Die Paulusgemeinde ist Mitgliedsorganisation des Mülheimer Verbandes freikirchlicher-evangelischer Gemeinden. Zum Mülheimer Verband, welcher bis zum Jahr 2013 als GmbH geführt wurde und seitdem als Verein geführt wird, oder seinen angeschlossenen Gemeindevereinen liegen bisher keine Entscheidungen anderer Bundesländer oder von Gerichten vor. Zweifelsfrei liegen bei der Paulusgemeinde viele Kriterien vor, welche einen Anspruch auf Anerkennung begründen. Allerdings muss eine Religionsgemeinschaft insbesondere auch die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die Grundrechte Dritter nicht gefährdet. Die Bremische Bürgerschaft hat unter anderem mit dieser Begründung den Zeugen Jehovas die Anerkennung verweigert.
Der Mülheimer Verband arbeitet ausweislich seiner Zeitschrift „Gemeinde KONKRET“ mit Markus Hoffmann zusammen. Markus Hoffmann ist Leiter der Organisation wuestenstrom e. V. Der Mülheimer Verband lässt seine Pastoren und Vikare durch diese Organisation schulen. Die Organisation wuestenstrom e. V. und Herr Hoffmann vertreten unter anderem die These, dass es sich bei Homosexualität um Symptome einer therapierbaren seelischen Störung handelt. Vereinfacht gesagt, wuestenstrom will Homosexuelle umpolen, um sie von ihrem Leiden zu erlösen. Der Hauptgeschäftsführer des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen, Armin Traute, wertet diesen Therapieansatz von wuestenstrom deshalb auch als Verletzung des Schutzes von anvertrauten Personen.
Soweit die Pastoren des Mülheimer Verbandes die Ansichten und Ansätze der Organisation wuestenstrom in ihre seelsorgliche Tätigkeit übernehmen, steht für uns deutlich im Raum, dass die Gemeinden dieses Verbandes eben nicht die Gewähr für den Schutz der Grundrechte Dritter bieten. Sie können sich mit Sicherheit davon exkulpieren, indem sie sich entsprechend erklären. Für die Aufhellung dieser Fragestellung ist eine ausführliche Anhörung im Rechtsausschuss erforderlich. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Wir debattieren hier die Frage, ob der Paulusgemeinde in Bremen die Rechte der Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen werden sollen. Die Gemeinde hat einen entsprechenden Antrag gestellt, wir haben es gerade gehört. Die Paulusgemeinde ist eine evangelische Freikirche und bezeichnet ihr theologisches Konzept als evangelikal-charismatisch.
Mit dem Körperschaftsstatus sind eine Reihe von Privilegien verbunden, darum gibt es eben auch Bedingungen, die für die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts erfüllt sein müssen. Dabei darf es nach geltendem Recht allerdings kein Kriterium sein, wie der Glaube und die Lehre einer Religionsgemeinschaft bewertet werden. Ob eine Religionsgemeinschaft der Körperschaftsstatus versagt werden kann, darf sich also nicht nach dem propagierten Glauben richten, sondern lediglich danach, ob das tatsächliche Verhalten der Religionsgemeinschaft als rechtstreu bewertet wird und dies auch für die Zukunft angenommen werden darf. Um es konkreter zu machen: Ob eine Religionsgemeinschaft sich gesellschaftlichen Entwicklungen verschließt, ob sie ein sehr konservatives Geschlechterbild hat, ob sie möglicherweise gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen ablehnt oder besonders missionarisch ist, darf nach dem Gesetz kein Grund sein, einer Gemeinschaft die Anerkennung des Körperschaftsstatus zu verweigern.
