Protocol of the Session on September 21, 2016

(Beifall DIE LINKE, CDU – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, das stimmt nicht!)

Doch! Es gibt keinen einzigen Paragrafen – Frau Dr. Schaefer, wenn Sie anderer Auffassung sind, können Sie gern auf einen Paragrafen hinweisen –, der das Petitionsrecht ausweitet, und das, obwohl in der letzten Legislaturperiode – viele Kolleginnen und Kollegen hier im Raum waren dabei – ein Unteraus schuss gegründet wurde, der Vorschläge zu einer positiven Form des Petitionsgesetzes erarbeitet hat. Der Unterausschuss hat sich mit Fragen beschäftigt, wie: Kann der Petitionsausschuss grundsätzlich öf fentlich tagen? Soll er über bestimmte Petitionen direkt entscheiden können? Soll es künftig zwei Berichterstatter oder Berichterstatterinnen zu jeder Petition geben? – Von all diesen Vorschlägen und guten Ideen ist nullkommanichts übriggeblieben. Im letzten Jahr hat die Koalition mit dem Gesetzentwurf all diese Vorschläge mit einer Geste vom Tisch gefegt. Anstatt den Empfehlungen des Unterausschusses, an dem auch Ihre eigenen Abgeordneten beteiligt waren, zu folgen, kamen mit dem Gesetzentwurf Vorschläge auf den Tisch, die eine ganze Reihe von Petitionen massiv einschränken sollten – um Enttäuschungen zu vermeiden, wie Sie in der Begründung schrieben. Das betraf Petitionen zu Baufragen, Petitionen zu laufenden parlamentarischen Initiativen, Petitionen zu Gesetzesvorschlägen und so weiter. Nachdem sich Widerstand regte, wurde ein langes Anhörungsver fahren der beiden Ausschüsse in Gang gesetzt, wäh renddessen einigen Vorschlägen des ursprünglichen Gesetzentwurfs die Zähne gezogen wurden. Trotzdem mussten wir noch auf der beratenden Sitzung des Rechtsausschusses darauf hinweisen, dass zu laufen den parlamentarischen Initiativen weiterhin keine öffentlichen Petitionen mehr erlaubt sein sollten. Wir finden es gut und flexibel, dass die Koalition diese

Regelung noch in letzter Minute gestrichen hat. Das ist aber nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, wes Geistes Kind der Gesetzentwurf ist. Das Ansinnen ist, unliebsame Interventionen auszu bremsen, Verwaltungsakte schneller durchsetzbar zu machen und unbequeme Öffentlichkeit auszu schließen,

(Beifall DIE LINKE)

denn auch der geänderte Gesetzentwurf sieht, wie ge sagt, ausschließlich Einschränkungen vor. Ein Beispiel möchte ich dazu nennen: Bürgerinnen und Bürger, die sich von einem Verwaltungsakt ungerecht behandelt fühlen, müssen sich künftig entscheiden, ob sie ihr Anliegen per Petition beim Parlament vorbringen oder ob sie Widerspruch bei der Widerspruchsbehörde ein reichen, denn während des Widerspruchsverfahrens – das regelt der aktuell vorliegende Gesetzentwurf – ruhen Petitionen, werden also nicht behandelt. Diese Regelung ist laut des Gutachters Kutscher, der in der Anhörung angehört wurde, verfassungswidrig. Er sagte, dass das grundgesetzlich geschützte Petiti onsrecht – Sie haben es erwähnt, Herr Tschöpe – auch umfasst, sich jederzeit und zu jedem Thema direkt an die Legislative wenden zu können. – Insbesondere das „jederzeit“ wird durch dieses Ruhen verletzt, in sofern sind zumindest verfassungsrechtliche Zweifel angebracht. Herr Tschöpe, wenn Sie sagen, Sie wollen Paral lelverfahren vermeiden: Auch jetzt kann der Peti tionsausschuss eingereichte Petitionen an die Wi derspruchsbehörde zur Kenntnis geben oder auch an das Bauamt.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Wer entscheidet denn am Ende über die Petition?)

