Protocol of the Session on October 22, 2014

(Beifall bei der CDU)

Wer in diesen Gremien unterwegs ist, die zurzeit

offiziell, inoffiziell, in kleinen oder in großen Run den darüber debattieren, stellt fest, dass Bremen es in diesen Verhandlungen nicht leicht hat. Das hat nicht so sehr nur etwas mit unserer Größe als dem kleinsten Bundesland zu tun, sondern natürlich auch mit den Problemen, mit denen wir uns in der Finan zierung unserer öffentlichen Haushalte seit Jahren beschäftigen müssen. Wer dort unterwegs ist – die Kolleginnen und Kollegen, die dabei sind, werden das auch berichten können –, begegnet auch vielen Vorurteilen: dem Vorurteil, wir würden beispielsweise seit Jahren oder Jahrzehnten über unsere Verhältnisse leben, dem Vorurteil, dass wir mit öffentlichen Mit teln, die uns anvertraut sind, nicht ordnungsgemäß umgehen, und sogar mit dem Vorurteil, dass Bremen zum gesamtstaatlichen System von Steuerzerlegung und Steueraufbringung nur wenig beitragen würde.

Deswegen ist ganz oft der erste Schritt, dass man

die Menschen über das aufklären muss, was tatsäch lich in unserem Land passiert, dass man ihnen sagen muss, welche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in diesem Bundesland steckt, dass man ihnen erklären muss, dass wir eine Arbeitsplatzmetropole im Norden unserer Republik sind und ein hohes eigenes Steu eraufkommen haben, dass wir zur Zerlegung von gesamtstaatlicher Finanzierung beitragen, dass wir auch große soziale Probleme in den beiden Städten unseres Landes haben, aber dass man auch ihnen sagen kann, dass dieses Land mit Unterstützung im föderalen System eigenständig, vollständig und dau erhaft überlebensfähig ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen haben wir die Aktuelle Stunde ja auch so überschrieben.

Ich bin nirgendwo mehr der Auffassung begeg

net, die man hin und wieder vielleicht noch einmal in Interviews von einzelnen Finanzministern lesen kann, dass die Axt an die Selbstständigkeit unseres Bundeslandes gelegt werden soll. Die wichtigste Botschaft der Gespräche, die zurzeit auf der Ebene der Ministerpräsidenten, in den Bundestagsfrakti onen und in der Bundesregierung geführt werden, ist aus meiner Sicht als Allererstes und Wichtigstes ein klares Bekenntnis zum deutschen Föderalismus. Niemand will die Axt an den Föderalismus legen, und das bedeutet, niemand will die Selbstständig keit unseres Bundeslandes infrage stellen. Ich finde, das sind die wichtigste und auch die großartigste Botschaft, die aus den bisherigen Beratungen mit gebracht werden kann. Dafür bin ich natürlich auch dankbar, weil sie diese öffentlichkeitswirksame, aber nur oberflächlich geführte Debatte, ob wir überhaupt noch 16 Länder brauchen, sofort im Keim erstickt. Ich sage für die CDU-Fraktion: Wir brauchen 16 Länder, wir brauchen den deutschen Föderalismus, und wir brauchen in diesem Föderalismus natürlich auch ein selbstständiges und handlungsfähiges Bundesland Bremen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Bremen hat es in diesen Verhandlungen nicht leicht,

aber ich finde, Bremen hat viele gute Anwälte. Ich weiß von meinen Kolleginnen und Kollegen in den Fraktionen, ich weiß von den Bemühungen unserer Kollegen in den Bundestagsfraktionen, ich weiß natürlich von dem Engagement der Finanzsenatorin und des Bürgermeisters in der Finanzministerkon ferenz und in der Ministerpräsidentenkonferenz, und überall, wo wir vertreten sind – das macht uns Bremer eben auch stark –, können wir mit guten Argumenten überzeugen und Vorurteile ausräumen.

Ich glaube, dass Bremen nicht schlecht aufgestellt

ist, was die Beteiligung und die Einbringung in diese Verhandlungen betrifft.

Die Inhalte werden aus meiner Sicht am besten

in dem Bericht des Bundesfinanzministers und den Finanzministern der Länder zusammengefasst. Auf zwanzig Seiten wird relativ komprimiert dargestellt, worum es eigentlich geht. Wenn man das zusam menfassen will, müsste man ehrlicherweise sagen, dass es um alles geht. Es gibt eine große Vielzahl von Problemen, die man, auch wenn man sich seit vielen Jahren mit finanzpolitischen Fragen beschäf tigt, das erste Mal für sich neu entdeckt. Irgendeine Mischfinanzierung wird an der einen oder anderen Stelle aufgeführt, die man entweder schon vergessen oder verdrängt, zumindest aber aus dem Bewusst sein verloren hat. Das ist die eine Seite, und es ist eine sehr gute Auflistung der Themen, über die wir reden müssten. Aber es ist auch eine sehr gute Zusammenstellung der bestehenden Differenzen.

