Natürlich wird es auch weiterhin so sein, dass Men schen, die nicht über die Berechtigung verfügen, sich auf dem Bundesgebiet aufzuhalten, entweder an die Grenzen zurückgewiesen oder abgeschoben werden können. Daran würde eine Aufhebung der Strafbarkeit zunächst nichts ändern.
Trotzdem möchte ich auf zwei, drei Aspekte hinweisen. Gegenwärtig haben wir in ganz erheblichen Umfange in realitas überhaupt keine Strafverfolgung, sondern leiten ein Strafverfahren ein, das umgehend wieder eingestellt wird. Für die Betroffenen ändert sich in der Praxis daher gar nicht so viel. Diese Idee, dass man Entkriminalisierung mit der Botschaft verbinden würde: „Kommt alle her, es passiert euch nichts mehr“, ist falsch. Sie müssen auch jetzt nicht ins Gefängnis. Gegebenenfalls wird ihr Asylantrag abgelehnt und sie werden zur Ausreise aufgefordert.
Insofern muss man an der Stelle noch einmal die Rea lität in den Blick nehmen. Die Entwicklung mit dieser sehr hohen Zahl von Einstellungen hat natürlich auch etwas mit der Flüchtlingsbewegung zu tun. Durch die Dimension ist ein wenig aus dem Blick geraten, dass sich auch Personen, die keine Flüchtlinge sind, illegal in Deutschland aufhalten könnten. Für diejenigen würde die Einstellung gegenwärtig nicht gelten. Es ist nicht zwingend so, dass jeder, der sich illegal in Deutschland aufhält, einen Asylantrag stellt. Er kann auch aus anderen Motiven nach Deutschland gekommen sein. Es wird im weiteren Verfahren zu erörtern sein, wie mit solchen Fallkonstellationen umzugehen ist und ob diese ebenfalls unter die Re formüberlegungen fallen.
Des Weiteren wird sich der Senat, wenn hier so be schlossen worden ist, im Sinne dieses Antrags einbrin gen. Darauf ist hingewiesen worden. Auf der Ebene der Justizministerkonferenz ist eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die sich mit der Überarbei tungsnotwendigkeit des Aufenthaltsgesetzes befasst.
Ich möchte allerdings jetzt schon vor übergroßen Hoffnungen warnen. Im Moment zeichnet sich keine Mehrheit für ein solches Vorhaben ab. Diese Arbeits gruppe wird nicht auf Bremer Initiative eingerichtet, sondern sie arbeitet seit der letzten Justizminister konferenz. Die Justizministerkonferenz in Gänze hat den Bedarf erkannt, die Frage, inwieweit hier mit dem Instrument des Strafrechts gearbeitet werden soll, zu überprüfen. Im Moment zeichnet sich aber ab, dass sich eine sehr große Mehrheit der Länder
am Ende in dieser Frage nicht besonders verände rungsbereit zeigt. Es wird sich aber noch zeigen, wie es am Ende ausgeht.
Auf einen Punkt möchte ich allerdings doch hinweisen, weil ich nicht möchte, dass ganz falsche Eindrücke entstehen. Das hat Herr Zenner schon angesprochen. Es geht um die Identitätsfeststellung. Die Polizei stellt Identitäten im Zusammenhang mit der illegalen Einreise im Wesentlichen bei unbegleiteten Minder jährigen fest, weil die Identitätsfeststellung bei den übrigen Personen im Wesentlichen über die ID beim BAMF stattfindet. Das wird sie auch weiterhin. Sie ist sozusagen Bestandteil des Asylverfahrens. Von dort werden die Identitäten an die Polizei weiterge geben oder auch nicht. Es findet aber keine erneute Identitätsfeststellung bei der Polizei statt.
Bei den unbegleiteten Minderjährigen wird es auch weiterhin eine ID-Feststellung durch die Polizei ge ben. Hier ist nicht das BAMF zuständig, sondern das Jugendamt. Das Jugendamt verfügt aber überhaupt nicht über eigene Kapazitäten, solche ID-Feststel lungen durchzuführen. Das heißt, die Polizei tut dies entweder in eigener Zuständigkeit im Rahmen eines Strafverfahrens, oder aber sie leistet Amtshilfe für das Jugendamt. Der Aufwand der ID-Behandlung bleibt dieselbe. Für die Polizei werden wir an dieser Stelle also keine übergroße Entlastungen bekommen.
Richtig ist allerdings, dass wir gegebenenfalls bei der Bearbeitung von Strafverfahren, das heißt im Fertigen von Strafanzeigen, die an die Staatsanwaltschaft wei tergegeben werden, Entlastungen hätten. Ohne eine gesetzliche Änderung ist der Spielraum für uns nicht sehr groß. Wir haben uns mit dem Justizressort darauf verständigt, noch einmal zu schauen, inwieweit wir das Verfahren trotzdem verschlanken können. Die Polizei unterliegt aber – das ist auch gesagt worden – dem Legalitätsprinzip. Die Frage darüber, ob ein Strafverfahren eingestellt wird, trifft ausschließlich die Staatsanwaltschaft. Das heißt, bis zu einer Änderung des Gesetzes wird die Polizei auch weiterhin ihre Arbeit zu tun haben. – Herzlichen Dank!
Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 19/632, Neufassung der Druck sache 19/349, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechts verhältnisse der Mitglieder der Bremischen Bürger schaft (Bremisches Abgeordnetengesetz) Antrag der Fraktion der FDP vom 17. August 2016 (Drucksache 19/696) 1. Lesung
Herr Präsident, liebe Kol legen! Bremen ist ein Haushaltsnotlageland. Das wissen wir alle. In nahezu jeder Debatte, in der es um Geld geht, weisen die Koalitionsfraktionen und der Senat – absolut zu Recht – auf die finanziell angespannte Situation unseres Bundeslandes hin. Leider wird diese prekäre Situation manchmal als leichtfertige Ausrede benutzt, etwa für eine funkti onsunfähige Verwaltung oder eben für 650 fehlende Kita-Plätze, zum Beispiel auch gestern, als wir in der Stadtbürgerschaft über die angespannte Lage beim Stadtamt, insbesondere beim Standesamt, und über die Kita-Plätze debattiert haben.
Die Sparanstrengungen sind natürlich hart. Es wird – und ist schon – eine entbehrungsreiche Zeit. Dies merken die Bremerinnen und Bremer sehr schmerz
lich. So bekommen unsere Polizeibeamten weniger Zulagen und Vergünstigungen als die Kollegen im 15 Kilometer entfernten Niedersachsen. Zudem haben wir viel zu wenige Polizisten. Trotz der horrenden Überstunden ist die Lage leider kaum in den Griff zu bekommen. Erst in der vergangenen Woche haben uns die Schlagzeilen über die offene Drogenszene in der Bahnhofsvorstadt gezeigt, wie machtlos die personell unterbesetzte Polizei derzeit leider ist.
Die Mängelliste ist unendlich lang. Auch aus den bremischen Schulen gibt es nur Notstandsmeldungen. Laut neuestem Bildungsmonitor investiert Bremen von allen Bundesländern am wenigsten in seine Schulen. Dies ist in unseren Augen desaströs und wirft Bremens junge Generation im Wettbewerb mit den jungen Leuten aus dem übrigen Deutschland um Ausbildungs- und um Studienplätze leider mei lenweit zurück.
Kurz gesagt, das Geld fehlt an allen Ecken und Kan ten, überall. Für die Bremerinnen und Bremer ist die Haushaltssanierung eine sehr entbehrungsreiche und schwere Zeit.
Für uns Freie Demokraten ist klar, dass auch wir, die Politik, gerade in dieser Zeit, in der wir täglich neue Notstandsmeldungen aus der Verwaltung, den Schulen oder der Polizei bekommen, ein Zeichen setzen müssen, nämlich dadurch, dass wir den Sa nierungskurs solidarisch mittragen.
Die Konsolidierung Bremens ist für uns eine gesamt gesellschaftliche Aufgabe, der gerade wir Politiker uns nicht entziehen dürfen. Dabei geht es nicht nur um Glaubwürdigkeit, sondern vor allem auch darum, dass wir trotz aller Widrigkeiten für die Akzeptanz des Konsolidierungskurses bei den Bremern werben und uns dafür stark machen. Genau dieses Zeichen, dass eben auch wir den Sanierungskurs mittragen, setzen wir, indem wir auch selbst den Gürtel ein bisschen enger schnallen.
Wir schlagen Ihnen vor, die Zulagen der Fraktions vorsitzenden und der Stellvertreter sowie die Zulagen des Präsidenten oder der Präsidentin und seiner Vi zepräsidenten zu kürzen. Lassen Sie es mich deutlich sagen: Es geht uns nicht um eine reine Diätenkürzung, sondern es geht uns vor allem darum, dass die 16 Führungspersonen in diesem Haus gemeinsam ein Zeichen setzen.
Die Fraktionsvorsitzenden der Bremischen Bürger schaft, eines Halbtagsparlaments, bekommen mehr als 12 000 Euro im Monat. Unsere Kollegen im Landtag
des 25-mal größeren Nordrhein-Westfalens, eines Vollzeitparlaments, bekommen übrigens kaum mehr. Wir sind Mitglieder eines Halbtagsparlaments.
Gerade deshalb stimmt für uns angesichts dieser Zu lagen weder die Relation noch die Signalwirkung, die von solchen Beträgen bei den Bürgern ankommen.
Liebe Kollegen, wir Freie Demokraten kämpfen hier vermutlich, wie man gerade auch merkt, gegen Wind mühlen an. Aber ich versuche es noch einmal: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu, und lassen Sie uns die Zulagen der Führungspersonen dieses Hauses ein wenig kürzen! Es ist sicherlich nicht allzu hart, wenn die Vorsitzenden in Zukunft 200 Prozent statt wie bisher 250 Prozent der Abgeordnetendiät bekommen.
Ich weiß, von den 325 000 Euro, die wir im Jahr damit einsparen, lässt sich der Haushalt nicht sanieren; das ist auch uns klar. Aber zumindest ein paar Lehrer, Erzieher oder Polizisten könnten wir davon einstellen. Vor allem geht es um eines, mit positivem Beispiel voranzugehen. Das täten wir damit.
Lassen Sie uns gemeinsam ein Zeichen setzen und den Bremern zeigen, dass auch wir bereit sind, zur erfolgreichen Konsolidierung Bremens beizutragen. Dazu haben wir heute mit dieser Idee eine Chance. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Steiner, ich werde für die vier anderen demokratischen Fraktionen in diesem Parla ment reden. Kenner des parlamentarischen Systems mögen ermessen und daraus interpretieren, was es bedeutet, dass sich vier Fraktionen darauf verstän digt haben, gegen eine andere Fraktion nur einen Redner ins Feld zu schicken.