Die Behörde hat Kenntnis über die Petition, und trotzdem entscheidet bisher, wenn der Gesetzentwurf nicht so kommt – –.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Wer entscheidet?)

Es entscheidet natürlich der Petitionsausschuss.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Nein, eben nicht! – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, die Bürgerschaft! – Weitere Zurufe SPD und Bündnis 90/ Die Grünen)

Über die Beschlussempfehlung entscheidet der Pe titionsausschuss.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, aber über die Petition entscheidet am Ende die Bürgerschaft!)

Die Bürgerschaft beschließt das am Schluss.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Gerade noch einmal so!)

Wir bringen als Linksfraktion stattdessen einen Ge setzentwurf ein, der wirklich eine Ausweitung des Petitionsrechts zum Ziel hat. Unser Entwurf setzt die Vorschläge des Unterausschusses um, die besagen, dass der Petitionsausschuss grundsätzlich öffentlich tagen soll, so wie das auch anderswo, zum Beispiel in Bayern, der Fall ist. Der Jahresbericht des Aus schusses soll in der Bürgerschaft nicht nur vorgelegt, sondern auch debattiert werden, das ermöglicht auch eine Auswertungen der vorgelegten Petitionen auf politischer Ebene im Gesamten. Zusätzlich wollen wir den Zugang zum Petitionsrecht breiter machen, deshalb soll es möglich sein, Petitio nen auch auf Englisch einzureichen. Wir wollen die anachronistische Vorschrift im Petitionsrecht strei chen, dass vorgeschrieben wird, Petitionen in dem Parlament würdiger Sprache einzureichen. Es gibt schon jetzt die Regelung, Handhabe und Praxis, dass zum Beispiel beleidigende Texte nicht veröffentlicht werden. Wir meinen, das reicht.

(Beifall DIE LINKE)

Der Petitionsverein hat darauf hingewiesen, dass das Petitionsrecht heute die Minderheitenrechte im Ausschuss stärken muss. Auch das haben wir aufge griffen, schließlich sind wir selbst davon betroffen. Künftig soll es die Möglichkeit von Minderheitenvoten zum Bericht geben. Es soll auch möglich sein, eine Petition zu einem Thema nicht nur einmal pro Legis laturperiode, sondern einmal pro Jahr einzureichen. So müsste aus unserer Sicht ein Gesetz aussehen, dem es darum geht, das Petitionsrecht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern.

Dass Sie mit Ihrem Vorschlag auf dem Holzweg sind, sieht man auch daran, dass die komplette Opposition gegen Ihren Gesetzentwurf stimmen wird. Mit dem Sägen am Petitionsrecht sind Sie mutterseelenallein, und Sie müssen sich auch die Frage gefallen lassen, was Sie damit eigentlich bezwecken wollen. Es wird oft über die Politikverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger geredet – Ihr Gesetz ist ein prägnantes Beispiel dafür, dass die Politik bürgerverdrossen ist. Diesen Weg gehen wir nicht mit. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Mustafa Öztürk.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Um Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern künftig schneller bescheiden zu können, wird das Verfahren effizienter gestaltet und das Petitionsrecht ausgebaut. Das ist der Kern der bre mischen Gesetzesnovelle. Diese Novelle wahrt das

grundgesetzlich verbriefte Recht der Bürgerinnen und Bürger, sich mit ihren Anliegen unmittelbar an die Volksvertretung zu wenden und von dieser eine Entscheidung zu erhalten. Mit dieser Reform stärken wir das Petitionsrecht, Frau Leonidakis. Wir beschleunigen die Verfahren, die Petenten müssen nicht mehr so lange wie bisher auf eine Antwort warten, und das finden wir gut so.