Meine Fraktion ist nicht nur, aber auch in religiösen Fragen eine erfreulich bunte Versammlung. Wir Grünen setzen uns aus religiösen und nicht religiösen Menschen, aus Menschen ganz unterschiedlicher religiöser und kultureller Herkunft zusammen. Für uns alle aber gilt selbstverständlich, und ich vermute, das gilt auch für andere Fraktionen hier in unserem Haus: Vielfalt und Offenheit für andere empfinden wir als Bereicherung. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der unterschiedliche Lebensentwürfe, ob in der Ehe oder in Lebensgemeinschaften, ob mit oder ohne Kinder, ob hetero- oder homosexuell, ob allein, zu zweit oder in der Gruppe, selbstverständlich für jeden Menschen offen sind, und das in allen Berufen.
Wir sind uns einig, dass die Religionsfreiheit in Deutschland durch das Grundgesetz garantiert ist, und das ist ein hohes Gut. Das gilt sowohl für die positive als auch für die negative Religionsfreiheit. Wir ha
ben das garantierte Recht zu glauben, was wir glauben, und uns entsprechenden Religionsgemeinschaften anzuschließen. Genauso haben wir das Recht, keinem religiösen Glauben und keiner Religionsgemeinschaft angehören zu müssen. Das ist gut so. Wir debattieren hier also nicht auf der Ebene, wer was glauben darf oder nicht, denn das ist rechtlich und moralisch selbstverständlich, die Gedanken sind frei. Das gilt auch für Gedanken und Überzeugungen, die wir nicht teilen, sonst wäre Toleranz ja keine Kunst.
Hier ist also nicht zu beurteilen, was uns möglicherweise gefällt oder nicht, sondern ob die Paulusgemeinde die rechtlichen Voraussetzungen zur Erlangung des Körperschaftsstatus erfüllt. Zur Klärung dieser Frage halten wir wie unser Koalitionspartner auch die Überweisung in den Rechtsausschuss für geboten. Der Rechtsausschuss wird sich mit den offenen Fragen befassen und der Bremischen Bürgerschaft eine Empfehlung aussprechen. Meine Fraktion empfiehlt die Überweisung in den Rechtsausschuss. – Ich danke Ihnen!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auch DIE LINKE unterstützt die Überweisung in den Rechtsausschuss. Wir sind der gleichen Meinung, die auch Frau Dr. Kappert-Gonther geäußert hat: Natürlich sind wir gegenüber unterschiedlichen religiösen Ansichten tolerant. Wir sind aber auch der Meinung, wenn sich die Körperschaftsfrage stellt, das heißt, wenn Religionsgemeinschaften dadurch eine Verbindung mit dem Gemeinwesen eingehen – so will ich es einmal ganz allgemein ausdrücken –, muss das an bestimmte Bedingungen geknüpft werden. Dann handelt es sich nicht mehr nur um die Freiheit zu sagen, wir tolerieren jede Art von Religionsausübung, sondern dann erfolgt das im Auftrag der Gemeinschaft, im Auftrag des Staates, und da muss genau hingeschaut werden. Ich glaube, es wird auch niemanden wirklich erstaunen, dass wir als LINKE damals, als das Christival Festival hier in Bremen stattfand, der Meinung waren, dass die dort angebotenen Veranstaltungen, die auch die Themen Heilbarkeit von Homosexualität und Ähnlichem behandelten, sehr genau und sehr kritisch gesehen werden müssen. Für uns gibt es daher in der Frage auch nur den Weg, eine genauere Anhörung im Rechtsausschuss durchzuführen. – Danke! interjection: (Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das gute Recht des Parlaments, vor der Beschlussfassung zu Gesetzen selbstverständlich auch eine Anhörung durchzuführen. Das ist sogar gängige Parlamentspraxis, von der wir als CDU-Fraktion ja auch hinreichend Gebrauch gemacht haben. Deswegen will ich mich diesem Vorschlag natürlich nicht verwehren. Ich möchte allerdings hinzufügen, dass wir als CDU-Fraktion auch kein Problem gehabt hätten, dem nun seit mehr als zwei Jahren vorliegenden Antrag auf Zuerkennung der Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts auch ohne eine Anhörung in diesem Jahr heute im Parlament in der ersten Lesung zuzustimmen. Wir gehen davon aus, dass der Senat die Einwendungen, die Sie, Herr Tschöpe, dagegen erhoben haben, in seiner grundlegenden Prüfung auch zum Inhalt gemacht hat.
