Protocol of the Session on September 25, 2014

allein, anders als andere behaupten. Ich verweise auf die einschlägigen Internetvotings, die Meinungsum fragen, alles, was es dazu gibt, und da kann man den Eindruck gewinnen, dass gut zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland hinter diesem Vorschlag stehen.

Ich möchte aber auch noch einmal auf etwas an

deres verweisen, nämlich dass das ja nicht eine unsinnige Idee aus einem kleinen gallischen Dorf ist, sondern dass auch Vertreter von Organisationen, die nicht gerade sozialdemokratische Vorfeldorgani sationen sind, dies als längst überfälligen Vorschlag begrüßt haben. Der Bundesvorsitzende Wendt der Deutschen Polizeigewerkschaft, deren Verbindungen zur SPD nicht besonders eng sind, hat gesagt, dass es ein längst überfälliger Vorschlag sei und wir das eigentlich nicht für ein Land bräuchten, sondern dass der Profifußball eigentlich 50 Millionen Euro jedes Jahr für die Polizeikosten zur Verfügung stel len müsste.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Bernhard Zentgraf, beileibe kein Sozialdemokrat,

hat gesagt, dass endlich eine Forderung des Steuer zahlerbundes auch im politischen Raum gehört und umgesetzt werde. Einen besseren Kronzeugen kann man sich als Sozialdemokrat für sein Tun in so einer Angelegenheit eigentlich kaum wünschen, auch Herr Zentgraf hat eine völlig andere Grundausrichtung.

Ich glaube, dass das, was wir hier vorgeschla

gen haben, was der Senat uns vorlegt, eine gute und ausgewogene Sache ist. Ich möchte aber nicht verschweigen, dass es in den letzten Wochen und Monaten eine Vielzahl von Kritiken und Gegenreden gegeben hat. Damit möchte ich mich auch gern noch einmal auseinandersetzen, das gehört ja zu einem ausgewogenen Bild.

Der erste Kritikpunkt war, dass mit einer Kosten

tragungspflicht die öffentliche Sicherheit privatisiert wird. Warum ist das ein völlig unsinniges Argument? Weil jetzt die mittlere Polizeiebene – gegebenenfalls die hohe Polizeiebene – darüber entscheidet, welche Form ein Polizeieinsatz anlässlich eines Bundesli gaspiels haben soll. Auch wenn der Innenminister von Nordrhein-Westfalen ein anderes Bild erwecken möchte, entscheidet nicht die politische Ebene, wie viele Polizisten eingesetzt werden, sondern das ent scheidet fachbezogen die Polizei. Ich finde es übrigens auch richtig so, dass das nicht politisch diktiert wird, sondern die Polizei eine Gefahrenanalyse macht.

Das wird auch in Zukunft so bleiben, dass die Polizei genau dies entscheidet.

Das Einzige, was sich ändert, ist, wer für diese

Polizeieinsätze zahlt. Zahlen wird nicht mehr die Gesamtheit der Steuerzahler, zahlen werden die jenigen, die den wirtschaftlichen Nutzen aus der Veranstaltung haben!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Verfassungsrechtlich wird die Kostentragungs

pflicht privatisiert, das ist übrigens ein völlig üb licher Vorgang im Polizeikostenrecht. Jeder, der sich damit beschäftigt hat, weiß, dass derjenige, der eine Facebook-Party verursacht, die Kosten des Polizeieinsatzes tragen muss. Jeder weiß, dass der Eigentümer, wenn eine Alarmanlage ausgelöst, ohne dass ein Einbrecher festgestellt werden kann, die Kosten für den Polizeieinsatz tragen muss. Jeder, der die Nacht in einer Zelle verbringt, weiß, dass er danach die Reinigung bezahlen muss, wenn sie verschmutzt ist. Jeder, der eine Sitzblockade macht, weiß, dass er den Polizeieinsatz bezahlen muss. Das ist ein völlig normales Instrument. Warum dieses normale Instrument im Umgang mit dem Unterhal tungskonzern DFL nicht angewendet werden soll, erschließt sich mir in keiner Weise.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ein weiteres lustiges Argument, warum das nicht

