Protocol of the Session on October 23, 2014

(Glocke)

ich komme zum Schluss, Herr Präsident! –, Dolmetscher hinzuzuziehen. Die CDU-Fraktion bietet für mich mit diesem Antrag einen möglichen Ansatzpunkt. Mit der Herleitung Ihres Antrags im Antragstext können wir nicht übereinstimmen. Aber wir stimmen mit einigen der geforderten Beschlusspunkte inhaltlich überein. Manche halte ich, wie schon erwähnt, für ergänzungsbedürftig.

Ein eigenes konzipiertes Aussteigerprogramm halte ich hingegen im Hinblick auf die glücklicherweise verhältnismäßig geringe Anzahl der Betroffenen für

nicht erforderlich. Da plädiere ich eher für ein Bundesaussteigerprogramm.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Ich komme zum Schluss. Aus den von mir vorgebrachten Gründen würden wir diesen Antrag gern in die Deputationen für Soziales und Inneres überweisen. Die Frage der Federführung würde ich gern dem Senat überlassen, da der Antrag aus verfassungsrechtlicher Sicht viele Ansatzpunkte hat, aber auch im Präventivbereich Schwerpunkte zu bilden sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch der Grünen-Fraktion ging es so, dass sie den Antrag der CDU mit sehr viel Interesse und Wohlwollen zur Kenntnis genommen hat. Das Anliegen, das Sie darin formulieren, ist ein äußerst wichtiges. Um zu unterstreichen, warum das wichtig ist, möchte ich die Reden meiner Vorredner ergänzen. Wir sollten uns auch einen kurzen Blick darauf gestatten, wohin diese Leute ausreisen und was dort gerade geschieht.

Was in Syrien und im Irak geschieht, ist eine vollständig neue Qualität von Terrorismus, Extremismus. Gestern hat die IS ein Video ins Netz gestellt, in dem eine junge Frau zu Tode gesteinigt wird. Das wurde bis zum Ende gefilmt und ins Netz gestellt. Einer der Steiniger war ihr eigener Vater. Sie stellen das Köpfen von Menschen ins Netz. Sie halten Gefangene in sogenannten Schlachthäusern. Sie haben Zehntausende von Frauen als Sklavinnen gefangen, entführt und weiterverkauft. Ich glaube, dass wir, wenn wir uns über das Problem, das wir hier im Land Bremen haben, über das wir hier zu Recht reden, einmal den Blick darauf werfen sollten, wo die Verbindung besteht und in welche Tradition oder politische Richtung sich diese Leute, über die wir hier in Bremen reden, einordnen. Das macht klar, warum es so ein gefährliches Problem ist. Sowohl hier bei uns, im Land Bremen, als auch in der Verbindung, dass Menschen aus Bremen – ein Gedanke, den ich unerträglich finde – dort hingehen und sich als Täter an diesen Gräueltaten beteiligen, ist das gefährlich, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Deswegen ist es richtig, dass der Gedanke der Prävention in all seinen Facetten verstärkt werden muss. Anlässlich Ihres Antrags – Sie konnten es nicht wissen, wir haben es auch nicht gewusst – habe ich er

fahren, dass die Arbeiten an einem solchen Netzwerk aufseiten der verschiedenen Senatsressorts schon sehr weit gediehen sind. Das ist äußerst zu begrüßen. Es gibt auch einige Aktivitäten, die das Stadium des Konzepts schon weit überschritten haben. Denken Sie an die Beratungsstelle kitap, die schon arbeitet, und viele andere Dinge. Sehr erfreulich – ich glaube, vor einigen Jahren wäre das noch anders gewesen – fand ich, dass an einer Fortbildung am Landesinstitut für Schule, die vom Landesamt für Verfassungsschutz angeboten worden ist, angeblich über 100 Lehrerinnen und Lehrer teilgenommen haben. Ich finde es gut, dass wir inzwischen Behörden haben, die – wie in diesem Fall die Bildungsbehörde und das Landesamt – zusammenarbeiten, wo man sich gegenseitig aufklärt, diese Dinge diskutiert. Das finde ich hervorragend. Ich halte es auch für einen Riesenfortschritt, wenn ich daran denke, wie das Landesamt für Verfassungsschutz noch vor einigen Jahren aufgestellt war und wie sehr Vorbehalte auch in der Lehrerschaft existierten. Es ist ein großer Fortschritt, dass man heute in diesen Fragen zusammenarbeitet und nicht mehr gegeneinander.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Das ist etwas, was wir in diesem Hause unbedingt würdigen sollten.