Nein, darin steht aber, dass der Senat die Verleihung der Körperschaft des öffentlichen Rechts uneingeschränkt befürwortet, und zwar nicht nur in Bezug auf die Vorschriften des Grundgesetzes und der Landesverfassung, sondern insbesondere auch nach den hierzu ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und unter Berücksichtigung der Anforderungen, die beispielsweise die Kultusministerkonferenz und andere Institutionen gestellt haben.
Der Senat hat alle Voraussetzungen im Einzelnen geprüft und kommt für sich zu dem Ergebnis, dass er, ich will das einmal so sagen, den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilen kann. Das bindet uns nicht, aber ich denke, wenn jemand zwei Jahre lang einen solchen Antrag geprüft hat, dann wird er sich sicherlich auch über all diese Fragen Gedanken gemacht haben, ansonsten könnte ich nicht verstehen, dass uns hier die Zuerkennung vom Senat empfohlen wird.
Ich will ausdrücklich sagen, dass in der Vorlage, die uns schon seit Längerem vorliegt, klargestellt wird, dass es nicht darum geht – Frau Dr. Kappert-Gonther, genauso, wie Sie es gesagt haben –, den Inhalt von Glaube und Lehre in der Antragsprüfung zu beurteilen. Das ist gerade nicht der Maßstab. Deswegen ist die Verbindung, die der Kollege Tschöpe gezogen hat, ein bisschen weit gefasst. Nur weil diese Institution in der Lehre bestimmte Kooperationen eingeht, kann man daraus nicht schließen, dass damit eine Verfasstheit entsteht, die verfassungsrechtliche Grundsätze infrage stellt. Ich kann es zumindest nicht erkennen, denn ansonsten wären solche Institutionen und Zusammenarbeiten sicherlich schon längst auch rechtlich verboten worden. Das ist definitiv nicht der Fall.
Die Paulusgemeinde, die freikirchliche Gemeinde, deren Glieder, Organe und auch deren Pastoren haben sich in rechtsstaatlicher Hinsicht bisher nichts vorzuwerfen. Das will ich an dieser Stelle für die CDUFraktion ausdrücklich sagen. Ob man diese Zusammenarbeit nun gut findet oder nicht, steht aus meiner Sicht auf einem anderen Blatt. Wenn die Ansprüche, die Sie gestellt haben, Herr Tschöpe, generell gelten sollten, bin ich nur froh, dass wir heute nicht über die Zuerkennung der Eigenschaft der Körperschaft des öffentlichen Rechts an die katholische Kirche miteinander reden müssen. Denn was die Einstellung zur Frage von Abtreibung oder Schutz des ungeborenen Lebens oder beispielsweise auch den Umgang mit Homosexualität in der katholischen Kirche betrifft,
deswegen will ich mich dem Wunsch nicht verschließen. Ich kann nur sagen, ich teile Ihre Bedenken nicht. Selbst wenn das, was Sie erwarten, nicht passiert, dass die Paulusgemeinde sich inhaltlich von dieser Kooperation lossagt oder distanziert, sind die Voraussetzungen nach der eingehenden Prüfung des Senats erfüllt. Ich kann für meine Fraktion erklären, dass wir unabhängig von der Anhörung über die Zuerkennung der Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts hier im Parlament unsere Zustimmung erteilen werden. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Röwekamp, aus der Vorlage dieses Gesetzesentwurfes abzulesen, dass der Gesetzesentwurf zu 100 Prozent in Ordnung sein muss und man ihn so beschließen kann, ist natürlich gewagt. Denn der Senat hat hier auch die Anerkennung der Zeugen Jehovas eingebracht, und dieses Parlament hat sich zu 100 Prozent anders entschieden.
