Protocol of the Session on April 20, 2016

Ich bin sehr widerstandsfähig, mich aber mit Scheiße anzusprechen, das ist nicht in Ordnung!

(Beifall CDU, ALFA)

Frau Vogt, ich gehe davon aus, Sie nehmen das wieder zurück! Dann ist die Sache für mich erledigt. Ansonsten würde ich doch sagen, müssen Sie sich einmal überlegen, mit welchen Begriffen Sie hier um sich werfen.

(Beifall CDU, ALFA)

Abschließend: Alle Argumente, die Sie hier anführen – ich wiederhole das, was ich am Anfang gesagt habe –, sprechen für eine totale Freigabe aller Drogen. Dann sagen Sie es auch und fangen hier nicht mit Cannabis an!

(Beifall CDU)

In der Ruhe liegt ja die Kraft, und deswegen gebe ich als nächster Rednerin der Abgeordneten Vogt das Wort.

Herr Präsident! Herr Hinners, das Wort „Scheiße“ nehme ich gern zurück, aber ich muss ganz ehrlich sagen: Ich bin noch nie von Ihnen – jetzt hören Sie mir bitte auch zu; ich habe das eben zurückgenommen, dann sollten Sie mir zuhören! –

(Abg. Röwekamp [CDU]: Dazu können Sie ihn nicht zwingen!] bewusst so falsch zitiert worden. Ich habe hier in beiden Debattenbeiträgen gesagt: Die Antwort auf unsere Große Anfrage vom Juli 2014 hat ergeben, dass bei Polizei, Staatsanwaltschaften und in den Gerichten 60 Menschen nur mit der Bekämpfung von Drogendelikten beschäftigt sind. (Abg. Hinners [CDU]: Drogen, aber nicht Cannabis!)

Ich habe dann weiter erklärt, dass von diesen Drogendelikten gut 90 Prozent die Verfolgung von Besitz – also nicht von Handel – von Cannabis betrifft, und damit sind 60 Leute bei Polizei und Justiz zu fast 90 Prozent mit Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten beschäftigt.

(Abg. Hinners [CDU]: Bleibt falsch! Auch wenn Sie es wiederholen, ist es falsch!)

Das ist nicht falsch! Sehen Sie sich doch einmal die Zahlen in der Antwort auf unsere Große Anfrage an!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Mit Verlaub, das ist Müll! – Abg. Hinners [CDU]: Völliger Quatsch!)

Das ist nicht völliger Quatsch, Herr Hinners! Das sind die Zahlen in der Antwort auf unsere Große Anfrage!

(Unruhe bei der CDU)

Ich schlage vor, dass wir alle wieder ruhiger werden und den Ausführungen von Frau Vogt auch ganz ruhig zuhören, dass Frau Vogt ruhig wird und wir in Ruhe alle weitermachen! Okay?

Die Große Anfrage hat eindeutig ergeben, dass die große Anzahl der Delikte, die in Bremen sowohl von der Polizei ermittelt werden als auch bei der Justiz landen, tatsächlich den Besitz von Cannabis betrifft. Das ist die Verfolgung von Cannabiskonsumenten, von Besitz oder Erwerb. Das heißt, der Handel, auch von anderen Drogen, ist ein ganz geringer Teil der Strafverfolgung in Bremen.

Die Polizei sagt ja selbst, Herr Hinners, dass sie die Leute manchmal gar nicht erwischt, ihr die anderen aber ins Netz gehen. Ehrlich gesagt, hat mich das schon ein bisschen gewundert, warum der Verfolgungsdruck ein bisschen höher geworden ist. Ich

erinnere daran, dass zum Beispiel vor zwei Jahren der Headshop in einem Viertel durchsucht wurde, und da wurden dann die Kundendateien benutzt und weitergegeben. Da muss man sich schon fragen: Warum?

Da braucht man sich auch nicht wundern, wenn sich eine Menge von Polizeibeamten und Leuten in der Staatsanwaltschaft und die Gerichte mit solchen Sachen beschäftigen müssen. Die Anzahl von Verurteilungen für Besitz oder Erwerb von Cannabis ist seit 2007 deutlich gestiegen, und das ist der Großteil der Verurteilungen, und eben nicht die Hintermänner, an die man rankommen wollte, von anderen Drogen ganz zu schweigen!

Der Drogenkonsum von sogenannten harten Drogen ist seit Jahren rückläufig. Herr Hinners, das wissen Sie auch! Es gibt nicht mehr so viele Heroinnutzerinnen und ‑nutzer wie zum Beispiel noch in den Neunzigerjahren. Das wissen Sie auch, wenn Sie die Zahlen kennen. Sie kennen nicht nur die Polizeistatistik, nehme ich an. Wenn Sie sich ernsthaft damit beschäftigen, wissen Sie auch, welche Klienten und welche Klientel in den Drogenberatungsstellen auflaufen. Das sind immer weniger Nutzerinnen und Nutzer von harten Drogen, weil die Szene insgesamt kleiner wird.

Deswegen ist es völlig gerechtfertigt zu sagen, der Großteil, und das sind über 80, fast 90 Prozent, im Bereich der Strafverfolgung ist der Besitz und Erwerb von Cannabis, sprich die Eigennutzung. Das halte ich für völlig absurd und für eine völlig fehlgeleitete Politik, und ich finde, das muss man sofort ändern, denn dafür gibt es überhaupt keinen Grund! Die Polizeibeamten selbst sagen zum Teil: Warum soll ich denn immer diese Kiffer verfolgen? Das wissen die selbst nicht. Sie sagen doch manchmal selbst: Haben wir nicht eigentlich etwas Besseres zu tun?