gehen soll, sind die Teilkosten der DFL. Die DFL zahlt Steuern, und wenn sie ihre Steuern gezahlt hat, dann hat sie sozusagen ihre Schuld gegenüber dem Staat und dem Gemeinwesen geleistet, da kann doch nicht noch etwas hinzukommen. Ich fand das im ersten Moment durchaus erwägenswert, weil die Gesamtheit aller Steuerzahler die Kosten für die Polizei zahlt, sie ist für alle da, und das soll auch so bleiben.

Wenn man sich das aber einmal näher anschaut,

wird dieses Argument immer fadenscheiniger. Alle halbwegs intakten wirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland zahlen Steuern. Mir ist aber noch kein Unternehmen in Deutschland begegnet, das mit Hinweis darauf, dass es Steuern zahlt, fordert, dass es zum Beispiel von Deichbeiträgen, Schorn steinfegergebühren, Straßenreinigungsgebühren, Rettungsdienstgebühren oder Notar- und Gerichts kosten befreit werden möchte. Meine Damen und Herren, das ist ein Ansatz, den ich zum letzten Mal in der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens gelesen habe, als Ebenezer Scrooge auf die Frage, ob er nicht Geschenke an die Armen geben würde, antwortet, dass er das nicht machen wolle, weil er Steuern für Armenhäuser und Gefängnisse zahle. Das ist eine Geisteshaltung, die ich für überhaupt nicht gemeinschaftsförderlich halte.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lassen Sie mich aber noch einen Gedankengang

ausführen: Ich glaube, die DFL sieht das selbst nicht so. Ich bin mir sicher, dass Herr Rauball, sollte er die Stadtbibliothek in Dortmund frequentieren und sich dort ein Buch ausleihen, selbstverständlich die Gebühren der Stadtbibliothek bezahlen würde und nicht davon ausginge, dass sie mit den Steuern, die er zahlt, abgeglichen seien.

Der dritte Kritikpunkt ist die Aussage, dass so eine

Kostentragungspflicht verfassungsrechtlich überhaupt nicht möglich sei. Da rechtliche Debatten in einem Parlament sich immer nur bedingt dazu eignen, empfehle ich schlichtweg einen Blick in die Archive. Schon vor 35 Jahren hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den VfB verurteilt, die Polizeikosten eines Spiels gegen Bayern München zu tragen, und zwar damals genau 10 307,85 DM. Der VfB hat wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit davon Abstand genommen, Rechtsmittel dagegen einzulegen. Seit 35 Jahren ist klar, dass eine Kostentragungspflicht von Fußballveranstaltern in Deutschland grundsätz lich zulässig ist.

Der vierte Kritikpunkt besagt – und darauf wird

am häufigsten verwiesen –, dass Bremen verbindli che Absprachen breche und einen völlig abseitigen Sonderweg beschreite. Ich möchte etwas zu den verbindlichen Absprachen sagen. Verbindliche Ar beitsergebnisse einer Fachministerkonferenz werden dann in das Recht von Bundesländern transformiert, wenn es Parlamentsbeschlüsse dazu gibt. Ich sage hier ganz eindeutig – Herrn Senator Mäurer und mich trennt das manchmal, aber ich glaube, es muss gesagt werden! –, dass die mehrheitliche Verabredung von 17 Männern mit irgendwelchen Verbandsvertretern keinen demokratischen Entscheidungsprozess er setzen kann!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Par

laments. Das Parlament – wir, Sie, ich und auch die, die dagegen sind – entscheidet darüber, wo Steuern und Gebühren erhoben werden. Kein Parlament der Bundesrepublik wird sich dieses Recht auf Dauer nehmen lassen. Das Parlament in Bremen ist eine andere verbindliche Absprache eingegangen, dass wir nämlich im Gegenzug zu den 300 Millionen Euro Sanierungsbeihilfe alle Anstrengungen unterneh men, um unsere Haushalte bis zum Jahr 2019 zu konsolidieren.

