Insofern ist es wichtig, dass die Aufgabe der Integrationspolitik seit dieser Legislaturperiode in der Senatskanzlei an einer zentralen Stelle bearbeitet wurde, und das hat sich sehr bewährt.
Es ist uns gemeinsam gelungen, die Chancen, die sich aus der Vielfalt ergeben, viel stärker in der Öffentlichkeit zu betonen. An dieser Stelle geht mein besonderer Dank an die Mitarbeiter der Medien. Auch langfristig müssen Schritte hin zu einer anderen Migrations- und Willkommenskultur gegangen werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Frage, wodurch eine gelungene Integration charakterisiert werden kann, kann wohl niemand hier mit nur einem Satz beantworten. Die Antwort auf eine solche Frage ist vielschichtig, und sie muss vielschichtig sein, da Integrationspolitik eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe darstellt, die alle Politikfelder berührt und berühren muss.
Ich möchte mich mit meinem Beitrag dabei besonders auf das für die Integrationspolitik zentrale Politikfeld Bildung konzentrieren und somit zunächst den Zwischenbericht zum Entwicklungsplan Partizipation und Integration im Bereich Bildung beleuchten. Meine Kollegin Frau Grönert wird als integrationspolitische Sprecherin anschließend thematisch umfassendere Impulse hinsichtlich des vor circa einer Woche erschienenen Abschlussberichts zum Entwicklungsplan geben.
Kaum etwas ist vergleichbar anspruchsvoll wie die erfolgreiche Gestaltung einer Integrationspolitik, die eine Gesellschaft hervorbringt, in der es keine Rolle
für den schulischen Bildungserfolg, den Einstieg in den Job oder das spätere Berufsleben spielt, ob man deutsche oder nicht-deutsche Eltern hat, ob die Eltern als Gastarbeiter in diesem Land Fuß gefasst haben, aus ihrem Geburtsland als politisch Verfolgte fliehen mussten oder wo man in Bremen aufgewachsen ist oder lebt. Vom Jahr 2015 an haben viele Faktoren zum Teil erheblichen Einfluss auf den Bildungserfolg von jungen Menschen, beispielsweise der Bildungsstand der Eltern, die soziale Herkunft oder auch der sogenannte Migrationshintergrund, der oftmals auch von uns selbst zugeschrieben wird, wobei man sagen muss, dass natürlich nicht alle Migranten per se benachteiligt sein müssen. Umso dringlicher ist es, seitens der Politik Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die diesen grundsätzlichen Determinismus aufbrechen und bereits in der frühkindlichen Bildung den Hebel ansetzen, um negative Auswirkungen der benannten Faktoren aufzuheben.
Dazu gehört als allererster Schritt ein engmaschiges Netz an Kinderbetreuungseinrichtungen vor allem für Kinder zwischen null und drei Jahren, die von Anfang an die Sprachentwicklung fördern und kontrollieren. Seit dem Jahr 2012 werden lediglich 1,5 Prozent mehr Kinder von den circa 7 103 Kindern mit Migrationshintergrund in einer Tageseinrichtung oder Tagespflege betreut.
Selbstverständlich ist es in Ordnung, sein Kind in dieser Altersklasse zu Hause zu betreuen, und es ist grundsätzlich wichtig, den Eltern diese Auswahl zu überlassen. Hinsichtlich des erfolgreichen Erwerbs der deutschen Sprache bei Kindern mit Migrationshintergrund ohne weiterführende Sprachprobleme ist die Wahrscheinlichkeit dazu jedoch um ein Vielfaches höher, sofern das Kind bereits frühzeitig in einer Tageseinrichtung oder Tagespflege betreut wird, die selbst einen Fokus auf eine frühzeitige Sprachentwicklung legt. Dies zeigt die besondere Relevanz des integrationspolitischen Auftrags auf, den Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in der U3Betreuung signifikant zu erhöhen und somit auch die Eltern nachhaltig zu erreichen. Abgesehen davon hängt der Betreuungsanteil auch hier zu stark von Faktoren der Einkommensstärke und des Bildungsstands der Eltern ab.
