Protocol of the Session on November 9, 2011

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Herr Hinners, wir haben uns in den vergangenen Jahren verstärkt diesem Thema in der Bürgerschaft gewidmet. 2009 haben wir den Senat aufgefordert, zukünftig Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte differenziert statistisch zu erfassen. So kommen wir zu den genauen Zahlen, die ich soeben genannt habe. Wir haben ferner gefordert, und zwar gemeinsam mit der Innenministerkonferenz, eine Studie zum Thema in Auftrag zu geben. Im Frühjahr 2010 haben wir mit dem Antrag „Gewalt gegen Polizeibeamte konsequent entgegentreten“ erklärt, dass wir jegliche gewalttätigen Übergriffe gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte verurteilen und dass wir wollen, dass solche Übergriffe von der Staatsanwaltschaft konsequent verfolgt werden. Wir haben den Senat gebeten, weiterhin darauf hinzuwirken, dass Polizeibeamtinnen und -beamte vor Gewalt und Verletzungen sowohl durch einsatztaktische Konzepte als auch durch die weitere Verbesserung der persönlichen Ausstattung sowie durch Fortbildung geschützt werden.

Weiterhin haben wir gebeten zu prüfen, inwieweit es einer Modernisierung des dienstlichen Rechtsschutzes bedarf, um Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten eine effektive Wahrnehmung ihrer Rechte zu ermöglichen, soweit sie im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit Schäden erlitten haben; vielleicht kann der Senator für Inneres später etwas dazu sagen. Wir haben das Vorgehen des Senats unterstützt, gemeinsam mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen und der Polizei Bremen zu untersuchen, wie sich die Gewalt gegenüber Polizeibeamten während der Dienstausübung quantitativ und qualitativ entwickelt hat.

Wir haben also von Bremen aus mit dafür Sorge getragen, dass 2009 durch die IMK eine umfassende, auf drei Jahre angelegte Studie zum Thema Gewalt gegen Polizeibeamte beschlossen und vom renommierten Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen durchgeführt wurde, das Sie gerade erwähnt haben. Die ersten Ergebnisse der Studie bestätigen, dass die Gewalt gegen Polizeibeamte in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Nach der Studie ist im Vergleich der Jahre 2005 zu 2009 die Anzahl der schweren Gewaltübergriffe um 60 Prozent angewachsen.

Doch die Gewalt gegen die Bremer Polizei hat seit diesem Sommer ein konkretes Bild, nicht Zahlen, sondern die Bilder von nächtlichen Feiern aus diesem Jahr, bei denen Polizistinnen und Polizisten angegriffen wurden und eine Menschenmenge einfach teilweise jubelnd zuschaute. Ich möchte zu diesem Zweck kurz aus einem Polizeibericht an den Senator für Inneres vom 13. Juli 2011 zitieren:

„Die Gruppen sind heterogen durchmischt. Neben einer Vielzahl von Schaulustigen, die den Störern ungewollt Deckung bieten, gibt es immer wieder Rädelsführer oder Anstifter, die aus ihrer jeweiligen persönlichen Interessenlage den Konflikt mit der Polizei anheizen. Der Kern der Störer ist eher begrenzt, findet aber immer wieder Unterstützung durch sich einmischende Zuschauer. Die von der Polizei jeweils angekündigten Verhaltenshinweise und dann durchgeführten Maßnahmen werden von diesen Zuschauern nicht akzeptiert.“

Zu der konkreten Nacht: „Diese Gewalttäter und Störer kamen eher aus dem bürgerlichen Lager. Der Gewaltausbruch war ungewöhnlich und lässt sich nur durch das hohe Menschenaufkommen und den Anteil an stark alkoholisierten Personen erklären. Erkenntnisse zu den Tatverdächtigen und den Störern: keine bisherigen Auffälligkeiten in Bezug auf politisch motivierte Kriminalität, bisher kaum bis gering polizeilich in Erscheinung getreten.“ Ergebnis dieser Nacht: „Zwölf verletzte Polizisten, Prellungen, Hämatome durch körperliche Attacken, beispielsweise Tritte, Prellungen nach Flaschenwürfen, Kratz- und Schürfwunden, zwei Polizisten tagelang dienstunfähig.“

