Protocol of the Session on March 17, 2016

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Ich lasse nun über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU abstimmen. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/346 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich nun auch um das Handzeichen!

(Dafür CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, ALFA, Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW], Abg. Ravens [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Entschließungsantrag ab.

(Zuruf – Abg. Frau Bernhard [DIE LINKE] lacht)

Beschäftigungspolitik umsteuern Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 18. November 2015 (Drucksache 19/159)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Siering.

Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet.

Bevor ich aber der Kollegin Bertram das Wort erteile, kann ich jetzt auf der Besuchertribüne Berufsschülerinnen und Berufsschüler des Technischen Bildungszentrums Mitte begrüßen. – Wenn ihr das seid, seid herzlich willkommen!

(Beifall)

Nun erteile ich der Abgeordneten Bertram das Wort. – Bitte, Frau Kollegin!

(Zuruf: Bernhard! – Abg Frau Bernhard [DIE LINKE]: Also, im fünften Jahr müsste das klappen!)

Ich sage jetzt nichts mehr, außer, dass ich das Wort erteile.

(Vizepräsident Imhoff übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag „Beschäftigungspolitik umsteuern“ im November 2015 gestellt. Der Mittelpunkt dieses Antrags ist ein exorbitantes Problem für das Land Bremen. Es geht um die Langzeitarbeitslosigkeit, und

unsere Diskussion kreiste auch schon gestern darum und dass dieses Problem nach wie vor nur sehr schwer in den Griff zu bekommen ist.

Wenn wir uns die Zahlen anschauen, stellen wir fest: Es ist nach wie vor erschütternd. Es sind im Land Bremen circa elf Prozent, Bremerhaven hat sogar über 16 Prozent. Die große Schwierigkeit ist, dass wir diese Prozentzahlen seit Jahr und Tag nicht verbessern. Wir haben im letzten Jahr sogar die Schlusslichtposition gehabt und kommen eigentlich nicht weiter; in manchen Bereichen wird es sogar schlechter.

Der Anteil von Langzeitarbeitslosigkeit bei uns in Bremen liegt bei 43 Prozent, der hohe Anteil von Erwerbslosen ohne abgeschlossene Berufsausbildung bei 62 Prozent. Ich könnte Ihnen noch eine ganze Menge Zahlen nennen. Letztendlich ist es so, dass wir endlich – endlich! – Konsequenzen ziehen müssen, um dies zu verändern.

Wir haben im Juni 2014 eine Anfrage mit dem Titel „Was wird besser mit dem neuen BAP?“ gestellt. Wir müssen feststellen: Es ist herzlich wenig besser geworden mit dem neuen Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramm. Das aktuelle enthält deutlich weniger Beschäftigungsförderung als das alte, und es enthält auch deutlich weniger sozialversicherungspflichtige Maßnahmen. Wir halten es für einen exorbitant wichtigen Punkt, in diesem Zusammenhang zu sagen: Wir kommen aus der Langzeitarbeitslosigkeit ein Stück heraus.

Die Antwort des Senats auf unsere damalige Anfrage war, wichtig seien insbesondere die Förderung der beruflichen Qualifikation sowie der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit durch geförderte Beschäftigung. – In der Realität sieht es leider ganz anders aus. Im aktuellen BAP entfallen von den Zielzahlen von etwas über 90 000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen 70 000 auf Beratung. Weniger als 3 000 entfallen auf Beschäftigung, weniger als 7 600 auf Qualifizierung, und weniger als 1 000 auf Ausbildungsförderung. Das sind Zielzahlen. Ich füge an dieser Stelle noch kurz hinzu, dass eine konkrete Auswertung des seit zwei Jahren laufenden neuen BAP überhaupt nicht vorliegt, sondern immer nur Planzahlen, und wir nach wie vor überhaupt nicht richtig auswerten können, wie der Stand der Dinge ist. Aber schon an diesen Zielzahlen lässt sich ablesen, dass das Verhältnis nicht gerade positiv zugunsten der Beschäftigungsförderung und der sozialversicherungspflichtigen Stellen und damit auch der Integrationsmöglichkeiten in den ersten Arbeitsmarkt oder überhaupt in irgendeine Art von Arbeitsmarkt gegeben ist. Dazugekommen sind die angeblichen Assessments, wie beispielsweise die Förderzentren, mit sehr bescheidenen Vermittlungszahlen – sehr bescheiden!

Wir haben gestern und insbesondere vorgestern ausführlich über die sozialräumlichen Angebote respektive die Stadtteilinitiativen diskutiert. Ein großes Beispiel war der Streichelzoo. Das Schlimme an der gan

zen Sache ist: Der Streichelzoo ist ein Beispiel dafür, wie sehr die Stadtteilinitiativen davon abhängig sind, dass es diese Möglichkeiten gibt, die auch das BAP zur Verfügung stellt. Ja, wir haben den Zusammenhang, dass arbeitsmarktpolitische Maßnahmen dafür verwendet werden, dass institutionell notwendige Einrichtungen und Stellen dadurch mehr oder weniger kompensiert worden sind.

