Protocol of the Session on June 24, 2016

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1841

rechtzeitiger hätten Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen. Aber wenn man sich an dieser Fragestellung abarbeiten möchte, dann muss man auch den richtigen Leuten die richtigen Fragen stellen. Ein Blick in die auf Grundlage des Staatsvertrags mit der BLB erlassene Satzung schafft Klarheit darüber, welche Organe eigentlich was machen und wer das ist. Nach Paragraf 8 der Satzung ist Folgendes Aufgabe des Vorstands der Bremer Landesbank: „Der Vorstand führt die Geschäfte der Bank in eigener Verantwortung. Über wesentliche Angelegenheiten in der Bank hat er den Aufsichtsrat zu unterrichten.“ – Karoline Linnert war nie Vorstand dieser Bank.

Nach Paragraf 15 Absatz 4 der Satzung entscheidet die Trägerversammlung über die allgemeinen Grundsätze der Geschäftspolitik und damit auch über Art und Umfang des Investments. Ja, Karoline Linnert war wie andere Vertreter Bremens ein Mitglied der Trägerversammlung. Entscheidungen über die Gesamtbankstrategie und damit über das Ausmaß des Geschäftsfelds Schiffsbeteiligungen hat sie durchaus mitgetragen. Wer hat aber die einfache Mehrheit in dieser Trägerversammlung darstellen können? Das sind jene, denen die Bremer Landesbank zu 55 Prozent gehört: erstaunlicherweise die NORD/LB. Sie hat persönlich mit Frau Linnert nichts zu tun.

Dann kommen wir darauf, wofür Frau Linnert vielleicht Verantwortung tragen mag. Nach Paragraf 13 Absatz 1 ist Folgendes Aufgabe des Aufsichtsrats der Bremer Landesbank: „Der Aufsichtsrat hat den Vorstand zu beraten und seine Geschäftsführung zu überwachen. Er erörtert mit dem Vorstand die Geschäftsund Risikostrategie der Bank.“ – Ja, Karoline Linnert war und ist Vorsitzende des Aufsichtsrats. Aber einen Anlass oder ein Recht, von der Entscheidung der Trägerversammlung zu Art und Umfang der Schiffsbeteiligungen abzuraten oder in Frage zu stellen, was der Vorstand ansonsten eigenverantwortlich ins Werk gesetzt hat, geht im Verhältnis der Organe der Bremer Landesbank zueinander eben gerade nicht, deshalb ist es auch völlig unsinnig, hieraus ein Versagen der Finanzsenatorin konstruieren zu wollen,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Zumal die Bremer Landesbank das Problem konkret angepackt hat: Nachdem sich die Lage auf dem Schiffsmarkt verschlechtert hatte, hat die BLB in den vergangenen Jahren den Anteil der Schiffsfinanzierungen in ihrem Portfolio bereits deutlich von einem Drittel des Geschäftsumfangs auf ein Viertel reduziert. Der Ansatz dabei war ein schrittweiser Abbau statt auf einen Schlag. So sollte den Reedern Luft verschafft werden, was übrigens auch wirtschaftlich vernünftig war. Gleichwohl wurde auch dieser deutliche Abbau im Gegensatz zu vielen Behauptungen, die ich öffentlich lesen konnte, sehr wohl öffentlich kommuniziert. Er lässt sich im Übrigen aus allen Geschäftsberichten der Bremer Landesbank ablesen.

Während die Bank mit ihren weiteren Geschäftsfeldern weiterhin erfolgreich ist und durch den Bereich der erneuerbaren Energien die Risiken der Schifffahrt sogar zumindest teilweise kompensieren konnte, war es – das ist, glaube, ich das Entscheidende, und dabei dürfen wir uns auch nicht die Tasche lügen – die Entscheidung der Europäischen Zentralbank zur Neubewertung dieser Schiffsbeteiligungen. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Die EZB zwang die Bremer Landesbank aufgrund der Risiken bei den Schiffskrediten zu einer Erhöhung des Eigenkapitals. Die Folgen kennen wir: Von einem Tag auf den anderen machte die BLB Schlagzeilen und war in ihrer Existenz bedroht.