Das heißt für uns, dass wir vertretbare Einsparun

gen prüfen und vornehmen, das heißt aber auch, dass wir vertretbare Einnahmesteigerungen prüfen und vornehmen. Das haben wir in diesem Parlament in der vergangenen Zeit immer wieder getan. Wir haben die Grunderwerbssteuer erhöht, wir haben

die Citytax eingeführt, und genau das werden wir auch jetzt mit der Kostenbeteiligung der DFL tun.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zum Thema abseitiger Sonderweg hat der Kollege

Dr. Kuhn ja immer wieder darauf hingewiesen, dass Bremen auch ein Gliedstaat in Europa ist. Unsere Initiative wird dazu führen, dass auch in Deutschland die europäische Normalität Einzug halten wird. In England, Frankreich, der Schweiz und Katalonien ist eine Kostenerstattung für Polizeieinsätze zum Teil schon seit über 15 Jahren gang und gäbe. Es kann doch niemand ernsthaft behaupten, dass die inter nationale Konkurrenzfähigkeit der französischen, der englischen Vereine – der Schweizer vielleicht –

(Abg Dr. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grü nen]: Aber nicht dadurch!)

und des FC Barcelonas dadurch eingeschränkt sei, dass sie ihre Polizeikosten bezahlen müssen. Was ist das für eine abseitige Argumentation? Es ist europä ische Normalität, dass der Verursacher für die von ihm verursachten Kosten dem Gemeinwesen auch Ausgleich zu leisten hat!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: Ein

milliardenschwerer Unterhaltungskonzern wie die DFL hat nach unserer Auffassung keinen Anspruch darauf, seine Kosten zu sozialisieren. Wenn wir über Kleinstbeiträge für die Abgeltung von Überstunden von Polizisten, für die Einführung von Ganztagsgrund schulen, für Projekte für Frauen und gegen Gewalt oder über die Zukunft unserer Hochschulen streiten wie in den letzten Haushaltsberatungen, dann ist es unserer Meinung nach nicht vertretbar, auf mögliche Einnahmen in Millionenhöhe zu verzichten.

Es mag im Übrigen sein, dass dieser Handlungs

druck in anderen Ländern noch nicht so stark ist. Ich bin mir aber sicher, dass nach der gerichtlichen Klärung, die am Ende dieses Weges stehen wird, ganz viele Länder den Weg gehen werden, den Bremen jetzt vorangeht.

Gestatten Sie mir zu guter Letzt noch eine ganz

persönliche Bemerkung zur Reaktion der DFL und des DFB auf unsere Initiative und auf das, was der Senat vorgelegt hat: Ich kann nachvollziehen, dass die DFL für ihre wirtschaftlichen Interessen streitet, genauso wie ich für ein handlungsfähiges Gemein wesen streite. Ich kann nachvollziehen, dass man mit harten Bandagen kämpft. Ich kann auch nach vollziehen, dass man sagt, was ein Parlament ent scheide, sei nicht die letzte Entscheidung, die letzte Entscheidung träfen die Gerichte, und es werde vor

Gericht geklagt. Das ist alles Teil der demokratischen, rechtsstaatlichen Normalität. Ich habe aber kein Ver ständnis dafür, dass der DFB und die DFL mit dem Entzug des Länderspiels gegen Gibraltar versuchen, einen demokratischen Staat und ein demokratisches Parlament über eine öffentliche Bestrafungsaktion zu erpressen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin mir aber auch sicher, und das ging, glau

be ich, auch nicht nur mir so, dass viele Menschen plötzlich festgestellt haben, König Fußball war wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern nackt, und der Anblick, der sich da bot, war kein schöner.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)