Protocol of the Session on April 23, 2015

terten Sinn bezogen auf andere betroffene Gruppen eine wichtige Rolle gespielt; nicht nur deshalb, weil ein fehlender Abschluss sowohl auf die schulische als auch auf die berufliche Bildung bezogen ein ganz entscheidendes Armutsrisiko ist, sondern auch deshalb, weil er immer wieder eine entscheiden de Interventionsstrategie ist. Im wahrsten Sinne des Wortes bemerkenswert ist zum Beispiel das ausgeprägte Armutsrisiko der Alleinerziehenden, nicht nur, aber vorwiegend von Frauen. Armut und Armutsrisiko sind insgesamt in einem besonderen Ausmaß offensichtlich weiblich.

Es gibt Tausende von Menschen unter uns, die zu

einem ganz großen Teil objektiv an einer klassischen Erwerbstätigkeit oder Ausbildung gehindert sind und denen wir verstärkt helfen müssen und können, wenn wir im Bereich der Betreuung von Kindern, aber auch zum Beispiel bei der Gestaltung von Ausbildungen zu Flexibilisierungen kommen und nicht nur davon sprechen, sondern es auch tun. Wenn wir Bildung auch im Erwachsenenalter näher und flexibler an die Menschen heranbringen, dann können wir zum Beispiel auch Menschen mit migrantischem Hin tergrund perspektivisch besser erreichen, obwohl es durchaus ein Fehler ist, insbesondere in diesem naturgemäß durch Vielfalt gekennzeichneten Bereich

grundsätzlich von Defiziten auszugehen oder gar alles über einen Kamm zu scheren. Gerade das ist nicht selten mit ursächlich für völlig unberechtigte Vorurteile, auch für Diskriminierungen und Chan cenungerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Sprachförderung ist wichtig, Förderung der Mehr

sprachigkeit ist es aber auch. Qualifizierung ist wichtig, verbesserte Anerkennungsbedingungen vorhandener Qualifikationen sind es aber auch. Bil dung ist wichtig, ein geeignetes und angemessenes Aufenthaltsrecht ist es aber auch, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Bildung, möglichst im Sinne eines Abschlusses

und anwendungsorientierter Qualifizierung, ist auch ein wichtiges Instrument beim Kampf gegen Ar beitslosigkeit; Das ist auch ein Bereich, in dem wir in Bremen leider auch im überregionalen Vergleich in verschiedenen Kennziffern schwierige Verhält nisse haben und insbesondere, in Bezug auf die sogenannten Langzeitarbeitslosen angeht, dringend Handlungsbedarf sehen. Hier sind wir bei der Re integration in den ersten Arbeitsmarkt erkennbar nicht erfolgreich genug.

Neben einer wirkungsvollen Arbeitsmarktpolitik

ist auch hier Bildung, insbesondere in Form von Fort- und Weiterbildung, ein wichtiges Thema. Diese muss deutlich individualisiert werden und von einer zeitlich verdichteten Betreuung begleitet sein. Die schwierige Arbeit der Menschen in den Jobcentern kann sicher in vielfältiger Hinsicht entwickelt und an der einen oder anderen Stelle auch vereinfacht werden.

Nicht jeder wird aber auf diese Weise erreicht

werden können, insbesondere nicht die Menschen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen. Hierbei waren wir uns einig – ohne eine Priorität des ersten Arbeitsmarktes zu verkennen –: Es bedarf eines öffent lich geförderten Arbeitsmarktes, der den Fähigkeiten und Motivationen dieser Betroffenen entspricht,

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

der verhindert, dass eine ganze Gruppe dauerhaft von der Teilhabe am gesellschaftlich sozialen Leben, auch zum Beispiel in Form von Arbeit, ausgeschlos sen bleibt.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Armutsbekämpfung kann aber nicht nur ziel

gruppenbezogen sein, sie muss auch sozialräumlich

organisiert werden; dies nicht nur, weil es letztlich um das friedliche Zusammenleben von Menschen in Bereichen geht, in denen hohe Heterogenität und übrigens auch eine hohe Fluktuation gibt und – das ist nochmals eindrucksvoll deutlich geworden - Ar mutsbekämpfung regional bezogen nur erfolgreich sein kann, wenn sie ganzheitlich ansetzt und soziale Intervention einhergeht mit einer geeigneten bauli chen Gestaltung, wenn Ressorts und Einrichtungen nicht nur untereinander, sondern auch mit dem besonders wichtigen ehrenamtlichen Bereich zu sammenarbeiten, wenn die Projekte Verlässlichkeit haben und längerfristig andauern, wenn Vernetzung regional und überregional gewährleistet werden kann und wir auch Geduld haben, sich die Dinge entwickeln zu lassen, ohne dass damit Inaktivität begründet werden soll, wo Handlungsbedarf besteht, denn Armutsbekämpfung wird selten kurzfristige Erfolge haben. Sie bedarf eines langen Atems, einer konzeptionsgebundenen Steuerung und des Mutes, Schwerpunkte auch zulasten anderer Bereiche zu setzen.

Es bedarf einer langfristig angelegten geschlos

senen, Ressortgrenzen überwindenden Strategie, die Armutsbekämpfung intensiviert, Maßnahmen bündelt und mehr auf überprüfbare Wirkung setzt. Armutsbekämpfung in diesem Sinne ist deshalb im mer ein Prozess. Er muss zunächst das Ziel haben, die sich verschlimmernde Entwicklung, wie dargestellt, zu stoppen, um anschließend die eingetretene Ent wicklung umzukehren und Armut zurückzudrängen. Der Ausschuss hat dazu, wie ich meine, wichtige Hinweise gegeben.

