Protocol of the Session on August 24, 2016

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) ist mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden.

(Einstimmig)

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tages ordnung eintreten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass der Abgeordnete Bernd Ravens seit dem 1. August 2016 als parteiloser Abgeordneter Mitglied der SPDFraktion ist.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Des Weiteren möchte ich Ihnen mitteilen, so wie schon gestern in der Sitzung der Stadtbürgerschaft, dass die Fraktion DIE LINKE gemäß ihrer Geschäfts ordnung am 15. August 2016 die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden für ein Jahr neu gewählt hat. Die Abgeordneten Klaus-Rainer Rupp und Cindi Tuncel wurden in diesem Amt bis Juni 2017 bestätigt. Meine herzlichsten Glückwünsche!

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü nen, FDP)

Ferner möchte ich auf etwas hinweisen. Vor Ihnen auf den Tischen liegt dieses wunderschöne Exem plar, der Band 2 des Handbuches der Bremischen

Bürgerschaft, und zwar die rechtlichen Grundlagen. Ich danke der Verwaltung für die Mühe, die sie sich gemacht hat, vor allen Dingen für den Abgleich der finanziellen Belastung. Von der Verwaltung wurde ein wunderbarer Vorschlag erarbeitet. Ich bin sehr dankbar, dass wir neben den Personalien jetzt auch wieder die rechtlichen Grundlagen zur Hand haben. Dafür meinen herzlichen Dank an die Verwaltung!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wir treten in die Tages ordnung ein.

Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde ist von den Fraktionen kein Thema beantragt worden.

Konsensliste Mitteilung des Präsidenten der Bremischen Bür gerschaft vom 22. August 2015

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Konsensliste seine Zustimmung geben möch te, den bitte ich nun um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt der Konsensliste zu.

(Einstimmig)

Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlich keit in der Türkei behaupten und stärken Antrag (Entschließung) der Fraktionen der CDU, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP vom 22. August 2016 (Neufassung der Drucksache 19/676 vom 9. August 2016) (Drucksache 19/701) Wir verbinden hiermit: Nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei: Für eine Rückkehr der Türkei nach Europa, gegen die Einschränkung demokratischer Rechte Antrag (Entschließung) der Fraktion DIE LINKE vom 9. August 2016 (Drucksache 19/678) und Nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei: Verletzungen der Menschenrechte und der demo kratischen Grundrechte klar entgegentreten Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 9. August 2016 (Drucksache 19/679)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Staatsrätin Hiller.

Meine Damen und Herren, die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. vom Bruch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben nicht nur regional, sondern insbesondere auch internatio nal eine bewegte und ereignisreiche Sommerpause hinter uns. Mitte Juli haben türkische Militärs den Versuch unternommen, die amtierende Regierung aus dem Amt zu putschen. Lassen Sie mich eingangs klar herausstellen: Militärputsche waren noch nie die Lösung politischer Probleme. Deshalb sind wir froh, dass nicht zum wiederholten Male in der Türkei Mi litärmachthaber das politische Ruder an sich reißen konnten. Es ist das Recht und die Pflicht eines Staa tes, mit allen zu Gebote stehenden rechtsstaatlichen Mitteln zu verhindern, dass die politische Macht in die Hände von Kräften außerhalb der demokratischen Ordnung gerät, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, ALFA)

Die Niederschlagung des Putsches hatte und hat aber einen hohen Preis. Es verloren nicht nur Hunderte Menschen das Leben oder wurden verletzt. Es gibt nicht nur politische Verwerfungen, die nicht nur die Menschen in der Türkei, sondern auch nicht zuletzt die Menschen hier – insbesondere unsere Mitbürger mit türkischem Hintergrund – betreffen und berühren. Es gibt politisch motivierte Massenverhaftungen und ‑entlassungen, die insbesondere Richter, Journalis ten, Lehrer und Angehörige der unterschiedlichsten Verwaltungen betreffen.