Was die Rechtssystematik angeht, Herr Hinners, liegen Sie völlig richtig. Die Strafrechtsprofessoren sagen, in der Rechtssystematik ist die Bestrafung, weil man sich selbst gefährdet, nicht nur auf den Besitz und den Gebrauch von Cannabis zu beschränken.

(Abg. Hinners [CDU]: Dann sagen Sie es doch auch! Beschränken Sie es nicht auf Cannabis!)

Das habe ich doch immer gesagt! Ich habe immer gesagt, dass es um eine Strafrechtsreform geht, aber auf Landesebene, und darum geht es doch. Auf der Landesebene haben wir diese Spielräume nicht. Dazu bedürfte es tatsächlich einer Reform des BtMG, und das betrifft die Bundesebene. Dieser Antrag beschäftigt sich aber erfreulicherweise mit dem Spielraum, den das Bundesland Bremen hat, und nicht nur mit der Bundesebene. Deswegen ist er gut! – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Ich hoffe, er schreit nicht wieder so!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht uns um Jugendschutz und um die Frage, wie wir die Ressourcen dafür bekommen. Herr Hinners, auch wenn Sie mit uns als Fraktion nicht darüber reden wollen, wie ich gelernt habe, haben Sie völlig recht, dass da mehr getan werden muss. Dann muss man aber auch die Ressourcen dafür frei haben. Egal ob wir uns streiten, wie viele Personen das konkret sind – darüber kann man streiten, das mag sich auch aus anderer Schwerpunktsetzung ergeben –, es werden Personen mit etwas beschäftigt, womit man sich nicht beschäftigen muss, wenn man Cannabis entkriminalisiert. Da beißt die Maus keinen Faden ab!

(Beifall FDP, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Natürlich müssen wir über Eigen- und Fremdgefährdung reden, das ist vollkommen klar. Wir bleiben aber dabei, Eigengefährdung unter Strafe zu stellen, ist etwas, das für uns nicht in die Rechtssystematik gehört.

(Präsident Weber übernimmt wieder den Vorsitz.)

Natürlich sind wir deswegen auch für die kontrollierte Abgabe anderer Drogen, diskutieren das auch und wollen damit nicht den Staat zum Dealer machen, wie ich hier von Ihnen höre, sondern Schwerstabhängigen helfen und Menschen aus ihrer Sucht und den Drogen bringen.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: So ist es!)

Wenn ich jahrzehntelang mit einer Drogenpolitik gegen die Wand renne, muss ich mich doch fragen, ob es sinnvoll ist, weitere Anläufe gegen diese Wand zu nehmen oder vielleicht einen vernünftigen Weg um diese Wand herum zu finden. Wir sind dafür, dass wir endlich einen vernünftigen Weg um diese Wand herum finden.

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Herr Hinners, wenn Sie schon unser Rechtssystem infrage stellen und von Eigen- und Fremdgefährdung und der Hirnentwicklung sprechen, dann haben Sie etwas Richtiges mitbekommen: dass das Hirn auch noch nach 18 Jahren reift und sich die Leute mit entsprechenden Drogen schädigen. Natürlich ist das so, aber unser Rechtssystem sieht vor, dass man mit 18 Jahren volljährig und eigenverantwortlich ist.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Man ist mündig!)

Sie können auch Ihr Hirn schädigen, und das ist völlig legal, indem Sie literweise Wodka in sich hineinkippen.

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: So ist es!)

Wenn Sie das tun, schädigen Sie sich. Das ist nicht verboten, aber schlecht, und ich rate keinem dazu. Genauso rate ich keinem dazu, Cannabis zu nehmen, weil es natürlich auch bei über 18-Jährigen das Gehirn schädigt. Es bleibt aber, das haben uns die Gutachter auch gesagt, dass es, je später man eine Droge nimmt und je weiter die Hirnentwicklung fortgeschritten ist, desto weniger gefährdend ist. Deswegen Jugendschutz! Später sind die Leute eigenverantwortlich, so ist unsere Rechtssystematik. Ich habe nicht gehört, dass Sie die Volljährigkeit auf 25 Jahre erhöhen wollen. Das können Sie gern fordern, wir fordern das nicht. Insofern bleiben wir doch bitte auf dem Boden der Tatsachen bei unseren Argumentationen! – Herzlichen Dank!

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Das wird jetzt schwer zu toppen! – Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt: Ich gebe alles!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst einmal bin ich beeindruckt von der Vielfalt der Argumente, von der Vielfalt der Debatte, und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass wir eine so große Einmütigkeit zu diesem Antrag, den wir hier debattieren, haben.

(Abg. Hinners [CDU]: Da haben Sie etwas falsch verstanden!)

Ich möchte es zu Ende führen! Dann Sie, Herr Hinners! Das kennen wir schon!

Es gibt eine große Einmütigkeit in der Bedeutung der Prävention.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Darüber bin ich ausgesprochen froh. Ich bin der Auffassung, dass der Antrag, der hier vorliegt, einen absoluten Schwerpunkt auf Prävention legt. Das ist der Zugriff: Prävention und Paradigmenwechsel, weg von der Kriminalisierung hin zur Entkriminali

sierung! Mein Zugriff als Gesundheitssenatorin zu diesem Thema ist Prävention. Prävention, erstens, zweitens, drittens, immer wieder! Das ist mein Zugriff auf dieses Thema. Meine feste Überzeugung ist: Prävention erreiche ich durch Entkriminalisierung.