Meine Damen und Herren! Die Bürgerschaft (Land- tag) hat den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in ihrer 75. Sitzung am 22. Januar 2015 in erster Lesung beschlossen und den Gesetzentwurf zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Bildung überwiesen. Diese Deputation legt mit der Drucksache 18/1757 ihren Bericht dazu vor.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben das Aufnahmeverfahren im Jahr 2009 mit der Schulreform geändert, und es ist damals gelungen, bis heute weitestgehend eine Rechtssicherheit zu schaffen. Heute wollen wir in zweiter Lesung eine Änderung beschließen und einige Punkte anders und noch besser gestalten.
Eines will ich vorwegnehmen: Es ist schade, dass wir es durch die lange und komplexe Diskussion nicht geschafft haben, die Gesetzesänderungen so rechtzeitig einzubringen, dass sie schon jetzt, im laufenden Aufnahmeverfahren, zur Anwendung kommen konnten. Zum nächsten Aufnahmeverfahren für das Schuljahr 2016/2017 kann die Anwendung erstmals erfolgen.
Wir stärken heute das von vielen gewünschte Regionalitätsprinzip, das heißt, wer in seinem Stadtteil bleiben möchte, soll auch möglichst in seinem Stadtteil einen Schulplatz bekommen. Zurzeit werden beim Übergang von Klasse 4 in Klasse 5 die Kinder, die über dem Regelstandard liegen, zu einem Drittel bevorzugt aufgenommen, um eine Durchmischung zu stärken. Hier sollen in Zukunft die Kinder der zugeordneten Grundschulen bevorzugt aufgenommen werden. Außerdem wollen wir den Grundschulkindern die Aufnahme innerhalb der Wohnregion – oder im bildungspolitischen Sprachgebrauch im Sprengel – noch weiter erleichtern. So soll der Zugang zu Ganztagsgrundschulen vorrangig den Kindern aus der Region gewährt werden. Bei dem Ausbaustand, den wir im Grundschulbereich erreicht haben, und mit den noch im nächsten Jahr startenden Ganztagsgrundschulen macht eine solche Neuregelung auch Sinn.
Es gibt viele Familien, die sich zu Recht wünschen, dass ihre Kinder mit den Geschwistern eine Schule besuchen können und nicht auf mehrere Schulen verteilt werden. Mit der heutigen Gesetzesänderung wollen wir insbesondere Geschwisterkindern die Aufnahme an Schulen erleichtern. Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen. Wenn Kinder unterschiedliche Schulen besuchen, gibt es für Eltern zusätzlichen Aufwand bei der Versorgung und Betreuung, sei es bei der Wahl des Schulwegs, des Verkehrsmittels, beim Informationsaustausch mit Lehrkräften, bei der Teilnahme an oder Organisation von Schulfesten, für die Mitgliedschaft oder Mitarbeit in Schulvereinen und weiterem ehrenamtlichen Engagement in der Schule, für die Schule und noch viele weitere Dinge. Diesen unnötigen Aufwand für Familien wollen wir abschaffen.
Natürlich können sich die Eltern auch weiterhin dafür entscheiden, ihre Kinder in unterschiedlichen Schulen anzumelden, wenn sie dies für besser halten.
Es gab an einigen Stellen auch Diskussionen, wir müssten im gleichen Zug das gesamte Aufnahmeverfahren ändern. Ich möchte hier ausdrücklich klarstellen, wir machen diese Änderungen insbesondere auch, um zum Beispiel Kindern mit Behinderung eine vorrangige Aufnahme zu ermöglichen, weil zum Beispiel bauliche Voraussetzungen an einer Schule notwendig sein können, und wegen der eben genannten Geschwisterkindregelung und der Stärkung des Regionalitätsprinzips.
Wir als rot-grüne Koalition haben einen Änderungsantrag zwischen der ersten und zweiten Lesung eingereicht. Mit unserem Änderungsantrag präzisieren wir unter anderem die vorrangige Aufnahme für Kinder mit Behinderung. Das ist zwar schon im vorliegenden Antrag der Fall, aber in dem Änderungsantrag finden Sie eine etwas lesefreundlichere – so nenne ich es einmal – Variante, auch für Nichtjuristen.
Der Änderungsantrag der LINKEN möchte das Losverfahren bei Überanwahl zwischen den Kindern aus der Region und den Geschwisterkindern auflösen und die Geschwisterkinder nicht, wie wir es vorsehen, gleichrangig, sondern vorrangig aufnehmen. Das ist nach gültiger Rechtslage schwierig. Ihre Änderung unter Punkt 1.3 ist mit unserem Änderungsantrag bereits erledigt. Ihren Antrag werden wir daher ablehnen.
