Protocol of the Session on January 20, 2016

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Erfreulich ist auch, dass innerhalb der bestehenden Strukturen des Demokratiezentrums des Landes Bremen ein Beratungsangebot für von rechter Gewalt Betroffene konzipiert, aufgebaut und umgesetzt wird, und dies über die Dauer des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ auch angestrebt wird.

Meine Damen und Herren, wir müssen stärker als bisher auch handeln, um zu verhindern, dass junge Männer oder Frauen für den Islamismus und Dschihadismus anfällig werden. Ich möchte aber auch noch einmal betonen, dass nicht friedliche Moslems und

somit auch nicht der Islam unsere Gegner sind, sondern der Fundamentalismus, der eine menschenverachtende Ideologie vertritt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, FDP)

Im Bereich Islamismus existieren keine klassischen Aussteigerprogramme, da der Ausstieg anders verläuft als beim Rechtsextremismus. Das zeigen die bisherigen Erfahrungen. Das geht auch aus der Antwort auf diese Anfrage hervor.

Seit dem Jahr 2012 gibt es das Beratungsnetzwerk. Darauf hat mein Kollege Herr Yazici Bezug genommen. Kitab läuft in Trägerschaft des Vereins zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit im norddeutschen Raum, welches vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert wird. Das Beratungsangebot richtet sich an Eltern und Angehörige von jungen Erwachsenen, die sich islamistischen Organisationen zuwenden.

Seit Mitte des Jahres setzt VAJA e. V. das Projekt „JAMIL“ um, um bei den jungen Erwachsenen im Alter von 12 bis 23 Jahren, die im Stadtteil oder in Schulen durch Argumentationsmuster des Salafismus auffallen – –. Ziel der Arbeit ist es, pädagogische Handlungsstrategien und attraktive und überzeugende Gegenangebote für solche Jugendlichen zu entwickeln, die mit extremen Interpretationen des Islam sympathisieren.

In Bremen wurde seitens des Senats Anfang des Jahres 2015 ein ressortübergreifendes Präventionskonzept gegen religiös begründeten Extremismus und Islamfeindlichkeit entwickelt und umgesetzt. Darauf sind einige andere Kollegen eingegangen. Des Weiteren wird das Demokratiezentrum des Landes Bremen um eine Koordinierungsstelle zur Prävention religiös begründeter Radikalisierung und Muslimfeindlichkeit erweitert. Diese soll die Schnittstelle zwischen Behörde, Jugendhilfe und zivilgesellschaftlichen wie religiösen Akteuren darstellen. Aufgabe wird es sein, ein Netzwerk von Akteuren aufzubauen, die im Land Bremen Schnittstellen im Bereich der präventiven Arbeit mit jungen Menschen aufweisen.

Meine Damen und Herren, mit diesen Projekten wird unserer Ansicht nach dazu beigetragen, dass es mehr Rat und Unterstützung und mehr Sicherheit beim Umgang mit Extremismus gibt. Dabei geht es um alle Formen von Extremismus, die unsere Demokratie gefährden. Wichtig ist es mir, zum Schluss noch einmal zu betonen, dass wir unseren Jugendlichen die Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen und Diskriminierungserfahrungen vermeiden müssen; denn durch diese Schritte können Jugendliche vor Radikalisierung geschützt werden.

Die Frage, wie es zu Extremismus allgemein kommt, möchte ich ganz kurz ansprechen. Extremismus hat seinen Nährboden in Perspektivlosigkeit. Deshalb müssen wir alles daransetzen, jungen Menschen Per

spektiven zu geben, damit sie gegen solche totalitären Ideologien immun werden. Zur Prävention gruppenfeindlicher Einstellung gehört insbesondere die vorurteilsfreie Erziehung

(Glocke)

ich komme zum Schluss, Herr Präsident! – und die Bildung junger Menschen. Ich glaube, Schule ist der zentrale Ort, um eine demokratische Kultur und ein tolerantes Miteinander einzuüben. – Ich bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich mich gar nicht zu Wort melden, weil ich denke, dass wir den Extremismus sämtlich ablehnen. Die Tatsache, dass in einer Nachrichtenlage die Rote-Armee-Fraktion wieder in Erscheinung tritt, weil sie Überfälle und Banküberfälle durchführt und dass in dieser Nachrichtenlage der Linksextremismus verharmlost wird, bringt mich allerdings dennoch dazu, mich hier noch einmal zu Wort zu melden.

Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft. Es gibt linke und rechte Lebensauffassungen. Das ist alles in Ordnung, solange es im Rahmen eines demokratischen Miteinanders geschieht. Linksextremismus ist genauso wie Rechtsextremismus zu verurteilen. Es kann nicht angehen, dass Herr Senkal sagt: Na ja, Linksextremismus mag irgendwie verständlich sein, der Rechtsextremismus nicht.

(Abg. Senkal [SPD]: Sie müssen zuhören!)

Ich will einmal eines ganz klar sagen, es hat keinen rechtsextremistischen Angriff auf ein Mitglied dieses Hauses gegeben. Es hat aber sehr wohl einen linksextremistischen Angriff auf das Haus eines Abgeordneten, nämlich auf das Haus von Herrn Tassis, gegeben, und diese Bürgerschaft hat sich auch auf Nachfrage geweigert, diesen Angriff zu verurteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Abgeordnete, schämen Sie sich!

(Beifall ALFA)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Yazici.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Senkal, wenn Sie in vier Minuten viermal „gut aufgestellt“ sagen, dann ahnen Sie wahrscheinlich,

dass Sie nicht gut aufgestellt sind, und das möchte ich im Folgenden noch einmal darlegen.

(Beifall CDU)

Ganz kurz noch einmal zu den Fakten! Aus Bremen sind bisher 16 Frauen und Männer nach Syrien und in den Irak ausgereist. Fünf sind bisher zurückgekehrt. Vor Kurzem wurden zwei junge Männer aus Tenever an der syrischen Grenze verhaftet. Sie sind jetzt wieder in Bremen. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Was machen wir mit diesen Menschen, die vielleicht zu den 70 Personen gehören, die laut BKA in einem Trainingscamp waren, dort ausgebildet wurden und hier tickende Zeitbomben sind? Welche Antwort gibt der Bremer Senat im Hinblick auf den Umgang mit diesen Menschen? Bis heute liegt leider keine Antwort vor. Das ist ein zentrales Problem, weil wir keine Betreuungs- und Aussteigerprogramme für Rückkehrer haben.

Wir sind uns mit dem Senat darin einig, dass wir ein Programm benötigen. Vor über einem Jahr haben wir den Antrag zur Einrichtung eines Präventionsnetzwerkes gestellt, und wir haben die Aussteigerprogramme gefordert. Selbst Herr von Wachter hat vor über einem Jahr in der Presse kommuniziert, dass in Ergänzung zu den Präventionsprogrammen ein Rückkehrerprogramm zu etablieren ist und EU-Gelder zur Verfügung stehen. Was ist passiert? Wenn sich die EU-Gelder in Luft aufgelöst haben, dann müssen Sie, meine Damen und Herren, Landesmittel zur Verfügung stellen, denn es ist dringend ein Programm zur Betreuung der Rückkehrer erforderlich, ganz dringend.

(Beifall CDU)

Andere Bundesländer machen es vor. Unsere Nachbarn haben beispielsweise die Beratungsstelle Legato eingerichtet, die eine systemische Ausstiegsberatung anbietet. Dass uns damit nicht geholfen ist, diese Menschen in U-Haft oder in Haft zu nehmen, zeigt leider ein trauriges Bremer Beispiel – und damit bin ich beim nächsten Punkt –, wir haben keine Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen in der JVA Bremen. Das ist besonders problematisch.

Nach meinen Recherchen haben wir etwa 85 Häftlinge muslimischer Herkunft, die potenziell dafür infrage kommen, von bereits radikalisierten Menschen für ihre Zwecke angeworben zu werden. Bei uns in der JVA Bremen sitzt ein deutscher Konvertit ein, den Sie alle bundesweit aus den Medien kennen. Vor drei Jahren hat sich das BKA eingeschaltet. Der Konvertit – ich möchte den Namen nicht nennen – wurde in die Haftanstalt nach Oldenburg gebracht, weil er Mithäftlinge in der JVA Bremen für den Kampf in Syrien und im Irak angeworben hat, die tatsächlich nach ihrer Haftentlassung nach Syrien und in den Irak gereist sind.

Ich spreche hier von dem Gründer des Kultur- und Familienvereins, der heute geschlossen worden ist. Ich spreche von demjenigen, der Propaganda für El Kaida verbreitet, und ich spreche von demjenigen, der aus einem Verein kommt, zu dessen Umfeld die 16 nach Syrien und in den Irak ausgereisten Personen mittelbar oder unmittelbar Kontakt gehabt haben. Viele von Ihnen wissen wahrscheinlich nicht, dass dieser Mann mittlerweile nicht mehr in der JVA Oldenburg, sondern wieder in der JVA Bremen einsitzt und dass er genau an dem Punkt weitermacht, an dem er aufgehört hatte, er rekrutiert erneut junge Muslime, die vorher kaum eine religiöse Ausbildung hatten.