Eigentlich ist es nur eine Ansammlung von sieb

zehn unterschiedlichen Interessen, sechzehn Län derinteressen und dem Interesse des Bundes. Die Länderinteressen ließen sich vielleicht noch auf den gemeinsamen Nenner bringen, die Länder wollen vom Bund alles behalten, und der Bund soll noch möglichst viel zusätzlich bezahlen. Das ist aus mei ner Sicht für sechzehn Länder ein nicht schwieriger, aber akzeptabler Kompromiss, er ist nur leider ohne den Wirt gemacht. Denn die Position des Bundes ist diametral entgegengesetzt und lautet, auch partei- und fraktionsübergreifend, dass die Länder eigentlich schon viel zu viel haben, und sie sollen in Zukunft auch nicht mehr bekommen.

Dieser Konflikt ist in dem Papier offensichtlich

und aus meiner Sicht auch nur schwer auflösbar. Deswegen, Herr Bürgermeister, ist es aus meiner Sicht völlig richtig, dass man bei einer Abarbeitung der einzelnen Themen, immer den Vorbehalt der Ge samtverständigung macht. Natürlich wird nicht nur der Bremer Bürgermeister am Ende eines Verhand lungstages mit dem Taschenrechner für sich bilanzie ren, ob das jetzt mehr oder weniger ist. Hoffentlich bilanzieren Sie nicht nur den aktuellen Zeitpunkt, sondern fragen sich vielmehr, ob das System auch so arbeitet, dass es zukünftig die Chancen und Risiken gerecht verteilt. Es werden sich wahrscheinlich auch fünfzehn andere Ministerpräsidenten und auch die Bundeskanzlerin hinsetzen,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Die könnte ja rechnen!)

ihren Taschenrechner herausholen und die Frage aufwerfen, was es eigentlich bedeutet. Ein Spiel um die Verteilung des Geldes, bei dem am Ende, alle etwas bekommen, aber letztlich keiner etwas bekommt, wird wahrscheinlich auch nicht die Lösung sein. Deswegen will ich aus Sicht der CDU-Fraktion

an dieser Stelle ganz kurz die großen Leitlinien dieser Beratung nennen.

Erstens, es geht um die Zukunft des Solidaritäts

zuschlags. Ja, es stimmt, alle Fraktionen haben über viele Jahre hinweg immer wieder behauptet, dass er eine Abgabe auf Zeit sei, unterschiedlich gekop pelt, unterschiedlich begründet, aber eigentlich im Einvernehmen aller bis 2019 befristet. Man könnte auch mit guten Gründen vertreten, dass in einer Zeit, in der wir historisch hohe Steuereinnahmen und historisch niedrige Zinsen haben, vielleicht der Spielraum bestünde, das Aufkommen aus dem Soli daritätszuschlag, wie nunmehr ab 2020 vorgesehen, ersatzlos wegfallen zu lassen.

Das wäre denkbar, wenn die Probleme in unserem

Gesamtstaat nicht so groß wären, wie sie es sind, denn die Umstände haben sich seit der Einführung des Solidaritätszuschlages erheblich verändert. Des wegen ist es nicht leicht, aber aus meiner Sicht hundertprozentig nachvollziehbar, dass wir uns ge meinsam darauf verständigen zu sagen, dass wir das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag in unseren öffentlichen Haushalten verstetigen müssen. Wir müssen von der Illusion Abstand nehmen, dass wir diesen Zuschlag in Zukunft ersatzlos wegfallen las sen können. Wir brauchen das Aufkommen, um die gesamtstaatlichen Aufgaben, die sich in den letzten fünfzehn Jahren im Bund und in den Ländern, aber auch in den Kommunen nachhaltig verändert haben, auch in Zukunft wahrnehmen zu können.

Es stellt sich natürlich die Frage: Wie soll das

Aufkommen verteilt werden? Dass die Vorstellungen zwischen dem Bund und den Ländern auseinanderge hen, das ist nachvollziehbar. Der Bund vereinnahmt den Solidaritätszuschlag bisher allein und die Bereit schaft, den Ländern und den Gemeinden einen Anteil davon abzugeben, ist relativ überschaubar. Aber aus meiner Sicht und aus der Sicht der CDU Fraktion ist völlig klar, wenn der Solidaritätszuschlag in die Steuerzerlegung eingepreist wird, dann bedeutet das eben auch, dass er die Länder und die Kommunen entlasten muss und nicht nur den Bund.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist, der Bürgermeister hat es gesagt, für uns

schon eine ganz schöne Stange Geld. Das ist aber auch Geld, das wir dringend zur Bewältigung unserer Aufgaben brauchen.