Wir haben den erst kürzlich in Bremen-Lüssum erfolgten Angriff gegen zwei Polizisten im Kopf, die von sechs Menschen, vier Männern und zwei Frauen, angegriffen und zusammengeschlagen wurden. Dem einen Beamten wurde mehrfach gegen den Kopf getreten. Mein Mitgefühl und mein Respekt an dieser Stelle für diese Beamten!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Aus diesen Berichten können wir nur eine Schlussfolgerung ziehen: Solche Übergriffe auf Polizistinnen und Polizisten dürfen in Bremen nicht mehr geschehen. Wir wollen nicht nur, dass unsere Städte sicherer werden, wir wollen, dass die Arbeit für unsere Polizistinnen und Polizisten sicherer wird und dass Angreifern gegen Polizeibeamte das widerfährt, was sie verdienen, nämlich die höchstmögliche Strafe, und den Polizistinnen und Polizisten Unterstützung und Schutz, wenn sie diese benötigen.

Deshalb mein Appell heute: Wir als Politikerinnen und Politiker, liebe Bremerinnen und Bremer, müssen uns dafür einsetzen, dass die Polizei in dieser Stadt gebührend und respektvoll behandelt wird. Angriffe gegen Polizistinnen und Polizisten sind An

griffe gegen unseren Rechtsstaat, und somit sind es Angriffe gegen uns alle. Wir brauchen eine Polizei, die unsere Fußballspiele, unsere Feste, unser Alltagsleben sicherer macht, hierfür gebührt der Polizei unser voller Respekt. Schaut nicht weg, wenn sich andere respektlos gegenüber der Polizei verhalten, völlig inakzeptabel ist Zuschauen oder gar Anfeuern! Zeigen wir lieber Zivilcourage und weisen die in ihre Schranken, die Polizistinnen und Polizisten respektlos behandeln oder sogar angreifen!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Nutzt das Wissen, das wir heutzutage haben! Wertet die Studien aus, die in den vergangenen Jahren zu den Ausmaßen und den Ursachen von Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten erstellt worden sind, und schafft Sicherheit für unsere Polizistinnen und Polizisten, investiert in Präventions- und Deeskalationstraining und in die Ausstattung der Polizei!

Zum Thema Investieren: Was wir brauchen, um die aktuelle Situation zu ändern, ist keine Frage der Zahlen. Wir brauchen zur Lösung des Phänomens in der Regel nicht mehr Polizisten. Wir wollen hier nicht in eine Auseinandersetzung gehen oder diese noch verschärfen, Bürger gegen Polizei oder Polizei gegen Bürger, denn, so heißt es auch in dem Fazit zu dem soeben zitierten Bericht: „Dieses gesellschaftliche Phänomen lässt sich durch die Polizeimaßnahmen allein nicht lösen. Hier ist die Stadt Bremen in ihrer Gesamtheit in einer besonderen Verantwortung.“

Wir müssen also in ein Umdenken investieren, in Aufklärung, in Projekte an Schulen, wir müssen in Wissen über Ursachen und Lösungen in den Polizeiausbildungen, in Fortbildung in Training und in Übungen investieren. In unseren Stellenausschreibungen für Polizeianwärter in Bremen suchen wir nach aufgeschlossenen, teamfähigen, kreativen jungen Menschen, und solche Lösungen müssen wir auch für das Phänomen Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten entwickeln. Wir müssen für Anteilnahme in der Bevölkerung sorgen und für ein Wissen in der Bevölkerung, was es bedeutet, Polizistin oder Polizist zu sein.

