Protocol of the Session on March 27, 2014

Ich gehe jetzt aber einfach einmal ganz optimistisch davon aus, dass Herr Staatsrat Lühr oder eben irgendjemand die Zügel sicher in die Hand nehmen und die Umsetzung der Punkte aus dem Antrag auch durchsetzen wird. Es ist mir nämlich sehr ernst mit dem Anliegen, schwerbehinderten Menschen mehr Perspektiven für einen Arbeitsplatz zu bieten. Der öffentliche Dienst kann da sicher noch mehr Vorbild sein und vorangehen, er kann es aber natürlich nicht allein leisten. Jeder andere Arbeitgeber hat genauso eine soziale Verantwortung, vor der er sich nicht einfach durch das Zahlen der Ausgleichsabgabe drücken kann. Es gibt heute durch das Integrationsamt, den Integrationsfachdienst und andere eine wirklich erstklassige Beratung und Unterstützung in fachlicher und auch finanzieller Hinsicht. Arbeitgeber, die diese Möglichkeiten nutzen, sind oft erstaunt über die gute Zusammenarbeit und freuen sich schlussendlich über einen neuen Arbeitskollegen oder eine neue Kollegin. Wie sagt man heute so schön? Eine Win-winSituation für beide Seiten, auf jeden Fall aus sozialer oder einfach aus menschlicher Sicht! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Mai vergangenen Jahres der Überweisung des CDU-Antrags an den Haushalts- und Finanzausschuss zugestimmt, weil wir die Politik des Senats in dieser wichtigen und sensiblen Frage durchaus überprüfen wollten und in den Elementen, die wir für richtig halten, unterstützen; allerdings nicht, weil wir die Forderung der CDU nach einer 5-Prozent-Quote für die Übernahme Schwerbehinderter nach der Ausbildung dafür für zielführend hielten. Die weitere Entwicklung und die Beratungen im Ausschuss waren für uns kein Anlass, unsere Auffassung zu verändern. Wir unterstützen die erfolgreiche Arbeit des Senats, der noch einmal die Beschäftigungsquote Schwerbehinderter im öffentlichen Dienst in Bremen auf nunmehr 7,04 Prozent steigern konnte. Das ist, meine Damen und Herren, eine erhebliche Leistung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich finde, da wir uns sicherlich in diesem Ziel alle einig sind, dass wir sie auch alle anerkennen sollten, und dass Sie angesichts dieser Tatsache ein ernst gemeintes Bekenntnis dieses Senats zu dieser Aufgabe vermissen, kann ich nun wirklich ganz und gar nicht verstehen, Frau Kollegin!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein Antrag der CDU zur vermehrten Beschäftigung von Schwerbehinderten in der Privatwirtschaft wäre von Interesse gewesen, es ist schade, dass Sie das nicht gemacht haben. In den Anhörungen hat Herr Dr. Steinbrück verschiedene Anregungen gegeben, auf sehr gute Beispiele hingewiesen und eine oder zwei Institutionen genannt, die besser ausbilden. Nach unserer Überzeugung sind das aber sehr spezielle Institutionen, und die Ausbildung dort ist nicht eins zu eins übertragbar.

Herr Wolf als Gesamtschwerbehindertenvertreter hat in den Beratungen darauf hingewiesen, dass wir in unseren Bemühungen, die auch er sehr anerkannt hat, nicht nachlassen dürfen und im Konkreten noch besser werden müssen. Natürlich war das sein Wunsch, aber er hat sich bei dieser Gelegenheit eindeutig gegen eine 5-Prozent-Quote Schwerbehinderte in der Ausbildung im öffentlichen Dienst aus folgenden Gründen ausgesprochen:

Erstens sei diese Quote unrealistisch, weil es für die dort in Rede stehenden Ausbildungsgänge nicht genügend qualifizierte schwerbehinderte Bewerber gebe. Er und ich sprachen von den Ausbildungsgängen, in denen dann auch regelmäßig nach Bedarf Auszubildende übernommen werden. In den freien Ausbildungsgängen, in denen wir zusätzlich ausbilden, liegt die Quote bereits bei über 7 Prozent, daran gibt es also wenig auszusetzen. Für den Bereich der Finanzbeamten, der Polizisten und so weiter ist aus nahe liegenden Gründen in der Tat das Potenzial von geeigneten Bewerbern einfach sehr gering.

Zweitens, Herr Wolf hat darauf hingewiesen, dass im öffentlichen Dienst wie auch sonst im Leben die meisten Behinderungen erst im Laufe des Erwerbslebens eintreten. Seine Quintessenz war also, dass eine wie von der CDU geforderte Quote sachlich nicht sinnvoll und deswegen kontraproduktiv sei.

