Protocol of the Session on September 21, 2016

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü nen)

Nur weil eben noch einmal diese statistische Frage aufgekommen ist: Ich glaube, man kommt nicht viel weiter, wenn man bis zum Ende ausklamüsert, wer wo eigentlich wie in der Armutsstatistik aufgelistet werden müsste. – Wir können aber nach wie vor einen anwachsenden Anteil festhalten, und was hier erhoben wurde, ist ein Anteil an Kindern, die in Familien im SGB-II-Bezug leben. Darin sind überhaupt nicht die Familien im Asylbewerberleistungsgesetz nach SGB XII oder die Familien, die keine Leistungen beziehen, obwohl sie Anspruch darauf hätten. Das heißt, wir müssen im Umkehrschluss davon ausgehen, dass die Armutszahlen von Kindern, die in von Armut betroffenen Familien leben, noch höher liegen als diese Zahlen.

Ich denke aber, dass wir darüber keine statistische Debatte führen müssen, weil wir genau wissen, dass die Zahlen zunehmen. Wir wissen, dass es ein un tragbarer Zustand ist, und ich meine, dass das erst einmal so attestiert werden kann, darin schließe ich mich auch den vorherigen Aussagen an. An dieser Stelle haben wir kein Erkenntnisproblem.

(Beifall DIE LINKE, CDU)

Neben der Tatsache, dass wir eine zunehmende Armut haben, ist der zweite Befund, den ich immer wieder erschreckend finde: wie verfestigt diese Armutsstruk

turen sind. Ergebnis der Studie war auch, dass 61,7 Prozent der Kinder zwischen sieben und 15 Jahren dauerhaft, drei oder mehr Jahre, im SGB-II-Bezug sind. Das heißt, es geht nicht darum, dass wir eine wechselnde Gruppe von Armut betroffener Personen haben und Kinder dann auch einmal in die Armuts situation der Eltern geraten, sondern wir haben eine verfestigte Situation, in der Kinder Armut erleben, die mittlerweile sozusagen auch generationenmäßig weitergegeben wird. Ausstiege aus der Armut in gemäßigtere Formen oder in Wohlstandszonen sind seltene Ereignisse. Wir können von einer Struktur ausgehen, die sich über Jahre verfestigt hat und in der sich immer noch keine Änderung abzeichnet.

Wenn wir Wege aus der Armut finden müssen – das ist eine politische Handlungsnotwendigkeit –, dann müssen wir auf den verschiedenen Ebenen danach suchen. Wir können nicht nur auf kommunaler Ebene Armut beheben, das ist uns durchaus bewusst, und wir können nicht nur danach rufen: Wir müssen durch mehr Steuergerechtigkeit Gelder zur Verfügung stellen. – Wir müssen beides tun.

Wenn wir dann einen Bericht vorgelegt bekommen, der die Konsenspunkte aus dem Armutsausschuss aufgreift und mehr oder weniger davon spricht, dass man unverbindliche Absichtserklärungen ohne kon krete Zielzahlen hat oder sich damit beschäftigt, dass man auf einem guten Weg ist oder das Problem ja erkannt hat: So kommen wir nicht weiter, sondern wir müssen in die konkrete Umsetzung gehen, und es bringt uns nichts, wenn wir alle Statistiken, die wir schon lange haben, noch einmal zusammenschieben. Wir müssen jetzt beginnen, ernsthaft die Probleme anzupacken und nach vorn zu entwickeln. Ich möchte dafür auch zwei, drei Beispiele geben.

(Beifall DIE LINKE)

Zur Mangelsituation, was die Kitas betrifft, ist schon viel gesagt worden. Wir haben eine Unterversorgung, die attestiert ist. Sie betrifft vor allem, was beispielsweise die Versorgungsquoten angeht, die benachteiligten Stadtteile. Wir haben als einen Punkt im Armutsaus schuss diskutiert, dass man die Kitas zu Familien zentren weiterentwickeln sollte, das heißt, dass man in den Stadtteilen verschiedene Kompetenzen an einem Ort bündelt, weiterentwickelt und damit auch die Familien in der Zeit ihrer Elternschaft begleitet.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Wissen Sie, was zum Umsetzungsstand dieses Punktes im bisherigen Sachstandsbericht steht? Darin steht: Das ist als Ziel benannt. – Großartig! Wenn das der Sachstand ist, nachdem man das schon als Konsens punkt hatte, dass man ein Jahr später sagt, wir haben es jetzt als Ziel benannt, dann mangelt es, ehrlich gesagt, irgendwo an politischer Entschlossenheit.

