Die Huldigung und die Aufwartung bei einer islamistischen Organisation als Repräsentant dieses Hauses, der nicht nur für seine Fraktion und sich selbst spricht, sondern für uns alle, sind aus unserer Sicht
vollkommen unerträglich. Wir dürfen islamistische Organisationen nicht hofieren. Wir dürfen sie nicht unterstützen. Wir dürfen das nicht tun, zum einen, weil wir denjenigen einen Bärendienst erweisen würden, die sich in Bremen zu dieser Religion bekennen und gleichzeitig in unserer Gesellschaftsordnung freudig und aktiv partizipieren, aber eben auch, weil diese konfrontative Betrachtungsweise innerhalb der Religionen in dem Zusammenhang kontraproduktiv ist, hier in Bremen gemeinsam miteinander zu leben. – Vielen Dank!
(Abg. Tschöpe [SPD]: Timke hat Urlaub, oder? – Abg. Güngör [SPD]: Eine rechte Socke nach der nächsten!)
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Mitglieder dieses Hohen Hauses! Es ist schlichtweg merkwürdig, des Merkens würdig, dass Vertreter des Bundeslandes vor dem Banner der internationalen Gemeinschaft Milli Görüs Reden halten. Diese internationale Gemeinschaft gehört bekämpft und nicht besucht. Die Milli Görüs vertritt folgendes Konzept – ich zitiere aus dem Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2014:
„Nach diesem Konzept verkörpert die westliche Welt die Ordnung des ‚Unrechts‘, die … ihre Vorläufer in der ägyptisch-pharaonischen, griechischen und römischen Ordnung hat und langfristig von der islamischen Ordnung abgelöst werden soll.“ Diese „gerechte Ordnung“, die sämtliche Lebensbereiche umfasst, soll über die Zwischenstufen „Eine lebenswerte Türkei“, „Eine wiedererstarkte Türkei“, „Eine neue Welt“ verwirklicht werden.
Ich frage Sie, liebe Kollegen, wann Sie denn den Auflösungsbeschluss für die Demokratie als Teil dieser abendländischen Wertetradition beschließen, da Ihre Unterwerfung unter diesen Plan doch wohl stattgefunden hat, wenn man vor dem Banner einer solchen Organisation redet.
Ich zitiere noch einmal aus dem Verfassungsschutzbericht: „Das Konzept“ der IGMG „ist stark mit … antijüdischen Stereotypen wie der … ‚jüdischen Weltverschwörung‘ durchsetzt.“
Da muss man sich gewiss keine Sorgen um die verfassungsmäßige Ausrichtung des Landesverbandes der AfD in Bremen machen, sondern vielleicht vielmehr der SPD in Bremen – im Gegensatz zu anderen Landesverbänden, so zum Beispiel der Sozialdemokratin Sigrid Herrmann-Marschall, die sehr mutig vor der Milli Görüs mit folgenden Worten warnt: „Man darf
das“, gemeint ist das Vorgehen der IGMG, „durchaus so verstehen, dass da die Hand zu gleichen Rechten zurückgewiesen wurde um der eigenen, selbstempfundenen und religiös-fundamentalistisch untermauerten Höherberechtigung Willen“.
Die Bremer Politik, die SPD unterwirft sich willenlos dieser Höherberechtigung. Die hessische Sozialdemokratin vielmehr nennt ihre mutige Webseite „Vorwärts und nicht vergessen“. Die Bremer SPD scheint aber ihre Tradition vergessen zu haben und stellt sich auf die Seite – um ihre Sprache zu benutzen – der blutigsten Reaktion. Es ist notwendig, dass andere Parteien wie die AfD den Kampf gegen unfreiheitliche Religionsauffassungen für Sie nun weiterführen müssen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Gruppe ALFA fordert in dieser Aktuellen Stunde – Sie haben es gerade noch einmal gesagt, Herr Schäfer – den Rücktritt des Präsidenten Weber, da er am Ostersonntag an einer Veranstaltung der Islamischen Föderation Bremen teilgenommen hat. Im Namen aller hier vertretenen demokratischen Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft und im Namen aller demokratischen Abgeordneten dieses Hauses weise ich diese Kritik und diese Rücktrittsforderung zurück!
Das möchte ich ausführlich begründen, weil ich finde, dass man sich sehr ernsthaft inhaltlich mit Ihrer Aktuellen Stunde beschäftigen muss.
In Deutschland ist Religionsfreiheit im Grundgesetz verankert, und dieses Recht – wie im Übrigen auch Meinungs‑, Presse- und Kunstfreiheit – ist ein sehr, sehr hohes Gut in diesem Land.
Der Islam gehört wie auch andere Religions- und Glaubensgemeinschaften längst zu Deutschland. Vier Millionen Muslime leben in Deutschland. Sie sind hier geboren, sie arbeiten hier, sie zahlen ihre Steuern hier. Es sind Deutsche, sie sind ein Teil unserer Gesellschaft.
Ich finde es gut, dass wir auch hier in diesem Parlament Muslime als Abgeordnete haben, und es ist auch sehr gut, dass Bremen einen Staatsvertrag mit den Muslimen abgeschlossen hat.
Dieser Staatsvertrag ist ein wichtiger Beitrag zur Integration, denn was wir nicht wollen, sind Parallelgesellschaften.
