Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will Ihnen nur kurz unser Abstimmungsverhalten mitteilen, weil ich vergessen hatte, es zu erwähnen. Wir werden natürlich den Antrag von Rot-Grün unterstützen. Wir werden den Antrag der CDU ablehnen, weil wir einfach der Meinung sind, und mein Vorredner hat es eben auch noch einmal deutlich gesagt, es geht um die Aufhebung der Urteile. Die Aufhebung der Urteile führt natürlich juristisch dann auch dazu, dass je nach Fall ein Anspruch auf Entschädigung entsteht. Das haben wir wiederrum auch nicht vergessen, und deshalb stimmen wir nur diesem SPD/Grünen-Antrag zu. – Danke!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Debatte wurde schon sehr viel gesagt. Ich möchte gleichwohl noch zwei Punkte benennen. Es geht darum, wie man mit der Geschichte umgeht und wie man einen Konflikt zwischen zwei Verfassungsgrundsätzen auflöst. Das ist der Punkt, der hier aufgeworfen ist.
Wie geht man mit der Geschichte um? Strafbarkeit von 1872 bis 1994: 140 000 Männer sind bestraft worden. Das ist eine ziemlich hohe Zahl. Ich glaube, katastrophal waren nicht nur die Strafen, sondern auch die Folgen, also die Vernichtung der bürgerlichen Existenz und ein Angstklima, das sich ganz umfassend in der gesamten Gesellschaft ausgebreitet hat. Das war eigentlich prägend in dieser ganzen Zeit.
Bestimmend ist, glaube ich, auch gewesen, dass das Bundesverfassungsgericht am 10. Mai 1957 festgestellt hat, dass es bei der Strafbarkeit bleibt und damit kein Verstoß gegen das Verfassungsrecht vorliegt. Ich habe die Entscheidung noch einmal nachgelesen, die Gegenargumente, die heute diskutiert worden sind, sind seinerzeit schon komplett vorge
Zweiter Punkt! Im Jahr 2002 wurden nur die Urteile der Jahre 1939 bis 1945 aufgehoben. Das, finde ich, ist ein besonderes Problem. Ich bin immer für die Aufhebung von Urteilen aus der Zeit des Faschismus. Aber was ist während der Zeit des Nationalsozialismus passiert? Es ist lediglich das Strafmaß erhöht worden. Der Straftatbestand ist geblieben. Man hat das Strafmaß auf fünf Jahre erhöht. Das ist der Punkt gewesen. Im Jahr 2002 sind nur die Urteile aus dieser Zeit aufgehoben worden. Das Problem ist aber nicht allein das Strafmaß, sondern das Problem ist die Strafbarkeit. Das ist der entscheidende Knackpunkt.
Das zeigt an dieser Stelle auch noch einmal, dass die Sache nicht erledigt ist. Man kann, glaube ich, keinem Menschen vernünftig vermitteln, dass die Urteile aus der Zeit zwischen 1939 und 1945 aufgehoben worden sind, aber die anderen Urteile nicht. Ich glaube, diese Differenzierung zwischen diesen beiden Formen kann man nicht vermitteln. Daher ist die Geschichte der Verarbeitung des Paragraphen 175 für mich nicht zu Ende, insbesondere, wenn es um die Aufhebung der Urteile geht. Sie ist geschichtlich nicht zu Ende und muss nach wie vor bearbeitet werden. Die Differenzierung ist im Grunde nicht vernünftig erklärbar.
Wie löst man den Konflikt auf? Es gibt einen Konflikt zwischen zwei Verfassungsgrundsätzen. Auf der einen Seite steht, das ist völlig richtig, der Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung. Im Prinzip soll die Legislative nicht in die Judikative eingreifen. Aber viel gravierender ist das Rechtsstaatsprinzip, das mit Rechtssicherheit zu tun hat. Man will nicht nachträglich geschichtliche Vorgänge, die zu staatlichen Entscheidungen geführt haben, revidieren. Das will man im Prinzip nicht.