Viele junge Menschen wollen diesen Beruf ergreifen. Wir haben regelmäßig 1 000 Bewerbungen für unsere rund 100 Ausbildungsplätze. Machen wir uns das zunutze! Gehen wir in die Schulen und werben nicht nur für diesen Berufswunsch, sondern auch dafür, respektvoll mit denen umzugehen, die diesen Beruf später ausüben! Wir brauchen keine Aufrüstung der Polizei gegen die eigenen Bürger, sondern wir müssen auf allen gesellschaftlichen Feldern dafür sorgen – in den Schulen, in Freizeitheimen, Sportvereinen, Betrieben –, dass es bei den Bremerinnen und Bremern zu einem tiefen Verständnis dafür

kommt, welch einen wichtigen Job Polizistinnen und Polizisten am Tag und in der Nacht für uns erledigen.

Über meine Forderung hinaus biete ich der Polizei an, gemeinsam mit ihr in den kommenden vier Jahren nach Antworten zu suchen, wie wir den Respekt gegenüber der Polizei bei allen Bremerinnen und Bremern – und somit in der Gesellschaft – stärken können, und zwar durch Schulprojekte, durch den Ausbau der Präventionsarbeit in den Stadtteilen und durch Entwicklung und Durchführung von Sport- und Kulturprojekten, die helfen, die Anerkennung der Arbeit der Polizei und den Respekt gegenüber Polizistinnen und Polizisten in der Bevölkerung zu stärken.

Ich finde, hier ist unsere Polizei bereits auf dem richtigen Weg, wenn der Polizeipräsident nach einer Nacht auf der Sielwallkreuzung junge Polizistinnen und Polizisten mit vor die Kameras holt, um der Polizei ein Gesicht zu geben. Diesen Weg in die gesellschaftspolitische Aufklärung werden wir alle in den nächsten Jahren weitergehen müssen. Hierfür sichere ich der Polizei die volle Unterstützung der SPD-Fraktion zu. Hinter den Uniformen stehen Menschen, hinter Menschen stehen Familien, und hinter Familien stehen wir als Gesellschaft, und diese gilt es zu schützen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senkal, warme Worte an die Polizei, aber das, was die Polizei braucht, sind nicht warme Worte, sondern Taten!

(Beifall bei der CDU)

Die Anzahl der gewalttätigen Übergriffe auf Polizeibeamte hat in den letzten Jahren erschreckende Ausmaße angenommen. Mittlerweile werden bundesweit pro Jahr etwa 21 000 Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte registriert. Der Respekt vor den Vertretern von Recht und Ordnung – und das belegen alle Statistiken – ist weitestgehend verloren gegangen. Vor allem Jugendliche, die unter Alkoholeinfluss stehen, greifen immer häufiger Polizeibeamte an oder widersetzen sich polizeilichen Maßnahmen. Auch in Bremen ist die Zahl der Übergriffe auf Ordnungshüter erschreckend hoch. Allein im vergangenen Jahr wurden in unserem Bundesland 550 Angriffe auf Polizeibeamte regis triert, bei denen 82 Uniformträger verletzt wurden. Für dieses Jahr befürchten Experten eine Zunahme der Widerstandshandlungen.

Gewalt gegen Polizeibeamte findet schon lange nicht mehr hauptsächlich bei Großeinsätzen wie Fußballspielen oder Demonstrationen statt, Herr Hinners hatte es vorhin erwähnt. Der Hass auf Uniformträger hat sich vielmehr in den Alltag verlagert und kommt bei ganz gewöhnlichen polizeilichen Maßnahmen, zum Beispiel bei einer Verkehrskontrolle oder bei einer gemeldeten Ruhestörung, zum Vorschein. Auch der Angriff einer Gruppe Heranwachsender in Lüssum auf zwei Polizeibeamte vor einigen Tagen erfolgte im Rahmen einer Routinekontrolle. Auf diesen Vorfall, wie auch auf alle anderen Übergriffe, die auf Ordnungshüter begangen werden, muss der Staat angemessen, aber wirkungsvoll reagieren, denn Angriffe auf Uniformträger sind Angriffe auf den Staat und damit auf die Allgemeinheit.