Was ist an diesem Fall anders? Anders als im Fall der Zeugen Jehovas ist, dass keine ausgefeilte Rechtsprechung vorliegt. Es liegen keine staatlichen Erkenntnisse vor, aber es liegen zivilgesellschaftliche
Erkenntnisse vor. Noch einmal, für den Fall, dass das eben vielleicht ein bisschen verschwommen wahrgenommen worden ist: Ich persönlich bewerte nicht den Glaubensinhalt von Menschen. Das ist auch nicht das entscheidende Kriterium, wie ich mich hier im Parlament verhalte. Entscheidend ist, ob die Paulusgemeinde und der Mülheimer Verband den Kriterien, die die Kultusminister im Jahr 1957 aufgestellt haben, gerecht werden. Eines dieser Kriterien ist, ob man erwarten kann, dass sie in Zukunft verfassungstreu sind. Verfassungstreu wären sie dann, wenn sie die Grundrechte anvertrauter Dritter nicht beeinträchtigen. Hier steht im Raum, dass sie mit wuestenstrom zusammenarbeiten. Ich habe nicht einmal gesagt, dass sie das übernommen haben. Wenn sie das aber in ihre seelsorgerische Tätigkeit übernehmen, dann steht zumindest fachlich im Raum, dass das nicht gut für ihre Gemeindemitglieder ist und sie damit Grundrechte beeinträchtigen. Diese Frage muss geklärt werden, und dann werden wir entscheiden. – Ich danke Ihnen!
(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Will sich der Senat dazu nicht äußern? – Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen] – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Aber der Se- nat kann seinen Antrag ja begründen!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zulassung von Glaubensgemeinschaften als öffentlich-rechtliche Körperschaft ist kein neues Verfahren, wir hatten das Thema bereits bei den Zeugen Jehovas. Ich glaube, es ist sehr sinnvoll, dass wir das hier vorgeschlagene Verfahren im Rechtsausschuss noch einmal im Einzelnen behandeln. Es geht um verfassungsrechtliche Fragen, die relativ schwer zu beantworten sind. Im Fall der Zeugen Jehovas haben wir sowohl im Rechtsausschuss als auch hier im Parlament eingehende Diskussionen geführt. Ich wollte nichts weiter dazu sagen, weil es natürlich auch davon abhängt, was die Anhörung letztendlich ergibt. Im Rahmen der Anhörung müssen wir noch einmal hören, wie im Einzelnen die Positionen sind. Das Verfahren zu den Zeugen Jehovas war sehr spannend, das hat sich auch bewährt, und ich glaube, es ist richtig, das in diesem Fall auch so zu machen. Zum Schluss wird es dann einen Vorschlag aus dem Rechtsausschuss für das Plenum geben.
Herr Professor Stauch, haben Sie sich im Zuge der Antragsprüfung mit dem Vorgang, den Herr Tschöpe hier geschildert hat, beschäftigt? Wenn ja, wie haben Sie ihn bewertet?
Ich glaube nicht, dass im Rahmen der Antragsprüfung ganz bestimmte Inhalte sehr detailliert geprüft worden sind. Das kann ich mir nicht vorstellen. Die Prüfung ist in der Senatskanzlei erfolgt. Der Antrag ist geprüft worden, das ist völlig richtig. Wenn es hier aber im Parlament Bedenken gibt, dann ist es, glaube ich, das richtige Verfahren, dass man die Sache im Rechtsausschuss noch einmal behandelt und auch den Sachverhalt weiter aufklärt. Das ist, glaube ich, völlig richtig, damit Sie zu einem abgewogenen Urteil kommen.
Dass das Verfahren in Ordnung ist, entzieht sich ja der Beurteilung des Senats, weil es eine Angelegenheit des Parlaments ist. Meine Frage ist: War dem Senat der Umstand, den Herr Tschöpe geschildert hat, bekannt?
Ich kann nicht sagen, ob das ausdrücklich Gegenstand der Prüfung war, das ist in der Senatskanzlei erfolgt, da bin ich jetzt ein bisschen überfordert. Ich glaube aber nicht, dass das ein zentraler Punkt der Prüfung war.