Natürlich werden wir aber auch weiterhin das Aufnahmeverfahren diskutieren, und da, wo wir es weiter optimieren können, auch handeln, aber für eine stadtteilorientierte Bildungspolitik ist die heutige Änderung notwendig. Für eine kinder- und elternfreundliche Politik ist die gesetzliche Regelung notwendig. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Veränderung des Aufnahmeverfahrens ist aus unserer Sicht gut und richtig. Wir wollen grundsätzlich, dass jedes Kind an die Schule gehen kann, an die es gehen möchte. Das gelingt hier in Bremen zum Glück auch in den allermeisten Fällen, sowohl beim Wechsel in die Grundschule als auch beim Wechsel in die fünfte Klasse. Schülerinnen und Schüler sollen die Schule besuchen können, die sie besuchen möchten, das ist in der Regel die Schule in der Nähe, die sogenannte Sprengelschule, das ist uns besonders wichtig. Es ist in der Grundschule deshalb so wichtig, weil wir uns sicher sind: Kurze Beine, kurze Wege! Gerade in der Grundschule sollen die Kinder einen
kurzen Weg haben, auch weil die Freunde dann in der Nähe wohnen, sie nicht zur Schule gebracht werden oder den öffentlichen Personennahverkehr nutzen müssten.
Für den Fall, dass die Kapazitäten an einer Schule nicht ausreichen, gibt es bestimmte Verfahren, die regeln, welches Kind vorrangig an eine bestimmte Schule kommt. Hier gab es Nachsteuerungsbedarf. Uns war wichtig, dass es klare Regelungen gibt, wie in einer solchen Situation verfahren wird. Geschwisterkinder sollen dann die Möglichkeit haben, die gleiche Schule zu besuchen, wenn die Versagung der Aufnahme zu massiven Problemen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf führen würde.
Es muss auch eine klare Regelung für behinderte Kinder geben. Wenn die Anwahlen an einer Grundschule so hoch sind, dass die bestehenden Kapazitäten nicht ausreichen, dann gibt es nun die Regelung, dass die behinderten Kinder, für die es sonst eine besondere Härte bedeuten würde, bevorzugt an der angewählten Schule aufgenommen werden. Diese Kinder sind unserer Ansicht nach vorrangig zu berücksichtigen. Herr Güngör hat darauf vorhin Bezug genommen, das sind juristische Feinheiten, man hätte es auch weglassen können, aber uns Grünen war besonders wichtig, dass das auch mit aufgenommen wird.
In einem nächsten Schritt soll dann über das Losverfahren entschieden werden, welches der Kinder aus dem Stadtteil beziehungsweise als Geschwisterkind einen Schulplatz bekommt. Uns ist es wichtig, dass es gemeinsam mit den Eltern und Schülerinnen und Schülern Lösungen im Konsens gibt. Wir erwarten vom Ressort, dass es sich grundsätzlich darum bemüht, hier nach für alle Seiten zufriedenstellenden Lösungen zu suchen, und ich habe mit Freude registriert, dass das Ressort viel Energie hineinsteckt, damit das auch gelingt, das haben wir in den letzten Jahren auch festgestellt. Wir begrüßen auch, dass es über das normale Anwahlverfahren hinaus nun die Möglichkeit gibt, Kindern in bestimmten Situationen beziehungsweise vor dem Hintergrund einer besonderen Härte in der Familie oder für das Kind vonseiten der Behörde einen Schulplatz zuweisen zu können.
Ich möchte zur Begründung der Ablehnung des Antrags der LINKEN nichts hinzufügen, Herr Güngör hat vorhin dargestellt, dass einiges darin aus rechtlichen Gründen problematisch wäre. Ein anderer Punkt wurde auch von uns übernommen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder auch die bessere Integration von Schulkindern schnell konkret, und zwar zum Beispiel bei der Frage, ob man es schafft, dass die Kinder einer Familie in dieselbe Schule gehen. Für die Eltern – das wurde hier schon gesagt – ist das oft ein großer Vorteil, da es die Zeitpläne und die organisatorischen Abläufe der Familie erheblich vereinfacht.
Auch für die Kinder ist es oft ein großer Vorteil, man geht in dieselbe Schule, deren Strukturen zumindest das Geschwisterkind schon kennt, es gibt Bezüge, man kann von Tipps und Informationen profitieren. Das senkt die Schwelle im Umgang mit der Institution Schule, und es gibt diesen Kindern auch mehr Sicherheit. Für die Schulentwicklung ergibt sich deshalb ein Effekt, den wir nutzen sollten. Das macht die Koalition mit dem vorliegenden Antrag und auch mit dem Änderungsantrag, der die Position von Geschwisterkindern bei der Schulanwahl stärken soll, aber die Koalition hat es auf eine Art und Weise gemacht, die auch in der zweiten Fassung eher noch unklar und widersprüchlich ist und daher wahrscheinlich in der Praxis zu einem Problem führt.