Es ist, meine Damen und Herren, völlig inakzeptabel, wenn Sie einerseits zu Recht den KuF schließen, aber dann dem Gründer dieser Gemeinde, die eine verfassungsfeindliche Ideologie verfolgt, in der JVA Bremen nicht das Handwerk legen. Das ist verantwortungslos, das geht nicht.

(Beifall CDU)

In der JVA Bremen ist lediglich das ehrenamtliche Engagement von zwei muslimischen Seelsorgern der Schura vorhanden. Der eine ist am Montag für zwei Stunden in der JVA, der andere ist am Freitag für drei Stunden in der JVA, also insgesamt fünf Stunden. Wenn Sie die gemeinschaftlichen Gebetszeiten abziehen, dann haben sie effektiv drei Stunden Zeit, um mit diesen Menschen zu reden. Die restlichen sechs Tage und 19 Stunden sind die jungen Muslime in der JVA solchen Konvertiten und anderen verfassungsfeindlichen Muslimen quasi ausgesetzt.

Wir brauchen dringend Mittel, um das ehrenamtliche Engagement durch eine institutionalisierte muslimische Seelsorge, die mit Präventionsangeboten in der JVA einhergeht, zu ersetzen. Wenn wir einige nicht mehr erreichen, dann müssen wir zumindest diejenigen, bei denen wir noch eine Chance haben, die vielleicht noch nicht in ihren fundamentalen Einstellungen gefestigt sind, davon abhalten, nach der Haftentlassung auszureisen oder vielleicht sogar in Bremen Anschläge zu verüben und Unsicherheit in unserem Land zu verbreiten.

(Beifall CDU)

Deswegen noch einmal: Wenn die EU-Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen, dann muss Bremen auch vor dem Hintergrund der akuten Bedrohung, die wir in unserem Land haben, Landesmittel dafür einsetzen, um in der JVA entscheidende Schritte einzuleiten. – Danke!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schäfer ist leider nicht mehr im Raum, die Debatte scheint ihn also nicht großartig zu interessieren.

Ich möchte es noch einmal klarstellen! Ich habe es, glaube ich, eindeutig gesagt, dass wir politische Gewalt – und davon habe ich gesprochen, das andere ist meine persönliche Ansicht – von Rechten und Linken sowie religiös motivierte Gewalt gleichermaßen verurteilen.

Meine weiteren Ausführungen waren inhaltlicher Natur. Sie bezogen sich auf das Menschenbild, das die Menschen haben, und hierzu habe ich eine persönliche Auffassung dargelegt. Für mich ist eine menschenverachtende Einstellung schlimmer als eine systemverachtende Einstellung. Das ist meine persönliche Auffassung!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn ich für mich persönlich diese Abwägung getroffen habe, dann können Sie sie nicht als Bullshit bezeichnen. Beim nächsten Mal bitte erst zuhören und dann reden! – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Was ist das für ein Stil? Abgeordnete beschimpfen und dann nicht mehr im Raum sein!)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte mich für die engagierte Debatte bedanken, die einen Blick auf unsere bestehenden ressortübergreifenden Präventionskonzepte gegen religiös begründeten Extremismus und Islamfeindlichkeit sowie die Aussteigerprogramme geworfen hat.

Die CDU-Fraktion hat eine Große Anfrage an den Senat gerichtet, und Herr Dr. Yazici hat bereits einen Antrag zum Haushalt angekündigt. Das freut mich als Sozial- und Jugendsenatorin, denn auch ich glaube, – und das haben auch die bisherigen Rednerinnen und Redner gespiegelt –, dass wir in diesen Bereichen mehr als bislang tun müssen.

Ich glaube, wir sollten nicht verstecken, dass das Land Bremen seit Jahrzehnten in der aktiven Jugendarbeit Vorreiter ist, und zwar mit Jugendlichen, die sich zu extremistischen Gruppen gerade im Bereich Rechte hingezogen fühlen. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat sich ein Problem mit etablierten Cliquen und mit einer etablierten Musikszene abgebildet.

Wir haben gute Erfahrungen mit Aussteigerprogrammen gemacht. Jugendliche haben zu Jugend- und Sozialarbeitern, aber auch zu Pastoren und anderen