Protocol of the Session on September 22, 2016

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Nun lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Druck sachen-Nummer 19/748 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, ALFA, Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kom men, möchte ich Sie informieren, dass aufgrund einer interfraktionellen Vereinbarung der Tagesordnungs punkt 14 ausgesetzt wird.

Umsetzung des Präventionsgesetzes in Bremen – Gesundheit in Quartieren stärken – Akteure vor Ort mit einbeziehen Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 2. Juni 2016 (Drucksache 19/630) Wir verbinden hiermit: Umsetzung des Präventionsgesetzes in Bremen: Initiativen in den Quartieren stärken und aus bauen Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 19. September 2016 (Drucksache 19/744)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Pro fessor Dr. Quante-Brandt.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dehne.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Präventionsgesetz auf Bundesebene ist seit diesem Jahr in Kraft. Es war eine schwere und lange Geburt. Es sollte schon viele Jahre vorher da sein. Jetzt ist es endlich da, und das finde ich richtig gut.

(Beifall SPD)

Das Ziel des Präventionsgesetzes ist die Gesund heitsförderung und die Stärkung der Vorsorge in den sogenannten Lebenswelten. Das meint Schule, Kita, Betriebe, Seniorenheime und Ähnliches. Mit diesem Gesetz wird die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet, statt rund drei Euro pro Jahr und Versi chertem nun sieben Euro für Prävention auszugeben.

Gerade bildungsferne Versicherte in sozial benach teiligter Lage sollen hierbei in den Fokus genommen werden. Das Präventionsgesetz richtet sich eben gerade nicht an Menschen wie Sie und mich, die vielleicht ein ganz gutes Gefühl für Gesundheit und entsprechende Vorsorge haben, sondern an Grup pen mit geringerer Präventionsorientierung, und das halte ich gerade als Sozialdemokratin für den richtigen Ansatz.

(Beifall SPD)

Wir wollen erreichen, dass Menschen mit geringem Einkommen oder arbeitslose Menschen, Alleinerzie hende, Alte oder auch Behinderte hiervon profitieren. Wichtig ist es dabei – darum haben wir es in unserem Antrag auch so formuliert –, Projekte und Aktivitäten, die stattfinden, sinnvoll aufeinander abzustimmen.

(Beifall SPD)

Wir möchten, dass die Landesrahmenvereinbarung, die schon in Arbeit ist, bis Ende dieses Jahres in Kraft tritt, damit in Bremen und in Bremerhaven ein Rahmen vorhanden ist, in dem sich die Akteure bewegen können, denn – das wird manchmal etwas verkannt – es geht hier nicht um Steuergelder, die der Senat verteilt, sondern um Beiträge der gesetzlich Versicherten.

(Beifall SPD)

Das ist auch der Grund, aus dem wir den Änderungs antrag der LINKEN ablehnen. Darin wird genau dieser Mechanismus suggeriert, und das ist eben nicht richtig. Wir können nicht sagen, der Senat soll

das Geld nach den und den Maßstäben verteilen, sondern durch die Landesrahmenvereinbarung wird, wie der Name schon sagt, der Rahmen geschaffen, in dem sich die Akteure bewegen müssen. Gerade hier wollen wir auch gestalten, aber eine Zuteilung von Geldern kann der Senat nicht vornehmen. Darum lehnen wir den Änderungsantrag ab.

(Beifall FDP)

Wir wollen die bestehenden Strukturen stärken, die wir in Bremen bereits haben, das heißt, Einrichtungen wie der Gesundheitstreffpunkt West und Frauenge sundheit in Tenever. Das sind richtig gute Projekte und Einrichtungen vor Ort, die durch zusätzliche Mittel und Projekte gestärkt werden können. Das halte ich für einen sehr wichtigen Ansatz.

(Beifall SPD)

Wir wollen Gesundheitskonferenzen in den Stadtteilen durchführen und wollen, dass sich alle Akteure vor Ort einbringen und mitdiskutieren, da sie in ihren Quartieren und Stadtteilen oft viel besser wissen, was los ist und was man vielleicht auch schon einmal an Präventionsangeboten hatte und nicht mehr angeboten wird, was aber vielleicht ganz gut lief oder was man ändern könnte. Denn ich denke, nur wenn wir das Thema breit in Bremen und Bremerhaven verankern, können wir dabei richtig gut vorankommen.

Wir wollen, dass die Krankenkassen miteinander ar beiten. Es ist natürlich so, dass jede Krankenkasse ihre Interessen hat. Manche haben auch eine spezifischere Klientel an Versicherten, aber ich denke, gerade das Präventionsgesetz ist wirklich gut geeignet, dass die Akteure zusammenarbeiten. Es ist sicher noch ein längerer Prozess, aber ich glaube, dass wir dabei gut vorankommen werden. Zumindest die Gespräche, die ich hatte, auch mit Krankenkassen, aber zum Beispiel auch mit dem Gesundheitstreffpunkt West und Frauengesundheit in Tenever waren immer sehr positiv, und ich denke schon, dass sich die Akteure alle gemeinsam auf den Weg machen können, und das wollen wir auch von der Bürgerschaft aus kon struktiv begleiten.

(Beifall SPD)

Wichtig ist meiner Fraktion auch, dass wir den Sport einbeziehen, also den Landessportbund sowie die Sportvereine. Dort wird bereits sehr viel Prävention geleistet, und es gibt viele gute Ideen und Ansätze, an denen man noch verstärkt arbeiten kann.

Wichtig sind auch die Betriebe. Wir haben das Thema psychische Belastungen am Arbeitsplatz, das eben falls im Fokus steht und für das auch Mittel aus dem Präventionsgesetz verwendet werden sollen. Wichtig ist, dass Angebote für Menschen geschaffen werden, die solche Gesundheitsvorsorgeangebote bislang

kaum wahrnehmen, also zum Beispiel Männer mit Migrationshintergrund.