(Beifall DIE LINKE, Abg. Tassis [AfD] – Abg. Frau Ahrens [CDU]: Handeln sieht anders aus!)

Wir haben auch noch einmal über die Frage von Ar beit gesprochen. Wie sieht es eigentlich aus? Arbeit ermöglicht den Menschen ein Leben, das auskömmlich ist, sie kann aus der Armutsfalle befreien. Wir wissen auch, dass der Bundesmindestlohn nach wie vor nicht ausreichend ist, um Sicherheit vor Altersarmut zu schaffen. Sie haben gesagt, Sie seien froh darüber, dass Sie mit dem Landesmindestlohn ein Signal ge setzt haben, ein Signal dafür, dass Löhne nicht unter eine bestimmte Grenze fallen dürfen – und dann setzt man, sobald es einen Bundesmindestlohn gibt, die Erhöhung des Landesmindestlohns aus und gibt damit ein lokales Steuerungsinstrument total aus der Hand. Sie können sich doch nicht hier hinsetzen und sich darüber beschweren, dass die Löhne so niedrig sind, sich dann aber nicht dafür einsetzen, dass man das verändert! Ehrlich gesagt, die SPD kann das sowieso nicht, dazu erinnere ich nur an die Agenda 2010.

(Abg. Senkal [SPD]: Der Stachel sitzt so tief! Der Stachel des Bösen!)

Von der FDP, sozusagen der Liberalisierungspartei überhaupt, zu hören, es würde darum gehen, dass man einen ausreichenden Lebensunterhalt bräuchte: Genau das bekämpfen Sie doch durch Ihre Form von Liberalisierung auf dem Arbeitsmarkt.

(Beifall DIE LINKE – Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Schauen Sie einmal unter „Liberalismus“ bei Wiki pedia! Da können Sie es nachlesen!)

Okay. – Im Bundesrat hatten wir vor Kurzem ein Gesetz, das nannte sich Rechtsvereinfachungsgesetz. Das ist erst einmal ein schöner Titel. Eigentlich ging es dabei um viele kleinteilige Rechtsverschärfungen. Landesregierungen sind ja über den Bundesrat in der Lage, sich damit auseinanderzusetzen. Es gibt sehr viele Dinge dazu zu sagen, ich nenne einfach nur ein sehr plastisches Beispiel: Darin steht, dass, wenn ein Kind in der Schule kostenloses Mittagessen bekommt, die Eltern dieses Kindes dann 2 Euro weniger Re gelsatz bekommen. Das heißt, wenn die Kommune schon sagt: „Wir erkennen diese Armutslage an, wir geben euch ein kostenloses Mittagessen“, dann sagt die große Koalition auf Bundesebene: „Na gut, dann bekommen die aber weniger Geld!“, und dann sagt der Bremer Senat: „Knorke, dem Gesetz stimmen wir zu.“ – Das finde ich untragbar.

(Beifall DIE LINKE)

Dem Gesetz haben übrigens alle – bis auf zwei – Bundesländer zugestimmt. Es ist also nicht nur eine Frage der großen Koalition, denn auch alle rot-grünen Bundesländer haben zugestimmt. Brandenburg und

Thüringen haben das nicht mitgetragen, dort hat die Linkspartei das Votum verhindert.

Wir haben versucht, in der Haushaltsberatung viele Anträge zu konkretisieren, und sie auch unterlegt. Wir haben Forderungen gestellt, wir entwickeln Vorstellungen davon, was man auf lokaler Ebene tun kann. Wir haben auch bundespolitische Forderungen, aber für uns bleibt wichtig, dass wir die Forderungen in einem Gesamtkonzept haben. An dieser Stelle bin ich, ehrlich gesagt, froh, wenn die CDU die Fragen aufgreift, und auch, wenn die FDP sagt, Armut kön nen wir so nicht hinnehmen. Wenn Sie dann aber in der zweiten Aktuellen Stunde sagen, jetzt brauchen wir eine vernünftige Haushaltssanierung, dann wi dersprechen sich Ihre Aussagen.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Überhaupt nicht! Sie wissen doch überhaupt nicht, was wir nachher sagen werden!)