Dies geschieht in der Tat so systematisch, dass der zynische Begriff „Säuberung“ passend erscheint. Dies erzeugt ein Klima der Angst und hat nichts mit der notwendigen und angemessenen Verteidigung von Demokratie zu tun. Dies geht in eine andere Richtung, nämlich in die Richtung autoritärer Strukturen. Es erinnert mich fatal an das Handeln totalitärer Regime. Dies benennen wir auch als deutscher Landtag, denn es erfüllt uns mit Sorge. Unsere gemeinsame Kern forderung an die türkische Regierung ist deshalb die Kernaussage unseres Antrages: Kehren Sie zu De mokratie, Rechtsstaatlichkeit und zur Beachtung der Menschenrechte zurück, meine Damen und Herren!

(Starker Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Ich bin kein Anhänger von Verschwörungstheo rien. Der Umstand, dass bereits unmittelbar nach Niederschlagung des Putsches mehrere Tausend Staatsbedienstete aus ihren Ämtern entfernt wurden,

wirft nicht nur Fragen nach einem rechtsstaatlichen Verfahren auf. Es drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass hier eine Situation genutzt werden soll, dass man in der Auswahl der Zielgruppen und Personen vielleicht sogar vorbereitet war. Wenn wir das nicht glauben sollen, erwarten wir von der türkischen Seite Erklärungen zu diesen Vorgängen. Wir erwarten Ant worten auf die Frage, wo diese Menschen geblieben sind und was mit ihnen passiert. Rechtsstaatlichkeit bedeutet nicht nur ein am Recht orientiertes und verhältnismäßiges Handeln, sondern es verlangt auch nach Transparenz, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Eine systematische und symptomatische Debatte ist in verantwortungsloser und befremdlich leichtfertiger Art und Weise durch Äußerungen des türkischen Präsidenten über die Wiedereinführung der Todes strafe entbrannt. Ich brauche dieses Thema hier wohl nur streifen. Ich bin mir sicher, dass es zwischen den Fraktionen hierüber keinen Unterschied in der Be wertung gibt. Diese Diskussion ist für mich aber nicht nur in der Sache abwegig, sondern auch ein Symbol für eine besorgniserregende Tendenz in der gesamten Denke. Deshalb bin ich gerade an dieser speziellen Frage dafür, dass man ganz klare rote Linien zieht. Einer etwaigen Wiedereinführung dieser menschen verachtenden Bestrafung ist mit aller Deutlichkeit entgegenzutreten. Es würde für mich das endgültige Aus jeglicher EU-Beitrittsverhandlungen auf abseh bare Zeit bedeuten, meine Damen und Herren!

(Starker Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, ALFA)

Es ist aber nicht nur das Handeln, das ich hier deutlich kritisieren möchte, sondern es ist auch die Sprache. Wer von „Säuberung“ spricht, trägt selbst die Ver antwortung dafür, dass damit fatale Assoziationen zu vergangenen Zeiten und offenes Misstrauen geweckt werden.

Obwohl ich mir derzeit keine vertieften Kenntnisse über die Hinterleute des Putsches anmaße, empfin de ich den pauschalen Generalverdacht gegen jede und jeden, der jemals Verbindung zur sogenannten Gülen-Bewegung hatte, als Hetzjagd. Es erinnert mich an die Sündenpolitik, die in der Vergangenheit und in der Geschichte regelmäßig Merkmale totalitärer Regime waren.

Wer Verantwortung hat, muss zur Verantwortung gezogen werden. Ganze Bevölkerungs‑, Glaubens- oder Berufsgruppen unter Generalverdacht zu stellen, liegt aber näher an Verfolgung als an Aufklärung, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Die schrillen und bizarren Töne aus der Türkei sollten wir deutlich, allerdings nicht mit der gleichen Ton lage beantworten. Deshalb ist bei einer Bewertung politischer Konsequenzen und bezüglich der Frage, wie es mit den gegenseitigen Beziehungen weiter geht, Besonnenheit ein kluger Ratgeber. Es ist das falsche Signal, Parlamentariern den Besuch unserer Soldaten zu verweigern, wenn man den politischen Dialog wirklich sucht und gemeinsam für Sicherheit in der Region einstehen will.