Ich denke, weil es im jetzigen Anwahlverfahren sowieso nicht mehr angewandt werden konnte, hätten wir uns mit diesem Gesetz auch noch ein bisschen mehr Zeit lassen können. Der ZEB hat die Tücken des ursprünglichen Antrags im Beteiligungsverfahren ausführlich benannt und auch begründet, das ist leider auch in dem Änderungsantrag nicht komplett angekommen, deswegen erhalten wir unseren Änderungsantrag aufrecht, um die Punkte zu verbessern, die im Antrag der Koalition nicht richtig aufgehen, auch wenn ich natürlich gesehen habe, dass unser Punkt 1.3 von der Koalition übernommen wurde.
Geschwister sollen bei der Schulanwahl vorrangig zum Zuge kommen. Dafür reicht es uns nicht, dass diese gleichberechtigt in den Lostopf kommen, sondern sie müssen wirklich vorrangig berücksichtigt werden, damit man eine gute Chance hat, das Geschwisterkind an die gleiche Schule zu bekommen. Es ist wie in der Lotterie, nicht das richtige Los zu ziehen, und das kann es unseres Erachtens nicht sein.
Neben den Geschwisterkindern gibt es noch eine zweite Gruppe, die als Härtefälle berücksichtigt werden müssen. Das sind die Kinder, die aufgrund von Behinderungen auf eine bestimmte Schule angewiesen sind, weil diese zum Beispiel die entsprechenden baulichen Voraussetzungen bietet. Auch diese Kinder werden nicht erwähnt und ob sie mit in den Lostopf kommen, ist auch nicht klar.
Auch aus dem Änderungsantrag der Koalition ist mir nicht klar geworden, ob diese Kinder in Zukunft wirklich vorrangig behandelt werden. Die Formulie
rung finde ich nach wie vor nicht eindeutig. Das wird unseres Erachtens in der Praxis dazu führen, dass man sich über die Auslegung des Gesetzes streiten wird. Zum Übergang von der vierten zur fünften Klasse ist das im Gesetz klarer geregelt. Deshalb ist uns nicht klar, warum man das in der Anwahl der Grundschule derart unklar ausdrücken muss.
Was dem ZEB ein großes Anliegen war und zu Recht angemerkt wurde, ist der Übergang von der vierten zur fünften Klasse. Diesbezüglich galt in der Praxis das Prinzip: bei zwei oder mehr Kindern nicht mehr als zwei Schulen. Im Klartext heißt das: Wenn es schon nicht hinhaut, dass alle Geschwisterkinder auf eine Schule gehen, dann sollen drei Kinder nicht auch noch auf drei verschiedene Schulen gehen. Das sehen wahrscheinlich hier alle so. Von daher, denke ich, waren die Anmerkungen des ZEB zu Recht angebracht.
Man muss auf jeden Fall festhalten, dass es keine abschließende Liste ist und es eine familiäre Härte wäre, wenn das Geschwisterkind nicht auf dieselbe Schule kommt. Aber man muss hinzufügen: Von einer familiären Härte gehen wir auf jeden Fall aus, wenn durch die Nichtübernahme das Prinzip „nicht mehr als auf zwei Schulen verteilt“ verletzt würde.
Ich hätte es außerordentlich nützlich empfunden, auch wegen der Tücken des Losverfahrens, wenn die Koalition unseren Änderungsantrag komplett übernommen hätte oder zustimmen würde. Da sie das jetzt nicht tut, sondern nur in einem Punkt, bin ich der Meinung, hätte man sich für dieses Gesetz insgesamt mehr Zeit nehmen müssen, um das Anliegen und die Tücken im Anwahlverfahren etwas gerechter zu gestalten. Das habe ich hier positiv zur Kenntnis genommen. Ich glaube, dass das Gesetz in der geänderten Form in der Praxis leider dazu nicht taugt und noch zu vielen Unklarheiten führen wird.
Sie wollen noch eine Verordnung schaffen, in der man dann vielleicht noch das eine oder andere regeln kann. Ich muss ehrlich sagen: Die Fehler im ersten Gesetzentwurf haben nicht wir als Linksfraktion entdeckt, sondern die hat der Zentrale Elternbeirat entdeckt. Deswegen haben wir gesagt, wir versuchen deren Position, die im Beteiligungsverfahren leider nicht vollständig aufgenommen worden ist, in diesen Antrag aufnehmen und zu formulieren.
Ich bitte daher doch noch um Zustimmung zu unserem Antrag; wenn nicht, müssen wir uns im Zuge der Verhandlungen über die Verordnung noch einmal über das eine oder andere unterhalten. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin immer noch auf die Verhandlungen gespannt, die Frau Vogt gerade angesprochen
hat. Wir reden jetzt darüber, dass ein Gesetz zur Abstimmung steht, das nicht aus der Behörde kommt, sondern als Antrag von zwei Fraktionen, die zufällig eine Koalition gebildet haben, eingebracht wurde und