Zwar hat der Bundestag im Juli dieses Jahres das Strafmaß für den Straftatbestand der Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte von zwei auf drei Jahre erhöht, allerdings glaube ich nicht, dass diese Gesetzesverschärfung auch zielführend ist, denn schon in der Vergangenheit wurde die Höchststrafe nur in Ausnahmefällen verhängt. Die Mehrzahl der Strafen für Übergriffe auf Polizeibeamte ist zur Bewährung ausgesetzt worden oder fand während der Beweisaufnahme vor Gericht keine Beachtung, weil dem Angreifer weitere Delikte in Tateinheit vorgeworfen wurden.

Diese milden Urteile, meine Damen und Herren, bringen gar nichts. Es ist im Gegenteil das falsche Signal, wenn man für einen Übergriff auf einen Polizeibeamten, der, wie gesagt, für den Staat tätig ist, und der dann auch als Angriff gegen den Staat gewertet wird, mit einer Bewährungsstrafe davonkommt. Deshalb hatte ich bereits in der letzten Legislaturperiode einen Antrag in die Bremische Bürgerschaft eingebracht, der eine Anhebung der Mindeststrafe bei Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte forderte. Das, meine Damen und Herren, wäre das richtige Signal der Politik an die Gewalttäter gewesen, allerdings wurde dieser Antrag von allen in der Bürgerschaft vertretenen Fraktionen abgelehnt.

Neben einer Strafverschärfung sind aber auch präventive Maßnahmen notwendig, um die hohe Anzahl der Übergriffe auf Polizeibeamte zu verringern. Es muss zum Beispiel geprüft werden, ob die personenbezogene Ausstattung der Polizeibeamten noch den gestiegenen Anforderungen an diesen Beruf entspricht. Wir sollten uns auch darüber unterhalten, ob man die Stundenzahl für das Einsatztraining im Rahmen der Aus- und Fortbildung erhöhen kann. Außerdem müssen wir Folgendes tun: Wir müssen auch früher und intensiver an die Schulen gehen und den Kindern deutlich machen, welche Sanktionen oder Strafen zu erwarten sind, wenn man Gewalt gegen Polizeibeamte anwendet.

Meine Damen und Herren, es gibt sicherlich kein Patentrezept, um Übergriffe auf Polizeibeamte einzu

