Protocol of the Session on June 18, 2014

Deutlich ist in der Anhörung allerdings auch geworden, dass der Einsatz solcher Verfahren erstens Grenzen der Anonymität hat, das ist klar, am Ende stellt man Menschen ein und keine Raster oder ausgefüllte Fragebogen, und dass der Einsatz vor allen Dingen fast nur dort sinnvoll ist, wo bestimmte Bedingungen gegeben sind. Die Zahl der zu besetzenden Arbeits- und Ausbildungsplätze muss hinreichend groß sein, damit die Bewerbungen in der Folge in ihren Anforderungsprofilen und den darauf zu gebenden Antworten ausreichend standardisierbar und, auch das ist eine Bedingung, dadurch auch einer vollen IT-Unterstützung zugänglich sind. Der Kreis ist also eingegrenzt. Dies gilt sicherlich nicht für die Besetzung von Spitzenpositionen. Das ist, glaube ich, auch nicht der Sinn, sondern es geht darum, dass wir da, wo wir eine Vielzahl von Plätzen anbieten, aus einer Vielzahl von Bewerbern mit klaren standardisierten Verfahren diejenigen aussuchen, die wir für am besten geeignet halten, und das zunächst einmal anonym.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Unter diesen Umständen – so fordern wir in dem Antrag den Senat auf – soll der Senat Modellversuche in geeigneten Bereichen befristet und mit anschließender Bewertung durchführen. Vielleicht hören wir vom Senat heute auch schon, wann und wo er diese Bedingungen für gegeben hält und wann wir mit dem Beginn rechnen können. Wir jedenfalls, und das hat auch die gesamte Diskussion in allen Gremien gezeigt, nehmen das Diskriminierungsverbot unserer Verfassung sehr ernst.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Einigkeit besteht darin, und das ist ja hier zusammenfassend auch schon gesagt worden, dass man es einmal ausprobieren muss. Ich halte die Empfehlungen des Haushalts- und Finanzausschusses nach diesen langen Beratungen in den einzelnen Gremien letztendlich auch für durchaus nachvollziehbar und richtig, das heißt nämlich im begrenzten Rahmen und auch unter bestimmten Bedingungen.

Das Pro ist ja schon ausführlicher dargestellt worden. Es gibt bestimmte Dinge, die man in der ersten Runde auch filtern kann und sollte, insofern ist es richtig, dass die Chancen für bestimmte Bewerberinnen und Bewerber selbstverständlich verbessert werden können. Das Kontra – und das möchte ich hier auch nicht verhehlen – gibt es auch. Es gibt natürlich Bedingungen beziehungsweise Indikatoren, die man nicht filtern kann, und das sind unterbrochene Erwerbsbiografien, die es geben kann, insbesondere bei Frauen, aber auch bei Migrantinnen und Migranten.

Ich möchte darauf noch einmal ganz kurz eingehen, weil gerade das natürlich auch Diskussionsgegenstand im Gleichstellungsausschuss war. Wir möchten darauf hinweisen, dass es in dieser Anhörung – ich habe daran auch teilgenommen – durchaus Ergebnisse gegeben hat, die aufzeigten, dass letztendlich Frauen weniger zum Zuge gekommen sind als mit diesem anonymisierten Bewerbungsverfahren. Deswegen haben wir es für richtig gehalten, dass es grundsätzlich selbstverständlich ist, so ein Projekt durchzuführen, aber auch hinsichtlich dieser Aspekte entsprechend auszuwerten und zu evaluieren. Wir wollen uns auf keinen Fall sagen lassen, dass wir uns dagegenstellen, das ist überhaupt nicht der Fall. Ich finde es jedoch begrüßenswert, dass das Projekt in einen Kontext gestellt wird, denn es ist richtig, und das wurde in dieser Anhörung sehr deutlich, dass die bremische Verwaltung Maßnahmen zur Antidiskriminierung auch jetzt schon sehr erfolgreich getroffen haben. Das möchten wir nicht in Konkurrenz zu dieser Projektart konterkariert wissen, sondern das muss selbstverständlich in diesen Kontext gestellt werden.

