Nein, das will ich nicht sagen, sondern man muss ja die Verbesserungen an dieser Stelle sehen. – Wir haben den Armutsausschuss, dem Sie selbst angehört haben. Er hat 88 Handlungsempfehlungen konsensual aufgestellt. Dort sind wir alle der Meinung, das hilft, um wirksam Armut zu bekämpfen und Kinderarmut zurückzudrängen. Beginnen wir doch einmal mit dem, was wir gemeinsam in 88 Punkten als zwingend notwendig angesehen haben, damit sich die Lage in Bremen und Bremerhaven verbessert! Da sehe ich aber ehrlicherweise noch viel Luft nach oben, denn der Senat beantwortet etwa zwei Drittel unserer For derungen mit: tolles Ziel, schöne Forderung, setzen wir aber nicht um! – Das, meine Damen und Herren, kann so nicht bleiben. Wenn wir uns selbst als Parlament ernst nehmen, wenn wir unsere eigenen Empfehlungen ernst nehmen, kann das nicht so bleiben.
Dann müssen wir sagen: Zurück an die Werkbank, zurück an den Senat! Wir wollen, dass das umgesetzt wird.
Ich habe alle hier so verstanden, dass uns ein gemein sames Interesse eint: Wir wollen nicht hinnehmen, dass fast schon 50 Prozent der Kinder in Bremerhaven in manifestierter Armut aufwachsen – 44,5 Prozent sind davon nicht mehr weit entfernt, Herr Janßen hat es ausgeführt –, wenn man die anderen dazuzählt. In Bremen sind die Zahlen ebenfalls schon bei einem Drittel, Tendenz stark steigend. Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren, und wir müssen endlich in Bremen, in Bremerhaven und im Land Bremen unsere Hausaufgaben machen, dann können wir auch vom Bund die anderen Punkte zusätzlich einfordern und sehen, dass sich entsprechend etwas umsetzt.
Letzter Punkt, da mehrfach zur Bundesebene Stellung bezogen wurde: Bei einem relativen Armutsbegriff, der immer bei 60 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt, helfen bestimmte Maßnahmen nur bedingt, da damit automatisch die Menschen, die vorher in Armut waren, weiter in Armut bleiben, weil der Armutsbe griff dafür sorgt, dass es so bleibt. – Danke schön!
Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat eine Ak tuelle Stunde zu einem aktuellen Thema beantragt. Die Bertelsmann-Stiftung hat vor wenigen Tagen eine Studie vorgelegt, und eine Pressemitteilung ging über die Ticker des Landes, in der stand: Immer mehr Familien sind arm, immer mehr Kinder leben in armen Lebenslagen. – In der Tat, Frau Ahrens und liebe Abgeordnete, jedes arme Kind in Deutschland ist ein armes Kind zu viel und ein großer Auftrag an die Politik in Bund und Ländern, das zu ändern.
Es ging fast zeitgleich eine weitere Pressemitteilung über den Ticker, die lautete: Die Wirtschaft boomt, im mer mehr Menschen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. – Über den Bremer Arbeitsmarkt haben jetzt schon verschiedene Redner und Rednerinnen gesprochen. Wir haben in Bremen und Bremerhaven nach Berlin die höchste Anzahl von Alleinerziehenden, und wir haben einen Arbeitsmarkt, der den höchsten Anteil an Zeitarbeit hat. Wir haben in Bremen den höchsten Anteil an Teilzeitarbeit. Dr. Matthias Güldner hat eben deutlich gemacht, es gibt Menschen, die arbeiten den ganzen Tag, sind alleinerziehend, haben mehrere Kinder, arbeiten vielleicht auch noch in einem zweiten Job und kommen nicht voran. Das erreicht mittlerweile die Mittelschicht – wenn wir solche Bilder hier benutzen –, die Mitte der Gesellschaft. Längst haben wir es dort damit zu tun, dass Familien mit Kindern in einer ganz schwierigen sozialen Situation leben. Herr Strunk hat das ja herausgearbeitet und gesagt, Kinder seien in Deutschland mittlerweile ein Armutsrisiko. Das halte ich als Sozialsenatorin für einen unerträglichen Befund, und diesen gilt es zu ändern. Wir sprechen darüber: Was macht das Land? Dazu sind hier schon verschiedene Aufgaben skizziert worden. Ich will aber einmal sagen: Wir geben in Deutsch land 200 Milliarden Euro für 150 familienpolitische Leistungen aus, und diese Leistungen erreichen die Familien nicht oder nicht ausreichend. Das muss doch der Zeitpunkt sein, an dem wir sagen: Es darf nicht nur über eine Kindergrundsicherung in Deutschland geredet werden. Sie muss nicht nur vorbereitet wer den, sondern sie muss auch umgesetzt werden, und zwar von allen Parteien, die in Deutschland sagen: Familienpolitik ist wichtig, und wir wollen Armut verhindern. – Wir brauchen eine kinderbezogene Armutsprävention, und diese wird uns nur gelingen, wenn wir mit der Kindergrundsicherung arbeiten.
