Protocol of the Session on December 18, 2014

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Übergänge und Prüfungen an Oberschulen und Gymnasien

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 7. Oktober 2014 (Drucksache 18/1569)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 11. November 2014

(Drucksache 18/1619)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Frau Senatorin, das möchten Sie sicherlich nicht tun, sodass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Anfrage gestellt, weil es ein Eckpfeiler der Schulreform war und ist, dass mit den Oberschulen eine neue Schulart angeboten wird, in der alle Abschlüsse erworben werden können – einschließlich des Abiturs. Wir wünschen uns, dass diese Schulart als Fortführung und Erweiterung der Gesamtschulen und der Integrierten Stadtteilschulen breit angenommen wird. Wir wünschen uns insbesondere, dass die Oberschule auch von leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern beziehungsweise ihren Eltern stark angewählt wird. Denn sonst funktioniert das ganze System nicht.

Wenn es an Oberschulen keine gute Mischung von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Leistungsniveaus gibt, dann ist der Sinn dieser Schulart nicht erfüllt. Dann stellt sich der positive Effekt des längeren gemeinsamen Lernens nicht ein.

Wenn sich herausstellen sollte, dass es doch starke Argument für Schülerinnen und Schülern oder deren Eltern gibt, wenn sie die Empfehlung über Regelstandard erhalten, im Zweifelsfall aufs Gymnasium zu gehen, wenn der Eindruck entstehen kann, dass die Wahl des durchgängigen Gymnasiums doch vorteilhafter und sicherer für sie ist, dann bekommen wir bildungspolitisch ein großes Problem. Genau auf dieses Problem verweist unsere Anfrage.

Beim Übergang in die gymnasiale Oberstufe gibt es einen dramatischen Unterschied, ob man vom Gymnasium oder von der Oberschule in die gymnasiale Oberstufe übergeht. Wer das Gymnasium besucht, muss die letzte Klasse vor der letzten Oberstufe einfach nur bestehen, dann hat er die Zugangsberech

tigung zur Oberstufe. Es reicht, nicht durchzufallen. Alles andere ist egal.

Für Schülerinnen und Schüler an Oberschulen stellt sich das ganz anders dar. Sie müssen in der letzten Klasse vor der Oberstufe sehr viel höhere Notenanforderungen erfüllen, um in die gymnasiale Oberstufe gelangen zu können. Die meisten gehen davon aus, dass man eine doppelte Drei braucht, also einen Durchschnitt von 3,0, sowohl insgesamt als auch in Deutsch, Mathe und der ersten Fremdsprache. In der Realität ist es aber komplizierter.

Auf jeden Fall reicht es nicht zu bestehen, wenn man von einer Oberschule in die gymnasiale Oberstufe wechseln will. Jetzt muss man sich einmal klarmachen, was das heißt. Wenn ich einen Sohn habe, der in der Schule ganz gut ist, in einigen Fächern sogar vielleicht richtig gut, es aber auch ein paar Fächer gibt, die ihm nicht so liegen, bin ich eigentlich nicht schlecht beraten, meinen Sohn nach der 4. Klasse in der Oberschule anzumelden. Aber da kann ihm dieses Leistungsprofil beim Übergang in die gymnasiale Oberstufe zum Verhängnis werden, am Gymnasium nicht. Da muss er nur einfach durchkommen, und es gibt sogar noch Ausgleichsmöglichkeiten.

Die Wahl der Oberschule ist für den Weg zum Abitur in diesem Fall ein Risiko. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das finden wir überhaupt nicht gut.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit läuft nämlich die Grundidee von der Oberschule und Gymnasium als nicht gleichartigen, aber gleichwertigen Schularten ins Leere. Es gibt an der Oberschule G- und E-Kurse. Wenn man in die gymnasiale Oberstufe will, muss man in mindestens drei Fächern auf dem E-Kurs-Niveau sein. Das finde ich nachvollziehbar.

Aber warum es dann nicht reicht zu bestehen, leuchtete mir nicht ein. Hier wird eine zusätzliche Hürde aufgebaut, die es am Gymnasium nicht gibt. Das macht die Wahl der Oberschule gerade für die leistungsstärkeren Schülerinnen und Schüler, die das Abitur anstreben, unattraktiv. Das ist schlecht für die Schülerinnen und Schüler. Das ist schlecht für die Oberschulen. Das ist vor allen Dingen schlecht für die Schulreform. Es ist deshalb auch wichtig, ob man einigermaßen unkompliziert zwischen Oberschule und Gymnasium wechseln kann.

