Protocol of the Session on November 9, 2011

Trotz allem wollen wir uns diesem Problem widmen, denn der eine abzuarbeitende Bereich umfasst zum Beispiel den Bereich aller Handlungen, die nach einer solchen Tat erfolgen. Polizeibeamte beklagen sehr häufig, dass sie zwar Anzeigen schreiben, aber keine oder nur eine sehr verspätete Reaktion durch die Justiz erfolgt. Ich glaube tatsächlich, dass man sich dies noch einmal genau anschauen muss, und die Bürgerschaftsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich dafür ausgesprochen, dies auch im Rahmen der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses noch einmal genau anzuschauen.

Unser Blick sollte sich aber nicht immer ausschließlich auf die Täter richten. Wenn Beamte Opfer von Gewalt werden, stellt sich die Frage des internen Umgangs mit den betroffenen Personen. Die Nachbereitung eines Einsatzes, der zur Verletzung eines Beamten mit anschließender Dienstunfähigkeit geführt hat, ist durch einen Forschungsbericht des Kriminologischen Instituts in Hannover als verbesserungswürdig eingestuft worden, und auch die Beamten selbst beklagen dies. Es ist doch vollkommen klar, dass Gewalttaten die Betroffenen stark belasten und wahrscheinlich auch zumindest im Unterbewusstsein eine Angst vorherrscht, erneut Opfer zu werden. Daher sollten wir in der Politik diesen Punkt noch einmal aufgreifen und uns in der kommenden Sitzung der Innendeputation vorstellen lassen, welche Mechanismen eigentlich bei der Polizei Bremen greifen, wenn Beamte Opfer von Gewalt geworden sind.

Bei der Frage der Prävention müssen wir uns gemeinsam fragen, ob alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Gewalt geht nicht selten mit Alkoholkonsum einher. Gewalt wird in der Regel durch Heranwachsende oder noch häufiger durch Erwachsene ausgeübt, und je höher der Alkoholpegel ist, desto niedriger ist die Toleranzschwelle. Unsere Präventionsprogramme richten sich aber in der Regel an Kinder und Jugendliche. Wir haben keine oder ganz wenige Präventionsprojekte im Bereich des Alkoholkonsums, die sich tatsächlich auf diesen – ich sage jetzt auch einmal bewusst – Täterkreis fokussieren. Ich glaube, auch da müssen wir nacharbeiten.

Die Frage der Eigensicherung wurde ebenfalls von Herrn Professor Pfeiffer in der Studie aufgegriffen, und auch da bin ich gespannt, was der Innensenator gleich ausführt. Ich glaube aber, dass wir uns insgesamt diese Studie noch einmal im Rahmen der Deputation für Inneres und Sport vornehmen und die

einzelnen Punkte abarbeiten sollten, auch wegen der Frage der Leitfäden zur Eigensicherung, die es bei der Polizei gibt, die aber zumindest der Mehrzahl der Mitglieder des Hauses hier nicht bekannt sind. Ich glaube, dass es tatsächlich hilfreich wäre, dort auch noch einmal hineinzuschauen.

Die Aus- und Fortbildung wurde auch schon angesprochen, ebenfalls ein Bereich, den man sich ansehen sollte. Wenn man sich aber die Herkunft der Täterinnen und Täter anschaut, dann ist diese vielfältig. Einerseits sind es Menschen aus einkommensarmen Milieus, die sich nicht mehr als Bestandteil der Gesellschaft betrachten und die Gewalt als durchaus legitimes Mittel der Durchsetzung ihrer Interessen sehen. Ich sage ganz deutlich: Da würde ich die CDU bitten, bei den nächsten Haushaltsberatungen einmal nachzudenken, wenn wieder einmal gefordert wird, allen oder den meisten Zuwendungsempfängern den Geldhahn zuzudrehen. Wir fördern eben jene Projekte, die in diesen einkommensarmen Milieus arbeiten, und da würde ich mir auch von der CDUFraktion eine ganz starke Rückendeckung für diesen Bereich wünschen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN – Abg. B e n s c h [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Der andere Bereich, das lässt sich aber auch nicht abstreiten – das ist im Rahmen der Sielwall-Krawalle aufgefallen – ist in der Mitte der Gesellschaft verankert. Wenn Sie sich den Bereich der Hooligans anschauen, dann sind das, in Anführungszeichen, Menschen, die einem normalen Beruf nachgehen, die als Anwälte oder Angestellte tätig sind. Da können wir der Situation sicherlich nicht mit den einfachen Mitteln Herr werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bensch?

Ich würde eben gern zu Ende vortragen, Herr Bensch. Danke!