Wir stellen sicher, dass weiterhin der Petitionsaus schuss beziehungsweise die Bürgerschaft die letzte Entscheidung in der Sache hat. Mit der Gesetzesno velle können Eingaben, die sich zum Beispiel gegen laufende Bebauungspläne richten, zur Beratung in die Fachdeputation überwiesen werden. Eine Ent scheidung wird in der Deputation aber nicht gefällt. Dort ist auch die Verwaltung vertreten, gegen deren Vorhaben sich eine Petition richtet. Der Petitionsaus schuss bleibt Herr des Verfahrens und entscheidet am Ende über die Petition – und am Ende entscheiden wir hier gemeinsam im Haus, wie wir uns dazu verhal ten, und das bleibt auch unangetastet. Bürgerinnen und Bürger können sicher sein, dass am Ende die Volksvertreter nach sorgfältiger Abwägung des Für und Wider über ihre Petition entscheiden.

Wir haben die Kritik, die bei der Anhörung zum Gesetzentwurf laut wurde, zum Anlass genommen, entsprechend nachzubessern. Das mit der Über weisung der Petition als Material gewählte zusätz liche und neue Element der Petitionserledigung ist grundsätzlich auch nichts Neues, weil wir nach der jetzigen Regelung im Einzelfall von dem aktuellen Petitionsgesetz in diesem Bereich schon Gebrauch machen können, wo wir als Bürgerschaft diese Er ledigungsform ja auch schon beschlossen haben. Trotz dieser gewählten Art und Weise der Petitions erledigung lässt die Neuregelung den subjektiven Rechtsanspruch des Petenten auf Entgegennahme, die sachliche Prüfung und Bescheidung ebenfalls unangetastet, und damit ist das auch als rechtlich zulässige Ausgestaltungsform anzusehen.

Ich will das wiederholen, Frau Leonidakis, da Sie auch Vorwürfe erhoben haben: Diese Novelle stärkt das Petitionsrecht, beschleunigt endlich die Ver fahren und verkürzt deutlich die Wartezeiten aus Sicht der Petenten und Petentinnen. Das müssen Sie anerkennen, dazu haben Sie nämlich nichts gesagt. Bürgerrechte werden gestärk, und es ist nicht so, wie Sie eben behauptet haben oder Teile dieses Hauses es behaupten, dass Bürgerrechte eingeschränkt wer den. Diesen Vorwurf weise ich entschieden zurück.

Die Petitionserledigung und die Rolle der Parlaments gremien waren in der Tat einer der umstrittensten Punkte in diesem gesamten Gesetzgebungsverfahren und auch in der Anhörung. Wir haben unterschiedlich diskutiert, ob es rechtlich zulässig ist. Es gab mehrere Gutachter und Sachverständige. In vielen Punkten haben sie sich widersprochen – so ist das, wenn man eine Anhörung macht –, in vielen Punkten haben sie aber auch das Gleiche gesagt, und das haben wir

zum Anlass genommen, es entsprechend im Gesetz zu verankern.

Einen Bereich möchte ich noch erwähnen, weil Sie gesagt haben: Nennen Sie uns doch wenigstens einen einzigen Bereich, Frau Dr. Schaefer, der irgendwie eine Verbesserung ist! – Einen Bereich neben all den anderen, die ich schon benannt habe, möchte ich noch einmal betonen: Petitionen, die in die Bürgerschaft eingebrachte Gesetzentwürfe oder in die Stadtbürger schaft eingebrachte Ortsgesetzentwürfe zum Gegen stand haben, werden den Fraktionen, Gruppen und Einzelabgeordneten und, soweit eine Überweisung erfolgte, auch den Abgeordneten, die dem federfüh renden Ausschuss oder der federführenden Deputa tion angehören, zur Kenntnisnahme übermittelt. Der Ausschuss kann am Ende im begründeten Einzelfall bis zur abschließenden Abstimmung des jeweiligen Entwurfs in der Bürgerschaft entsprechend beraten und dazu eine Empfehlung abgeben, das Abstimmungsver halten ausloten, den Petitionsausschuss unterrichten, den Petenten unterrichten und ihm mit auf den Weg geben, welche gesetzlichen Möglichkeiten er noch hat, zum Beispiel die gesetzliche Möglichkeit, in eine Volksgesetzgebung einzugehen. Auch das ist neu in diesem Gesetz, und das müssen Sie anerkennen.