Wenn ich weiß, aus der Oberschule komme ich nicht mehr heraus, ist das vielleicht eine erhebliche Hürde bei der Wahl nach der 4. Klasse. In der Praxis hört man auch genau das oft von Eltern, die zweifeln. Man muss nämlich einen langen Atem haben, um zwischen den Schularten zu wechseln. Es ist ja schön, dass der Senat in der Antwort schreibt, Durchlässigkeit sein kein Qualitätsmerkmal mehr. Die Schülerinnen und Schüler und die Eltern sehen das leider anders.

Was ich ungünstig finde, ist die Tatsache, dass die Behörde so viele Dinge an den Schulen einfach nicht weiß. Es kann nicht sein, dass man nicht weiß, wie viele Schülerinnen und Schüler eine Zugangsberechtigung zur gymnasialen Oberstufe bekommen haben. Wenn das wirklich stimmt und uns das Ressort die Antwort nicht nur einfach nicht geben wollte – das Problem hatte wir auch schon öfters –, muss sich das dringend ändern. Wie wollen wir denn steuern, wie wollen wir Probleme erkennen, wenn solche Daten nicht erhoben werden? Es hat auch mit Persönlichkeitsschutz nichts zu tun, wenn eine Schule meldet: Von uns wollen acht Schülerinnen und Schüler zum Gymnasium wechseln, es ist aber nur zwei gelungen. Das muss man wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die Gleichwertigkeit der Oberschule muss für die Schülerinnen und Schüler tatsächlich erfahrbar sein. Schon die Tatsache, dass kaum ein Schüler oder eine Schülerin sicher sagen kann, welche Noten man am Ende einer Oberschule braucht, um in die gymnasiale Oberstufe wechseln zu können, ist eigentlich ein Skandal. Wie will man denn eine Schulart starkmachen, wenn man auf die Frage: „Wie komme ich zum Abitur?“, sagen muss: Das weiß niemand so genau.

Machen Sie einmal eine Umfrage an den Oberschulen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie viele Schülerinnen und Schüler ihre Punkte auf Seite zwei wiedergeben können. Die meisten wissen nämlich tatsächlich nicht, in welchen Fächern sie mit welchem Notendurchschnitt bestehen müssen. Das muss sich ändern. Die Oberschule müssen wir stärken. Die Oberschule muss attraktiv bleiben. Sie muss auch attraktiv gemacht werden. Deswegen haben wir an dieser Frage einen Reformbedarf, den man vor fünf Jahren vielleicht noch nicht gesehen hat. – Ich danke Ihnen!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Güngör.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage konzentriert sich auf zwei wesentliche Aspekte. Erstens, in der Tat, unser im Jahr 2009 beschlossenes Schulgesetz ermöglicht sowohl an der Oberschule als auch am Gymnasium das Erreichen aller Abschlüsse, und um die Gleichwertigkeit der beiden Systeme zu untermauern, ist das auch notwendig. Gleichzeitig war es für uns wichtig, das gegenseitige Abschulen von einer Schulart zur anderen zu unterbinden. Das soll möglichst nur noch auf Schüler- beziehungsweise Elternwunsch geschehen. Jede Schule, das ist der Sinn, soll die Schülerinnen und Schüler zum bestmöglichen Abschluss führen, darauf ist unser Schulsystem ausgelegt, und an diesem Punkt ist aus der Großen Anfrage und den Antworten kein Handlungsbedarf zu erkennen.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Aspekt, meine Damen und Herren, ist der Übergang in die Oberstufe. Es kommt leider vor, dass Schülerinnen und Schüler die E-Phase nicht erreichen. Das ist bei dem vielfältigen Anschlussangebot, das wir in Bremen haben, aber auch gut zu kompensieren. Gewiss ist die persönliche Enttäuschung groß, das möchte ich hier gar nicht in Abrede stellen. In der Aufstellung nach Stadtteilen, wie viele Schülerinnen und Schüler den Übergang nicht geschafft haben, zeigt sich eine gewisse Korrelation zu den Abiturquoten, die wir in der Vergangenheit diskutiert haben, und dabei gibt es einige Stadtteile, die wir uns vielleicht genauer anschauen müssen. Die Übergangsprobleme, Frau Vogt, die Sie hier eben beschrieben haben, können wir gern in der Deputation noch einmal intensiver besprechen. Sie liegen aber darin begründet, dass wir in der Oberschule auf unterschiedlichen Leistungsniveaus und auf dem Gymnasium eben auf einem Leistungsniveau unterrichten und es vorher ein Leistungskriterium für den Übergang gibt, aus dem sich dann am Ende eben auch diese Übergangsprobleme ableiten lassen. Ich möchte die Gelegenheit aber doch nutzen, denn ich finde, aus der Aufstellung leitet sich doch noch eine weitere wichtige Frage ab: Wie viele der Schülerinnen und Schüler, die den Übergang in die Oberstufe nicht geschafft haben, wurden eigentlich in der Schule, in ihrer Klasse beraten oder vorbereitet, einen Anschluss an eine andere Schulform zu bekommen, zum Beispiel um eine Fachoberschule, eine Handelsschule oder eine Berufsfachschule zu besuchen? Mir sind da leider Fälle bekannt, in denen die Schule es eben nicht rechtzeitig geschafft hat, die Schülerinnen und Schüler in einem Anschlusssystem unterzubringen oder zumindest dahingehend zu beraten, dass sie sich rechtzeitig um einen Platz kümmern. Spätestens im Halbjahreszeugnis ist eine Tendenz, ob der gewünschte Übergang in die Oberstufe wahrscheinlich ist oder nicht, ja absehbar. Genau in diesem Abschnitt der Schullaufbahn ist eine intensive Vorbereitung für die Wahl eines Anschlusssystems sehr wichtig, nicht nur, um Anschluss zu finden, sondern auch um aufzuklären, welche Wege möglich sind, um dann doch noch den Wunsch zu verwirklichen, zum Beispiel die allgemeine oder die Fachhochschulreife zu erlangen. Menschen und auch Schülerinnen und Schüler brauchen Ziele und Perspektiven. Wir wollen, dass keine Schülerin und kein Schüler zurückgelassen werden, solche Brüche beeinflussen die Motivation. Das ist nicht nötig, meine Damen und Herren, nur wer sein Ziel nicht aus den Augen verliert, wird seinen Wunsch auch erreichen! – In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass man diese Debatte viel besser im Dialogverfahren in der Deputation hätte führen können und führen müssen.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Wie so vie- les, Herr Rohmeyer!)