Der Islam hat wie andere Religionen auch, zum Beispiel das Christentum, verschiedene Strömungen und Ausrichtungen. Bei uns gibt es im Christentum Katholiken, Protestanten, die einen sind lutherisch, die anderen sind reformiert, und so gibt es im Islam Sunniten, Aleviten, Schiiten, Sufi-Gemeinschaften, Ismailiten und so weiter. Innerhalb des Islam gibt es weltoffene, liberale, westlich-orientierte, aber auch, wie wir alle wissen, konservativ-fundamentalistische Strömungen.
Alle Demokraten hier verbindet, dass wir für Menschenrechte, Frauenrechte, Meinungsfreiheit und gegen Gewalt und Terror stehen und die Wahrung dieser Rechte – im Übrigen auch die Einhaltung unserer Gesetze – von Muslimen wie von allen anderen Gläubigen und auch von Atheisten erwarten.
Herr Schäfer, Sie sind jetzt auf Milli Görüs eingegangen. Ja, Milli Görüs gilt nicht als liberale Vereinigung, sie gilt eher als konservativ-fundamentalistisch.
(Abg. Leidreiter [ALFA]: Tatsächlich? Konservativ? – Abg. Schäfer [ALFA]: Verfassungsfeindlich! Vom Verfassungsschutz beobachtet! – Abg. Mustafa Öz- türk [Bündnis 90/Die Grünen]: Was sagen wir dann eigentlich zur AfD?)
Sie sagen „verfassungsfeindlich“. In Bremen wird Milli Görüs nicht vom Verfassungsschutz beobachtet, und es gibt auch keine Erkenntnisse über Gewalt oder Terrorismus, die in einem Zusammenhang mit Milli Görüs in Bremen stehen.
Sie haben gesagt, es muss Respekt zwischen den Religionen geben. Da sind wir uns einig. Es darf keine Desintegration geben, haben Sie gesagt.
Jetzt komme ich dazu, warum wir den Inhalt Ihrer Aktuellen Stunde nicht teilen, nämlich die Rücktrittsforderung und die Kritik daran, dass der Präsident der Bremischen Bürgerschaft an einem Ostersonntag bei der Islamischen Föderation gesprochen hat, dort anwesend war.
Erstens: Ich selbst bin Protestantin. Mich stört es nicht, wenn sich andere Glaubensgemeinschaften an einem Ostersonntag zu einer Veranstaltung zusammenfinden. Der Präsident hat dort ein Grußwort gesprochen.
Was ist eigentlich unsere Erwartung an einen Bürgerschaftspräsidenten? Meine Erwartung an einen Präsidenten ist, dass er alle Abgeordneten dieses Parlaments vertritt und dementsprechend auch alle Religionszugehörigkeiten oder auch diejenigen, die Atheisten sind.
Entweder möchte man eine strikte Trennung von Religion und Politik. Das würde bedeuten, keiner von uns, auch nicht der Präsident, darf an irgendwelchen Veranstaltungen von Kirchen oder anderen Religionsgemeinschaften teilnehmen.
Oder wir sagen, wir finden das richtig, weil Religion – ob man gläubig ist oder nicht – ein Bestandteil unserer Kultur und Gesellschaft ist. Daher ist es richtig, dass Abgeordnete und auch der Präsident zu solchen Veranstaltungen gehen können.
Es kommt nicht so sehr auf den Ort oder den Zeitpunkt an, sondern darauf, mit welcher Haltung und mit welcher Botschaft wir oder der Präsident an Veranstaltungen teilnehmen.
Herr Schäfer, Sie haben gesagt, Herr Präsident Weber war dort, hat seine Aufwartung gemacht, hat hofiert, hat gehuldigt. Die Botschaft des Präsidenten war doch eine ganz andere, eine ganz klare. Er hat sich dort für Friedenspolitik ausgesprochen, für Verständigung und gegen Terror und Gewalt. Das vertreten wir alle hier geschlossen, und es ist gut, dass der Präsident dort diese Haltung vertreten hat.
Es ist doch gerade sinnvoll, auch zu fundamentalistischen und konservativen Gruppierungen einen Zugang zu suchen, um genau diese Botschaft dort zu platzieren. Gerade dort erreicht man die Menschen, die man sonst vielleicht gar nicht erreichen würde.
Wir stehen für den kritischen Dialog, weil wir sagen: „Das ist das richtige Mittel!“, und eben nicht Kontaktverbot, meine Damen und Herren!
Wenn wir keine Parallelgesellschaft haben wollen – das haben wir doch jetzt gerade sowohl in Frankreich als auch in Belgien bitter erlebt, wo sich Parallelgesellschaften ausgeprägt haben –, dann ist es doch richtig, dass wir schauen, wie wir diese Menschen integrieren können, wie wir den Dialog mit ihnen pflegen können. Insofern sage ich: Es ist richtig, den Kontakt zu allen Glaubensrichtungen zu suchen, gerade auch zum Islam. Richtig ist, dass der Präsident dort für unsere Werte, für unsere Weltanschauung, für Frieden und gegen Terror geworben hat.
Haben die Veranstalter auch, sagt Herr Senkal gerade! Aus diesem Grund gibt es für uns auch keinen Grund, Ihrer Rücktrittsforderung in irgendeiner Weise nachzukommen.