Protocol of the Session on June 24, 2016

Herr Eckhoff von der CDU hat letzte Woche kritisiert, dass Senatorin Linnert die BLB gefährdet hätte, zum Beispiel dadurch, dass sie gesagt hat, sie lasse sich nicht erpressen. Herr Tschöpe hat gesagt, es sei manchmal sympathisch, wenn Leute, wenn sie für eine Sache kämpfen, Tacheles reden. Man kann so eine Wortwahl vielleicht undiplomatisch finden. Viele fanden sie aber, wie gesagt, auch sympathisch.

(Abg. Eckhoff [CDU]: Einige Finanzminister Nieder- sachsens!)

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1844

Das Ganze ist aber kein Grund für einen Rücktritt oder einen Misstrauensantrag. Im Übrigen, meine Damen und Herren von der CDU, müssten auch etliche CDU-Politiker zurücktreten: Unionsfraktionschef Kauder hat zum Beispiel dem griechischen Ministerpräsidenten bei den Griechenland-Verhandlungen Erpressung der EU vorgeworfen. Innenminister de Maizière stellte im Visa-Streit mit der Türkei klar, dass wir uns nichts erpressen lassen. Auch die zwischenzeitlich schon als Kanzlerkandidatin gehandelte CDU-Fraktionschefin in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, mag das Wort offenbar ganz gern: Mal warf sie der SPD im Zusammenhang mit der TV-Debatte in Rheinland-Pfalz einen erpresserischen Vorgang vor, mal wirft sie der Landesregierung im Streit um die Inklusion Erpressungsmethoden vor. Also, ich glaube, eine solche Begründung eignet sich nicht für einen Misstrauensantrag.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Genauso irritierend und unverständlich ist im Übrigen der Zickzackkurs, den Sie in den vergangenen Tagen hingelegt haben: Erst fordern Sie von der CDU die Senatorin zum Rücktritt auf. Dann geben Sie eine gemeinsame Pressekonferenz mit der FDP, Tenor: Wir wollen erst einmal einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung, aber danach stellen wir auf jeden Fall auch einen Misstrauensantrag! – Sie kannten für sich also schon das Ergebnis, bevor es überhaupt eine Aufklärung gab. Ihr Ergebnis ist nur: Die Finanzsenatorin muss weg! Ich habe das Signal der FDP verstanden, die sagt, sie habe Interesse an einer sachgemäßen Aufklärung der Vorgänge. Ich denke, dass im Fall der Bremer Landesbank ein Untersuchungsausschuss nicht das geeignete Mittel und Instrument ist, weil es ein Bankgeheimnis gibt und weil man nie öffentlich tagen könnte. Den Wunsch aber, die Ereignisse aufzuklären, und viele Fragen, auf die wir Grünen auch gern Antwort hätten, teilen wir. Wir möchten zum Beispiel auch wissen, wie die Steigerung der Schiffskredite sich unter den CDU-Wirtschaftssenatoren bis 2007 entwickelt hat, während nur ein Jahr später schon der Markt dann schwächelte. Das sind Fragen, die meines Erachtens sehr gut in dem gerade eingerichteten Controlling-Ausschuss geklärt werden können. Das rege ich zumindest an. Nachdem sich CDU und FDP letzte Woche ganz offensichtlich in die Haare bekommen haben, hat sich die CDU einen neuen Verbündeten gesucht, nämlich Bürger in Wut. Bei der FDP verstehe ich nur nicht, warum sie sich jetzt, außer aus parteipolitischem Interesse, die Koalition zu schwächen, davon verabschiedet hat, erst die Ergebnisse einer Sachaufklärung abzuwarten, und stattdessen wieder der CDU, der sie zwischendurch Postenjagd attestiert hat, im Nachhinein gefolgt ist und heute die Abwahl der Finanzsenatorin fordert. Die klare Linie ist das meines Erachtens nicht.