In dem Zusammenhang werden wir auch dem Antrag der CDU nicht in Gänze zustimmen, sondern selbstverständlich das unterstützen, was jetzt als Vorschlag vorliegt. Ich hoffe, da kommen wir auch ein wesentliches Stück weiter. Die Diskussion hat ja gezeigt, wie interessant das ist. Ich warne davor, die Einführung des anonymisierten Bewerbungsverfahrens als Allheilmittel zu sehen, durch das dann die Diskriminierung beseitigt wird. Das ist natürlich nicht der Fall. Man sieht daran sehr deutlich, wie sehr es eigentlich darauf ankommt, die Ausschreibungsprofile zu definieren und andere Wertigkeiten, eben nicht nur die klassischen, traditionellen, patriarchalischen, diejenigen mit der durchgehenden Erwerbsbiografie, tatsächlich mit aufzunehmen. Das stellt eigentlich an dieses Verfahren eine hohe Anforderung, und

das ist in diesen Anhörungen auch deutlich geworden. Ich finde das ganz spannend und interessant.

Ich möchte noch einmal auf einen Aspekt hinweisen, und das ist der, den auch die Kollegin Frau Grönert hier genannt hat. Wir bräuchten das eigentlich für die private Wirtschaft, weil die öffentlichen Verwaltungen da eigentlich schon sehr vorbildlich sind. Es wäre schön, wenn wir ein Modell entwickeln könnten, das relativ gut zu handhaben und insofern auch gut zu exportieren wäre, sodass wir sagen können, wir haben das in einem überschaubaren Rahmen erfolgreich durchgeführt, und so sollten Sie das auch einmal machen! Das wird der eigentlich interessante Punkt werden. Insofern hoffe ich, dass das erfolgreich in Angriff genommen wird, und ich glaube, es besteht insofern eine große Einigkeit in diesem Punkt. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Liess, Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ziel des anonymisierten Bewerbungsverfahrens ist, Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht oder Glaube auszuschließen. Das ist mit Sicherheit kein Allheilmittel, denn wenn wir uns zum Beispiel anschauen, dass es gelungen ist, ohne anonymisiertes Bewerbungsverfahren die Beschäftigungsquote von Migranten im öffentlichen Dienst in Bremen von 17,2 Prozent im Jahr 2010 auf 24 Prozent im Jahr 2013 zu steigern, so zeigt dies, dass andere Verfahren durchaus geeignet sind, notwendig und erfolgreich waren, die Ziele zu erreichen, die wir für die Entwicklung des öffentlichen Dienstes haben, nämlich den Querschnitt der Gesellschaft auch im öffentlichen Dienst abzubilden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Insofern ist es richtig, dass wir dieses anonymisierte Bewerbungsverfahren zunächst einmal befristen und dann analysieren, ob es mit den Gesamtzielen der Entwicklung des öffentlichen Dienstes in Bremen tatsächlich übereinstimmt. In der Sache, glaube ich, ist es so, dass es viele Chancen gibt, aber wir müssen prüfen, ob wir uns damit nicht andere Möglichkeiten verstellen.

Der Haushalts- und Finanzausschuss hat ja mit den anderen Gremien sehr ausführlich beraten. Es war eine Beratungskaskade – ich sage das jetzt nicht negativ –, wie ich sie selten erlebt habe, viele waren beteiligt, viele haben sich dazu geäußert, und viele der Kolleginnen und Kollegen haben hoch interessiert an den Veranstaltungen teilgenommen, auch das möchte ich einmal deutlich sagen.

