Wer mit Worten widerspricht, muss geschützt werden. Das sieht die Istanbuler Konvention vor, die die Bundesregierung zwar unterzeichnet, aber bis heute nicht ratifiziert hat. Dieses Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt verpflichtet die Vertragsstaaten, alle Formen vorsätzlich nicht einvernehmlicher sexueller Handlung unter Strafe zu stellen. Die Bundesregierung hat das aber immer noch nicht getan. Unsere Bundestagsfraktion hat dazu im vergangenen Sommer einen Gesetzentwurf eingebracht. Frauenverbände, Frauenberatungsstellen und Juristinnen und Juristen weisen seit Jahren darauf hin, dass diese Schutzlücken endlich geschlossen werden müssen.
Bislang können wir sexuelle Gewalt nicht effektiv strafrechtlich verfolgen. Es kann aber doch nicht sein, dass bei uns Eigentum besser geschützt ist als die sexuelle Selbstbestimmung, meine Damen und Herren!
An dieser Stelle möchte ich auch die wertvolle Arbeit der Bremer Frauenhäuser, der Notwohnungen in Bremerhaven, der Beratungsstellen und des Frauennotrufes herausstellen. Sie leisten allesamt eine wichtige engagierte Arbeit, sodass betroffenen Frauen und ihren Kindern der notwendige Schutz zukommt.
Meine Damen und Herren, wofür also unser Antrag? Wir brauchen eine verlässliche Strafverfolgung, die die Verurteilungsquote sichtlich steigert. Nach der geltenden Rechtslage laufen noch viel zu viele Strafanzeigen ins Leere, weil sie keinen Straftatbestand erfüllen oder die Beweissicherung nicht optimal ist. Dafür benötigen wir eine Rechtslage, die eindeutig ist, aber auch schnellere Verfahren vorsieht und – ganz wichtig! – eine bessere Beweissicherung als bisher. Deshalb fordern wir in unserem Antrag, aus den Ergebnissen der vom Senat beauftragten Untersuchung zu Verfahrensablauf und Verurteilungsquote bei Sexualstraftaten in Bremen ein Konzept zu erstellen, das dem Rechtsausschuss binnen drei Monaten vorgestellt wird.
Nur mit diesem Gesamtpaket aus Ratifizierung der Istanbuler Konvention, Schließung von gesetzlichen Schutzlücken und Optimierung der Strafverfolgung
bei uns in Bremen können wir das Thema angehen und einen wichtigen, meiner Meinung nach seit Jahren überfälligen Weg einschlagen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Antrag, den wir gemeinsam mit der SPD eingebracht haben, heute von vielen in der Bürgerschaft mitgetragen wurde, damit wir ein deutliches Zeichen in unser Land senden. Deshalb werbe ich bei Ihnen ganz dringlich: Unterstützen Sie unseren wichtigen Antrag! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, mein Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir das Thema sexualisierte Gewalt – das ist nach wie vor in der überwiegenden Mehrheit der Fälle Gewalt gegen Frauen aus dem Grund, dass sie Frauen sind – heute aufgrund unseres Antrags prominent debattieren. Nach wie vor ist sexualisierte Gewalt, und das trotz der Debatten seit der Silvesternacht, von Männern gegen Frauen Alltag. Das hat unsere Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe dankenswerter- und leider auch richtigerweise Anfang Januar gesagt. Es muss immer wieder und mit Vehemenz als Auftrag an Politik und Gesellschaft formuliert werden, diesen Alltag zu verändern.
Das klare Bekenntnis der ersten Wochen dieses Jahres gegen sexuelle Übergriffe auf Frauen muss auch weiterhin klar und deutlich geäußert werden, unabhängig davon, aus welchem Kulturkreis die Täter kommen, auch um deutlich zu machen, dass es eben nicht um Instrumentalisierung solcher Taten in der Flüchtlingsdebatte geht, sondern dass es uns um Schutz der betroffenen Frauen geht.
Ich erlaube mir, Ulrike Hauffe zu zitieren: „Männer belästigen Frauen in allen Kulturen und allen Schichten.“ Jeden Tag werden Frauen von Männern angegrabscht, geschlagen, vergewaltigt, auch im öffentlichen Raum, auch am Arbeitsplatz und weit überwiegend aber in dem Raum, der eigentlich Schutz und Geborgenheit bieten soll, nämlich in der Familie und im sozialen Nahbereich. Diese Form der Gewalt hat zuerst und vor allem mit ungleichen Geschlechterverhältnissen und patriarchaler Macht zu tun.
Das sagen nicht allein feministische Frauenpolitikerinnen und nicht nur unsere Gleichstellungsbeauftragte, sondern das ist auch Grundtenor und Ausgangspunkt der Istanbul-Konvention des Europarats, der Gewalt gegen Frauen als strukturell begreift und entsprechende strukturelle Maßnahmen fordert. Deshalb muss die Konvention in Deutschland ratifiziert und umgesetzt werden! Dafür muss und wird Bremen sich einsetzen!
Das gilt für alle Punkte der Konvention, die Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt in allen gesellschaftlichen Bereichen und auch durch alle Rechtsgebiete verlangt, und das zu Recht!
Wir haben unseren Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, weil wir den Auftrag an die Politik, den ich eben genannt habe, kennen und danach handeln müssen, wollen und werden. Das ist nicht neu. Da steht Bremen schon seit Längerem gut da. Wir haben initiiert – ich bin dem Senat dankbar dafür; ich war noch gar nicht in der Bürgerschaft, als die Initiative ergriffen wurde –, dass unser Handeln überprüft wird. Wenn die Überprüfung ergibt, dass wir noch besser werden können und müssen, werden wir das engagiert angehen.
