Protocol of the Session on March 18, 2015

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ein paar Bemerkungen zu den verschiedenen Redebeiträgen machen! Herr Erlanson, Sie sagen, wir bräuchten eine gesellschaftliche Debatte. Ja, natürlich, genau das machen wir hier, das haben wir beispielsweise im Rahmen unserer Fachveranstaltung „Auf dem Weg zu einer demenenzfreundlichen Kommune“ getan, und diese Debatte muss natürlich nicht nur im politischen Raum stattfinden, sondern überall und genau dort, wo Menschen mit Demenz unter uns leben, davon sind wir nicht ausgeschlossen, aber natürlich findet sie nicht nur im politischen Raum statt.

Es wird hier immer von Ideologie als Schimpfwort gesprochen – ich finde, das ist sowieso ein komisches Schimpfwort, ich kann mit der Konnotation gar nichts anfangen, dass es das Allerschlimmste der Welt ist –, aber ich habe über Haltung gesprochen. Wir brau

chen eine Haltung, die nicht exkludiert, sondern inkludiert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir brauchen sie nicht nur, wenn wir über in irgendeiner Weise behinderte Menschen sprechen, sondern wir brauchen sie auch, wenn wir über Menschen sprechen, die eine bestimmte progrediente Erkrankung haben.

Demenz – Frau Gönert, das wissen Sie auch, darüber brauche ich Sie nicht zu belehren, ich möchte es aber an dieser Stelle noch einmal sagen – ist kein On-off-Phänomen im Sinne von, ich bin jetzt dement und kann gar nichts mehr, sondern dabei gibt es Entwicklungen und zum Teil sich über Jahre entwickelnde Geschehnisse. Dabei spielt es natürlich doch eine große Rolle, ob ein Mensch in einem Kontakt und in einem fürsorglichen System gehalten wird, wo er in Kontakt steht, und ob er in klaren Strukturen leben kann. Das verändert die Entwicklung von Demenz erheblich, und da spielen Infrastrukturen im Stadtteil auch für die Entwicklung und die Schwere der Entwicklung hin zu schweren oder leichteren Fällen von Demenz eine große Rolle.

Herr Erlanson, Sie haben gefragt, wer das alles bezahlen soll. Ich finde auch, das ist eine wichtige Frage, aber die Antwort ist nicht gegeben, wenn wir sagen, wir stecken viele demente Menschen – Sie haben hier sogar von Insassen gesprochen, das fand ich an der Stelle auch etwas problematisch! – in Demenzdörfer. Das muss auch bezahlt werden, und glauben Sie einmal, dass die Träger dieser Demenzdörfer sich das gut ausrichten! Sie verdienen gut daran, das heißt, es ist nicht günstig, dort unterzukommen. Diese Betreuung und diese Hilfe müssen so oder so bezahlt werden, und da können wir uns doch auch politisch überlegen, wo das Geld investiert wird und was wir für das Geld anbieten wollen, das eine Kommune oder auch die Angehörigen bezahlen. Ich glaube, das wird nicht alles nur mit professioneller Hilfe funktionieren. Es funktioniert auch heute nicht alles mit professioneller Hilfe, es gibt so viele Menschen, die ihre Angehörigen zu Hause unterstützen.

Ich sprach vorhin davon, dass wir einen Mix brauchen zwischen Profis, Nachbarschaften – die man so den dritten Sozialraum nennt – und Familien, die entsprechend unterstützt werden müssen.

Aus einem solchen gemeinsamen Prozess kann man etwas sehr viel Besseres für demente Menschen an Unterstützung schaffen, als sie in spezielle Sondereinrichtungen zu überweisen. Ich habe nicht gesagt, dass dieser Prozess einfach ist. Ich glaube, er ist schwierig. Aber meiner Meinung nach kann die Antwort auf eine schwierige Herausforderung, auf eine schwierige gesellschaftliche Herausforderung nicht

Ausgrenzung sein, sondern die Antwort muss sein: Solidarität. Dabei sind wir alle gefragt. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächsten rufe ich auf Herrn Senator Dr. Schulte-Sasse.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! So wie ich die Debatte verstanden habe, sind wir uns in den wesentlichen Fragen, was den Umgang mit Demenzkranken angeht, einig. Es gibt Aber einige zentrale Fragen, für die das so nicht stimmt bzw. nicht gilt.