Die Senatorin für Finanzen hat in diesen Beratungen ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das die bisherige gute Politik mit Nachdruck fortsetzen soll. Es geht dabei um weiter verstärkte Werbung für eine Ausbildung der infrage kommenden Personengruppe, es geht um die Fortführung der wirklich nicht unerheblichen und sehr wirksamen finanziellen Unterstützung bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen mit schwerbehinderten Jugendlichen und auch um die Anwendung des anonymisierten Bewerbungsverfahrens, soweit es bei Ausbildungsgängen sinnvoll ist.

Es geht in einem weiteren Punkt um eine Reihe von präventiven Maßnahmen, die das Risiko herabsetzen sollen, dass die Beschäftigten erst während des Dienstes oder gar durch den Dienst krank werden. Darunter finden Sie neben bewährten Maßnahmen des Gesundheitsmanagements unter Ziffer 5 auch die Idee, mit Fitnesscentern eine Vereinbarung über Rabatte für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes abzuschließen, sozusagen eine Art Fitnessticket analog zum Jobticket. Wir haben gehört, dass das auf einem

guten Weg sein soll, vielleicht kann Herr Staatsrat Lühr uns dazu nachher etwas sagen.

Wir empfehlen der Bürgerschaft, den Weg zu unterstützen, der in dem Papier des Finanzressorts beschrieben wird, ich glaube, der Weg kann auch von allen Fraktionen unterstützt werden. Wir schlagen Ihnen jedoch vor, den Antrag der CDU abzulehnen, weil er in einem zentralen Punkt weit am Ziel vorbeigeht. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Liess, Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den ausführlichen Darstellungen von Frau Grönert und Herrn Dr. Kuhn ist es nun schwierig, noch neue Argumente zu nennen. Es ist so, die CDU hatte den Antrag gestellt, man möge Schritte unternehmen, um auch die Anzahl von Schwerbehinderten bei Neueinstellungen zu erhöhen. Wir haben daraufhin eine Anhörung durchgeführt, im Übrigen ein gutes Mittel, wie ich fand, um sich dem Thema insgesamt zu nähern, weil auch für mich dort noch einige Details zutage getreten sind, die ich so in der Tat nicht wahrgenommen und gekannt hatte.

Herr Dr. Kuhn hat schon sehr richtig und sehr treffend darauf hingewiesen, dass es in einem zentralen Punkt – dies ist auch einer der zentralen Punkte des Antrags der CDU – einen deutlichen Dissens zwischen der Anforderung einerseits und der Realität andererseits gibt, weil schon die Anzahl qualifizierter Bewerber nicht dazu führen könnte, eine 5Prozent-Quote zu erreichen. Daher macht es auch keinen Sinn, sich ein unrealistisches Ziel zu setzen, sondern es macht viel mehr Sinn, den schon vom Senat eingeschlagenen Weg weiterzugehen, nämlich sich um Schwerbehinderte zu bemühen, sich zu bemühen, dass mehr Schwerbehinderte in ein Ausbildungsverhältnis und in ein Anstellungsverhältnis des öffentlichen Dienstes kommen.

Ich will auch aus meiner Sicht noch einmal sagen, ich kann nicht erkennen, dass der Senat sich bisher in irgendeiner Art und Weise dieser Verantwortung entzogen hätte, im Gegenteil!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Gerade dem Schreiben vom 7. November, das auch Ihren Unterlagen als Anhang zum Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses beiliegt, können Sie auch noch einmal entnehmen, welche Schritte nun unternommen werden sollen. Ich will sie nicht noch einmal aufzählen, um Sie jetzt nicht unnötig zu lang

weilen, aber ich glaube, es sind die Schritte, die es möglich machen, sich gesichert um schwerbehinderte Bewerber zu bemühen und ihnen weitere Möglichkeiten zu geben, auch im öffentlichen Dienst tätig zu werden.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu dem Schluss und haben uns im Haushalts- und Finanzausschuss ja auch schon entsprechend verhalten, dass der Antrag der CDU eine Zielsetzung vorgibt, die von der tatsächlichen Lage weit entfernt und gar nicht umsetzbar ist, daher werden wir diesen Antrag ablehnen. Ich habe jetzt bei Frau Grönert nicht verstanden, ob Sie den Antrag aufrechterhalten, das ist mir jetzt gar nicht klar, aber wenn Sie ihn aufrechterhalten, dann würden wir ihn ablehnen und werden den Forderungen des Haushalts- und Finanzausschusses beitreten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kernfrage in dieser Debatte ist doch, ob man den Anteil der Schwerbehinderten bei den Neueinstellungen erhöhen kann. Der öffentliche Dienst liegt sehr gut mit seiner Beschäftigungsquote von 7 Prozent, ich glaube, da haben wir gar keinen Dissens. Sie ist fast so hoch wie der Anteil der Bevölkerung mit Behinderungen, der, glaube ich, bei 9 Prozent liegt. Bei den Neueinstellungen ist der Anteil aber nach wie vor sehr gering. Ich verstehe eigentlich nicht warum, wir können ja nicht nur davon ausgehen, dass wir junge Schwerbehinderte einstellen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Hier geht es um Ausbildung, Frau Kol- legin!)