(Beifall DIE LINKE)

Je schlechter die Arbeitsmarktförderung geworden ist – daran ist ja meist der Bund schuld –, desto schlechter sieht es für die Stadtteilinitiativen aus. Wir wollten mit diesem Antrag – deshalb komme ich jetzt zu unseren Lösungsvorschlägen – einen Einstieg in eine Änderung vorschlagen. Dabei gibt es einen Punkt, bei dem ich mir denke: Wir haben nicht nur zu wenig Geld, sondern wir brauchen auch qualitativ andere Lösungen. Dieses Argument kann ich sehr gut nachvollziehen. Das ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch dessen, wie wir es einsetzen. Wenn wir es dafür einsetzen, dass wir Maßnahmen fördern, die herzlich wenig bringen, dann halte ich das für wenig sinnvoll. Das bezieht sich selbstverständlich auch auf die Förderzentren.

(Beifall DIE LINKE)

Das Jobcenter ist für einen großen Teil dessen zuständig, was hier passiert und dass finanziert beziehungsweise investiert wird. Es hat einen Eingliederungstitel. Innerhalb dieses Eingliederungstitels ist es möglich, zehn Prozent für freie Förderung auszugeben, für Projektförderung. Das heißt, mindestens vier bis fünf Millionen Euro – je nachdem, wie groß der Eingliederungstitel in diesem Jahr ausfällt; es gibt ja auch einen Nachschlag – sind frei definiert zu verwenden, um sozialversicherungspflichtige Stellen einzurichten. Leider nutzt das Jobcenter diese Möglichkeit nicht. Bremerhaven tut es, Bremen tut es nicht. Leider ist dieser Senat auch nicht in der Lage, den Druck so weit zu erhöhen, dass diese Möglichkeit genutzt wird. Das halte ich für grundverkehrt. Deswegen verstehe ich nicht, warum wir an dieser Stelle nicht ein Stück weiterkommen und diese Möglichkeiten genutzt werden. – Das ist ein Beispiel.

(Beifall DIE LINKE)

Darüber hinaus haben wir die Möglichkeit, FHV-Stellen zu finanzieren. Das ist nicht so besonders toll in dem Sinne, dass man sagen kann: Das ist inklusive der Arbeitslosenversicherung umfänglich sozialversicherungspflichtig. Aber es ist um Meilen besser als die berühmten Ein-Euro-Maßnahmen. Ich komme darauf zurück, dass wir diese FHV-Stellen, also die Förderung von Arbeitsverhältnissen nach SGB II – Paragraf 16 e für all jene, die es nachlesen möchten

, mit Landesmitteln kofinanzieren können. Wir haben sie auch in der letzten Förderperiode kofinanziert. Das tun wir nicht mehr. – Das ist ein weiteres Beispiel.

Außerdem ist es so, dass es möglich wäre, 20 Prozent des gesamten Eingliederungstitels für sozialversicherungspflichtige Stellen einzusetzen. Auch dies tut das Jobcenter nicht. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, warum. Es hängt auch viel damit zusammen, dass das Jobcenter sagt, bestimmte Vergaberichtlinien müssten eingehalten werden. Es gibt auch dort das Problem, dass die Kompetenzen des Jobcenters bezüglich der Möglichkeiten, Vergabe durchzuführen, relativ unterentwickelt sind. Deshalb wird dieses, sagen wir, aus deren Sicht etwas schwierige Instrument nicht angefasst. Andere Jobcenter, andere Einheiten tun dies, andere Kommunen und andere Bundesländer tun es. Ich weise noch einmal darauf hin, dass die Gelegenheit günstig ist. Tatsächlich ist dieser Eingliederungstitel erhöht worden.

Ich möchte noch auf einen dritten Punkt eingehen. Wir brauchen in diesem Zusammenhang selbstverständlich Landesmittel, die zur Finanzierung eingesetzt werden. Wir haben in der letzten Auseinandersetzung über den Haushalt 500 Stellen für die Stadtteile gefordert. Jetzt kursiert diese Zahl wieder innerhalb der Möglichkeiten, sie im Senat durchzusetzen und im neuen Haushalt unterzubringen. Es ist längst überfällig.

(Beifall DIE LINKE – Glocke)

In meinem zweiten Beitrag werde ich noch einmal auf die Stadtteile eingehen, die die hohe Last der Integration tragen und diesbezüglich auch besser ausgestattet werden müssen. – Danke!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bergmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beschäftigungspolitik ist ein Dauerbrenner im Land Bremen. Die Lage auf dem Bremer Arbeitsmarkt bleibt nicht nur angespannt, nein, sie hat sich im Vergleich mit anderen Problemregionen leider auch unter dieser rot-grünen Regierung noch weiter verschlechtert. Bis zum Herbst 2014 führte jeweils ein ostdeutsches Bundesland die Arbeitslosenstatistik an, doch seitdem hat Bremen in vielen Arbeitslosenstatistiken wieder die rote Laterne in der Hand, und besorgniserregend ist dabei, wie die Kollegin Bernhard schon erwähnt hat, der hohe Anteil an langzeitarbeitslosen Menschen mit 43 Prozent.