Ich glaube, dass wir im Endergebnis, indem der Haushalts- und Finanzausschuss den Beschluss des Ausschusses für Integration übernommen hat, den richtigen Weg gehen, nämlich den Probelauf durchzuführen, aber auch nur in den Bereichen, in denen tatsächlich eine volle Technikunterstützung möglich ist und auch quantitativ genügend Einstellungsverfahren anstehen, sodass man tatsächlich zu einer Bewertung kommen kann.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir als Sozialdemokraten werden dem Antrag des Haushalts- und Finanzausschusses zustimmen. Den Antrag der CDU lehnen wir ab, denn er hat sich jetzt, glaube ich, auch erledigt. In den Diskussionen ist auch klar geworden, dass es in der Form, wie es von der CDU angestrebt wird, zunächst nicht geht. Daher versprechen wir uns einen Impuls zum Abbau der Diskriminierung, ich sage aber auch deutlich, dass ich mich frage, ob das auf Dauer und alleinig der richtige Weg sein kann.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich ganz herzlich für die Anregungen, die hier gegeben worden sind, und auch für die interessante Debatte. Bremen wird es jetzt schaffen, nachdem wir ein Jahr lang daran gearbeitet haben – das stimmt auch –, dass wir einen Modellversuch starten können, um das anonymisierte Bewerbungsverfahren auszuprobieren und dann gemeinsam mit Ihnen auszuwerten, was wir daraus zusammen lernen können und ob es ein weiterer Baustein unserer Personalgewinnung und Personaleinstellungspraxis werden kann.

Ich möchte mich erst einmal ganz ausdrücklich bei der Bildungssenatorin bedanken, die sich bereit erklärt hat, in ihrem Bereich das anonymisierte Bewerbungsverfahren auszuprobieren.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Das ist auch nicht trivial, weil es von außen vielleicht immer ein bisschen anders aussieht, aber wenn man in einem so großen Tanker, den solche Ressorts und der Staat insgesamt darstellen, jetzt sagt, ich will das ändern, dann hat das ganz viele Änderungen zur Folge, unter anderem müssen die Richtlinien verändert werden. Wir hatten vor allem ganz viele Schwierigkeiten damit, weil wir ja im KoPers-Verbund sind, dass die KoPers-Software verändert werden musste, und das konnten wir auch nicht so einfach machen,

sondern wir mussten mit den anderen Ländern sprechen.

Ich will Sie nicht mit Schwierigkeiten behelligen, aber wenn man fragt, warum solch ein Verfahren eigentlich so lange dauert, dann muss einem schon klar sein, das sind keine Petitessen, und man kann nicht einfach einmal sagen, wir wollen jetzt nicht mehr wissen, was auf den Briefumschlägen steht, sondern ein ganzes Verwaltungsverfahren muss dementsprechend umgestellt werden.

Auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanke ich mich, die alle natürlich bis zur Belastungsgrenze arbeiten, und wenn man jetzt sagt, ich bewege mich, ich probiere etwas Neues aus, dann ist das auch immer ein Schritt zu zeigen, wir sind offen für alle Anregungen. Dafür noch einmal ganz herzlichen Dank!

Wir haben jetzt die technischen Voraussetzungen geschaffen. Im Herbst kann das Pilotprojekt beginnen, dann ist die Software so programmiert, dass das Pilotprojekt bei der Senatorin für Bildung und Wissenschaft starten kann. Wir haben uns schon angestrengt, das jetzt auch zeitlich zu schaffen und dem Priorität zu verleihen. Es wird uns dann gelingen, Ihnen im ersten Quartal des Jahres 2015 eine Auswertung vorzulegen, und dann können wir einmal schauen, was wir zusammen daraus lernen können. Wenn man die Software einmal programmiert hat, dann ist es danach nicht mehr so schwierig.

Ich bin auch sehr froh darüber, dass die Debatte jetzt doch sehr differenziert geführt worden ist. Es gibt Bereiche, für die das Verfahren geeignet ist, und es gibt Bereiche, in denen man mit dem Verfahren nichts bestellen kann. Wir werden auch etwas dazulernen, und wir werden jetzt die Voraussetzungen schaffen, dass weitere Bewerbungsverfahren auch in anderen Ressorts ohne weiteren großen Aufwand mit diesem anonymisierten Verfahren durchgeführt werden können. Wir sind dann wenigstens so weit, dass wir nicht wieder riesige Anstrengungen unternehmen müssen, um das zu veranlassen, das haben wir dann wenigstens zusammen geschafft.