Nun wirft die CDU Finanzsenatorin Linnert vor, nicht rechtzeitig über die deutlichen Auswirkungen auf die Bank informiert und entsprechend gehandelt zu haben. Sie solle Verantwortung übernehmen und ihren Hut nehmen. Fakt ist aber: Karoline Linnert hat längst Verantwortung übernommen. Sie hat ihren Hut – um bei diesem Bild zu bleiben – mit Verve in den Ring geworfen, und genau das wirft ihr die CDU nun auch vor. Aber schauen wir uns die Vorwürfe im Detail an! Ja, Karoline Linnert wusste als Aufsichtsratsvorsitzende bereits vor der Ad-hoc-Meldung der BLB, was auf die Bank zukommt, und ja, sie hat darüber nicht sofort umfassend informiert. Meines Erachtens hat sie, wenn Sie die Vorschriften des Aktienrechts lesen, darüber auch nicht informieren können, und zwar allein aus dem Grund, weil dies rechtlich untersagt ist. Nun kann man darüber streiten, ob diese rechtliche Regelung sinnhaft, gut oder schlecht ist. Daraus aber einen Vorwurf gegen die Finanzsenatorin zu stricken, dass sie sich rechtskonform verhalten hat, halte ich für abwegig.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Aber zurück zu den Fakten! Die Bremer Landesbank hat keine Chance mehr – das war bei vielen die erste Einschätzung nach der Ad-hoc-Meldung. Karoline Linnert aber drückte sich eben nicht um die Verantwortung als Finanzsenatorin, sondern sie kämpfte, und das durchaus mit harten Bandagen und zugespitzten Formulierungen. Bremen lasse sich nicht erpressen, betonte sie. Was wäre aber gewesen, wenn sie sich nicht so deutlich ins Zeug gelegt hätte? Wie ernst hätten die übrigen Beteiligten die Rolle des kleinen Bremens in dem folgenden und bis heute andauernden Pokern um die Bank genommen? – Wie alle „Was-wäre,-wenn?“-Fragen lässt sich auch diese nicht eindeutig beantworten.

Klar aber war, es würden harte Verhandlungen auf Bremen zukommen. Kollege Rupp hat am Donnerstag letzter Woche übrigens deutlich geschildert, welche handfesten außerbremischen Macht- und Geldinteressen auf die kleine BLB einwirken. Ich meine, zu einer harten Auseinandersetzung gehören eben manchmal auch harte Worte. Ich persönlich kann Ka

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roline Linnert durchaus übrigens auch überhaupt keinen Vorwurf daraus machen. Im Gegenteil, Frau Linnert und ich haben in den vergangenen Jahren vielfach hart miteinander verhandeln müssen. Ich kann nur sagen: Mir sind Menschen lieb, die bei Dingen, die ihnen wichtig sind, auch mal sperrig und brüsk auftreten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt aber muss es darum gehen, in den weiteren Verhandlungen das optimal mögliche Ergebnis für Bremen zu erzielen und möglichst viele Arbeitsplätze in der Bank in Bremen zu retten. Herr Röwekamp, ich habe den Eindruck, Sie schwächen durch die Farce, die wir heute hier erleben, die Verhandlungssituation Bremens nachhaltig – und das in einer Situation, in der Leute um ihre Arbeitsplätze bangen!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Zurufe CDU)

Ich bin aber genauso davon überzeugt, dass diese Farce nichts nützen wird. Destruktion und Misstrauen sind kein Politikkonzept, das Menschen begeistert.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das zweite Buch, das ich mir übrigens in den Urlaub mitnehmen werde, sind Herbert Wehners Memoiren.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Vielleicht sollten Sie uns Ihre Urlaubslektüre einfach ersparen!)

Vielleicht sollte sich die CDU eher daran als an Bakunin orientieren. Herbert Wehner hat statt künstlichem Aufruhr gesagt: „Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen.“ – Das wäre ein Leitbild für die CDU!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die Abgeordneten der Opposition müssen sich auf dem Weg in die Wahlkabinen letztlich fragen, ob sie um des Aufruhrs einer Negativkoalition willen ihr Kreuz machen wollen. Die Abgeordneten der SPD haben sich bereits einstimmig entschieden: Wir sagen Nein zu Destruktion, Destabilisierung und Misstrauen! – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Starker Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erst letzte Woche haben wir hier in der Aktuellen Stunde, die ja auch von der CDU eingebracht

wurde, sehr ausführlich zum Sachverhalt rund um die Bremer Landesbank und auch sehr intensiv über den dann einstimmig von der Koalition beschlossenen Haushalt debattiert. In der Zwischenzeit hat sich meines Erachtens nichts Neues in der Sache selbst ergeben, daher möchte ich die finanzpolitische Seite in meinem Beitrag nur sehr kurz beleuchten. Denn um die Sache selbst geht es hier und heute ja nicht, sondern nur darum, dass die CDU zusammen mit der rechtspopulistischen Wählervereinigung Bürger in Wut – –.