Es hilft aber erst recht nicht weiter, sich zum Beispiel bei der Frage der Bekämpfung des internationalen Terrorismus gegenseitig mit Mutmaßungen über die vermeintliche Rolle des jeweils anderen zu überziehen. Diese politischen Felder sind im Gegenteil Beispie le für die dringende Notwendigkeit gemeinsamen Handelns, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Ich bin deshalb sehr dafür, auch weiterhin enge, aber an klare Bedingungen geknüpfte Beziehungen zu unterhalten und daran zu arbeiten. Wer etwas zum Besseren bewegen und Kritik äußern möchte, braucht gerade jetzt diese Beziehungen und Kommunika tionskanäle auf möglichst vielen Ebenen. Es nützt am Ende übrigens am ehesten den Menschen in der Türkei und hier, wenn wir jetzt nicht den Eindruck erwecken, dass es das war.

Wer etwas ändern möchte, darf den Dialog nicht zurückfahren, sondern muss ihn eher intensivieren, allerdings mit einer deutlichen Ansprache. Dies gilt auch für uns und bei uns. Wir haben keinen Grund, ge genwärtig zum Beispiel gegenüber den muslimischen Verbänden plötzlich in Sprachlosigkeit zu verfallen. Wir haben keinen Grund, türkischen Konsularleh rern reflexhaft und pauschal die Zusammenarbeit zu kündigen. Wir haben schon gar keine Veranlas sung, Städtepartnerschaften vorschnell infrage zu stellen, denn Besonnenheit ist weder populistischer Aktionismus noch ein kritikloses „Weiter so!“, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Sehr wohl aber haben wir Veranlassung, die weitere Entwicklung zu beobachten und Fragen zu stellen. Dazu gehört auch, dass der Konflikt dort bearbeitet und gelöst wird, wo seine Ursachen sind und wo er beheimatet ist. Wir setzen uns sehr bewusst auf der Grundlage von gegenseitigem Respekt und Meinungs freiheit mit dem Konflikt auseinander. Einem Import dieses Konfliktes, insbesondere wie in Gelsenkirchen mit Gewalttätigkeit ausgetragen, werden wir aber entschieden und, wenn notwendig, mit den Mitteln des Rechtsstaates entgegentreten. Wir können die Konflikte nicht nur nicht in der Sache lösen. Seine Methoden und die Grundzüge einer zum Teil into

leranten und fanatisierten Denke haben hier schon gar keinen Platz, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Dabei gilt es auch, weiterhin den politischen Kon takt, ja, die enge Zusammenarbeit mit der Türkei zu suchen. Das liegt nicht nur im Interesse der Entwick lung in der Türkei oder im Interesse der Menschen in der Türkei. Es liegt in unserem Interesse. Es liegt im Interesse Europas und im Interesse der gesamten internationalen Staatengemeinschaft. Wer wollte ernsthaft in Zweifel ziehen, dass die Türkei bei der Bewältigung fast aller uns gegenwärtig in der Region beschäftigenden Konflikte und Probleme eine wichtige, ja, entscheidende Rolle spielt, egal, ob wir über den internationalen Terrorismus, die Flüchtlingskrise oder kriegerische Konflikte zum Beispiel gegenüber dem kurdischen Volk oder in Syrien sprechen? Das heißt nicht Kompromiss oder Gemeinsamkeit um jeden Preis. Es ist aber eine Illusion, dass es Lösungen ohne oder gegen die Türkei gibt. Es gibt sie nur mit ihr. Des halb brauchen wir ein Miteinander im gegenseitigen Interesse. Dabei gilt es eben nicht, das Ob, sondern das Wie neu zu bewerten, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

In diesem Sinne: Gemeinsamkeit ja, aber unter den Bedingungen des Fortschrittes bei Rückkehr zu De mokratie und Rechtsstaatlichkeit! Dieser Grundsatz muss zum Beispiel auch bei den Regelungen zur Visafreiheit konkret werden. Beliebigkeit gegenüber einem Land, das immerhin Bündnispartner ist, kann es schon deshalb nicht geben, weil die Nato nicht nur ein Militärbündnis ist, sondern auch eine Verantwor tungsgemeinschaft für gemeinsame Werte. Deshalb: Respekt ja, aber auch kritische Distanz und Offenheit, wo notwendig, meine Damen und Herren!

Auch die Fraktion DIE LINKE hat zwei Anträge zum Thema vorgelegt. Ich kann kursorisch sagen, dass in Ihrem ersten Entschließungsantrag meines Erachtens nichts Falsches steht, er durch unseren eigenen An trag aber eigentlich erledigt wird. Wir werden uns bei der Abstimmung darüber enthalten.