Ich möchte zu Beginn auf zwei Thesen Bezug nehmen, die Frau Grönert vorgetragen hat, weil sie mit dem, was der Senat schriftlich beantwortet hat, nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Sie haben gesagt, dass laut Antwort auf Anfrage 5 der Senat nicht beabsichtige, eine Genehmigung für eine entsprechende Einrichtung zu erteilen. Der Senat ist für Genehmigungen nicht zuständig. Diese Einrichtungen können jederzeit von einem Betreiber, wenn er eine solche Einrichtung für sinnvoll erachtet, auch in Bremen eröffnet werden, ohne dass es einer Genehmigung des Senats bedarf. Das finden Sie auch in der Antwort auf Anfrage 5 im ersten Absatz, in dem es heißt: „Die Verwirklichung von Konzepten zur Eröffnung stationärer und anderer Einrichtungen für Menschen mit Demenz liegt in der Verantwortung der Anbieter, nicht in der Verantwortung des Senats.“

Das ist die einzige Aussage, die es zu diesem Thema in der Antwort auf Anfrage 5 gibt. Ich wiederhole es noch einmal: Ich habe mich ausdrücklich – auch im Vorfeld – im Sozialbereich erkundigt. Der Senat ist nicht für ein solches Konzept. Wir würden es deshalb auch nicht aktiv befördern, aber natürlich kann es, wenn ein Betreiber es für sinnvoll erachtet, auch in Bremen eingerichtet werden. Das ist die Position des Senats dazu.

Die zweite Frage, die Sie angesprochen haben, betraf das Vorhandensein von Fällen, in denen es zu Schädigungen von demenzkranken Patienten gekommen ist, nachdem diese sozusagen unbeaufsichtigt das Heim verlassen haben.

Es mag sein – ich kenne diesen Fall nicht, den Sie hier vorgetragen haben –, dass es den einen oder anderen Fall möglicherweise gegeben hat. Der Senat hat sich allerdings in seiner Antwort damit nicht auseinandergesetzt, sondern er hat in seiner Antwort dargelegt, wie die Information bis hin zur Wohn- und Betreuungsaufsicht bei der Senatorin für Soziales geregelt ist – auch gesetzlich geregelt ist. In Paragraf 16 Absatz 4 des Bremischen Wohn- und Betreuungsgesetzes heißt es, dass Vorfälle durch die Einrichtung der zuständigen Behörde zu melden sind.

Es gibt auch entsprechende Informationspflichten in Richtung Polizei. Die Polizei würde regelmäßig be

richten, wenn es solche Vorfälle gibt. Die Aussage in der Antwort auf die Anfrage 3, dass es solche Berichte bei der Aufsicht bisher nicht gegeben hat, bezieht sich darauf, dass sowohl die Einrichtungen als auch die Polizei solche Fälle nicht als informations- oder meldepflichtig angesehen haben. Das ist die Aussage. So viel zur Korrektur von Aussagen in der Debatte.

Zum Thema selbst: Ich glaube, es ist schon – das muss ich jetzt nicht ausdrücklich ausführen – darauf hingewiesen worden, dass Demenz ein wachsendes Problem ist. Das hat natürlich mit dem demografischen Wandel zu tun. Es ist selbstverständlich, dass sich die Gesellschaft auf dieses Phänomen einrichten muss.

Ich habe gestern die Ausstellung „Bilder der Demenz“ in der Unteren Rathaushalle eröffnet. Dort ist auch eine ganze Reihe von Vorträgen gehalten worden. Eines kann ich Ihnen versichern: Bremen ist auch außerhalb Bremens als ausgesprochen demenzfreundliches Bundesland anerkannt. Wir haben also keinen Grund, unser Licht unter den Scheffel zu stellen. Wir haben in Bremen eine Politik, die durch vielerlei Initiativen auf Stadtteilebene und darüber hinaus getragen wird, die im Vergleich zu der Situation in anderen Bundesländern viele Angebote, auch diverse Angebote für demenzkranke Menschen bietet.