Ich würde gern noch einen zweiten Aspekt hinzufügen. Ich glaube, dass wir uns ernsthaft im Sinne der Prävention, aber auch, wenn wir den Export von solchen Tätern in den Nahen Osten verhindern wollen, überlegen müssen, ob wir die Tätigkeit des sogenannten Kultur- und Familienvereins in Gröpelingen weiter dulden.

Ich glaube, dass es in solch einer Verbotsdiskussion immer sehr viele Argumente gibt, warum man es nicht macht. Das kennen wir alle. Ich finde diese Argumente auch vollkommen legitim. Wenn ich mir aber vorstelle, dass wir 20 Personen in diesen Konflikt exportiert haben, dass diese Menschen aus Bremen kommen – und ohne dass wir es verhindern konnten – und dass sie an solchen Gräueltaten beteiligt sind, dann finde ich es gut, dass unsere Behörden solch einen Verein im Blick haben. Kultur- und Familienverein klingt im Übrigen so harmlos wie eine Nachbarschaftsinitiative, ist aber gleichwohl schon seit Längerem ein Verein, der Im- und Export von Terrorismus betreibt. Insofern soll man sich nicht vom Namen dieses Vereins täuschen lassen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es gibt immer gute Argumente gegen einen solchen Schritt, ich möchte den Innensenator für die nächste Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission auffordern, dieser einmal die Gründe für ein

mögliches Verbot und auch die Gründe, die möglicherweise dagegen sprechen aufzuzeigen. Ich glaube zwar, dass wir einen solchen Verein mit unseren Behörden so gut es eben geht beobachten, dass wir aber ganz offensichtlich weder die Tätigkeit – wir haben das gerade diskutiert – in der JVA noch den Export von Terroristen in den Nahen Osten bisher verhindern konnten. Wir sollten uns sehr ernsthaft überlegen, ob solch ein Verein mitten in Bremen mit einem solch harmlosen Namen weiter sein Unwesen treiben darf.

Ich bin der Meinung, dass es vielleicht an der Zeit ist, wenn wir Rockerbanden das Tragen der Kutten verbieten, auch den Export von Terroristen, die derartige Gräueltaten im Namen der IS im Nahen Osten begehen, zu verbieten. – Vielen Dank!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tuncel.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 18. September haben wir von der LINKEN eine Anfrage mit dem Titel: „Präventive Strategien gegen dschihadistische Rekrutierungsversuche“ an den Senat gerichtet. Leider liegt die Antwort noch nicht vor. Die CDU hat dann am Freitag einen Antrag eingereicht, der ein wirksames Präventionsnetzwerk gegen die Radikalisierung junger Muslime fordert.