Auch die von Herrn Hinners aufgeworfenen Probleme will ich ganz kurz streifen! Das eine ist der Bereich der Fußballfans. Es ist in der Tat richtig, dass es dort zu einer deutlichen Steigerung der Gewalt gekommen ist. Ich glaube aber auch, dass die Polizei Bremen hier den richtigen Weg wählt, indem sie nämlich immer wieder den Dialog mit den Fangruppierungen sucht und auch dort, glaube ich, anders als in anderen Städten Dinge wirklich auch verhindert und dadurch viel Vertrauen geschaffen hat. Ich sage aber auch ganz deutlich: Wenn man meint, nur weil Pyrotechnik nicht erlaubt wird, die Polizei zur Zielscheibe von Gewalt machen zu können, dann findet das bei uns keine Unterstützung, im Gegenteil, so etwas darf auch nicht toleriert werden!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zu den anderen Themen, Herr Hinners: Wir können uns jetzt noch ganz häufig über die Videoanlage am Sielwall unterhalten und über die Arbeit der Beweissicherungseinheit der Polizei, wir können gern noch länger über den Bereich der Kennzeichnungspflicht debattieren. Das sind für mich keine Punkte, die in diesem Bereich in irgendeiner Weise eine Rolle spielen. Auch die Frage der hohen Strafen können wir gern noch einmal diskutieren. Ich glaube, dass die Täter, die in Bremen-Nord im wahrsten Sinne des Wortes zugeschlagen haben, sich nicht hätten davon abhalten lassen, fünf Jahre mehr Strafe zu bekommen. Ich glaube, auch die Frage, ob im Bereich der Prävention eine sehr hohe Strafe hilft, um abzuschrecken, muss man negieren, auch dafür gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg, dass dies richtig ist.

Ganz zum Schluss: Ich fand es schon ein bisschen schwierig, Herr Timke, Sie haben gerade gesagt, Sie würden sich wünschen, dass die Polizei in die Schulen geht und klarmacht, was Schülerinnen und Schüler erwartet, wenn sie im späteren Leben Polizeibeamte angreifen. Ich glaube, der Weg, den die Polizei Bremen geht, sich nämlich als Partner der Schulen zu verstehen, in die Schulen zu gehen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

zu arbeiten und zu zeigen, dass man eben nicht die böse Staatsmacht ist, sondern ein gemeinsames Interesse hat, friedlich miteinander auszukommen, ist der richtige Weg. Den würden wir gern weiter forcieren, und zu allen anderen Fragen, die aufgeworfen wurden, glaube ich, ist die Aktuelle Stunde nicht geeignet, sondern vielmehr eine ausführliche inhaltliche Debatte in der zuständigen Deputation. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will doch noch kurz auf die Vorredner eingehen! Herr Senkal, ich habe Ihre Botschaft verstanden, aber es fehlen natürlich eindeutig die Handlungen dazu.

(Beifall bei der CDU)

Sie reden hier in der Bürgerschaft, wie toll und verständnisvoll Sie die Arbeit der Polizei sehen, aber in den täglichen Beschlüssen fehlt diese Anerkennung ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

völlig. Ich habe vorhin schon einige Beispiele genannt, ich möchte gern noch einige weitere hinzufügen!

Sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Personalstärke der Polizei deutlich zu reduzieren.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Was? – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das haben wir nicht beschlos- sen! – Abg. Ts c h ö p e [SPD]: ]: Das haben wir nicht beschlossen, Herr Hinners! Die Wiederholung von Lügen macht sie nicht wahrer!)

Das ist wirklich kein Signal. Sie haben sich von der Zahl 2 600 in Ihrem Koalitionsvertrag gelöst, und das war die Vereinbarung zwischen Politik und Polizei über Jahre nach der Polizeireform. Von dieser Zahl haben Sie sich gelöst, da brauchen Sie jetzt gar nicht darum herumzureden.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, das ist ein- fach nicht die Wahrheit!)

Sie haben eine Personalreduzierung im Koalitionsvertrag festgelegt.

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Sie können gern hierherkommen, Herr Dr. Kuhn, und alles richtigstellen, wenn Sie der Meinung sind, ich sage etwas Falsches!

Sie beabsichtigen darüber hinaus, die freie Heilfürsorge – das ist die Krankenkasse für Polizeibeamte – dergestalt zu ändern, dass sich die Polizeibeamten daran beteiligen sollen, und das unter dem Gesichtspunkt der Gewalt, die wir hier diskutieren. Das sind Signale an die Polizei, die aus Sicht der Polizisten – das kann ich Ihnen versichern – nachhaltige Wirkung haben.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: 1,5 Prozent!)

Im Übrigen habe ich in den letzten viereinhalb Jahren, denen ich diesem Hause angehöre, mehrfach festgestellt, dass bestimmte Begriffe bei Ihnen allen – nicht unbedingt bei unserer Fraktion, aber bei Ihnen in der rot-grünen Koalition – schon Pickel auslösen. Ich brauche nur das Stichwort Polizeigesetz in den Mund zu nehmen, dann sehe ich, wie bei Ihnen die Alarmglocken angehen und Sie der Polizei an der Stelle wirklich die erforderlichen Rechte möglichst nicht einräumen wollen.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Dazu haben wir keinen aktuellen Vorgang! Gar nichts!)