Armut ist nicht nur ein individuelles, es ist zu ei

nem gesellschaftlichen Risiko geworden. Es ist damit immer auch ein politisches Risiko, wenn ich hier nur die immer geringer werdende Wahlbeteiligung ansprechen darf.

Es wird in der Verantwortung des zukünftigen

Parlaments liegen, die Arbeit dieses Ausschusses fortzusetzen und weiterzuentwickeln. Diese Fragen müssen insgesamt einen Schwerpunkt in der kom menden Legislaturperiode bilden. Dazu muss auch gehören, sich mit Armutsphänomenen, zum Beispiel der Altersarmut, zu beschäftigen, die dieser Ausschuss noch nicht oder nicht erschöpfend behandelt hat.

Die Arbeit mit den Bemühungen des Senates zu

verzahnen, muss gewährleistet werden, aber auch den Senat beim Handeln im vorgezeichneten Sinne aktiv zu begleiten. Wichtig wird es deshalb sein, aus Papier Maßnahmen zu machen, um die Realität zu verändern und diese für betroffene Menschen zu verbessern. Hieran wird Politik gemessen werden und retrospektiv auch die Arbeit des Ausschusses. Hierzu wird es nicht den einen großen Wurf geben, sondern vieler kleiner Schritte bedürfen. Armut ist nicht mehr tabuisiert, aber auch noch nicht in dem Ausmaß im Fokus, wie es notwendig und angemessen wäre. Dies im öffentlichen Bewusstsein zu verändern,

war auch eine Aufgabe des Ausschusses und wird eine Verantwortung insbesondere des zukünftigen Parlaments sein, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich abschließend herzlich den an

gehörten Referenten und Referentinnen danken, die wesentliche Anregungen gegeben und Grund lagen für die Ausschussarbeit geschaffen haben, den Ausschussassistenten von der Bürgerschaft und den Fraktionen, die die Voraussetzungen für die Arbeit der Parlamentarier geschaffen haben und es dabei manchmal auch nicht leicht mit uns hatten. Ich danke ganz herzlich den Kolleginnen und Kol legen im Ausschuss aus allen Fraktionen nicht nur für die vertrauensvolle Zusammenarbeit, sondern insbesondere dafür, auch in Wahlkampfzeiten darauf verzichtet zu haben, bei jeder Sachfrage das eigene Wahlprogramm zum Maßstab des Kompromisses zu machen.

Lassen Sie mich aber ganz besonders herzlich de

nen danken, die täglich vor Ort haupt- und ehrenamt lich gegen Armut und die Auswirkungen von Armut kämpfen. Ihre Bedingungen zu verbessern war, ist unsere gemeinsame Aufgabe und Verantwortung und der Kern dieser Ausschussarbeit. Wenn die nächsten Schritte sind, in welcher geeigneten Organisation auch immer die Anregungen aus diesem Papier auch in die Praxis umzusetzen, hat sich die Arbeit auch für die von Armut betroffenen oder bedrohten Menschen in dieser Stadt gelohnt. Vielfältige Hinweise liegen nunmehr dazu vor. – Herzlichen Dank!

(Beifall)

Bevor ich den nächsten Redner

aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich Schülerinnen und Schüler der achten bis zehnten Klasse der Gesamtschule Bremen-Mitte, Werkstatt Politik aktuell, und Herrn Helmut West kamp, den Chef des Jobcenters in Bremen.

Seien Sie ganz herzlich willkommen.

(Beifall)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abge

ordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr

verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn auch Dank sagen an den Assistenten und an alle die, die uns dabei geholfen haben, diese Ausschussarbeit einigermaßen gut über die Bühne zu bringen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Insbesondere möchte ich mich gerade bei den

Akteurinnen und Akteuren aus den Fraktionen be danken. Ich selbst - ich mache daraus keinen Hehl -

war nicht sehr von der Idee überzeugt, einen solchen Ausschuss einzurichten, musste dann aber feststellen, dass mich die Ernsthaftigkeit, mit der die Fraktionen inhaltlich, fachlich und sachlich diskutiert haben, im Laufe der Arbeit doch überzeugt hat.

Meine Befürchtung war, dass sich die Fraktio

nen zusammensetzen - jede Fraktion hat ja ihre eigene Programmatik –, ihre Programmatiken an einanderklammern und das dann der Bericht des Armutsausschusses sein soll. Das war aber nicht so, und das merkt man daran, dass die überwiegende Mehrzahl der Handlungsempfehlungen gemeinsam beschlossen worden ist. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es in einigen Bereichen deutliche Unterschiede gibt.

Ich bin während der Ausschussarbeit gefragt wor

den, ob wir jetzt die Lösung gefunden haben und was wir künftig machen. Ich finde das ein bisschen überraschend, und zwar deshalb, weil die Armut sphänomene so vielschichtig, so unterschiedlich und auch so kompliziert sind, dass man eben nicht an irgendeiner Stelle in dieser Welt einen Hebel findet, den man umkippt und dadurch dann das Armutsproblem gelöst ist. So wird es nicht sein, das muss einem ganz klar sein.

Es gibt viele Leute, die arm sind, weil sie psychi