Aber es gibt einen zweiten Verfassungsgrundsatz, der dagegen steht, der ganz gewichtig ist und der in einer Abwägung berücksichtigt werden muss: Es dürfen keine Menschen- und Grundrechte verletzt werden. Das ist ein ganz zentraler Punkt. Wenn ich einen Konflikt zwischen zwei Verfassungsgrundsätzen habe, Frau Abgeordnete Häsler, dann muss man als Jurist oder auch als Politologe abwägen und sagen, diesen Konflikt darf man nicht einfach bestehen lassen. Den darf man auch nicht nur nach einer Seite lösen, sondern man muss wirklich die Gewichtigkeit anschauen. Man muss schauen, wie hoch die Gewichtigkeit ist, dass diese Urteile, die bis 1994 ausgesprochen worden sind, bestehen bleiben. Wie gewichtig sind sie für andere Menschen in der Gesellschaft? Muss das so sein? Ist ihre Beständigkeit ein so hoher Wert, dass ich den Anspruch auf eine grundrechts
Ich glaube, wenn ich diese Abwägung vornehme – das Bundesverfassungsgericht sagt, es muss in einem Konflikt eine praktische Konkordanz hergestellt werden –, dann ist es für mich ziemlich deutlich, dass die Urteile aufgehoben werden müssen. Deshalb finde ich den vorliegenden Antrag völlig richtig, und ich nehme ihn als Auftrag gerichtet an das Bundesjustizministerium mit.
Es geht um die Aufhebung der Urteile, um das Unrecht, das in der Strafbarkeit besteht, nicht nur im Strafmaß, sondern in der Strafbarkeit. Sie müssen auch für die Vergangenheit aus der Welt geschafft werden.
Ich möchte noch eine Bemerkung machen! Wie verhält sich die Aufhebung der Urteile zu der Entschädigung? Da liegt auch noch ein ungelöstes Problem. Wenn ich nur auf die Entschädigung abhebe, dann lasse ich eigentlich das Unrecht bestehen, das die Entschädigung begründet. Ich glaube, das ist ein Konflikt, den Sie auflösen müssen. Man kann nicht für eine Entschädigung stimmen und gleichzeitig die strafrechtlichen Urteile bestehen lassen. Das passt nicht zusammen.
Ich glaube, es muss beides gemacht werden, und zwar in einer Reihenfolge. Ich würde sagen, zuerst sind die Urteile aufzuheben, und dann ist eine Entscheidung zur Entschädigung zu treffen. Das eine ist ohne das andere gar nicht lösbar. Ich glaube, man kann nicht zu einer Entschädigung kommen und gleichzeitig die Urteile bestehen lassen. – Vielen Dank!
Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 18/1451 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/1543 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Gesetz über die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an die Paulus-Gemeinde Christliche Gemeinschaft Bremen
Bevor wir zur ersten Lesung kommen, möchte ich Mitglieder der Paulus-Gemeinde Christliche Gemeinschaft Bremen auf der Besuchertribüne herzlich begrüßen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bremische Bürgerschaft ist der letzte Landtag Deutschlands, der über die Anerkennung des Status Körperschaft des öffentlichen Rechts für Religionsgemeinschaften entscheidet. In 14 anderen Bundesländern entscheidet die Verwaltung. In NRW entscheidet zunächst die Verwaltung, und dann wird dem Landtag ein Widerspruchsrecht eingeräumt. In der letzten Dekade ist die Bürgerschaft genau einmal mit solch einem Antrag konfrontiert worden, das war der Antrag der Zeugen Jehovas für die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Bekanntermaßen haben wir damals den Antrag abgelehnt und die Anerkennung verweigert – die Kolleginnen und Kollegen werden sich erinnern –,
nachdem eine längere Anhörung stattgefunden hat, in Kenntnis der zu den Zeugen Jehovas ergangenen höchstrichterlichen Urteile, in Kenntnis des Ergebnisses der anderen Anhörungen und darüber, dass die Zeugen Jehovas in 14 anderen Bundesländern als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt worden sind.
Die Paulusgemeinde ist Mitgliedsorganisation des Mülheimer Verbandes freikirchlicher-evangelischer Gemeinden. Zum Mülheimer Verband, welcher bis zum Jahr 2013 als GmbH geführt wurde und seitdem als Verein geführt wird, oder seinen angeschlossenen Gemeindevereinen liegen bisher keine Entscheidungen anderer Bundesländer oder von Gerichten vor. Zweifelsfrei liegen bei der Paulusgemeinde viele Kriterien vor, welche einen Anspruch auf Anerkennung begründen. Allerdings muss eine Religionsgemeinschaft insbesondere auch die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die Grundrechte Dritter nicht gefährdet. Die Bremische Bürgerschaft hat unter anderem mit dieser Begründung den Zeugen Jehovas die Anerkennung verweigert.