Jetzt möchte ich aber doch noch einmal auf die gesellschaftliche Teilhabe eingehen, Frau Vogt, weil ich das immer wieder höre! Ein Täter, der vor gar nicht langer Zeit einen Polizeibeamten im Steintor brutal zusammengetreten hat, ist mittlerweile glücklicherweise verurteilt worden, aber ich möchte Ihnen einmal erzählen, aus welchem Milieu er stammt: Beide Eltern sind Ärzte!

(Abg. Frau Vo g t [DIE LINKE]: Aber in Lüssum nicht!)

Sie können jetzt nicht damit kommen – und Herr Fecker hat ja ähnlich argumentiert, ich verkürze das jetzt einmal –: Armut gleich Gewalt. Das halte ich für ausgesprochen diskriminierend diesen Menschen in dem Milieu gegenüber.

(Beifall bei der CDU)

Zum Abschluss möchte ich noch einmal auf die Äußerung von Herrn Fecker eingehen, in Hamburg und Berlin sei es noch schlimmer. Herr Fecker, ernsthaft jetzt: Dadurch wird es doch nicht besser, oder? – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße sehr, dass die Bürgerschaft sich heute mit diesem ernsthaften Thema beschäftigt. Ich bedauere es aber, dass in dieser Debatte nun wirklich mit der Wahrheit so umgegangen wurde.

Ich darf noch einmal daran erinnern – und gehe einmal etwas in den Jahren zurück –, das Thema Gewalt gegen Polizeibeamte beschäftigt mich seit 2008. Ich habe mit Professor Pfeiffer und vielen anderen dafür geworben, dass man eine Studie erstellt, um einfach überhaupt einmal so etwas wie eine Grundlagenforschung zu bekommen, was sich in den letzten Jahren verändert hat. Ich habe dafür auf der Innenministerkonferenz geworben, das war im Juni 2009, auf der wir es geschafft haben – das gilt insbesondere für die Innenminister der Sozialdemokraten und der Grünen –, fast eine Zweidrittelmehrheit dafür zu bekommen.

Ich sage auch einmal, wer sich der Forderung nach dieser Studie angeschlossen hat: Es waren ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

die Christdemokraten, mein damaliger Kollege aus Hamburg, Herr Althaus,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Hört, hört! – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Und Sie sagen, Sie seien dabei gewesen!)

es war Bayern, und es war Baden-Württemberg. Wir haben diese Studie bezahlt. Wir haben sie in Auftrag gegeben. Deswegen finde ich es nicht korrekt, Herr Hinners, dass Sie diese Studie hier zitieren, und was Sie zitiert haben, ist richtig. Bremen hat sich sehr erfreulich daran beteiligt, wenn ich Ihnen einmal die Zahlen nennen darf! Es haben immerhin 41,3 Prozent der Polizeibeamten in Bremen mitgewirkt, der Bundesdurchschnitt lag bei 5,1 Prozent. Dies zum Thema Engagement und Beteiligung in Bremen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. H i n n e r s [CDU]: Ent- schuldigung, ich habe mich vertan!)

Dann überrascht es mich, dass Sie Ihre alten Beiträge nicht mehr in der Schublade haben! Sie waren es immer, der gesagt hat, wir bräuchten eine Verschärfung der Strafgesetze. Sie haben mit keiner Silbe erwähnt, dass genau dies geschehen ist und dass hier eine Reform stattgefunden hat. Das Strafmaß ist beim Widerstand von zwei auf drei Jahre erhöht worden. Ich sage ehrlich, ich habe immer gesagt, ich bin nicht ganz davon überzeugt. Man kann das machen. Es passt auch rechtssystematisch in das Strafgesetzbuch. Ich habe aber Zweifel genereller Art, ob man mit einer Verschärfung des Strafrechts das Problem wirklich adäquat angehen kann. Deswegen war es auch wichtig, dass wir hier einen breiteren Ansatz wählen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir haben dieses Thema seitdem auf allen Ministerkonferenzen vorangebracht, und nicht nur dort. Ich war am letzten Freitag in Weimar zur Sportministerkonferenz und hatte das Thema Sport und nationale Sicherheit angemeldet, weil Bremen federführend für die Sportministerkonferenz im nationalen Ausschuss ist. Wir haben mit großer Mehrheit, fast einstimmig, das neue nationale Konzept beschlossen, das auf die aktuellen Herausforderungen im Sport und ihre Begleiterscheinungen reagiert.

Die alten Konzepte haben sich darauf beschränkt zu fragen, wie die Sicherheit in den Stadien organisiert ist. Da ist einiges geschehen, aber wir sehen inzwischen, dass wir das Thema anders anfassen müssen, weil es sich nicht mehr auf die Situation im Stadion reduziert, sondern wir haben große Probleme auf den Zuwegungen. Es begegnen sich Hooligans, Ultras auf den Wegen von Nord nach Süd und von