dämmen. Ich denke, das ist jedem klar, denn es hat sich in den letzten Jahren gerade unter Jugendlichen herumgesprochen, und es ist ein Bewusstseinswandel festzustellen, dass man Uniformträger nicht mehr als Autoritätspersonen ansieht, sondern als Staatsvertreter, die es zu schädigen gilt. Um dieses Bewusstsein zu ändern, bedarf es sicherlich vieler Maßnahmen. Wichtig ist – und deswegen bin ich auch der CDUFraktion für diese Aktuelle Stunde dankbar –, dass wir darüber sprechen, aber nicht nur, dass wir darüber sprechen, sondern auch ganz konkret handeln und es hier nicht bei der Aktuellen Stunde belassen. Deshalb erwarte ich, dass wir dieses Thema auch in einer der nächsten Sitzungen der Innendeputation behandeln, um dort entsprechende Vorschläge zu beraten. – Vielen Dank!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich vorhin noch einmal mehr gefragt, welches eigentlich der Anlass für diese Aktuelle Stunde „Keine Toleranz bei Gewalt gegen Polizeibeamte – Polizeiarbeit anerkennen“ ist. Das ist ein bisschen schwammig geblieben. Ich frage einmal anders: Gab es in der letzten Zeit einen Vorfall, bei dem Gewalt gegen Polizei toleriert oder die Polizeiarbeit nicht anerkannt worden wäre? Nach meiner Erinnerung ist das nicht der Fall. Ich glaube nicht, dass es in diesem Haus irgendjemanden gibt, der es toleriert, dass in Lüssum Polizeibeamte getreten und dabei wirklich ernsthaft verletzt werden. Der Titel dieser Aktuellen Stunde geht aber weiter: „Politischen Rückhalt geben“. Das könnte ja eigentlich vieles bedeuten, zum Beispiel, die Sparquote bei der Polizei abzusenken oder auszusetzen, also keine Einkommenseinbußen für Polizisten, keine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Wir wären unbedingt dafür, denn die Polizisten haben einen harten Job, und deswegen haben sie auch gute Arbeitsverhältnisse verdient. Das ist für uns eine klare Sache. Was Sie hier aber vorgetragen haben, Herr Hinners, ist einfach ein bisschen unkonkret. Ich weiß, in den Medien stellt Ihre Fraktion gern andere Forderungen, Forderungen nach höheren Mindest- und Höchststrafen bei Widerstandshandlungen oder zusätzliche Strafparagrafen. Dies ist nicht neu, die Bundesregierung hat im Jahr 2010 bereits die Höchststrafen für Widerstandshandlungen erhöht, und bewaffnete Angriffe auf Beamte und Sachbeschädigungen an Dienstfahrzeugen werden nun ebenfalls härter geahndet. Strafbarkeitslücken gibt es deswegen unseres Erachtens nicht, und das ist aus mehreren Gründen auch die falsche Richtung, denn es ist empirisch nicht haltbar, unnötig und rechtssystematisch auch nicht passend. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Sie haben es ja selbst vorgetragen: Die meisten Fälle von Gewalt gegen Polizisten erfolgen im Alltag, und höhere Strafen haben daher dabei keine abschreckende Wirkung, davon gehen mittlerweile auch die Kriminologen aus. Die allermeisten Fälle von Widerstandshandlungen und Gewalt gegen Polizeibeamte erfolgen in gruppendynamischen Auseinandersetzungen, also in größeren Gruppen im Affekt oder unter Drogen- oder Alkoholeinfluss. In diesen Situationen kann man natürlich nicht davon ausgehen, dass Täter rational handeln.

Jeder Angriff auf einen Polizisten wird als Körperverletzung gewertet, sogar der Versuch ist strafbar, das ist bei jedem anderen Bürger übrigens genauso, und mit Höchststrafen – das noch einmal an Herrn Timke! – von bis zu 10 Jahren Gefängnis sind diese Straftaten und Verbrechen mit der vollen Härte der Justiz auch sanktioniert. Im Übrigen will ich einmal sagen: Die Aufklärungsquoten für Angriffe auf Polizeibeamte sind im Gegensatz zu den anderen Aufklärungsquoten ziemlich hoch.

Die Forderung nach härteren Strafen oder neuen Paragrafen kann das Problem wachsender Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft nicht einmal ansatzweise lösen, Herr Hinners. Genau hier müssen wir nämlich ansetzen: Was sind denn die Gründe für das Phänomen steigender Gewalt gegen Polizisten? Internationale Studien belegen nämlich ziemlich eindrucksvoll, wie eng die Gewaltkriminalität mit der sozialen Spaltung der Gesellschaft zusammenhängt. Es muss uns also darum gehen, die sozialen Verhältnisse umzuwälzen, die immer häufiger zu den Konflikten und zu Gewalt führen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist aber komisch, dass viele dieser Täter gar nicht arm sind! Man kann doch nicht alles immer nur mit einem Grund erklären!)

Solange aber die Polizei in diesen fremdverschuldeten Konflikten eingesetzt wird, helfen weder schärfere Gesetze noch Appelle an den Senat, die Arbeit der Polizei stärker zu würdigen.

Handlungsbedarf besteht nach Ihrem Vortrag für mich noch bei der konkreten Ursachenforschung. Welche Vorgeschichten und Umstände, welche sozialen, wirtschaftlichen und psychologischen Bedingungen erhöhen die Gewaltbereitschaft gegenüber der Polizei? Diese Fragen sind noch völlig offen, diese haben auch die Studien nicht geklärt.

