Es ist ein großes Verdienst der ZGF und unserer Frauenbeauftragten, immer wieder den Fokus darauf zu lenken. Wir haben die Berichte zur häuslichen Gewalt, wir haben aber genauso die Auseinandersetzung zu sexistischer Werbung, zu der ungleichen Bezahlung. Die Themen sind alle bekannt. Diesen Kontext müssen wir auch berücksichtigen.
Ich möchte alles nur kurz anreißen. Das Thema ist selbstverständlich umfänglich, man bringt es kaum in fünf oder zweimal fünf Minuten unter. Interessant ist: Der Gesetzentwurf ist auch nicht neu. Er wird – wie soll ich sagen? – gerade noch einmal durch ver
schiedene Kommissionen betrachtet. Er ist auch nicht unumstritten. Das Paradigma „Nein heißt Nein“ ist in dieser Schärfe in dem Gesetzentwurf gar nicht enthalten. Es wäre interessant, sich das noch einmal genauer anzusehen. Das soll jetzt eine Kommission bis Mitte des Jahres unter die Lupe nehmen.
Das Zweite ist, dass ich nicht so richtig – diese Kritik muss an dieser Stelle sein – mit den eventuell bestehenden Strafbarkeitslücken einverstanden bin. Gerade wenn wir uns die Ergebnisse des Gutachtens ansehen, müssen wir doch feststellen, dass 20 Prozent der Verfahren eingestellt worden sind, weil kein Straftatbestand nach dem Gesetz gegeben ist. Bei zehn Prozent der Fälle war die Gewaltanwendung nicht nachweisbar. Es gibt also durchaus Indizien dafür, dass diese Lücken tatsächlich vorhanden sind.
Natürlich gibt es die Auseinandersetzung: Wie beweise ich tatsächlich Druck, Gewaltanwendung, Gegenwehr, Widerstand und so weiter? In der aktuellen Gesetzeslage wird, glaube ich, sehr viel nicht berücksichtigt, und sie muss dringend verändert werden.
Uns wurde mit der wirklich beschämend geringen Verurteilungsquote vor Augen geführt, dass es natürlich an den Ressourcen hapert, daran, wie Beweisführung vorgenommen wird. Ganz häufig wird gesagt: Wir haben gar keine Schreibkräfte, um die Protokolle entsprechend aufzunehmen, dies nur als ein Beispiel. Das sind natürlich Defizite. Kommunikationsstrukturen müssen verbessert werden.
Selbstverständlich hat es nicht nur mit Personal zu tun. Auch die Konzepte und die Zusammenarbeit, die durchaus schon sehr gut sind, müssen verbessert werden. Das ist etwas, was wir uns auch genau anschauen müssen.
Ich bin übrigens dankbar, dass das auch dem Gleichstellungsausschuss vorgelegt werden soll. Wir haben dieses Thema dort auf der Tagesordnung. Wir werden uns demnächst auch mit dem Gutachten beschäftigen, was ich sehr begrüßenswert finde.
Ein weiterer Punkt ist die institutionalisierte Absicherung von Frauenberatung, von Frauenhäusern und von Frauennotrufen. Die Auseinandersetzungen haben wir in den letzten Haushaltsdebatten schon gehabt. Wir werden sie wieder bekommen. Das muss auf die Beine gestellt werden. Klar muss sein, es geht nicht darum, zu sagen „Wir müssen den Fall individuell bezuschussen“, sondern wir brauchen die grundlegende, fundamentale Absicherung dieser Einrichtungen.
Jetzt zu dem Punkt, der uns und auch mir sehr am Herzen liegt, das ist die gesellschaftliche Einbettung. Deswegen haben wir unter Punkt vier aufgenommen, dass wir in Kitas, Schulen und Jugendeinrichtungen die Sensibilität für Geschlechterungerechtigkeit, für patriarchale Strukturen überhaupt in den Mittelpunkt stellen müssen. Die Konzepte gibt es.