(Abg. Janßen [DIE LINKE]: Das kann ich doch im Internet nachschauen! Das ist doch nicht neu, das ist keine Verbesserung! Nein, das ist ein erheblicher Unterschied. Der Antrag der LINKEN ist deckungsgleich mit den Forderungen der sehr geschätzten Vereinigung zur Stärkung des Petitionsrechts in Mehr Demokratie e.V. Er beinhaltet auch die Empfehlungen des Un terausschusses aus der letzten Legislaturperiode. Nicht alles, was darin steht, ist verkehrt. Das meiste ist sogar gut und richtig, (Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE]: Dann können Sie auch zustimmen!)

aber – jetzt kommt es, Frau Leonidakis, darüber haben Sie sich nämlich nicht schlaugemacht – das meiste, was darin steht, können wir über die aktuelle Ver fahrensordnung regeln, das muss nicht in ein Gesetz. Wir haben eine Verfahrensordnung,

(Zurufe Abg. Rohmeyer [CDU] und Abg. Frau Leo nidakis [DIE LINKE])

Da müssen Sie zuhören! – die Folgendes regelt, und das steht sogar auf der Homepage der Bremischen Bürgerschaft: Wie ist der Umgang mit öffentlichen Petitionen? Wie ist der Umgang mit der Öffentlichkeit? Was ist mit Bild- und Tonaufnahmen? Wie ist es mit der Vertraulichkeit? Wie gehen wir mit den Berichten des Ausschusses um? Wie handhaben wir die Protokolle? Dürfen Petenten Protokolle bekommen oder nicht,

wenn es eine nichtöffentliche Sitzung war? Was ist mit Massenpetitionen, was ist mit Sammelpetitionen? Deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass wir vieles von dem, was in Ihrem Antrag steht, was unbestrit ten nicht falsch ist, weil es aus dem Unterausschuss kommt, in der Verfahrensordnung aus dem Ausschuss heraus peu à peu regeln.

(Glocke)

Das erfordert aber auch eine konstruktive Mitarbeit, darauf setzen wir. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es einer unserer altgedienten Kollegen, Herr Claas Rohmeyer, an dieser Stelle auch so sieht, dass wir uns dann im Ausschuss diese guten Empfehlungen als Auftrag geben.

Letzter Satz: Vorher war es gar nicht möglich, das in Angriff zu nehmen, denn in der letzten Legislaturperi ode gab es diese Empfehlungen – –. Wir sind in einer neuen Legislaturperiode, erst seit einem Jahr in Amt und Würden, hatten also noch nicht die Gelegenheit, die Empfehlungen explizit in der Verfahrensordnung,

(Abg. Janßen [DIE LINKE]: Jetzt aber!)

Kollege Janßen, nicht im Gesetz, zu regeln,

(Glocke)

und darum geht es doch und um nichts anderes. – Danke schön!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe gerade während der Ausführungen der Kollegen Tschöpe und Mustafa Öztürk überlegt, ob ich mich auf Knien zum Pult heranarbeite, um die Dankbarkeit für die Huld und Gnade der rot-grünen Koalition zu dieser immensen Verbesserung des Petitionsrechtes zum Ausdruck zu bringen,

(Beifall CDU, DIE LINKE, ALFA, Abg. Timke [BIW])

aber der Kollege Mustafa Öztürk hat mich auf mein Alter hingewiesen, da habe ich gedacht: Bloß kein Risiko eingehen!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Gesehen hätten wir es schon gern! – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Geht so! Da wäre jetzt so eine Schleimspur!)

Meine Damen und Herren, heute ist ein großer Tag – heute ist für den Kollegen Björn Tschöpe ein Feiertag.

Endlich kann er das, was er sich in der Sommerpause des Jahres 2015 überlegt und aufgeschrieben hat, umgesetzt sehen,

(Abg. Tschöpe [SPD]: Das haben wir schon vor der Sommerpause beschlossen!)

Denn der Kollege Tschöpe hat es in der 18. Legisla turperiode schwer gehabt,

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Der hat es immer schwer! Schaut euch seine Fraktion an!)