Genauso wenig, gerade aus meinem Demokratieverständnis heraus, kann ich der geänderten Argumentation der LINKEN folgen. Wie gesagt: Manche finanzpolitische Erklärungen des Kollegen Rupp und den Wunsch nach Sachaufklärung letzte Woche fand ich einleuchtend. Umso erstaunter bin ich, dass jetzt – so konnte man es zumindest der Presse entnehmen – der Landesvorstand der LINKEN als Grund für die Zustimmung zum Misstrauensantrag heranzieht, man sei generell nicht mit der Politik von Rot-Grün einverstanden. Herr Tschöpe hat ja erklärt, was ein destruktives Misstrauensvotum ist: dass es nicht darum geht, einen ganzen Senat oder eine ganze Regierung – –.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Sie haben nicht zuge- hört, Frau Schaefer!] Ich habe sehr genau zugehört, Frau Vogt, aber ich teile einfach nicht Ihre Position! (Unruhe – Glocke)

Ich sage es noch einmal: Herr Tschöpe hat erklärt, was ein destruktives Misstrauensvotum ist. Dabei geht es um Verfehlungen eines einzelnen Senators, einer einzelnen Senatorin, aber nicht darum, einer demokratisch gewählten Regierung das Misstrauen auszusprechen, weil man mit deren Politik nicht einverstanden ist.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ihr Vorwurf ist, dass wir als Koalition die Schuldenbremse einhalten und uns damit an Recht und Gesetz halten, während Sie eben nicht die Schuldenbremse einhalten und aus unserer Sicht verantwortungslos Millionensummen auf Kredit ausgeben wollen. Deshalb habe man generell kein Vertrauen in den Senat und trägt den CDU- und Bürger-in-Wut-Antrag; so habe ich es zumindest vernommen. Das ist für einen Misstrauensantrag eine irritierende Begründung, meine Damen und Herren! Sie kritisieren die in einem demokratischen System gewählte Mehrheit in einem Parlament, sie mache nicht die Politik, die Sie als LINKE wollen, und daher unterstützen Sie einen Misstrauensantrag einfach so.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Wir haben Sie auch nicht gewählt! Was wollen Sie denn jetzt von uns? Was für eine Vorstellung von Demokratie haben Sie eigentlich?)

Ein Misstrauensantrag wird üblicherweise gestellt, wenn eine persönliche Verfehlung eines einzelnen Regierungsmitglieds vorliegt, und den unterstützt man nicht, nur weil man die Politik der demokratisch gewählten Regierung in manchen Dingen nicht teilt.

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Herr Röwekamp von der CDU hat vorhin gesagt, es gehe gar nicht darum, ob die Finanzsenatorin Schuld hat an den Problemen der Bremer Landesbank habe, sondern sie solle die Verantwortung dafür übernehmen und deshalb zurücktreten; damit rechtfertigen Sie den Misstrauensantrag: mit der Frage der Verantwortungsübernahme. Interessant! Es gab ja in diesem Parlament schon einige Misstrauensanträge. Ich habe das in den letzten Jahren nur bei Senatorin Rosenkötter selbst einmal als Mitglied dieses Parlaments mitgemacht. Da war die Begründung der CDU, es gebe zwar keinen konkreten Anlass, so damals Rita Mohr-Lüllmann, aber man sei mit der Senatorin einfach nicht zufrieden. – Das ist so ein bisschen die Argumentation der LINKEN heute. Die gesamte Koalition hat damals zu Senatorin Rosenkötter gestanden und ihr den Rücken gestärkt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Davor aber gab es auch schon einmal einen Misstrauensantrag, 2005 von uns Grünen damals eingereicht.

(Zuruf CDU)

Damals waren wir noch in der Opposition, und dieser Antrag richtete sich gegen wen, Herr Strohmann, meine Damen und Herren von der CDU? – Gegen den damals amtierenden Innensenator Thomas Röwekamp, heute hier Fraktionsvorsitzender. Was war der Grund damals? Ich erinnere mich im Übrigen sehr genau an diese Zeit, weil ich damals Mitglied des Beirats Neustadt war und wir als Beiratsmitglieder und über 200 interessierte Bürgerinnen und Bürger und Gäste im Ortsamt Neustadt in einer öffentlichen Beiratssitzung vergeblich auf Sie, Herr Röwekamp, gewartet haben. Es hieß kurz vorher, aus terminlichen Gründen könnten Sie nicht kommen.

Wir hatten Herrn Röwekamp erwartet, weil wir Antworten auf die Fragen rund um den Tod des 35-jährigen Laye Condé aus Sierra Leone wollten. Er erbrach auf dem Polizeirevier des Bremer Stadtteils Vahr vier Kokainkügelchen und kam nach dem zwangsweisen Einflößen von Wasser zu Tode. Herr Röwekamp rechtfertigte den Brechmitteleinsatz damals mit den Worten – ich zitiere: „Schwerstkriminelle müssen mit körperlichen Nachteilen rechnen.“ – In dem Fall war der körperliche Nachteil der Tod des Mannes, und im Übrigen sind Brechmitteleinsätze international als Foltermethode anerkannt.