Zu Recht weist sowohl der Zwischen- als auch der Abschlussbericht deshalb darauf hin, dass wir bezüglich der Betreuung von Kindern mit Migrationshintergrund vor einer großen Herausforderung stehen. Daher muss dringend ein engmaschiger Ausbau der Plätze bei der Kinderbetreuung über alle Stadtteile
hinweg erreicht werden, der den Zugang für Eltern und Kinder mit Migrationshintergrund leicht macht, zum Beispiel auch durch die entsprechende Entwicklung der Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte, die langfristig sichergestellt werden muss.
Darüber hinaus ist es unerlässlich, die Kinderbetreuung für die Dauer der Teilnahme der Eltern an Integrationskursen sicherzustellen und die für die 21 Kurse benötigten Mittel auch über das Jahr 2015 hinaus seitens der Senatorin für Soziales aufzubringen. Diese Zusicherung fehlt bisher in den Berichten und sollte heute unbedingt gegeben werden.
Sprache ist unzweifelhaft das tragende Fundament einer gelungenen Integration, sodass die Sprachförderung der zentrale Eckpfeiler eines guten Integrationskonzepts sein muss und insbesondere für Flüchtlingskinder den zentralen Weg für eine bessere Zukunft darstellt. Der Entwicklungsplan Migration und Bildung ist daher ein wichtiges Instrument in der Umsetzung der Ziele des Entwicklungsplans Partizipation und Integration, da nur die Sprache zu einer gelungenen Integration führen kann, auf deren Grundlage Partizipation erst möglich wird.
Aufgrund der Tatsache, dass junge Erwachsene mit Migrationshintergrund derzeit tendenziell eher niedrigere Schulabschlüsse erreichen, muss es auch der zukünftigen Bildungsdeputation ein zentrales Anliegen sein, zum Beispiel durch die Weiterführung des Unterausschusses „Migration und Bildung“, bereits getroffene Maßnahmen kritisch zu reflektieren und weitere Maßnahmen zu beschließen, um diesen Trend umzukehren und auch den Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in gymnasialen Oberstufen zu erhöhen. Für mich ist dabei ein zentraler Baustein die Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler, und zwar, sie erstens als Kompetenz und Stärke zu verstehen, und zweitens diese durch ein entsprechendes Kursangebot und durch Sprachberater an den allgemeinbildenden Schulen zu fördern und in dieser Kompetenz zu bestärken.
Sowohl die sprachliche als auch die kulturelle Vielfalt muss endlich als Chance begriffen werden, um dadurch Benachteiligungen aufgrund eines Migrationshintergrunds in Schule, Ausbildung, Studium oder im Berufsleben zu beseitigen. Dazu zählt nicht zuletzt die interkulturelle Qualifizierung des Personals, der Anstieg von pädagogischen Fachkräften mit Migrationshintergrund sowie eine profilgerechte und vielseitige Berufsorientierung inklusive einer Jugendberufsagentur, die Klischees, Stereotypen sowie eine geschlechtertypische Berufswahl nachhaltig aufbricht. Dafür wollen wir uns nicht nur heute, sondern vor allem auch in der nächsten Legislaturperiode weiter einsetzen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles ist schon von meinen Vorrednerinnen gesagt worden, ich versuche einmal, so einzusteigen, indem ich sage, dass die erste Stufe in einer Auseinandersetzung mit der Migrations- und Integrationsgesellschaft ist, Probleme überhaupt zuzulassen und zu benennen. Ich würde sagen, diese Stufe haben wir inzwischen erreicht. Die Probleme werden angesprochen, auch Tabuthemen, wie zum Beispiel die Frage des ethnic profiling, werden inzwischen – ich würde sagen immerhin – artikuliert. In der zweiten Stufe muss man die angesprochenen Probleme lösen, sich abrechenbare Ziele für die eigenen Handlungsfelder setzen und dabei Fortschritte machen. In dieser Stufe befinden wir uns gerade, oder ich würde sagen, wir stehen am Anfang dieser Stufe.
Ich möchte ein paar Beispiele nennen! Erst seit wenigen Jahren gibt es die zentrale Antidiskriminierungsstelle, ADA, die im Bremer Gewerkschaftshaus angesiedelt ist. ADA macht eine hervorragende Arbeit, und hat eine doppelte Aufgabe: konkrete Beratung im Einzelfall und das Thematisieren der Probleme in der öffentlichen Diskussion. Für beides ist ADA aktuell allerdings nicht genügend personell ausgestattet. Ihr Ausbau – es stand auch schon einmal zu Diskussion, ob ADA aufgelöst wird – ist eine wichtige und notwendige Aufgabe für die kommenden Jahre. (Beifall bei der LINKEN)
Ein zentrales Projekt ist aber auch die interkulturelle Öffnung des öffentlichen Dienstes, diese hat zwei Aspekte: zum einen die Sensibilisierung und Qualifizierung aller Beschäftigten – im Übrigen auch des Behördenapparates selbst –, und zum anderen die Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund bei den Beschäftigten. Beide Ziele darf man nicht gegensätzlich, und der Rat für Integration weist mit Recht darauf hin, dass Migranten nicht die Defizite des Systems ausgleichen können.