Dann sagen Sie entweder, Sie müssen Armut be kämpfen und dafür Geld in die Hand nehmen, oder Sie gehen einer Armutsentwicklung entgegen, die auch durch die vorhandene Austeritätspolitik zu stande kommt.

(Beifall DIE LINKE)

Das Thema wird uns weiter begleiten, wir werden dazu weitere Debatten haben. Ich fürchte, dass wir auf absehbare Zeit noch keine Änderung haben werden. Wir müssen, wenn wir grundsätzlich über eine andere Verteilung von vorhandenem Reichtum in dieser Gesellschaft sprechen, auch an die Bun desebene appellieren, und deshalb appelliere ich an Sie, die auch in der Regierungsverantwortung anderer Länder und im Bund sind: Wir müssen eine Diskussion darüber haben, wie Reichtum anders verteilt werden kann. Wer im Bundestag und im Bundesrat Initiativen mitträgt, die zu einer Rechts verschärfung für Arme führen, trägt Verantwortung für diese Situation und auch für die Zahlen, die wir derzeit haben. – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Möhle hat es eigent lich ganz gut auf den Punkt gebracht: Wenn man über Kinderarmut spricht, spricht man über einen Teilaspekt von Armut. Armut betrifft Familien, in Familien werden Kinder großgezogen. Armut betrifft unsere gesamte Gesellschaft. Wir leben in Zeiten, in denen die Wirtschaft prosperiert. Wir haben Au ßenhandelsüberschüsse in Rekordhöhe. Wir haben einen Arbeitsmarkt, der praktisch leergefegt ist, und

gleichzeitig haben wir Menschen in Arbeitslosigkeit, in Armut und im SGB-II-Bezug, und man fragt sich: Woran liegt das eigentlich?

Natürlich kann man darüber philosophieren, wie viele Fachkräfte wir im Bereich Ingenieurwesen noch brauchen oder wie viele Fachschweißer in der Windenergie in Bremerhaven oder sonst etwas. Wir müssen aber der Tatsache ins Auge sehen, dass nicht jeder Mensch die Qualifikation hat, einen Job auszuüben, der es ihm erlaubt, 5 000 Euro oder 6 000 Euro im Monat zu verdienen, sondern viele Menschen sind geringer qualifiziert, haben zeitliche Einschränkungen und auch nicht das Interesse oder die Möglichkeiten, eine solche Karriere voranzutrei ben. Es gibt einen Markt, auf dem Arbeit stattfin det, auf dem es Anbieter gibt, nämlich diejenigen, die Arbeitsleistung anbieten, und Nachfrager, die Unternehmen, und wir sehen, dass auf der Nach frageseite, bei den Unternehmen, eigentlich Bedarf besteht. Auf allen Ebenen möchten Unternehmen Leute einstellen, wir haben bei den Anbietern auch große Kapazitäten. In Bremerhaven sind 16 Prozent oder fast 17 Prozent arbeitslos, davon sind 86 Pro zent im SGB-II-Bezug. Da frage ich mich: Wenn die Anbieter und die Nachfrager in einem Markt nicht zueinanderkommen, können wir sagen, das liegt nun einmal an den Anbietern, die sind nicht ausrei chend qualifiziert oder motiviert oder machen sonst etwas falsch? Oder liegt das an den Nachfragern, an den Unternehmen? Zahlen die nicht genug Geld oder kümmern die sich nicht genug darum, Leute einzustellen? Oder liegt das vielleicht an dem Markt selbst? Liegt es vielleicht an den Spielregeln, die wir uns aufgestellt haben, unter denen wir Arbeitsver hältnisse zustande kommen lassen?

Wir von der ALFA sind der Meinung, es liegt am System, es liegt an den Spielregeln, die verhindern, dass Menschen in Arbeit kommen. Bremerhaven beispielsweise mit 86 Prozent der Arbeitslosen im SGB-II-Bezug: Meine eigene Tochter ist von Bremen aus nach Bremerhaven gefahren, um einen Aushilfsjob zu machen. Das Pendeln hat sich gelohnt, der Job war gar nicht schlecht bezahlt. Da frage ich mich, wieso die 86 Prozent der Bremerhavener Arbeitslosen für so einen Job nicht infrage kommen. Meiner Meinung nach – um es abzukürzen – liegt es tatsächlich an dem System, an den Spielregeln.