Zweitens: Es stellt sich die Frage, wie die Lasten

in der Bundesrepublik Deutschland verteilt wer den. Auch sie haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten erheblich verändert. Es ist gut, dass wir uns in der Bundesrepublik Deutschland einen hohen Standard sozialer Leistungen und Ausgaben leisten können, aber der Standard muss auch solide finanziert sein. Deswegen ist als Ausgangspunkt festzuhalten, wenn man sich die Anforderungen

an unsere staatlichen Aufgaben anschaut und als Blaupause die Verteilung unserer gesamtstaatlichen Aufgaben darüberlegt, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass insbesondere die Kommunen, aber auch die Länder in der Bundesrepublik Deutschland für die Wahrnehmung der von ihnen zu erbringenden staatlichen Aufgaben nicht dauerhaft auskömmlich finanziert sind.

Es freut mich, dass der Bundesfinanzminister für

2017 einen ausgeglichenen Haushalt angekündigt hat. Es freut mich, dass das eine oder andere Bundes land, das auch schafft. Es freut mich auch, dass die eine oder andere Kommune in der Bundesrepublik Deutschland sogar Überschüsse erwirtschaftet. Aber im Großen und Ganzen muss man sagen, dass die Wahrnehmung von kommunalen Aufgaben und von Landesaufgaben in der Bundesrepublik Deutschland chronisch unterfinanziert ist.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen, glaube ich, kommt es in den Verhand

lungen darauf an, dass man versucht, das miteinander in Deckung zu bringen. Das ist in der Vergangenheit im Einzelfall gelungen. Einige Beispiele sind hier ge nannt worden, ob das den Ausbau der U3-Betreuung, die Finanzierung von Ganztagsschulprogrammen, die Übernahme von Leistungen im sozialen Bereich, beispielsweise jetzt bei der Eingliederungshilfe, die diskutiert wurde, oder eben auch das Aufkommen für die BAföG-Mittel betrifft. Es ist überall im Detail nachgesteuert worden und natürlich wurden mit der Verteilung der Steuern und der Vorabvergütung aus Umsatzsteueranteilen und der Einkommensteuern in der Vergangenheit immer Geschäfte gemacht.

Wir waren als Bremer daran auch nicht ganz unbe

teiligt. Immer wenn es darum ging, eine Mehrheit im Bundesrat zu organisieren, dann wurde sie nicht allzu selten über Umsatzsteuerpunkte oder über Vorabzu weisungen oder in anderer Weise organisiert. Aber das führt nur dazu, dass das System an sich natürlich nicht gerechter, sondern nur unübersichtlicher wird.

Eines steht für mich völlig fest, wenn wir über die

Bund-Länder-Finanzbeziehung reden, dann müssen wir darüber reden, dass insbesondere die Kommu nen, davon sind wir in Bremen und Bremerhaven betroffen, eben auch so ausgestattet werden, dass sie den veränderten Erwartungen, die an sie gestellt werden, auch genügen können. Ich finde den Weg, der durch die Übernahme der Kosten der Unterkunft und des Wohngeldes beschritten wird, richtig und vernünftig.

Das ist keine Aufwendung, die durch uns inhaltlich

beeinflussbar ist. Es ist vielmehr eine durch Bundes gesetz festgelegte Leistung, und deswegen finde ich es auch richtig, dass darüber geredet wird, dass diese Leistung durch den Bund fiskalisch vollständig

übernommen wird, auch das ist eine erkleckliche Summe. Ich weiß es nicht, Herr Bürgermeister, heute haben Sie die Zahl, glaube ich, nicht genannt, aber in Ihrem Interview im „Weser-Kurier“ war sie nachzu lesen. Wir reden hier über einen hohen zweistelligen Millionenbetrag.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Erkenntnis,

dass man die Kommunen in diesem Punkt entlasten muss, eben auch nicht an Parteigrenzen halt macht, sondern dass das parteiübergreifend an dieser Stelle debattiert wird. Ich habe die Hoffnung und Erwar tung, dass wir im Zuge der Diskussion über die Bund-Länder-Finanzbeziehung natürlich darüber reden, wie wir als Kommune und als Land besser ausgestattet werden im Hinblick auf die Verteilung des gesamtstaatlichen Aufkommens.

Der dritte Punkt ist für uns Bremer substanziell

und betrifft die Frage, wie wir eigentlich in Zukunft mit den Schulden umgehen. Das Ergebnis der Fö deralismuskommission II war die Verabredung, ab dem Jahr 2020 ohne neue Schulden auszukommen. Nun können wir hier in diesem Landtag und im bevorstehenden Landtagswahlkampf lange darüber streiten, ob der Senat und die rot-grüne Regierung den richtigen Weg gehen, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu haben wir heute im Laufe des Tages und bei den Haushaltsdebatten immer wieder Gelegenheit, aber uns eint doch die Frage, was am Tag danach passiert, selbst wenn wir dieses Ziel erreichen, in welcher politischen Konstellation auch immer. Was passiert eigentlich im Jahr 2020?