Man kann sich aber in einer demokratischen Gesellschaft ebenso keinen öffentlichen Dienst vorstellen, in dem sich nicht die Zusammensetzung dieser Gesellschaft bei den Beschäftigten widerspiegelt, da klafft im Moment noch eine Lücke. Der Migrationsanteil im öffentlichen Dienst beträgt 13 Prozent, in der bremischen Gesellschaft aber 28 Prozent, und das Missverhältnis wird noch stärker, wenn man sich einzelne Bereiche ansieht.
An den Schulen haben 34 Prozent der Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund. In der Primarstufe, also in der ersten Klasse, haben 50 Prozent einen Migrationshintergrund, bei den Kunden in der Ausländerbehörde sind es naturgemäß 100 Prozent derjenigen, die dort vorstellig werden, und meines Erachtens sind entsprechend offensive Zielzahlen für
die Zusammensetzung der Beschäftigten nötig. Ich denke, wir haben hier ja schon oft darüber diskutiert, dass wir zum Beispiel tatsächlich auch dafür sorgen müssen, dass die Lehrerausbildung sich verändert und wir mehr Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund an Bremens Schulen bekommen. Ich glaube, wir sind da auch noch lange nicht mitten in der Diskussion drin, wir wissen auch, dass wir da noch nachsteuern müssen.
Vom Ausbau der frühkindlichen Bildung – auch das ist ein Punkt – haben migrantische Familien bislang eher unterdurchschnittlich profitiert. Die nächste Stufe des Kita-Ausbaus muss das berücksichtigen. Ich glaube tatsächlich, dabei geht es nicht nur darum, wie viele Einrichtungen und welchen Betreuungsschlüssel wir in dem Stadtteil vorhalten, sondern man wird wahrscheinlich auch mit alternativen Angeboten experimentieren müssen, um die Zielgruppe beziehungsweise um Migrantinnen und Migranten zu erreichen.
Im Bereich der Ausbildungsberatung sind auf diesem Feld sehr gute Erfahrungen mit den Jugendkompetenzagenturen gemacht worden. Unserer Fraktion ist es sehr wichtig, dass sie in der künftigen Jugendberufsagenturstruktur nicht unter die Räder geraten.
Der Rat für Integration legt in seiner Kommentierung einen starken und sehr kritischen Akzent auf den Bereich Arbeitsmarkt. Der Abbau der Sozialversichertenbeschäftigungspolitik, der sozialräumlichen Beschäftigungsförderung hat Migrantinnen überproportional betroffen. Das Ziel eines inklusiven Arbeitsmarktes, wie es der Rat benennt, halte ich für zentral und sollte in der Arbeitsmarktpolitik des Landes einen prominenten Stellenwert bekommen.
Der Rat kritisiert völlig zu Recht, dass die Programme des ESF zu spät angelaufen sind und dass eine Bewertung fehlt, welche Maßnahmen aus Sicht von Migranten und Migrantinnen besonders wichtig sind. Die Kritik des Rates, dass die Arbeitsmarktpolitik des Landes überwiegend nicht vom Land, sondern von der Bundesagentur und von den Jobcentern gemacht wird, würde ich sofort unterschreiben. Hierzu muss sich unseres Erachtens vieles ändern.
Auch die Frage des Wahlrechts ist im Bericht angesprochen worden. Der Handlungsbedarf ist offensichtlich. Hier muss vor allen Dingen der Bund endlich handeln, diese Erfahrung haben wir nun leider gemacht. Aber wir können auch vor Ort einiges tun, indem wir bestimmte Formen der Beteiligung stär
ken. Die Stadtteilkonferenzen der WiN-Gebiete sind eine Partizipationsform, die heute schon allen offensteht.