Frau Vogt, man merkt, dass Sie sich aus dem Bildungskonsens bis heute inhaltlich verabschiedet haben.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. G ü n g ö r [SPD]: Will- kommen zurück in der Vergangenheit!)

Ja, Sie haben sich seinerzeit verabschiedet

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Ja, zu Recht!)

und stehen dem Ansatz des Bildungskonsenses, nämlich eine langfristige, gemeinsame und verlässliche Schulentwicklung für Bremen und Bremerhaven zu gewährleisten, immer noch fern.

Wir wollen jetzt aber einmal eben einmal ganz kurz das aufarbeiten, was Sie uns hier hingeworfen haben.

(Abg. S a f f e [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer ist wir?)

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es da-rum, dass der unterschiedliche Erwerb von Abschlüssen, die Übergänge von Schularten und Schulstufen sowie die schulischen Anschlüsse und Zugangsvoraussetzungen von Ihnen problematisiert wurden. Insbesondere wurden die unterschiedlichen Voraussetzungen beim Zugang zur Gymnasialen Oberstufe für die, die von der Oberschule oder vom Gymnasium kommen, thematisiert. Sie sprechen immer noch vom durchgängigen Gymnasium, ich darf Sie daran erinnern, dass es nur noch das Gymnasium gibt, es gibt keine andere Form des Gymnasiums mehr.

(Unruhe beim Bündnis 90/Die Grünen)

Entschuldigung, Frau Hoch, wenn Ihnen das zu nahe geht! Es ist schon ein Unterschied, ob Sie von vornherein eine Durchgängigkeit und damit eine Durchlässigkeit haben oder ob Sie das seinerzeit die Probleme verursachende Stufenschulsystem haben, das wir zum Glück nicht mehr haben. Da aber Frau Vogt noch in der Vergangenheit lebt, muss man sie zumindest darauf hinweisen, dass sie hier immer noch von einem vergangenen Schulsystem denkt und redet.

Hier geht es darum, dass Sie sagen, das sei alles ungerecht. Ich sage Ihnen, hier wird Ungleiches ungleich und Gleiches gleich behandelt, meine Damen

und Herren, und das ist richtig, denn Sie können nicht alles über einen Kamm scheren!

(Beifall bei der CDU)

Um auch unsere grundsätzliche Position noch einmal klar zu machen:

(Beifall bei der CDU)

Nicht alle können das Gleiche tun oder erreichen, aber sie müssen die gleiche Chance dafür haben, meine Damen und Herren, und darin unterscheiden wir uns ganz erheblich von Ihrer sozialistischen Position, Frau Vogt!