(Abg. Senkal [SPD]: Na toll!)

Ganz klar ist, dass wir durch diese Mittel, die hier verteilt werden, nicht die Armut abschaffen können. Wir werden es auch nicht schaffen, dass in Bremen und Bremerhaven jetzt bald niemand mehr raucht oder Alkohol trinkt und sich niemand mehr ungesund ernährt, aber ich glaube, wir können es wirklich schaffen, einen Beitrag zu einem gesünderen Leben zu leisten, und das finde ich sehr positiv.

(Beifall SPD)

Unser Antrag ist also eine ganz klare Linie, eine politische Willensbekundung, wie wir uns als Bür gerschaft vorstellen, dass wir mit diesem Präventions gesetz umgehen, und wie wir möchten, dass in den Stadtteilen etwas für die Bremerinnen und Bremer sowie die Bremerhavenerinnen und Bremerhavener passiert, damit ein bisschen gesünder gelebt wird. – Herzlichen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Kappert-Gonther.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber gar nicht erst krank werden, statt erst wieder mühsam gesund zu werden, oder positiv formuliert, wie es Teil jedes Glückwunsches ist: Bleib schön gesund!

Dass unsere Gesundheit nicht nur in unserer Hand liegt, wissen wir alle. Ob wir gesund oder krank sind, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab: Glück und Pech, individuelle Faktoren. Aber Gesundheit und Krankheit sind eben auch von unserem indivi duellen Lebensstil abhängig und – hier kommt die Politik ins Spiel – davon, wo wir leben und in welche Gesellschaft wir hineingeboren werden.

Armut und Krankheit sind so eng miteinander ver knüpft, dass es inzwischen schon zahlreiche Ärztin nen und Ärzte gibt, die als entscheidende Präven tionsmaßnahme die Armutsbekämpfung ansehen. Menschen, die in Gesellschaften leben, in denen die Schere zwischen Arm und Reich weit auseinander geht, sind durchschnittlich kränker, und Menschen in solidarischen Gesellschaften sind gesünder. Das sind harte Fakten, und diese sollten Richtschnur unseres politischen Handelns sein.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Der Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit ist nur nicht nur etwas, das wir weit weg beobachten

können, sondern zeigt sich auch hier in Bremen. Sie kennen alle die Untersuchung. Männer, die ihr Leben in Gröpelingen verbringen, haben eine deutlich kürze re Lebenserwartung als Männer aus Schwachhausen, und das liegt nicht nur am individuellen Lebensstil, sondern es hat etwas damit zu tun, wo und unter welchen Umständen Menschen leben. Wer an viel befahrenen Straßen lebt, hat ein deutlich höheres Risiko, Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bekommen. Selbst Kinder im Mutterleib kommen schon mit einem höheren Asthmarisiko zur Welt, wenn die Mutter während ihrer Schwangerschaft vielen Autoabgasen ausgesetzt ist.

Was hilft uns nun dieses neue Präventionsgesetz, wo es doch eigentlich um ein Zusammenrücken der Gesellschaft geht? Das Gesetz wurde, bevor es in Kraft getreten ist, vielfach kritisiert, auch von uns Grünen, da es unserer Meinung nach zu sehr die individuellen Lebensstilfragen fokussiert und die größeren Rahmenbedingungen, wie ich sie gerade etwas skizziert habe, überwiegend außer Acht lässt. Dennoch können wir damit etwas für Bremen anfan gen, und das sollten wir unbedingt tun.

Wir wissen, dass übliche Verhaltenspräventionsan gebote, also Ernährungs- und Bewegungsangebote, überwiegend Menschen mit höherem Sozialstatus, höherer Bildung und in der Folge geringeren Krank heitsrisiken erreichen. Es spricht überhaupt nichts dagegen – das hat Stephanie Dehne bereits ausgeführt –, dass wir uns alle gesund ernähren und ausreichend bewegen. Ich zumindest kann sagen, dass dieser Politikstil dem nicht so richtig entgegenkommt. Was wir aber dringend brauchen, sind Maßnahmen zur Verhältnisprävention.

Wenn wir nun all dies wissen und uns ein Präventions gesetz Chancen eröffnet, dann sollten wir diese nutzen. Wir wollen den zentralen Ansatz der Lebenswelt- und Quartierorientierung ausbauen. Dafür müssen wir eng mit den bereits bestehenden Netzwerken in den Quartieren zusammenarbeiten. Aber wie kann das nun gelingen? Wie schaffen wir es, die Chancen dieses Präventionsgesetzes für Bremen zu nutzen?

Als Erstes brauchen wir eine gute Landesrahmen vereinbarung. Diese sollte ermöglichen, dass die Gelder, die die Kassen jetzt verwalten, überwiegend für Verhältnisprävention eingesetzt werden. Uns muss klar sein, dass es Versichertengelder sind, die von den Kassen verwaltet werden. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich sagen: Die gesetzlichen Kassen sind, wenn wir es gut anfangen, unsere Ver bündeten zugunsten von Prävention, und so sollte es auch bleiben.

Wie sollten diese Gelder nun eingesetzt werden, damit sie der Verhältnisprävention dienen? Was heißt das? Das bedeutet, eben nicht nur Kurse für Einzelne anzubieten, die die Verhaltensveränderungen zum Ziel haben, also Verhaltensprävention, sondern in den Quartieren die Verhältnisse besser zu gestalten.

Das nennt man Verhältnisprävention, die es vielen ermöglicht, besser und gesünder zu leben, und das sollte unser politisches Ziel sein.