Heute Morgen, auch das ist aktuell, hat die ARD da rüber berichtet, dass zum Januar 2017 vermutlich die
höheren Regelsätze bei Hartz IV kommen werden. Mit diesen Summen wird kein Mensch aus der Armut kommen: 5 Euro mehr für Erwachsene, von 404 Euro auf 409 Euro. Für Kinder von 6 bis 13 Jahren von 270 Euro auf 291 Euro, das ist der größte Sprung bei der Erhöhung, und er wird mit einem erhöhten Verbrauch von Lebensmitteln und Getränken begründet wird. Bei Kindern unter 6 Jahren, sagt der Bund, soll es bei den 237 Euro bleiben. Jeder, der einen Säugling oder mehrere kleine Kinder unter 6 Jahren hat, weiß, dass das natürlich hohe Kosten verursacht. Teenager bekommen im Alter von 13 bis 18 Jahren statt 306 Euro dann 311 Euro. Diese Erhöhung ist notwendig. Sie fällt gering aus, sie könnte noch deutlich höher ausfallen. Die Wohlfahrtsverbände haben auch die Linie aufgemacht und gesagt, eigentlich wäre ein Betrag von 520 Euro angemessen. Selbst mit dieser Erhöhung werden wir den Kindern nicht aus der Armut helfen.
Deshalb sage ich ganz deutlich: Liebe CDU, ich bin anderer Meinung als Herr vom Bruch. Er rief vorhin einmal: Was wir an Zuwendungen geben – auf der Besuchertribüne sitzen Menschen, die bei BIWAQ arbeiten, „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“ –, sei alles Geld, was für Teilhabe nicht wirkt.
Die 1 200 Zuwendungen, die wir in Bremen ausgeben, helfen natürlich bei der Teilhabe von armen Kindern, Jugendlichen und auch Familien. Da kann man nicht sagen, das sei alles überflüssig,
Das Geld, das wir für die offene Jugendarbeit ausge ben, das wir für WiN ausgeben, das sind notwendige Maßnahmen. – Es reisen Vertreter anderer Städte nach Bremen, um sich zu informieren, wie wir Teilhabe organisieren. Wir waren mit der Sozialdeputation, es ist schon eine Weile her, in Bielefeld und haben gesehen, wie fortschrittlich Bremen teilweise auch bei der Stadtplanung ist, um Quartiere zu schaffen, in denen Teilhabe organisiert werden kann, wenn Familien es allein nicht mehr schaffen oder Allein erziehende unterstützt werden müssen. Ich denke, es ist auch richtig, dass im Senatsbauprogramm eine Quote verankert ist, dass wir den sozialen Wohnungs
bau in Bremen mit 25 Prozent vorantreiben. Auch das dient dazu, dass wir arme Menschen in Bremen nicht gettoisieren, sondern Teilhabe organisieren.
Dass Kritik laut wird: „Es muss mehr passieren bei den Kitas!“, nimmt der Senat auch mit. Ich will dem überhaupt nicht widersprechen. Wir sind dabei, in Bremen weiter die Maßnahmen umzusetzen, die uns der Ausschuss genannt hat; Dr. Matthias Güldner hat es gesagt. Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben das Problem, dass wir mit den Maßnahmen, die wir haben, Menschen die Teilhabe ermöglichen können. Wir können aber niemanden aus dieser Wirtschaftslage herausholen. Dazu – das ist mein Petitum – bedarf es einer großen politischen Kraft anstrengung, das bedeutet, eine andere Verteilung von Geldern in Deutschland. Dies kann über Steuern geschehen, und es muss aus meiner Sicht mit einer Kindergrundsicherung geschehen. – Das ist mein Redebeitrag. Danke schön!
(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD – Abg. Frau Böschen [SPD]: Gibt es dazu einen Antrag von der CDU? Kindergrundsicherung?)
Bevor ich den ersten Redner aufrufe, möchte ich Ih nen mitteilen, wie viel Redezeit die Fraktionen noch haben: Die CDU hat noch 15 Minuten, die SPD hat 16 Minuten, Bündnis 90/Die Grünen haben auch 16 Minuten, die FDP hat 19 Minuten und die LINKE hat 22 Minuten.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil wir der Meinung sind, Bremen braucht intelligentes Sparen statt eines 116 Millionen Euro schweren Ab wicklungsprogramms. Der Sanierungsbericht, den der Senat vorgelegt hat, ist eigentlich ein Gebühren erhöhungs- und Investitionsverschiebungsbericht. Er trifft die Mitte der Gesellschaft, er trifft die jungen Familien, die Leistungsträger unserer Gesellschaft, und er trifft sie hart.
Er trifft sie zuerst im Bereich der Kindertagesstät ten. Die Gruppengrößen der Kindertagesstätten sol len vergrößert werden. Darunter wird – das ist kein hellseherisches Vermögen von mir – am Ende die Qualität leiden.
Er trifft sie im Ganztagsschulbereich, dort wollen Sie die Beiträge für die Mittagsverpflegung weiter erhöhen.