Wir haben einerseits auf Arbeit ein völlig abstruses Abgabensystem. Selbst ein Minijob hat, wenn ich mir die Kosten ansehe, die für den Arbeitgeber entstehen, mit Rentenumlage, Krankenversicherung, U1, U2 – –.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Reden wir eigentlich noch über Kinderarmut?)

Kinderarmut als Aspekt von Armut. Ich komme dazu.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Alles klar!)

Selbst ein 400-Euro-Job ist im Prinzip mit ungefähr einem Drittel Abgaben belegt, wobei ein Millionär auch nicht mehr als 47 Prozent Abgaben zahlt. Das heißt, die Progression ist sehr flach, sie hat sogar noch einen Bauch in der Mitte. Damit will ich Sie nicht langweilen, aber der Punkt ist: Wir setzen einmal ein Drittel Abgaben an – und nun kommen wir auf das eigentliche Problem: Für jemanden, der im HartzIV-Bezug ist, ist es viel schlimmer. Der bekommt für seinen Euro, den er verdient, wenn er morgens Brötchen austrägt oder vielleicht eine Zeitung aus fährt, nicht 30 Prozent Abzüge, sondern es wird ihm zu 80 Prozent oder 90 Prozent auf seine Hartz-IVLeistungen angerechnet. Das heißt, die Schwelle, aus dem Transferleistungsbezug auszutreten und einen Job aufzunehmen, ist sehr hoch. Wenn ich mir vorstelle, da ist eine junge Familie oder eine Bedarfsgemeinschaft, die vielleicht 1 000 Euro oder 1 200 Euro Transferleistungen bekommt, und sie muss rechnen – sie hat vielleicht 30 Prozent oder 50 Prozent Abzüge, wenn sie das durch eigene Arbeit erwirtschaftet – dann müsste sie erst einmal 2 500 Euro oder 3 000 Euro verdienen, um auf das gleiche Netto zu kommen. Das bedeutet, die Menschen kommen nicht auf den Arbeitsmarkt, und Hartz IV funktioniert wie – so nenne ich das immer – ein be dingtes Ersatzeinkommen. „Ersatzeinkommen“, weil es das Einkommen von Arbeit ersetzt, und „bedingt“, weil die Bedingung daran geknüpft ist: Ich darf nicht arbeiten. – Genau das ist aber das Problem. Armut ist ein Problem für die Familien, für ihre Kin der und für unsere Gesellschaft, die im Übrigen 500 Milliarden Euro im Jahr aufwendet, um Armut zu finanzieren – nicht, um Armut zu bekämpfen, sondern um Armut zu subventionieren. Deshalb ist es aus meiner Sicht nicht die richtige Lösung, an Sympto men herumzudoktern, sondern wir müssen dieses System neu aufsetzen. Wir müssen weg von diesem Hartz-IV-System, das aus meiner Sicht ein bedingtes Ersatzeinkommen ist, hin zu einem aktivierenden Grundeinkommen. Wir dürfen an einer Transferleis tung nicht die Bedingung kleben haben, dass man dafür nicht arbeiten darf, sondern die Transferleis tungen müssen so gestaltet werden, dass die Leute motiviert sind, dazuzuverdienen, um dann Schrittchen für Schrittchen in den Arbeitsmarkt hineinzukommen. Das hilft den Leuten, die im Transferleistungsbezug sind, sie werden nämlich aktiviert, und es hilft den Unternehmen, die dann auch für geringer qualifi zierte Stellen ein entsprechendes Angebot auf dem Arbeitsmarkt haben. Es hilft auch der Gesellschaft, da es am Ende weniger kostet, weil es weniger Armut gibt, die wir finanzieren müssen. Also, dringender Appell: Armutsbekämpfung finan zieren, nicht Armut selbst subventionieren! Weg vom bedingten Ersatzeinkommen, hin zum aktivierenden Grundeinkommen! – Vielen Dank!