Ich würde in diesem Zusammenhang trotzdem gern auf Folgendes hinweisen: Natürlich weiß ich auch, dass das Bessere der Feind des Guten ist. Wir sind offen für alles, was uns hilft, den Staat in eine Richtung zu lenken, nicht nur gut, sondern auch vorbildlich zu sein. Wir müssen uns aber auch nicht verstecken.

Wir haben durch die Umfrage erfahren, dass 13 Prozent unserer Beschäftigten einen Migrationshintergrund haben, damit sind wir wahrscheinlich, gefühlt hinter Berlin, doch auf einem sehr ordentlichen Platz. Unsere Ausbildungskampagne „Du bist der Schlüssel!“, bei der wir ganz viel Anstrengungen unternommen haben, um Jugendliche mit Migrationshintergrund dafür zu interessieren, im öffentlichen Dienst eine Anstellung zu bekommen, hat mittlerweile den Erfolg, dass bei den neuen Ausbildungsjahrgän

gen 24 Prozent der Jugendlichen einen Migrationshintergrund haben. Daran wollen wir uns weiter messen lassen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir haben es geschafft, die Schwerbehindertenquote – darüber haben wir ja auch schon häufiger hier gesprochen – von 6,03 Prozent auf 6,96 Prozent zu steigern, auch in dem Bereich haben wir einen sehr ordentlichen Platz erzielt, den wir verteidigen wollen. Wenn wir Verfahren finden, mit denen wir noch besser werden können, dann immer gern!

Am Ende – und ich fand auch sehr gut, dass das in Debattenbeiträgen genannt wurde –, mit welchem Verfahren auch immer, wird es immer entscheidend sein, ob sich diejenigen, die die Personalauswahl treffen, die Mühe geben und in der Lage sind, sich einzufühlen, ob sie mit dem positiven Willen ausgestattet sind, ihren Blick zu erweitern, sich anzustrengen, sodass der Staat möglichst viele geeignete Bewerberinnen und Bewerber aus allen Teilen der Gesellschaft, aus allen Stadtteilen, mit allem sozialen und ethnischen Hintergründen gewinnt. Da sind wir auf einem wirklich guten Weg.

Wir haben uns noch einmal ziemlich genau angeschaut – das ist vielleicht einer der ganz entscheidenden Punkte –, welche Wirkung die Qualifikationsanforderungen, die wir an jugendliche Bewerber oder an junge Erwachsene und die Bewerbungen stellen, am Ende hat, ob man Menschen mit Migrationshintergrund diskriminiert. Wenn man nämlich dem Deutschaufsatz eine sehr hohe Wertigkeit zuweist, dann hat man ein Verfahren, wenn man es so machen würde – früher war das auch so –, bei dem Menschen mit Migrationshintergrund oft ganz schlechte Karten haben. Wenn man aber schaut, wie man anderen Fähigkeiten – ich nenne das Beispiel Sprachvielfalt, die wir auch im Stadtamt, bei der Polizei, bei der Feuerwehr brauchen – in den Bewertungen, die ja am Ende auch in einem rechtsstaatlichen Verfahren erfolgen müssen, eine höhere Wertigkeit verleiht, dann sieht die Welt auf einmal ganz anders aus.

Ich bleibe dabei, die Verfahren sind wichtig. Wir werden uns hier gemeinsam mit Ihnen auf den Weg machen und neue Erfahrungen sammeln. Diejenigen, die die Auswahl treffen, müssen mit einem politisch gewollten Bewusstsein des Förderns der Vielfalt herangehen, und wir benötigen faire Qualifikationsanforderungen, die schwerbehinderten Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund eine gute Chance geben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/760 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU und BIW)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Nun lasse ich über den Antrag des staatlichen Haushalts- und Finanzausschusses abstimmen.