Wir haben auch gehört, dass die Jugendbeiräte besonders in den sozial benachteiligten Stadtteilen mit hohem Migrationsanteil eine große Bedeutung haben. Wir müssen Formen von Partizipation und Teilhabe, die auf den hohen Anteil an Migrantinnen und Migranten in den Stadtteilen abzielt, gezielt stärken.
Es gibt viele Projekte, was gut ist, aber entscheidend ist, dass wir die Ergebnisse dieser Projekte auswerten und in eine Art Regelbetrieb überführen: an den Schulen, in den Behörden, in der Ausbildung, in der Arbeitswelt. Das ist die nächste Stufe, die wir jetzt nehmen müssen. Ich begrüße den Bericht ausdrücklich und hoffe, dass wir in engem zeitlichen Abstand dazu Fortschrittsberichte bekommen, damit wir sehen, an welcher Stelle wir weitergekommen sind und wo nicht, um entsprechende Weichen stellen zu können. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Abschlussbericht lässt sich gut lesen, aber ist im Grunde eine Darstellung der aktuellen Bremer Situation. Vieles, was schon im Entwicklungsplan zu finden ist, wird hier erneut aufgegriffen. Natürlich hat sich manches in den vergangenen drei Jahren verändert, aber es wird nach meinem Eindruck nicht deutlich dargestellt, ob diese Veränderungen dem Engagement, mit Blick auf die Umsetzung des Entwicklungsplanes, geschuldet sind oder ob sie eher durch Neuerungen, die die Zeit so mit sich bringt, zu begründen sind. Den Lobeshymnen von Frau Mohammadzadeh kann ich mich nicht so ganz anschließen.
Genau! – Ich finde es spannend, dass gleich zu Beginn des Abschlussberichts des Senats die kritischen Kommentierungen des Bremer Rates zum Entwicklungsplan aufgegriffen werden, die aber – so steht es im Entwicklungsplan, wen wundert’s – nicht in allen Punkten von den Ressorts geteilt werden. Der Bremer Rat schaut sich die Arbeit der Ressorts natürlich nicht mit einer wohlwollenden Innensicht an. Er bewertet das, was draußen in der Stadt bei den Menschen ankommt, und das ist auch gut so.
eine Aussage zu den steigenden Flüchtlingszahlen auf Seite 9. Dort steht, dass diese Entwicklung nicht überraschend kam. Der Senat hat das im Entwicklungsplan 2012 auch selbst eingeräumt. Dort steht, dass die Zahl der Flüchtlinge seit dem Jahr 2008 wieder steigt. Diese Feststellung blieb aber vom Senat anscheinend über einen längeren Zeitraum schlichtweg ohne Konsequenzen. Heute bemühen sich die zuständigen Behörden, die aktuelle Lage zu bewältigen, aber man sieht deutlich, dass der Entwicklung mit viel Mühe und Anstrengung ständig hinterhergelaufen wird.
Auch die CDU-Fraktion hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass man sich vorausschauend viel besser auf die steigenden Zugänge hätte einstellen können. Natürlich wäre es nicht klug gewesen, Wohnheime auf Vorrat einzurichten, aber man hätte schon viel früher nach Plätzen und Möglichkeiten dafür suchen können, um im Notfall handlungsfähig zu sein.
Auf den Seiten 34 und 35 der kritischen Kommentierungen des Bremer Rates wird mit Blick auf die Arbeitsmarktintegration von Migranten angemerkt, dass die Arbeitsmarktakteure im Land Bremen ihr volles arbeitsmarktpolitisches Gestaltungspotenzial nicht hinreichend abrufen können, weil sie offensichtlich wesentlich mehr neben als miteinander arbeiten.
Diese Einschätzung teilen wir ebenfalls, und wir halten es für wichtig und richtig, für eine verbesserte Erwerbsintegration von Migranten und Migrantinnen sobald wie möglich eine abgestimmte und einheitliche Strategie aller Arbeitsmarktakteure zu erarbeiten. Zu den Akteuren gehören unter anderem die Agentur für Arbeit, die Bremer Jobcenter, die Sozialpartner und auch die Kammern. Es ist – das will ich nicht unerwähnt lassen – auch ein guter Anfang, dass sich einige Vertreter dieser Gruppen im Rahmen des Bündnisses für soziale Zusammenhalt bei der Integration von Flüchtlingen in Ausbildung zusammengesetzt haben.