(Zurufe CDU: Och!)

Ja, es ist so! Sie haben nicht allein, sondern mit der Fraktion Bürger in Wut ohne eine Aufarbeitung der Fakten einen Misstrauensantrag gegen die Finanzsenatorin Linnert eingebracht. Mir gibt es im Übrigen schon zu denken, dass Sie wirklich Bürger in Wut als Verbündete dafür gesucht haben.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Sie werfen der Finanzsenatorin vor, sie wäre für die prekäre Situation der Bremer Landesbank und für den blauen Brief des Stabilitätsrats verantwortlich. Herr Tschöpe ist ja schon sehr detailliert und intensiv darauf eingegangen, und ich teile genau diese Position: Sie machen die Finanzsenatorin für einen Haushalt verantwortlich, der erst einmal durch ein Rechtsgutachten als verfassungskonform erklärt wurde und dem vor allem die Mehrheit dieses Parlaments zugestimmt hat. Was ist das für ein Politikverständnis, meine Damen und Herren?!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Aber das hat mit dem Gutachten nichts zu tun!)

Vielleicht muss man auch einmal darauf hinweisen – Herr Röwekamp, Sie sind auf den Konsolidierungspfad eingegangen –, dass es in all den letzten Jahren – ich finde, das ist ein Erfolg für ein Haushaltsnotlageland – möglich war, die 300 Millionen Euro vom Bund zu bekommen, weil wir diesen Konsolidierungspfad mit dieser Finanzsenatorin eingehalten haben.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ich möchte auf die Situation der Bremer Landesbank eingehen. Die Bremer Landesbank war und ist für die Bremer Wirtschaft, für mittelständische Unternehmen und gerade auch für hiesige Reedereien ein wichtiges Geldinstitut und für Bremen nicht deshalb wichtig, weil sie hier die Umsatzsteuer bezahlt, sondern weil hier Hunderte von Beschäftigten ihren Arbeitsplatz haben. All diese Menschen fragen sich bange, wie es weitergeht, und Sie von der CDU haben mit Ihrem Agieren, Herr Röwekamp, nicht etwa et

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was für die Beschäftigten oder das Land Bremen getan – nein, Sie haben damit genau das Gegenteil für die Menschen bewirkt!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Die Zukunft der Landesbank und die Schifffahrtskrise war auch Thema auf der Mitgliederversammlung des Bremer Rhedervereins am Montag, dessen Mitgliedsreedereien zu einem Großteil seit Jahren intensive Geschäftsbeziehungen zur schiffsfinanzierenden BLB pflegen. Dort wurde nochmals konstatiert, dass die seit 2008 anhaltende Schifffahrtskrise der Bremer Landesbank, die ein Schiffsportfolio von mehr als 6,2 Milliarden Euro hat, schwer zu schaffen macht. In der Containerschifffahrt etwa hätten sich die Hoffnungen von vor einem Jahr nicht bestätigt. Dass der leichte Anstieg des Ratenniveaus sich verfestigen könne, heißt es in dem Jahresbericht des Vereins. Vielmehr sei das Gegenteil eingetreten: Im Spätherbst seien die Märkte vollends zusammengebrochen – so die traurige Bilanz. Auf diese langanhaltende Krise waren die Marktteilnehmer nicht vorbereitet und konnten es wohl auch nicht sein – so Michael Vinnen, Vorsitzender des Bremer Rhedervereins.

(Zuruf FDP: Wo wohnt der denn?)