Worum geht es? Es gibt in Bremen eine wachsende salafistische, dschihadistische Szene, die offensiv um Jugendliche wirbt. Es gibt immer wieder Berichte aus Schulen und Freizeitzentren, dass sich Jugendliche dem gewaltbereiten islamischen Spektrum zuwenden. Ich selbst habe mehrfach Anrufe von Menschen bekommen, die nicht wissen, was sie tun sollen, wenn sich Jugendliche in ihrem Umfeld solchen Gruppen zuwenden. Viele wissen gar nicht, wer zuständig ist und helfen kann. Die einzige Beratungsstelle in Bremen, die sich explizit mir diesem Thema beschäftigt, ist das Beratungsnetzwerk kitab. Sie kann den gestiegenen Nachfragen nicht mehr nachkommen. Zwei Mitarbeiterinnen sollen sich in Teilzeit um ganz Norddeutschland kümmern, das kann nicht funktionieren. Hier muss dringend geholfen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Einige junge Bremer sind bereits, wie auch meine Vorredner erwähnt haben, nach Syrien ausgereist, um sich dem selbst ernannten Islamischen Staat anzuschließen. Bei diesen Personen gibt es eine klare Verbindung zu salafistischen Einrichtungen in Bremen. Deshalb, Herr Dr. Güldner, unterstütze ich ihre Forderung, dafür zu sorgen, dass diese Einrichtung nicht mehr diese Möglichkeiten bekommt.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der sogenannte Islamische Staat vermittelt von sich das Bild der Unbesiegbarkeit und Stärke. Der IS sagt, komm zu uns, wir sind im Recht. Der IS sagt, wenn ihr bei uns seid, werden eure Konflikte und Widersprüche, die euer Leben betreffen, aufgelöst. Der IS sagt im Prinzip, was bei euch kompliziert ist, ist bei uns einfach, und nicht einmal der Tod kann uns aufhalten. Kurz gesagt macht das die Attraktivität der salafistischen Szene für junge Menschen aus, die speziell mit der aktuellen Eroberung des sogenannten IS noch einmal deutlich zugenommen hat.

Gegen diese Motive hilft nach unserer Meinung nur ein breit angelegtes Netzwerk von präventiven Maßnahmen. Mit den Geheimdiensten, durch Ausreiseverbot und durch Passentzug allein löst man dieses gesamtgesellschaftliche Problem nicht. Wir begrüßen deshalb, dass der Antrag der CDU keine neuen wirkungslosen sicherheitspolitische Maßnahmen fordert, sondern klar auf präventive Konzepte und Hilfestellungen orientiert ist.

(Beifall bei der LINKEN und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Wir teilen die Forderung, dass es für Lehrkräfte, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Jugendhilfe oder auch für Übungsleiter und Übungsleiterinnen der Sportvereine geeignete Beratungsfortbildungsangebote geben muss. Wir teilen auch die Forderung nach einem ressortübergreifenden, abgestimmten Handlungskonzept. In Bremen ist im Moment noch relativ offen, welche präventiven Maßnahmen anlaufen, wenn sich Jugendliche salafistisch radikalisieren.

Wichtig ist außerdem, dass sich die verschiedenen Akteure, die Erfahrung im Umgang mit diesen relativ neuen Phänomen haben, sich regelmäßig austauschen und ihre Maßnahmen aufeinander abstimmen. Es darf in diesem Präventionsnetzwerk aber keinesfalls dazu kommen, dass Menschen aus der Schule oder der Sozialarbeit für Geheimdienste oder die Polizei eingespannt werden.

Meine Damen und Herren, wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass es noch keine abschließende Antwort auf die Entwicklung salafistischer Gruppen in Bremen gibt. Es darf nicht sein, dass Funktionäre versuchen, Jugendliche für menschenverachtende Ideologien und den Krieg zu rekrutieren. Wir brauchen deshalb eine langfristige Strategie für ein Problem, das sich leider nicht kurzfristig lösen lassen wird. Diese Strategie fehlt bisher, und hier sind wir alle gefragt, die Bürgerschaft, die Zivilgesellschaft, die Nachbarschaft und die Institutionen.

Deshalb stimmen wir der Überweisung zu. Ich unterstütze meinen Kollegen Herrn Dr. Yazici, dass die Federführung die Deputation für Soziales bekommen

sollte, weil es präventiv angelegt ist. Das wäre sehr wichtig. – Danke schön!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte gern einen Punkt, bei dem wir vermutlich auch eine Art von Einvernehmen haben, noch einmal erwähnen: Die Zusammenarbeit mit den muslimischen Gemeinden, mit den Muslimen hier vor Ort, die einige meiner Vorredner auch angesprochen haben. Die CDU drückt das, und ich finde man kann das so ausdrücken, in ihrem Antrag so aus, dass wir die muslimischen Gemeinden in die Pflicht nehmen müssen, ihren Beitrag zu leisten. Ich finde, das kann man so ausdrücken.