Ich komme zum Schluss! Ich denke, wir brauchen eine Kultur der Deeskalation, damit der Gewalt wirksam vorgebeugt werden kann. Friedliche Konfliktbewältigung und sozialverträgliche Problemlösungen müssen dabei in den Vordergrund treten. Herr Senkal, Sie haben es ja auch gesagt, wir brauchen Präventions- und Deeskalationstrainings für die Polizei, und dafür brauchen wir auch hier in Bremen

die Mittel. Hier zu sparen wäre also mit Sicherheit der falsche Weg. Ich denke, dass ein großer Teil der Widerstandshandlungen und Angriffe auf Polizisten in Auseinandersetzungen entsteht, die in größeren Gruppen geführt werden. Präventions- und Deeskalationstrainings sind eine Möglichkeit, solche Dinge, wie sie an der Sielwall-Kreuzung passieren oder zum Beispiel bei Fußballspielen, auch deutlich einzudämmen.

Für uns als Fraktion DIE LINKE bleibt aber die wirksamste Gewaltprävention, tatsächlich den Menschen bessere Perspektiven für gesellschaftliche Teilhabe zu bieten, und hier sehen wir angesichts der Situation und der sich weiter vertiefenden sozialen Spaltung in Bremen ziemlich schwarz, das muss ich ehrlich sagen. Ein Bildungssystem, das Jugendliche ohne einen vom Handwerk und der Industrie anerkannten Schulabschluss entlässt, macht uns da nicht gerade richtig Mut, dass diese Menschen hier auch wirklich eine Perspektive finden. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der brutale Angriff auf zwei Polizeibeamte in Bremen-Nord hat auch in der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Bestürzung ausgelöst. Angriffe auf Polizeibeamte haben in der Tat zugenommen. Für uns Grüne ist klar: Wer Menschen angreift und vorsätzlich verletzt, muss durch den Rechtsstaat verfolgt und bestraft werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Diese Tat zeigt auch, dass der Respekt gegenüber den Beamtinnen und Beamten schwindet oder auch teilweise gar nicht mehr vorhanden ist. Es ist hier mehrfach ausgeführt worden, dass selbst einfache Kontrollen zur Feststellung der Personalien durchaus nicht mehr den Einsatz einer einzigen Streifenwagenbesatzung, sondern mehrerer erfordern.

„Keine Toleranz bei Gewalt gegen Polizeibeamte – Polizeiarbeit anerkennen und politischen Rückhalt geben“, das ist der Titel dieser Aktuellen Stunde, und ähnlich wie die Kollegin Frau Vogt habe ich mich gefragt, was uns der Autor eigentlich damit sagen will. Toleriert denn hier irgendwer im Saal diese Gewalt, Herr Hinners? Wer sich einmal die Mühe macht, nicht nur die populistische Schiene zu bedienen, sondern auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinzuzuziehen, der wird schnell erkennen, dass viele Großstadtpolizeien mit dem Problem zu kämpfen haben. Berlin oder Hamburg sind noch in einem viel stärkeren Maße von dieser

Entwicklung betroffen. Mangelnder Respekt oder Gewalt gegen die Polizei sind unabhängig von den politischen Farben der jeweiligen Landesregierung. Wenn hier etwas anderes behauptet wird, dann ist das grober Unfug!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Trotz allem wollen wir uns diesem Problem widmen, denn der eine abzuarbeitende Bereich umfasst zum Beispiel den Bereich aller Handlungen, die nach einer solchen Tat erfolgen. Polizeibeamte beklagen sehr häufig, dass sie zwar Anzeigen schreiben, aber keine oder nur eine sehr verspätete Reaktion durch die Justiz erfolgt. Ich glaube tatsächlich, dass man sich dies noch einmal genau anschauen muss, und die Bürgerschaftsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich dafür ausgesprochen, dies auch im Rahmen der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses noch einmal genau anzuschauen.