Das Vertrauen darauf, dass nach einem langanhaltenden Abschwung die Schifffahrtsmärkte irgendwann auch wieder erstarken werden, werde vor allem von den Institutionen der Bankenaufsicht nicht geteilt. Die Folge: immer höhere Eigenkapitalhinterlegungsanforderungen. Der Umfang der Schiffsfinanzierung werde substanziell heruntergefahren – mit allen Folgen für die in Not geratenen Schiffe, für die Reedereien, die darunter leiden, und auch die maritimen Standorte, nicht nur in Bremen, denn die BLB habe auch viele Schiffe für Reeder an anderen maritimen Standorten finanziert. So konnte man es beim Rhederverein letzte Woche hören. Es war lange und vor allem auch unter der Großen Koalition – das habe ich letzte Woche auch gesagt –, als Herr Perschau Mitglied im Aufsichtsrat der BLB war, ein erklärtes Ziel, gerade als Hansestadt und maritimer Logistikstandort Reedereien mit Schiffsbeteiligungen zu unterstützen. Das war damals die Politik, auch Ihrer CDU. Es war damals vielleicht auch nachvollziehbar, vor allem Schiffskredite zu vergeben, als viele glaubten, die Globalisierung werde sich immer weiter mit enormen Chancen und Gewinnen, gerade auch in der maritimen Logistikbranche, fortsetzen. Auch als Herr Perschau zum Beispiel dem Aufsichtsrat angehört hat, wurden noch immer sehr eifrig Schiffskredite in Millionenhöhe vergeben.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Sprechen wir über Herrn Perschau oder über Frau Linnert?)

Herr vom Bruch, es geht auch darum, welche Rolle die CDU vielleicht bei dieser Krise gespielt hat, und

nicht nur darum, welche Rolle die Finanzsenatorin gespielt hat!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Man muss im Rückblick sagen: Es war vielleicht auch zu leichtsinnig, ein Risiko einzugehen und einen doch erheblichen Anteil nur auf dieses eine Pferd beziehungsweise diese Schiffe zu setzen. Aus diesem Grund sind mit der Aufsichtsratsvorsitzenden Karoline Linnert die Anteile in den letzten Jahren abgeschmolzen worden. Das Abschmelzen aber – das sagen alle Experten aus der Schifffahrtbranche – geht eben nicht auf Knopfdruck. Im Gegenteil, mit einem totalen Abschmelzen von hundert auf null hätte man eben gerade diesen Teufelskreis befeuert, indem Schiffe zu Dumpingpreisen gefahren werden, ohne dass die Reedereien die Kredit noch hätten bedienen können.

Die Bremer Landesbank, an der Bremen ja im Gegensatz zur NORD/LB beziehungsweise dem Land Niedersachsen nur Minderheitsanteilseigner ist, ist vor allem aufgrund dieses Schiffsportfolios in eine Schieflage geraten und vor allem, weil die EZB im Frühjahr dieses Jahres diese Schiffsbeteiligungen downgegradet hat. In diesem Zusammenhang konnte ich der Rede von Herrn Rupp in der letzten Woche einiges abgewinnen. Er sagte, dass er es für falsch halte, dafür Karoline Linnert die alleinige Schuld zu geben, und hat dafür plädiert, die Vorgänge erst einmal sachlich zu hinterfragen. Der Landesvorstand der LINKEN will es dennoch anders, und das müssen die Abgeordneten der LINKEN bei der Abstimmung mit ihrem Gewissen vereinbaren.

(Lachen bei der CDU)

Fakt ist: Die Ausgangssituation und die Verhandlungschancen als Minderheitsanteilseigner sind natürlich gegenüber dem Mehrheitseigner immer schlechter; die Ausgangssituation ist immer schlechter. Am Ende kann man in einer solchen Situation eben nicht gewinnen, zumindest nicht zu 100 Prozent, und das hätten Sie von der CDU auch keinen Deut besser hinbekommen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Herr Eckhoff von der CDU hat letzte Woche kritisiert, dass Senatorin Linnert die BLB gefährdet hätte, zum Beispiel dadurch, dass sie gesagt hat, sie lasse sich nicht erpressen. Herr Tschöpe hat gesagt, es sei manchmal sympathisch, wenn Leute, wenn sie für eine Sache kämpfen, Tacheles reden. Man kann so eine Wortwahl vielleicht undiplomatisch finden. Viele fanden sie aber, wie gesagt, auch sympathisch.