(Beifall ALFA)

Als Nächste hat das Wort die Ab geordnete Frau Ahrens.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Möhle! Es geht nicht darum, nicht nachdenklich zu sein. Es reicht auch nicht, das Ganze zu bedauern. Es geht darum, dass der Trend hier in Bremen nicht gebrochen wird. Es geht auch darum, endlich einmal anzufangen.

Wenn wir uns den Armutsausschuss ansehen und feststellen, dass 88 Maßnahmen konsensual beschlos sen worden sind, dann kann man zum Senatsbericht wirklich nur sagen: Zurück auf die Werkbank, die Punkte, die dort klar benannt sind, abarbeiten und nicht nur Papier bedrucken und letztlich Waldsterben produzieren, weil man bedauert und sagt: Es ist ein tolles Ziel, das haben wir auch weiterhin als Ziel, tun aber nichts!

(Beifall CDU)

Ich verstehe ehrlicherweise nicht, warum der Wirt schaftssenator eigentlich weiter ist als Sie.

(Zuruf Bündnis 90/Die Grünen: Wo ist der denn weiter?)

Er hat nämlich genau die Punkte, die ich aufgeführt habe, als die maßgeblichen Vermittlungshemm nisse für Alleinerziehende, die den größten Anteil an Hartz-IV-Beziehern und damit auch im Bereich der Kinderarmut ausmachen, im Februar benannt. Insofern wäre es vielleicht besser gewesen, wenn Frau Böschen die Rede gehalten hätte, sie weiß das nämlich.

Wenn man dann feststellt, dass die SPD seit 70 Jahren in Bremen regiert und Armut inzwischen in dritter, teilweise vierter Generation vererbt wird, dann muss doch in der Vergangenheit etwas falsch gelaufen sein. Dann muss man doch einmal anfangen, sich selbstkritisch zu hinterfragen. Armutsbekämpfung, darin bin ich mit einigen Vorrednern völlig einer Meinung, ist nicht nur Alimentation, sondern das ist Chancen eröffnen, Menschen durch Maßnahmen befähigen und begleiten, sie unterstützen, damit sie es schaffen und durchhalten können. Das ist nicht Knüppel-zwischen-die-Beine-schmeißen durch mangelnde Kita-Betreuung, mangelnde Flexibilität, keinen Ganztagsgrundschulplatz, Hort gibt es auch nicht, nun sieh zu, wie du selbst klarkommst! – Das ist genau das Gegenteil von Unterstützen und Helfen.

(Beifall CDU)

Ihr Schulterzucken hilft da ehrlicherweise rein gar nichts. Das atmet nur den Geist dieser Senatsantwort, die zuckt bei allen Handlungsempfehlungen auch fast die ganze Zeit mit den Schultern.

Besser fand ich hingegen den Beitrag von Herrn Dr. Güldner. Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass wir über die Wirkung reden müssen, und nicht: Immer mehr desselben hilft immer mehr. – Darin sind wir völlig einer Meinung. Wir brauchen eine Wirkungs analyse, aber noch einmal, Herr Dr. Güldner: Wir haben wirklich kein Erkenntnisproblem. Es gibt den ersten Armuts- und Reichtumsbericht, es gibt den zweiten Armuts- und Reichtumsbericht.

(Abg. Frau Böschen [SPD]: Deshalb brauchen wir keinen dritten!)

Nein, das will ich nicht sagen, sondern man muss ja die Verbesserungen an dieser Stelle sehen. – Wir haben den Armutsausschuss, dem Sie selbst angehört haben. Er hat 88 Handlungsempfehlungen konsensual aufgestellt. Dort sind wir alle der Meinung, das hilft, um wirksam Armut zu bekämpfen und Kinderarmut zurückzudrängen. Beginnen wir doch einmal mit dem, was wir gemeinsam in 88 Punkten als zwingend notwendig angesehen haben, damit sich die Lage in Bremen und Bremerhaven verbessert! Da sehe ich aber ehrlicherweise noch viel Luft nach oben, denn der Senat beantwortet etwa zwei Drittel unserer For derungen mit: tolles Ziel, schöne Forderung, setzen wir aber nicht um! – Das, meine Damen und Herren, kann so nicht bleiben. Wenn wir uns selbst als Parlament ernst nehmen, wenn wir unsere eigenen Empfehlungen ernst nehmen, kann das nicht so bleiben.