Natürlich stimmt es, dass wir uns an den Bedürfnissen Demenzkranker orientieren müssen und nicht an den Bedürfnissen von Einrichtungen oder Organisationen, die sich mit Demenzkranken befassen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Orientierung an den Bedürfnissen Betroffener ist im Übrigen kein spezielles Problem im Bereich der Demenzkranken, sondern es geht durch alle unsere Einrichtungen, die Hilfen anbieten, angefangen von den Pflegeheimen bis hin zu den Krankenhäusern. Die Umorientierung auf die Bedürfnisse von Betroffenen ist eine allgemeine gesellschaftliche Debatte, die unter anderem auch für Demenzkranke zutrifft. Ich bin sicher – auch nachdem, was ich hier heute gehört habe –, dass sich alle Fraktionen in diesem Hause auf diese Perspektive gern und gut verständigen können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir haben in Bremen 24 Wohngemeinschaften für ältere Menschen mit Pflegebedarf. Von diesen 24 Wohngemeinschaften richten sich 13 ausdrücklich an Menschen mit Demenz, Wohngemeinschaften, in denen es sowohl Hilfe zur Selbsthilfe als auch Betreuungshilfe gibt. Dazu gehört auch die Öffnung in das entsprechende Wohnumfeld.

Bezogen auf die Pflegeeinrichtungen und die Demenzdörfer sind das für mich – das ist eben im Hin

blick auf den damit verbundenen Personalaufwand schon dargelegt worden – spezielle Formen von Pflegeeinrichtungen. Im Hinblick auf Altenpflegeeinrichtungen weist die Pflegestatistik aus dem Jahr 2013 in Bremen 600 freie Plätze aus.

(Abg. Frau G r ö n e r t [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Ich glaube, es ist leicht einsichtig, dass bei einer solchen Situation die weitere Schaffung von Pflegeplätzen in Heimen keinerlei Sinn macht

(Glocke)

ich bin sofort fertig –, vor allem vor dem Hintergrund, dass im Jahr 2013 64 Prozent der Menschen, die in Pflegeheimen leben, bereits an Demenz leiden, wir also in den Pflegeheimen bereits überwiegend demenzkranke Patienten betreuen. Was sollen solche Sonderdörfer für Demenzkranke?

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Herr Senator, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Grönert zu beantworten?

Ja!

Bitte schön, Frau Kollegin Grönert!

Ich habe nicht unbedingt eine Frage, aber in der Antwort auf die Anfrage 5, die Sie eben angesprochen haben, steht für mich deutlich lesbar: Ein Konzept für ein Demenzdorf wie in Hogeweg würde vom Senat in Bremen nicht unterstützt werden.

Ja, das habe ich gerade gesagt.

Das wollte ich nur noch einmal anmerken. Das habe ich eben anders verstanden.

Nein. Sie haben in Ihrem Beitrag – ich habe es mir sofort aufgeschrieben, deshalb bin ich auch sicher, dass ich Sie richtig zitiere – nicht von Unterstützung gesprochen, sondern von Genehmigung. Unterstützung ist nun einmal etwas vollständig anderes als Genehmigung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte abschließend nur noch darauf hinweisen, dass mich diese ganze Debatte an einen Film erinnert – ich weiß nicht, ob es den anderen auch so geht –, und zwar an einen Film mit Jim Carrey. Der Film heißt „The Truman Show“. Wenn man wissen möchte, wie das Leben in Kulissen aussieht, der sollte sich diesen Film anschauen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/1720, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Gesetz zur Änderung des Bremischen Schulverwaltungsgesetzes

Antrag der Fraktion der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 16. Dezember 2014 (Drucksache 18/1685) 2. Lesung

D a z u

Änderungsantrag der Fraktion der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 17. März 2015

(Drucksache 18/1787)

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