Mir ist bewusst, dass die Gründe dafür vielfältig und komplex sind. Daher erwartet auch niemand hier

Patentrezepte. Allerdings hat sich in der letzten Legislaturperiode auf Antrag der CDU-Fraktion ein Armutsausschuss mit dieser Thematik befasst und eine Vielzahl konkreter Handlungsempfehlungen erarbeitet, auch im Bereich der Beschäftigungspolitik. Leider wurde davon bislang wenig umgesetzt.

Ein Aspekt, über den wir heute auf Antrag der LINKEN diskutieren, sind öffentlich geförderte Beschäftigungsmaßnahmen. Um es vorab zu sagen: Geförderte Beschäftigungsmaßnahmen sind wichtig, aber aus unserer Sicht gehört zu einer guten Beschäftigungspolitik deutlich mehr. Ich nenne dazu drei Punkte: erstens eine wachstumsfördernde Wirtschaftspolitik, zweitens eine gute Bildungspolitik, die die jungen Leute mit dem notwendigen Rüstzeug für Ausbildung und Beruf ausstattet, und drittens eine effiziente Arbeitsverwaltung.

Für uns haben passgenaue Qualifizierungen und, wenn notwendig, Umschulungsmaßnahmen Vorrang vor einer öffentlich geförderten Beschäftigung, und Ziel ist, wo immer möglich, eine Vermittlung oder zumindest Heranführung an den ersten Arbeitsmarkt. Auch weil wir diesen zentralen Ansatz in dem Antrag vermissen, nehme ich schon einmal vorweg, dass wir ihn ablehnen werden.

Es ist mir und der CDU-Fraktion sehr bewusst, dass es Personen gibt, die – etwa aufgrund langanhaltender Arbeitslosigkeit, eines fehlenden Berufsabschlusses, gesundheitlicher Einschränkungen oder des Alters – auf längere Sicht kaum Chancen auf eine reguläre Beschäftigung haben. Diese Menschen brauchen Chancen auf Integration und soziale Teilhabe, und das geht natürlich am allerbesten über Arbeit. Deshalb halten wir geförderte Beschäftigungsangebote für diese Personengruppe für notwendig. Wir teilen die Einschätzung der LINKEN, dass die bisherigen Ansätze und Instrumente, die der rot-grüne Senat ergriffen hat, dafür nicht ausreichen.

Wir unterstützen das Anliegen, das Beschäftigungspolitische Aktionsprogramm des Landes Bremen neu auszurichten und in der Trägerversammlung der Jobcenter auf eine Umplanung des Eingliederungstitels hinzuwirken, um daraus mehr öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse zu finanzieren. Aber wir halten es für falsch, die zusätzlichen geförderten Beschäftigungsverhältnisses ausschließlich in sozialen Stadtteilprojekten anzusiedeln. Diese haben unbestritten einen hohen gesellschaftlichen Wert, aber warum nicht auch geförderte Beschäftigung in öffentlichen Einrichtungen, in Eigenbetrieben, in gemeinnützigen Unternehmen oder auch in Vereinen? Diese können unter Umständen Beschäftigungsperspektiven bieten, die ebenfalls einen hohen gesellschaftlichen Wert darstellen und in denen Betroffene ihre Fähigkeiten praxisnäher einsetzen können.

Das Ziel, das Instrument der freien Förderung nach Paragraf 16 f SGB II zur Förderung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen einzusetzen,

unterstützen wir. Allerdings müssen auch diese freien Leistungen den Zielen und Grundsätzen des SGB II entsprechen. Die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt hat immer Vorrang vor öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahmen. Daher muss dieses Instrument, anders als Sie es in Ihrem Antrag vorschlagen, auf besonders arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose konzentriert werden; alles andere ließe sich auch nicht finanzieren.

Besser finanzieren lässt sich ein sozialer Arbeitsmarkt nach dem Prinzip des Aktiv-Passiv-Transfers, wie wir ihn bereits in unserem Wahlprogramm favorisiert haben. Grundidee ist dabei, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Alle Geldmittel, die ein HartzIV-Empfänger erhält, werden dabei zusammengefasst, sodass eine sozialversicherungspflichtige Stelle geschaffen werden kann, und ich freue mich, dass dies in der nächsten Zeit noch Gegenstand der Debatte sein wird.

Meine Redezeit ist um. Ich werde im zweiten Teil noch etwas zur Finanzierung aus Landesmitteln sagen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU)