Protocol of the Session on December 9, 2015

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Er stellt für die betroffenen Bürgerkriegsflüchtlinge eine deutliche Verschlechterung dar, sodass fraglich bleibt, weshalb die Betroffenen sich überhaupt freiwillig auf dieses Verfahren einlassen sollten. Das reguläre Asylverfahren würde selbst in diesem Fall ja nicht wegfallen, sondern lediglich ruhen und nach Ablauf des vorübergehenden Schutzes weiterlaufen.

Statt um Entbürokratisierung geht es also letztlich darum, einen zusätzlichen Verfahrensschritt einzubauen. Wenn Sie das Verfahren für Bürgerkriegsflüchtlinge vom BAMF auf die Ausländerbehörden verlagern wollen, so ist das insgesamt gesehen doch ein Nullsummenspiel, aber ein Nullsummenspiel, das auf Kosten der Ausländerbehörden der Länder geht und von dem allenfalls das Bundesamt profitiert. Warum um alles in der Welt sollte Bremen daran ein Interesse haben?

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Sie können ja mal die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörde in Bremen fragen, ob sie sich unausgelastet fühlen. Ich glaube nicht, dass sie Ihnen das bestätigen werden.

Der wichtigste Grund für unsere Ablehnung liegt aber darin, dass Ihr Antrag die Integration von Bürgerkriegsflüchtlingen gerade erschweren statt erleichtern würde. Statt sich darauf einzulassen, dass viele der Flüchtlinge auf Dauer in Deutschland bleiben werden, wollen Sie ausdrücklich nur eine vorübergehende Schutzgewährung für einen überschaubaren Zeitraum ermöglichen. Sie wiederholen damit die Fehler, die Sie Anfang der Neunzigerjahre schon begangen haben.

Die Einschränkungen beim Familiennachzug schaffen ebenfalls gerade keine gute Voraussetzung für Integration, sondern bedeuten das Gegenteil davon.

Auch die Wohnsitzauflage wird Integration eher verhindern als fördern. Da hilft dann auch das, was Sie zur Vorrangprüfung gesagt haben, nicht. Dass die Einschränkung der Mobilität in der Berufswelt immer ein Einstellungshindernis darstellt, sollte die FDP doch eigentlich wissen.

Kurzum, Ihr Gesetzesvorschlag ist eine bürokratieträchtige Mogelpackung zulasten der Landesbehörden und zulasten der Bürgerkriegsflüchtlinge. Daher lehnen wir den Antrag ab. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es schon erstaunlich, auf

welch konstruktivem Niveau wir uns gerade befinden. Spannenderweise hat die Justizministerin der Grünen in Niedersachsen das Ganze befürwortet und sich anscheinend anders damit auseinandergesetzt, als Sie es getan haben. Deswegen ist die Frage, wer es richtig gelesen hat und wer es verstanden hat.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich glaube, Sie haben es jetzt wieder falsch gelesen!)

Wir wollen die Flüchtlinge ganz im Gegenteil nicht schlechter stellen als vorher, sondern wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir schneller und besser Abhilfe schaffen können.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie müssen es schon richtig darstellen, Frau Steiner!)

Noch gibt es kein Einwanderungsgesetz. Deswegen versuchen wir, möglichst – –.

Frau Steiner, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zicht zulassen?

Ja, bestimmt!

Herr Zicht!

Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, Frau Steiner, dass die niedersächsische Justizministerin vorgeschlagen hat, von Paragraf 23 Aufenthaltsgesetz Gebrauch zu machen, und gerade nicht empfohlen hat, den von Ihnen vorgeschlagenen Paragrafen 24 a einzuführen?

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: So ist es!)

Ich nehme das gern zur Kenntnis, aber trotz allem wurde darüber ganz anders diskutiert.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Weil es auch etwas anderes ist!)

Sie hat nicht alles abgelehnt, sondern einen Teil auch befürwortet.

(Beifall FDP)

Auf jeden Fall ist das, was wir hier vorschlagen, eine Chance, Menschen schneller zu integrieren und ihnen überhaupt eine Teilnahme an unserem Leben zu ermöglichen, denn genau das passiert nicht! Wir können den Menschen als Letztes damit helfen, dass sie in den Zelten sitzen und zur Untätigkeit verdammt werden. So können wir sie nicht integrieren.

(Beifall FDP)

Zu sagen, dass wir den Familiennachzug blockieren, ist völliger Unsinn. Das stimmt nicht, sondern wir sagen, der Familiennachzug wird in dem Zeitraum unterstützt, in dem der humanitäre Schutz gewährleistet wird. Das steht auch in dem Antrag, falls Sie ihn nicht gelesen haben. Auch das ist auf jeden Fall eine Verbesserung gegenüber vorher. Für uns sieht es, ehrlich gesagt, so aus, als ob Sie die Vorteile überhaupt nicht sehen wollen, sondern nur Ihre Vorurteile. – Danke!

(Beifall FDP – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/ Die Grünen]: Es gibt keine Vorurteile!)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich würde gerne zur Realität zurückkommen. Wir haben in der letzten Woche im Kreis der Innenminister die Lage mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erörtert. Ich empfehle, wie ich das monatlich einmal mache, einen Blick in die sogenannte Asylgeschäftsstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu werfen. Sie wird monatlich in das Internet eingestellt und aktualisiert. Ich glaube, wenn man da einen Blick hineinwirft, bekommt man eine Vorstellung davon, wie groß das Problem ist, das wir gegenwärtig in der Bundesrepublik haben. Herr Hinners, die Hoffnung, dass die Asylverfahren schneller abgearbeitet werden, teilen wir alle. Nur habe ich Zweifel, ob das wirklich so gelingt. Die Asylgeschäftsstatistik weist für den Monat November 2015 einen Bestand von 355 000 nicht erledigten Verfahren auf. Die Innenminister haben anerkannt, dass sich Herr Weise bemüht, die Zahl der Entscheider zu erhöhen. Das ist auch gelungen. In diesem Jahr sind 240 000 Verfahren entschieden worden, aber es sind auch überhaupt nur 425 000 Anträge beim Bundesamt eingegangen. Sie haben vielleicht in den letzten Tagen die Botschaft in den Medien mitbekommen, dass wir sehr wahrscheinlich eine Million Flüchtlinge haben. Da ist natürlich die Frage berechtigt: Wie passt das zusammen, 425 000 zu einer Million? Die Antwort ist relativ einfach. Das heißt, wir haben riesige Warteschleifen, bis die Anträge überhaupt beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ankommen. Die Statistik weist ja nur aus, dass 425 000 Anträge gestellt worden sind. Ich vermute einmal – –.

(Unruhe)

Es ist heute sehr laut bei Ihnen. Entschuldigung, Herr Präsident!

Ich bitte doch um etwas mehr Aufmerksamkeit! Der Herr Senator kann sich sonst nicht konzentrieren.

Danke sehr! Ich komme gerade von der Polizei, und da war es sehr ruhig.

(Heiterkeit, Beifall CDU)

Es war auch lustig.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Und das noch geheim! – Abg. Röwekamp [CDU]: Sie dürfen das noch nicht einmal erzählen, weil es doch geheim ist!)

Wir hatten 120 Zeugen dabei, die heute alle vereidigt worden sind.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Leider parallel zur Bürger- schaft!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ernst der Lage zurückkommen! Wir müssen davon ausgehen, dass sich inzwischen eine Million zusätzliche Menschen in der Bundesrepublik aufhalten. Die nackten Zahlen sagen uns, dass in diesem Jahr insgesamt 425 000 Anträge gestellt worden sind. Das bedeutet, wir müssen uns darauf einrichten, dass in den nächsten Monaten Hunderttausende von Verfahren dazukommen. Die Menschen sind hier, aber die Verfahren sind noch nicht angestoßen. Das Problem ist, dass es bei der Erstaufnahme Wartezeiten gibt, was dann beim Bundesamt fortgeschrieben wird. Es ist gar nicht in der Lage, diese Anzahl zu bearbeiten, trotz aller Bemühungen der Bundesregierung, die ich nicht leugnen will. Gemessen an den Herausforderungen, die wir haben, ist das aber ein Tropfen auf den heißen Stein.

Das bedeutet, wir müssen uns darauf einrichten, dass sich die Verfahren weiterhin nur sehr langsam entwickeln und das Bundesamt massiv nachsteuern muss. Das, was wir bisher gesehen haben, lässt einen guten Willen erkennen, aber das ist noch nicht das nationale Programm, das wir brauchen, um unsere Außenstellen in die Lage zu versetzen, wirklich zeitnah zu entscheiden. Das ist der Beginn, aber der Bund muss noch sehr viel Geld in die Hand nehmen. Er muss sehr viel Personal nachsteuern, damit man überhaupt eine Chance hat, die Asylverfahren in einer halbwegs vertretbaren Zeit abzuarbeiten.

Ein Blick in diese sehr interessante Statistik zeigt auch: Was macht eigentlich das Bundesamt? Ich hatte in der Debatte immer den Eindruck, es gibt zwei Welten. Auf der einen Seite bearbeitet das Bundesamt die Asylverfahren, und auf der anderen Seite diskutieren Sie über Flüchtlinge. Das ist grober Unsinn. Wenn Sie in die Statistik schauen, dann sehen Sie, dass das Bundesamt bis November 1 836 Asylverfahren nach Artikel 16 a Grundgesetz anerkannt hat. Das heißt, das Bundesamt ist vorwiegend mit der Anerkennung des Status der Flüchtlinge beschäftigt. Das ist die eigentliche Kernaufgabe, die das Bundesamt belastet. Insofern gibt es nicht die Trennung zwischen

dem, was Sie heute vorgetragen haben, Flüchtlinge auf der einen Seite und Asylberechtigte auf der anderen Seite, sondern beim Bundesamt geht es in der Tat darum, die Masse derjenigen anzuerkennen, die hier einen Status als Bürgerkriegsflüchtlinge bekommen.

Sie haben es schon angesprochen, der Vorschlag der FDP hilft uns nicht weiter. Wenn alle Verfahren so bleiben, wie sie heute sind, wird damit noch eine zweite Spur eröffnet. Ich warne davor, dies dann den Ländern zu überantworten. Das ist doch gerade ein Problem unserer föderalen Struktur. Die Erstaufnahme macht bei uns die Sozialbehörde, dann kommt das BAMF. Wenn das BAMF ein Verfahren rechtskräftig entschieden hat, fällt es dem Land wieder vor die Füße, und dann ist die Ausländerbehörde zuständig. Das alles ist nicht hilfreich, wenn drei Institutionen zusammenarbeiten müssen. Deswegen bin ich froh, dass wir eine Behörde haben – auch wenn sie noch nicht so funktioniert, aber die Hoffnung stirbt zuletzt –, die diese Verfahren wirklich vom Anfang bis zum Ende organisiert. Ich glaube allerdings, in der Realität wird dieser Vorstoß keine Mehrheit finden. – Danke sehr!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 19/161 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!