Ich habe dann spontan gedacht, als ich den Teil Ihres Antrags gelesen habe, ich würde es lieber so formulieren, dass wir froh sind, einen Staatsvertrag mit den muslimischen Gemeinden zu haben, sodass wir sie als Partner bei dieser schwierigen Angelegenheit an unserer Seite haben,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

dass wir die Zusammenarbeit zwischen der Freien Hansestadt Bremen und diesen muslimischen Gemeinden vertraglich geregelt haben, dass wir eine intensive Zusammenarbeit haben, dass wir froh sind und davon ausgehen, dass sie an unserer Seite stehen.

Ich glaube, dass beide Seiten, unsere eigenen staatliche Stelle, die Nichtregierungsorganisationen, aber auch die muslimischen Gemeinden in diesen Punkten sicherlich noch mehr machen können. Ich finde, das trifft auf alle zu, weil das Problem offensichtlich durch ganz festes Wünschen und mit dem Fuß aufstampfen nicht weggeht, sondern jeden Tag schlimmer wird, deshalb müssen wir vielleicht noch mehr tun.

Ich habe es so verstanden, dass der Senat, auch was die Beratungsstelle kitab betrifft, bei vielen anderen Aktivitäten noch einmal zulegen möchte. Das ist, glaube ich, auch notwendig, aber ich finde, dass wir unbedingt und zu jeder Zeit das Gespräch mit den muslimischen Gemeinden, mit den Muslimen im Land Bremen suchen sollten.

Das Problem ist in den Vorreden noch einmal deutlich geworden. Denken Sie allein an den jungen Mann, der mitten in der Abiturvorbereitung war, bis dahin keine Tendenzen in diese Richtung hatte und innerhalb kürzester Zeit von dem Verein und seinen Mitgliedern so radikalisiert wurde, sodass er seine Abiturvorbereitungen abgebrochen hat und nach Syrien ausgereist ist. Junge Menschen werden hier zu

nächst einmal zu Opfern, aber als Opfer werden sie dann dort, wo sie hinreisen zu Tätern, indem sie andere Menschen töten. Das ist ein Kreislauf, den wir unbedingt gemeinsam mit den muslimischen Freundinnen und Freunden in dieser Stadt unterbinden müssen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Man muss auch einmal sagen, Opfer in diesem Krieg dort sind, gerade wenn man an den IS denkt, Christen, Jesiden, Aleviten, natürlich auch Schiiten – eine der Hauptzielscheiben sind Schiiten –, aber auch Sunniten anderer Glaubensrichtungen. Muslime sind weltweit, vor allen Dingen auch in dem Konflikt in dieser Region, in großer Zahl Opfer dieser Gruppen. Die jungen Menschen, die in solch einer Art und Weise einer Gehirnwäsche unterzogen werden, sind es auch, aber sie werden dann zu Tätern. An dieser Stelle müssen wir gemeinsam mit unseren Partnern aus dem Staatsvertrag, nämlich den muslimischen Gemeinden im Lande Bremen, wirksam einschreiten. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Yazici.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Güldner, eigentlich hatte ich gedacht, wir machen jetzt einen Deckel darauf. Da Sie hier krampfhaft versuchen, uns irgendeinen Zwist mit den Religionsgemeinschaften zu unterstellen,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, habe ich nicht! – Abg. G ü n g ö r [SPD]: So steht das in Ihrem An- trag!)

möchte ich hier noch einmal etwas sagen. Wir haben in diesem Antrag an exponierter Stelle die islamischen Religionsgemeinschaften