Dann stellen Sie noch in Aussicht, dass in Zukunft auch die Grunderwerbsteuer weiter erhöht wird. Dabei war es doch immer Ziel gerade der sozialdemokratischen Politik, dass jeder, der gut und vernünftig arbeitet, am Ende seines Lebens in seinen eigenen vier Wänden wohnt, dass man es ihm leichter macht, Eigentum zu erwerben, weil es auch eine Altersvorsorge ist. Genau hier legen Sie den Menschen, die wenig Einkommen haben, zusätzlich Steine in den Weg.
Die Belastungsgrenze der Menschen in Bremen und Bremerhaven ist längst erreicht. Wir haben Rekord steuereinnahmen im Bund und auch im Land. Der Staat hat so viel Geld zur Verfügung wie noch nie. Dazu spart er durch die Niedrigzinspolitik enorm an Zinslastausgaben. Gerade für Bremen ist das beson ders wichtig. Am vergangenen Freitag haben wir im Haushalts- und Finanzausschuss gelernt, dass es jetzt zum ersten Mal Realität geworden ist, dass wir negative Zinsen auf Schulden bekommen haben. In dieser Phase ist es falsch, über Gebührenerhöhungen und weitere Abgabenerhöhungen nachzudenken. Die zweite Säule auf der Einnahmenseite, die Sie im Stabilitätsbericht haben, sind Bußgelder für Un ternehmen, Strafgelder. Genannt wird insbesondere das Taxengewerbe, dort soll besonders kontrolliert werden, um mehr Einnahmen zu generieren.
Vielleicht wissen Sie da mehr als wir. Das setzt vo raus, dass dort nicht nach Recht und Ordnung ge arbeitet wird. Das ist ein Generalverdacht an die Unternehmerinnen und Unternehmer, insbesondere im Taxengewerbe, so wie es hier explizit hervorge hoben wird. Das hat mit seriöser Haushaltsplanung rein gar nichts zu tun, und das lehnen wir Freien Demokraten strikt ab.
Es gibt aber auf den ersten Blick doch etwas, das auf der Ausgabenseite passiert. Deshalb war ich zuerst einmal beruhigt, dass Sie vielleicht doch den einen oder anderen Antrag, den wir während der Haus haltsdebatte hatten, ernster genommen haben, als Sie das manchmal zugeben.
Die Straßenbahnverlängerung soll verschoben wer den. Wir brauchen sie nicht, wir haben nicht genug Straßenbahnen dafür, und leisten können wir sie uns sowieso nicht. Von uns aus können Sie das gern auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.
Beim OTB rechnen Sie mittlerweile mit einem Baube ginn von 2020. Die Grünen unter den Koalitionären haben längst erkannt, dass sich ein Schwerlastterminal rein für Offshore längst nicht mehr rechnet. Auch hier ist es nur konsequent, diese Mittel aus dem Haushalt herauszunehmen.
Dann gibt es die Verschiebungen durch die Verzöge rungen bei der Fertigstellung des Teilersatzneubaues am Klinikum Bremen-Mitte. – Alle drei eben genann ten Verzögerungen liegen aber nicht daran, dass Sie es nicht wollen, sondern dass Sie es nicht geschafft haben. Es gibt Verzögerungen, es gibt Gerichtsurtei le, die Ihre Planung verhindern. Insofern haben Sie automatisch noch einen Investitionsverschiebungs effekt, den Sie als großen Beitrag zur Sanierung des Haushaltes feiern.
Gefreut habe ich mich über den Punkt im Sanierungs programm, der Bremerhaven betrifft. Sie wollen, dass Bremerhaven in der Kernverwaltung Personal abbaut. Die Vorschläge, die Sie präsentieren, gehen sogar noch über das hinaus, was unsere Stadtverordneten in Bremerhaven während der Haushaltsberatungen vorgeschlagen haben. Sie wollen dort in der Kern verwaltung 1,5 Prozent Personal und natürlich auch Aufgaben abbauen. Das ist der richtige Weg. Ich stelle mir aber die Frage: Warum in Bremerhaven und nicht auch in Bremen?
Vielleicht ist es einfacher, wenn jemand mit einem 9 Millionen Euro schweren Bettelbrief kommt, ihm zu sagen: Spare dann bitte auch in der Verwaltung! – Wir brauchen aber auch in Bremen eine Personalstruktur reform, wir brauchen Veränderungen im Aufgabenbe reich der Verwaltung. Aus unserer Sicht müssen wir die Digitalisierung als große Chance ergreifen. Das bietet Möglichkeiten, Arbeitsschritte zu sparen und in Zukunft auch Personal zu entlasten und abzubauen. „Verwaltung 4.0“ heißt aus Sicht des Senates – aus der Vorlage des Haushalts- und Finanzausschusses: Wir brauchen einen Online-Kalender, damit die Ter mine besser koordiniert werden können. – Das ist aus der Sicht der Freien Demokraten „Verwaltung 2001“. Richtige Digitalisierung schaffen wir, wenn wir Formulare digitalisieren, wenn wir das OnlineAusfüllen von Formularen ermöglichen, wenn wir dadurch Besuche einsparen, weil die Menschen es