Die Istanbul-Konvention trifft klare Aussagen zu notwendigen Maßnahmen im Bereich der strafrechtlichen Verfolgung von sexualisierter Gewalt. Da besteht im deutschen Strafrecht Handlungsbedarf. Strafbarkeitslücken, die den beabsichtigten Schutz der betroffenen Frauen ins Leere laufen lassen, müssen geschlossen werden. Nein heißt Nein, meine Damen und Herren! Dafür wird sich auch unser Senat einsetzen. Das steht unter Ziffer eins unseres Antrags.
Ich als Juristin und als Politikerin teile die Auffassung, dass schon der Erlass von Gesetzen gesellschaftliche Realität verändern kann, weil Signale gesetzt werden, weil klar Bekenntnisse abgegeben werden und Werte transportiert werden. Natürlich müssen diese Gesetze aber auch so angewandt werden, dass sie die größtmögliche Wirksamkeit entfalten, deshalb Punkt zwei unseres Antrags!
An dieser Stelle – ich habe es gerade schon gesagt – möchte ich loben, dass sich der Senat auf den Weg gemacht hat, die Effektivität der Strafverfolgung im Bereich der Sexualdelikte zu überprüfen und Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren. Ich bin sehr froh – auch das teile ich mit Ulrike Hauffe –, dass die zuständigen Senatsressorts diese Möglichkeiten nicht nur identifiziert, sondern sich auch gleich und engagiert an die Umsetzung gemacht haben.
Ich bin mir sicher, dass die entsprechenden Berichte, die wir uns im Rechtsausschuss und, wie ich ergänze, im Gleichstellungsausschuss wünschen, zufriedenstellend erstattet werden.
Ein paar Worte noch zu den Bedenken, die vonseiten der Strafverteidiger geäußert wurden! Ja, meine Damen und Herren, Strafrecht ist das schärfste Schwert des Staates und der einschneidendste Eingriff in Bürgerrechte. Deshalb ist es auch gut, dass Strafverfahren formalen Regeln folgen und hohe Anforderungen an Schuldfeststellung und Verurteilung gestellt werden. Aber es muss doch auch im Interesse der Beschuldigten und ihrer Verteidigerinnen und Verteidiger sein, dass die Verfahren zügig durchgeführt werden, Beweise bestmöglich und so authentisch wie möglich erhoben werden und dass die Verfahren für alle Beteiligten und insbesondere für die Zeuginnen so wenig belastend wie möglich ablaufen!
Dafür stehe ich als Mitglied dieser Legislative. An dieser Stelle spreche ich aber auch als Richterin. Das Strafrecht bietet betroffenen Frauen und Mädchen noch keinen unmittelbaren und keinen konkreten Schutz. Deshalb ist es richtig und wichtig, Frauen bei dem schwerwiegenden und oft auch schambesetzten Schritt zu ermutigen, sich Unterstützung, Information und Hilfe zu holen und Beratung und Zufluchtsmöglichkeiten niedrigschwellig und gut erreichbar staatlich sicherzustellen.
Gegenstand der Aktion „Gewalt gegen Frauen beenden. Frauenhausfinanzierung bundesweit sichern!“, die gestern hier in Bremen präsent war, ist genau diese Sicherstellung und Finanzierung. Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass das nicht nur eine kommunale, sondern auch eine nationale Aufgabe ist.
Ich schließe mich meiner Vorrednerin an und bitte Sie, den Antrag der Koalitionsfraktionen zu unterstützen! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann gleich vorwegnehmen, dass wir der Stoßrichtung, der
Inhalte und selbstverständlich auch der Intention des Antrags der Koalition vollumfänglich zustimmen. Selbstverständlich zolle ich allen Aussagen, die hier bislang getätigt worden sind, meine Unterstützung. Das halten wir für vollkommen richtig.
Diese Debatte hat uns wieder vor Augen geführt, welche Realität wir hier haben und wie virulent das Thema ist, denn trotz emanzipatorischer Fortschritte, die mitnichten gering zu schätzen sind – das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen –, können wir uns nicht auf einen Entwicklungsstand zurückziehen, der so tun könnte, als hätte er sexuelle Gewalt, zumeist gegen Frauen, auch nur annähernd überwunden.
Es wäre insofern wirklich zu begrüßen, wenn diese scheußlichen Ereignisse in Köln – so widerlich sie sind – uns weiterbringen in der Bearbeitung dieses Themas und vor allen Dingen weiterbringen, um konkrete Maßnahmen zu ergreifen.
An dieser Stelle möchte ich auf unseren Antrag eingehen. Wir haben gesagt, wir brauchen einen breiteren Kontext, um uns damit auseinanderzusetzen. Es sind faktisch vier Ebenen, mit denen wir uns befassen müssen. Die erste Ebene ist die Gesetzesebene. Es ist völlig richtig: Ohne Gesetzesgrundlage kommen wir kein Stück weiter, aber das ist nicht alles! Die zweite Ebene beinhaltet natürlich die Umsetzung und die Ressourcen für die Umsetzung und das Verfahren.
Die dritte Ebene betrifft die konkrete Prävention und den Kontext darüber hinaus. Der vierte Punkt, der uns besonders wichtig ist – auch das müssen wir immer wieder hereinholen –, ist unsere gesellschaftliche Realität und, in was sie eingebettet ist. Es geht nicht darum zu sagen: Hier müssen Frauen als Opfer einer Gewalttat geschützt werden, sondern wir brauchen die Auseinandersetzung mit Sexismus in allen Bereichen.