Insbesondere gibt es die Konzepte für die Schulen. Sie werden aber, auch wegen mangelnder Ressourcen, nicht umgesetzt. An der Stelle müssen wir noch ein Auge darauf haben und bedeutend nachlegen. Insofern ist meine Hoffnung, dass es nicht nur eine Debatte bleibt, sondern konkrete Maßnahmen folgen. – Danke!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der ehemalige Generalstaatsanwalt Hans-Jürgen Karge sagte einmal im Fernsehen, dass er seiner Tochter nach einer Vergewaltigung davon abraten würde, eine Anzeige zu erstatten. Das ist eine erschreckende Aussage und eigentlich ein Armutszeugnis für den deutschen Rechtsstaat.
Aber der Mann weiß natürlich, wovon er spricht. Die gelebte Realität gibt ihm recht. Das ist so, weil nicht nur die Frauen bei einer etwaigen Vernehmung nach einer Anzeige auch schwere seelische Prozesse durchmachen müssen, sondern das liegt vor allem auch daran, dass die Verfahrensdauer bei etwa drei bis fünf Jahren liegt. Auf unsere Große Anfrage aus dem Jahr 2014 konnte der Senat zwar keine Zahlen vorlegen, aber nach Rücksprachen mit Experten, etwa vom Notruf für vergewaltigte Frauen, wissen wir das. Das ist eine viel zu lange Verfahrensdauer. Sie fördert nicht wirklich das Anzeigeverhalten der Opfer. Führt man sich zusätzlich vor Augen, dass wir in Bremen eine Verurteilungsquote von 5,5 Prozent haben und damit deutlich unter dem Bundesschnitt liegen, ist das für das Anzeigeverhalten auch nicht gerade förderlich.
Ein wichtiger Grund, aus dem die Täter nicht verurteilt werden – das ist hier auch angeklungen –, ist das gegenwärtige Recht. Frau Bernhard, ich gebe Ihnen absolut recht. Ich denke, es ist nur eine Minderheit in Deutschland, die davon ausgeht, dass wir keine Strafbarkeitslücke haben. Wir haben sie. Deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass Sie unter Punkt sieben den „Nein heißt Nein“-Grundsatz aufnehmen
möchten. Wir haben in unserer Mainzer Erklärung genau das formuliert. Auch die Grünen, wie Frau Sülmez Dogan gesagt hat, haben das so formuliert. Dieser Grundsatz sollte ganz sicher als Straftatbestand aufgenommen werden.
In dem aktuellen Referentenentwurf von Herrn Maas ist das allerdings nicht vorgesehen. Insofern kann man durchaus fragen, ob dieser Referentenentwurf der Istanbuler Konvention Rechnung trägt. Ich würde sagen, in dieser Form nicht! Es ist Arbeitsgegenstand der Kommission. Ich hoffe, dass das irgendwann in Gesetzesform gegossen wird.
Wir sind uns alle einig: Das Strafrecht allein ist nur ein Baustein, denn das Strafrecht greift dann ein, wenn die Tat geschehen ist. Deswegen ist es wichtig, im Vorfeld präventive Maßnahmen anzuwenden, meine Damen und Herren. Es muss klar sein, dass sich Frauen frei von Angst auf der Straße und vor allem auf Großveranstaltungen
Deswegen ist auch entscheidend, dass wir endlich eine ehrliche und nüchterne gesamtgesellschaftliche Debatte über Sexismus und Formen, wie sie sich in gewaltvollen Taten auswirken, führen, isoliert von rassistischen Vereinnahmungen dieses Themas. Dafür ist dieses gesellschaftspolitische Thema viel zu wichtig, als dass wir es bestimmten Gruppen überlassen!
Daher stimme ich dem bisher Gesagten inhaltlich voll zu. Auch Ihren beiden Anträgen möchten wir zustimmen. Sie stellen richtige Forderungen. Sie stellen vor allen Dingen Forderungen, die wir als CDU schon seit Jahren stellen, das muss man der Ehrlichkeit halber auch sagen.
Wenn wir die Berichterstattung in den letzten Tagen im Zusammenhang mit der Ipsos-Studie und den Äußerungen des Senats hören, könnte man fast meinen, der Senat sei auf Gold gestoßen. Tatsächlich ist es aber so, dass wir viele Forderungen, die darin gestellt werden, etwa den Einsatz technischer Mittel bei Erstvernehmungen, schon vor über drei Jahren in Anträgen formuliert haben, die damals allerdings von Rot-Grün abgelehnt wurden. Jetzt so zu tun, als sei es, folgend aus der Ipsos-Studie, etwas Neues, ist leider ein bisschen zu schwach, meine Damen und Herren!