(Zuruf)

Was das ist? Es geht um die Frage, ob man Verantwortung für irgendetwas übernimmt, was in dem eigenen Bereich geschieht. In dem Fall, kann ich sagen, ist keine Verantwortung damals übernommen worden. Es gab damals sehr viele Proteste. Der 35jährige Mann aus Sierra Leone ist nach dem zwangs

weisen Einflößen von Brechmitteln in staatlicher oder polizeilicher Obhut unter Ihrer Verantwortung gestorben beziehungsweise zu Tode gekommen. Ich frage Sie: Haben Sie damals die Verantwortung dafür übernommen, Herr Röwekamp? Nein, lautet die Antwort, das haben Sie nicht! Haben Sie damals den Fehler eingestanden?

Sie haben gerade von Frau Linnert gefordert, es müsse ein Eingeständnis geben. Nein, haben Sie nicht! Sie haben noch draußen vor den Medien behauptet, dem Mann würde es gutgehen. Dabei war schon bekannt, dass er klinisch tot war. Ein Eingeständnis sieht anders aus, und eine politische Verantwortung der CDU für die damaligen Vorfälle hätte auch anders ausgesehen. Insofern muss man sich sehr genau überlegen, wenn man mit dem Finger auf Leute zeigt und sagt: Ihr habt eine Verantwortung! Dann muss man auch selbst so agieren, wenn man glaubwürdig sein möchte.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Sie fordern heute eine Finanzsenatorin auf, sie solle die Verantwortung für die Schieflage einer Landesbank übernehmen, wo ganz objektiv jegliche Verhandlungsposition mit der Mutterbank von vornherein extrem schwer war und es jetzt vor allem und immer noch darum geht, noch zu retten, was zu retten ist. Dazu tragen Sie von der CDU, finde ich, mit Ihrem parteipolitischen Kalkül und diesen Debatten wahrlich nicht bei. Sie haben damals selbst nicht die Verantwortung übernommen, obwohl ein Mensch zu Tode gekommen war.

Für mich persönlich ist es eine unterschiedliche Gewichtung, ob man Brechmitteleinsätze befürwortet und deren Anwendung in Kauf nimmt und damit auch den Tod eines Menschen, und der Bevölkerung nicht sagt, wie der aktuelle Stand damals war, oder ob man schwierige Verhandlungen mit einer Mutterbank führen kann und – die Verhandlungen sind ja noch nicht einmal abgeschlossen –, vor zwei Wochen nicht mit einem Ergebnis nach Hause kommt, das sich alle Bremerinnen und Bremer und auch die Finanzsenatorin gewünscht hätten. Für mich gibt es in dieser Frage der politischen Verantwortung einen deutlichen Unterschied.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Sie haben, meine Damen und Herren von der CDU und von Bürger in Wut, nur das Ziel, heute politisches Kapital aus der Misere rund um die BLB zu ziehen. Sie fahren damit einen politischen Zickzackkurs, erst mit der FDP, und am Ende tun Sie sich mit Bürger in Wut zusammen. Das einzige Ziel, das Sie haben, ist, die Koalition um jeden Preis zu schwächen; leider auf Kosten der BLB und der dortigen Beschäftigten. Dabei ist Ihnen offensichtlich jedes Mittel recht. Ich finde das leicht zu durchschauen. Das Einzige, was Sie damit erreichen, ist, die Politikverdrossenheit zu schü

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ren. Ich denke, es müssen alle noch einmal in sich gehen, wenn sie gleich an die Wahlurne gehen,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Ja, das glaube ich auch!)

ob sie, wie Herr Röwekamp sagt, für diese Art von Politik stehen oder für eine andere Politik. Herr Röwekamp, ich habe die Politik unter Ihrer Verantwortung in Erinnerung – mit millionenschweren Scherbenhaufen, die Sie hinterlassen haben. Ich hatte aber auch bei Ihrem letzten Satz das Gefühl, dass Sie gar keine Verantwortung übernehmen wollen. Sie haben klargemacht, dass Sie nicht regieren und keine Verantwortung übernehmen wollen. Sie haben gesagt, es gehe heute nicht bei jedem, der abstimmt, um die Frage von Neuwahlen. Das stimmt! Denn jeder, der heute nachher in der Wahlkabine sein Kreuzchen macht, stimmt darüber ab, ob er der CDU und den rechtspopulistischen Bürgern in Wut

(Lachen ALFA)

ja, da können Sie schreien, es sind die rechtspopulistische Bürger in Wut – die Zustimmung zu diesem Misstrauensantrag schenken. Ich sage hier ganz klar für die Grünen, meine Fraktion: Wir haben Vertrauen in Karoline Linnert, und wir wollen, dass sie Finanzsenatorin bleibt. Wir wollen nicht Ihren ureigensten parteipolitischen Interessen nachgehen. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste! Es wurde schon diverse Male angesprochen: Ja, wir haben im Landesvorstand und in der Fraktion lange, intensiv und ausführlich darüber diskutiert, wie wir uns heute verhalten, übrigens nicht erst seit letzten Donnerstagnachmittag, nachdem der Misstrauensantrag gestellt worden ist, sondern schon im Vorfeld.

Wir haben uns entschieden, diesem Antrag zuzustimmen, weil wir sowohl in der Frage des Sanierungskurses und der Finanz- und Haushaltspolitik dieses Landes als auch in der Frage, ob und wie wir die BLB retten können, aber vor allem in der Frage der Sanierung gesagt haben: Ja, dieser Senat hat in Gänze nicht unser Vertrauen. Er hat es auch schon vor einem Jahr nicht gehabt, und er hat es auch jetzt nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Dr. Schaefer, das ist im Übrigen auch der einzige Grund, weshalb wir uns Donnerstagmorgen vor einer Woche, als der Antrag noch nicht da war, damit schon schwergetan haben. Das hat der Kollege

Rupp übrigens in der Aktuellen Stunde auch deutlich gemacht: Wir sehen die Verantwortung nicht nur ausschließlich bei Frau Linnert, sondern beim gesamten Senat, und in der Frage der BLB insbesondere auch beim Regierenden Bürgermeister. Das ist der Grund, weshalb wir uns zunächst damit schwergetan haben zu sagen, wir gehen mit. Letztendlich, in der Konsequenz der politischen Verantwortung, hat es aber die Finanzsenatorin zu tragen, und deshalb sagen wir: Ja, wir stimmen diesem Misstrauensantrag zu, aber stellen den ganzen Senat in die Verantwortung, wenn wir heute zustimmen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Gründe sind in der Tat durchaus andere als die der CDU: Im Fokus unserer Kritik und unserer Ablehnung der Regierung steht im Moment nicht so sehr das Verhalten der Senatorin in der aktuellen Krise um die BLB, wobei ich, ehrlich gesagt, eine Sache – das kann ich hier auch einmal sagen – sehr, sehr schwierig finde: Ich habe überhaupt nichts gegen harte Verhandlungsführung, ganz im Gegenteil! Ich habe aber Probleme damit, wenn man intern nicht bereit ist, eine Option für Kapitalerhöhungen deutlich zu machen und dafür im Senat zu werben. Dann sollte man sich auch überlegen, wie man nach außen auftritt.

(Beifall DIE LINKE, CDU)

Ich hätte nämlich sehr gern gehabt, dass die Finanzsenatorin mit dem nötigen Geld im Gepäck in diese harten Verhandlungen geht, damit sie auch pokern kann und nicht, damit sie mit leeren Händen dasteht. Ich finde, das ist durchaus eine Sache, über die wir noch in Zukunft zu sprechen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)

Unabhängig von der Bremer Landesbank ist der Mittelpunkt unserer Kritik der inzwischen gegen jeden Sinn und Verstand stur durchgehaltene Sanierungskurs und der verzweifelte Versuch, ihn hier in Bremen durchzusetzen oder zu rechtfertigen, denn durchsetzbar ist er überhaupt nicht.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Und mit Recht! Es ist ja auch nicht nur Frau Linnert!)

Für diesen Kurs steht die gesamte Regierung, aber insbesondere auch die Finanzsenatorin. Wer denn sonst, Frau Dr. Schaefer? Die Finanzsenatorin ist auch diejenige, die diesen Kurs immer verteidigt, zuletzt am letzten Mittwoch in der Haushaltsdebatte. Ich habe mir die Rede von Ihrer Finanzsenatorin nämlich noch einmal angeschaut. Für genau diesen Kurs – und darauf muss ich noch einmal zurückkommen, Frau Dr.

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