen, uns von diesem letzten Platz in allen relevanten Bildungsstudien wegzubewegen, dann gelingt das nur, wenn wir in Bildung mehr investieren und Bildung endlich einem größeren Kraftakt unterwerfen. Das ist eigentlich das, was ich aus dieser Studie mitnehme. Eine Generation nach PISA haben wir in Bremen immer noch nicht die Mittel gefunden, daran etwas zu ändern, und das liegt natürlich auch an den Ressourcen – nicht nur, aber auch. Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt, zu dem man sich nichts mehr schönreden darf und auch nicht mehr darauf warten darf, was die Schulreform gebracht hat. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Güngör.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube auch, es ist nicht der richtige Zeitpunkt und es nie der richti ge Zeitpunkt ist, irgendetwas schönzureden. Diese Koalition hat noch nie irgendetwas schöngeredet.

(Beifall SPD – Lachen CDU, DIE LINKE, FDP)

Sie können ruhig weiter mit Hohn und Spott mit die ser Situation umgehen, aber ich kann Ihnen sagen, dass im Land Bremen relativ viele Schulen und auch Lehrerinnen und Lehrer enttäuscht darüber sind, welches Ergebnis wir trotz der vielen Bemühungen in dieser Studie bekommen haben. Insofern finde ich, Ihr Gelächter geht in die völlig falsche Richtung. Ich glaube, es ist angebracht, hier eine etwas differen ziertere Betrachtung an den Tag zu legen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ob man das alles im Rahmen einer Aktuellen Stunde machen kann – eine Studie, die mit über 500 Seiten sehr viele Ergebnisse liefert –, lasse ich einmal da hingestellt.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das ist richtig! – Abg. Bensch [CDU]: Ich finde das unmöglich!)

Ich will trotzdem versuchen, die Ergebnisse der Stu die wegweisend für unsere zukünftige Arbeit noch einmal etwas genauer darzustellen, und ich glaube, das ist unsere Aufgabe im Parlament.

Im Fokus der Studie steht im Übrigen kein Ranking, sondern eine Entwicklung, ein Bildungstrend, ein Vergleich zwischen 2009 und 2015. Dieser fällt in der Tat nicht gut aus. In Bremen können wir im Übrigen mit diesen Ergebnissen relativ viel anfangen, weil wir fast von einer Vollerhebung sprechen können, weil fast alle neunten Jahrgänge in diese Studie einbezogen worden sind.

Wir sind, das sage ich ganz offen, mit den Ergebnissen nicht zufrieden.

(Zuruf ALFA: Ach wirklich?)

Betrachten wir einmal die Lesekompetenz! Diese hat sich im gesamten Bundesgebiet verschlechtert. Die Erklärung dazu steht noch aus. In Bremen ist die Verschlechterung zwar laut Aussagen der Bildungs forscher statistisch nicht signifikant, aber trotzdem, besser wird sie eben auch nicht. Wir wissen, bis Reformen wirksam werden, braucht es Zeit. Das muss man auch mit in die Diskussion hineintragen. Das sagen uns alle Experten. Sie haben auch gesagt, dass Umstrukturierungen Reibungsverluste mit sich bringen. In Baden-Württemberg werden die Leis tungsverschlechterungen zwischen 2009 und 2015 im Übrigen auch damit begründet.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Wer regiert denn da?)

Es gibt aber noch einen weiteren Punkt in der Studie, den man sich genauer anschauen muss. An den Ober schulen ist bei den Schülerinnen und Schülern keine Verschlechterung der Lesekompetenz festzustellen, die Lesefähigkeit der durchgängigen Gymnasien, der Leistungsspitze, ist dagegen dünner geworden. Solche Entwicklungen sind in der Tat sehr schwierig zu erklären, und ich glaube, das müssen wir uns sehr genau anschauen.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Auch etwas dagegen tun, nicht nur anschauen!)

Man kann in der Bildungspolitik nicht immer alles mit dem Argument, wir brauchen mehr Ressourcen oder mehr Personal, begründen, und das hat Kollegin Vogt auch nicht gemacht. Es gibt aber trotzdem ein Argument und eine Faktenlage, die sich deutlich durchschlägt und die wir auch ansprechen müssen: Die sozialen Ausgangslagen sind in Bremen beson ders schwierig, und die Risikolagen kumulieren sich häufiger als woanders. Bremen gibt aber ungeachtet der schwierigen Ausgangslage deutlich weniger aus als die anderen Stadtstaaten.