Gewiss ist die Videovernehmung kein Allheilmittel. Es wird auch viele Frauen geben, die sich nicht auf
nehmen lassen möchten. Fakt ist, das wissen wir nicht nur aus der Ipsos-Studie, sondern auch aus anderen Studien, beispielsweise der KFN-Studie: Eine derartige Vernehmung erhöht einfach die Chancen der Verurteilung der Täter. Deswegen sollten wir sie vermehrt einsetzen, vor allem in Bremerhaven, wo sie in den letzten Jahren überhaupt nicht eingesetzt wurde.
Ich komme zum Schluss! Ich hoffe, dass entsprechende Maßnahmen dieses Mal wirklich angegangen werden und wir in drei Monaten im Rechtsausschuss ein Konzept vorliegen haben und ausführlich diskutieren können. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Kollegin Frau Dogan für diesen Antrag sehr dankbar. Es ist wichtig, dass da schnell etwas passiert. Ich glaube, wir alle haben vor zwei Wochen mit Erschrecken wahrgenommen, dass weniger als fünf Prozent der Anzeigen wegen sexueller Nötigung oder Vergewaltigung dazu führen, dass ein mutmaßlicher Täter auch verurteilt wird. Das ist eine unglaublich kleine und erschreckende Zahl.
Das Problem, das die Studie aufzeigt, ist nicht, dass es nicht unbedingt gleich vor Gericht landet, dass dort gleich der Prozess gemacht wird, sondern dass der Nachweis schwierig ist. Oft steht Aussage gegen Aussage, wie uns bekannt ist.
Schauen wir uns einmal an: Nur zehn Prozent der Fälle landen überhaupt vor Gericht. Das ist die Zahl, die nicht minder, sondern vielleicht noch mehr erschreckend ist. Das ist eine ganz kleine Zahl. Da muss dringend etwas passieren. Darin sehen wir die eigentliche große Verwerfung. Der Koalitionsantrag ist ein wichtiges Signal, damit das endlich verbessert wird.
Dabei wird klar, dass wir ein Problem mit der geltenden Rechtslage haben. Für mich ist überhaupt nicht hinnehmbar, dass eine Vergewaltigung erst dann eine Vergewaltigung ist, wenn sich das Opfer aktiv wehrt. Ich glaube, da sind wir uns einig: Nein heißt einfach Nein! Da spreche ich, glaube ich, nicht nur für alle Frauen in diesem Haus, sondern sicherlich auch für die Männer.
Neben der Rechtslage ist in Bremen scheinbar auch die Beweissicherung problematisch. Eben wurde das ausführlich ausgeführt. Es kann doch wirklich nicht sein, dass die Polizei so überlastet ist, dass es über
haupt nicht zu Berichten kommt, dass sie keine Zeit hat, die Anzeigen aufzunehmen. Wir drehen uns im Kreis und sind wieder bei dem Thema, dass die Polizei endlich mit mehr Personal ausgestattet werden muss und hier schnellstmöglich etwas passiert.
Es zieht sich wie ein roter Faden durch das Bremer Justiz- und Polizeiwesen: zu wenig Personal, zu schlechte Ausstattung! Es kann doch wirklich nicht sein, dass die Verfolgung einer mutmaßlichen Vergewaltigung aufgrund von Personalproblemen erschwert wird. Da muss dringend gehandelt werden.
Kurz zum Antrag der LINKEN! Für uns treffen Sie in dieser Debatte nicht ganz den richtigen Ton. Es kommt eben nicht mehr nur darauf an, mit Fortbildung und Beratung zu helfen. Wir glauben, dass wir allein damit nicht weiterkommen. Gewalt ist furchtbar, und wir müssen alles tun, um dagegen anzugehen, damit so etwas gar nicht mehr vorkommt. Leider können wir hier auch nicht alle Menschen aufnehmen, die von Unrecht bedroht sind. Wir sollten uns eher dafür einsetzen, dass Menschenrechte endlich in den Ländern vor Ort gelten. Da sehen wir die Priorität.
Der Koalitionsantrag ist für uns ein sehr wichtiges und gutes Signal, um endlich der Gewalt gegen Frauen konsequent entgegenzutreten und sie zu bekämpfen. Deswegen stimmen wir ihm gern zu.