Bremen hat bei allen drei Risikolagen – Bildungsferne, Erwerbslosigkeit und Armut –, auch im Vergleich zu

Hamburg und Berlin, die schlechteste Ausgangslage. Hamburg steht bei allen Sozialdaten deutlich und Berlin leicht besser da. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit allen drei Risikolagen liegt in Bre men bei 10 Prozent, in Berlin bei 8,1 Prozent und in Hamburg bei nur 4,1 Prozent. Hamburgs Leistungen haben sich enorm verbessert, aber auch die soziale Ausgangslage hat sich seit 2009 erheblich verbessert.

Bremen liegt zwar bei der Ausstattung im Vergleich zu allen Bundesländern im Mittelfeld – im Bundesdurch schnitt sind unsere Ausgaben in Ordnung, inklusive der Zuweisungen für den Sozialstrukturbedarf, In klusionsmittel et cetera –, aber Berlin und Hamburg geben deutlich mehr für Schulen je Schülerin und Schüler aus: Hamburg 8 100 Euro, Berlin 7 800 Euro und Bremen eben 6 400 Euro. Würden wir, wenn man das einmal hochrechnet, in Bremen annähernd so viel ausgeben, müssten wir pro Jahr ungefähr 100 Millio nen Euro mehr in die Hand nehmen. Ich glaube schon, dass wir uns Gedanken darüber machen müssen und dass eine deutliche Steigerung der Ausgaben für die Schulen, insbesondere für die Schulen in schwieriger Lage, mit höheren Zuweisungen stattfinden muss, um zum Beispiel Doppelbesetzungen für die Schulen, die in besonders schwieriger Lage sind, zu realisieren.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Jetzt doch? Das ist gut! Das nehme ich erfreut zur Kenntnis! Ist nicht zynisch gemeint!)

Ja, ich sage ganz deutlich, dass wir uns in den nächs ten Haushalten dafür einsetzen müssen. Wir wollen ein Fazit aus diesen Studien ziehen und weiter daran arbeiten. Es ist aber nicht ausschließlich nur eine Frage von Ressourcen, es gibt auch andere Punkte, die wir anpacken müssen.

Wenn wir uns fragen, was Hamburg anders und vielleicht auch besser macht, dann stoßen wir schnell darauf, dass Hamburg in den vergangenen Jahren ein umfangreiches Monitoringsystem mit Schulinspektio nen und eigenem Qualitätsinstitut aufgebaut hat. Da werden Schülerinnen und Schüler regelmäßig getestet und die Ergebnisse an alle Schulen rückgekoppelt.

Seit langer Zeit stoßen wir immer wieder auf Vorbehal te, zuweilen sogar auf eine regelrechte Antihaltung, wenn es um Leistungsüberprüfungen der Schüle rinnen und Schüler geht. Das darf man auch nicht verschweigen. Ich glaube, wir müssen uns trotzdem ähnlich wie Hamburg nicht nur von Studie zu Studie, sondern auch mit eigenen Erhebungen öfter den Leis tungsstand der Schülerinnen und Schüler ansehen. Auch in Bremen machen wir ja regelmäßig in den Jahrgangsstufen drei und acht Vergleichstests mit VERA-3 und VERA-8. Doch ich habe meine Zweifel, ob die Schulen in Bremen überhaupt das vorhandene Instrumentarium dafür haben, aus den Ergebnissen der VERA-Tests Schlüsse zu ziehen und Verbesserungen für die Unterrichtsqualität zu entwickeln.

Im Übrigen haben wir das im Koalitionsvertrag RotGrün auch festgehalten. Ich zitiere:

„In den zweiten und fünften Klassen werden wir eine Feststellung der individuellen Lernausgangslagen einführen, damit in den Schulen eine zielgenaue Förderung stattfindet.“

Es ist mehr als an der Zeit, das in Gang zu bringen. Wir dürfen Schulleitungen bei dieser Aufgabe nicht alleinlassen. Sie bedürfen aus unserer Sicht einer intensiveren und sorgfältigeren Begleitung durch die Schulaufsicht. Ich glaube auch, dass wir eine Reform der Schulaufsicht und der Schulinspektion insgesamt brauchen, und wir müssen die Schulleitungen auch in die Lage versetzen, das bereits vorhandene Ins trumentarium zur Verbesserung der Schulqualität wirkungsvoll zu nutzen. Dafür bräuchten wir ein Unterstützungssystem mit etwas mehr Personal, auch zur Entlastung der Schulen, um diese mit dieser neu en Aufgabe eben nicht noch zusätzlich zu belasten.

Auch den Bereich der frühkindlichen Bildung müssen wir uns intensiver anschauen, damit die geplante Verzahnung zwischen Elementar- und Primarbereich durch einen gemeinsamen Rahmenbildungsplan zügig umgesetzt wird.

Grundsätzlich gilt aber: keine Hauruckmaßnahmen oder irgendwelche neuen Debatten über Schulst rukturreformen! Gerade haben wir begonnen, den Bildungskonsens und die Schulreform zu evaluieren, und der „Bildungstrend“ bietet hier eine gute Da tenbasis. Die Daten deuten darauf hin, dass wir nicht an den Strukturen arbeiten müssen. Diese standen in den vergangenen Jahren auch schon mehrfach im Fokus, und trotz der damit verbundenen Anstren gungen sind keine signifikanten Verschlechterungen zu konstatieren. Bis der Schulumbau aber Wirkung zeigt, braucht es eben auch Zeit. Es gilt nun, auf den vorhandenen Strukturen aufzubauen und gezielt an der Verbesserung der Unterrichtsqualität zu arbeiten.

Ich bin mir sicher, dass der rot-grüne Senat, der ja Kinder und Bildung weiterhin zum Schwerpunkt er klärt hat, die Situation genauso scharf analysiert wie wir parteiübergreifend im Parlament. Die Herausfor derung wird sein, die richtigen Schlüsse aus diesem Ergebnis zu ziehen. Ich glaube, für den kommenden Haushalt wird es noch schwieriger werden, aber daran wollen wir gemeinsam mit Ihnen arbeiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. vom Bruch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorletzte Woche wurde berichtet, Bremen habe in einer bildungsbe zogenen Vergleichsstudie einmal wieder die hinters ten Plätze belegt. Ja, ist man vielleicht geneigt, zu

sagen, so könnte man eher lapidar auf den ersten Blick berichten und kommentieren. Die Wahrheit ist aber, dass sich, wie ich in einer Kommentierung gelesen habe, dahinter Empörendes verbirgt. Wir als CDU-Fraktion werden uns jedenfalls an dieses regelmäßige Desaster nie gewöhnen.

(Beifall CDU)

Wir werden uns nie daran gewöhnen, dass Kindern in Bremen und Bremerhaven systematisch schlechtere Zukunftschancen drohen, als das in allen anderen Teilen der Republik üblich ist. Herr Güngör, das haben Sie sehr wohl in Ihrer Rede schönzureden versucht, wobei tendenziell eben nichts schönzureden ist.

(Beifall CDU, FDP, ALFA – Abg. Güngör [SPD]: Ich glaube, das haben Sie sich aufgeschrieben, bevor Sie mir zugehört haben!)

Worum geht es? Lassen Sie mich kurz aus der das Fach Deutsch betreffenden Zusammenfassung ex emplarisch eine Passage zitieren:

„Zwischen dem Land mit dem geringsten und dem Land mit dem höchsten Kompetenzmittelwert beträgt der Abstand im Fach Deutsch 70 Punkte im Bereich Lesen, 49 Punkte im Bereich Zuhören und 58 Punkte im Bereich Orthografie.“

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Zuhören können wir offenbar!)

„Setzt man diese Differenzen mit groben Schätzun gen für den Kompetenzzuwachs in Beziehung, der am Ende der Sekundarstufe I zu erwarten ist, so entsprechen diese Mittelwertunterschiede in allen drei Bereichen mehr als drei Schuljahren Lernzeit.“

Meine Damen und Herren, Sie dürfen raten, wen die Verfasser mit dem Land gemeint haben könnten, das die größten Kompetenzabstände zu den vordersten hat. Es ist unser Bundesland, für das wir, insbesondere aber Sie Verantwortung tragen. Schülerinnen und Schüler in Bremen erreichen damit in der neunten Klasse ein Kompetenzniveau, das in den erwarteten Fähigkei ten der sechsten und siebten Klasse entspricht. Das Schlimme ist nicht nur die Situation, das Schlimme ist, dass sich gegenüber den vorangegangenen Studien in Wahrheit nichts verbessert hat!