Ja, es geht um Ausbildung, das ist schon richtig, aber trotzdem haben wir auch in der Beschäftigungspolitik das Ausbildungsproblem, und da können wir auch nicht immer nur davon ausgehen, dass es tatsächlich nur die jungen Menschen sind, wenn es um die Qualifizierung geht, das ist aber noch ein anderes Thema! Wir haben hier tatsächlich nur 1,7 Prozent.

Das zweite Argument wegen der Frage des Alters ist ja, es schwankt in dem Bereich wirklich erheblich. Im Jahr 2012 waren es 3,6 Prozent, und im Jahr zuvor waren es circa 7 Prozent, das heißt, es geht hier um einen relativ kleinen Personenpool, wenn man sich das ansieht, und die Neueinstellungen sind auch sehr überschaubar. Dann kann es doch nicht so schwierig sein, finde ich, einmal darüber nachzudenken, ob nicht doch diese 5-Prozent-Quote eine sinnvolle Maß

nahme ist. Ich kann noch nicht ganz der Argumentation folgen, warum das nicht zu unterstützen wäre

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wenn es die Auszubildenden nicht gibt?)

im Sinne der generellen Arbeitsmarktsituation und der Voraussetzungen im öffentlichen Dienst. Es ist mir auch aus der Diskussion im Haushalts- und Finanzausschuss bekannt, wo durchaus auch problematisiert wurde, warum es schwierig ist. Das hat ja auch damit etwas zu tun, dass bestimmte Arbeitsplätze weggefallen sind, wegrationalisiert worden sind, die in dem Bereich durchaus nutzbar gewesen wären. Wir wissen alle, dass wir von Arbeitsverdichtung und einem enormen Arbeitstempo sprechen.

Aus meiner eigenen Umgebung im öffentlichen Dienst weiß ich, wie schwer es ist, immer die Voraussetzungen zu schaffen. Andererseits sind wir dazu verpflichtet und müssen es auch machen. Das beginnt bei der Treppe, den Fahrstühlen und geht bis hin zu dem Moment, wo ich einen Elektrorollstuhl benötige. Wir haben solch einen Fall. Es ist sehr schwierig, die räumlichen Gegebenheiten entsprechend anzupassen, wenn wir in einem räumlichen Umfeld sind, das nicht von Beginn an so gebaut worden ist. Sie wissen, in welchen Räumlichkeiten unsere Verwaltungen zum Teil untergebracht sind, das ist nicht einfach, und insofern, finde ich, müssen wir uns schon damit beschäftigen und sagen, das muss verbessert werden.

Wir unterstützen den Antrag mit der 5-ProzentQuote, und ich finde es auch richtig, ein Konzept einzufordern. Ich kann an dieser Stelle nicht nachvollziehen, warum Sie dem nicht positiver gegenüberstehen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Waren Sie im Haushaltsausschuss, Frau Kollegin?)

Nein, ich war nicht im Haushalts- und Finanzausschuss!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Deswegen haben wir das doch ge- macht!)

Ich habe mir dieses Protokoll angesehen, und ich kenne auch die Problematik.

Interessant finde ich auch, dass es irreführende Zahlen gibt, die in diesen Berichten und auch in der Anlage stehen. In dieser berühmten Anlage 1 – sie war jetzt bei der Drucksache nicht dabei, aber man kann sie ja im Netz finden – steht, da ist man dann ganz erstaunt, der prozentuale Anteil der schwerbehinderten Auszubildenden lag im Jahr 2012 bei 7,33

Prozent. Der Anteil der Schwerbehinderten in der Statusgruppe Auszubildende, Anwärter, Praktikanten lag bei 1,7 Prozent, das kann man wiederum dem Schwerbehindertenbericht 2012 entnehmen.

Ich frage mich: Welche Zahlen dienen denn jetzt als Grundlagen, und welche Prozentzahl bezieht sich auf was? Ich hätte mir, ehrlich gesagt, schon ein wenig Klärung gewünscht. Man kann jetzt doch nicht in der Debatte einfach sagen, 5 Prozent wären unmöglich zu schaffen, wenn hier steht, wir hätten schon 7,33 Prozent.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das sind unterschiedliche Bereiche! Frau Kollegin, es wird allmählich peinlich!)

Ja, das sind unterschiedliche Bereiche! Ich möchte dann aber wissen, welche Bereiche dann welche sind und wie sie definiert sind. Ich kann trotzdem nicht begreifen, warum auf der einen Seite diese 5-ProzentQuote so unglaublich utopisch wirkt, wenn auf der anderen Seite eine positive Entwicklung festzustellen ist. Wir unterstützen den Antrag der CDU. – Vielen Dank!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert, Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie haben sich jetzt sehr auf den Bereich der Auszubildenden fokussiert, darauf haben wir auch einen Schwerpunkt in unserem Antrag gelegt, aber wir haben ja nicht nur die Auszubildenden ins Feld geführt, sondern es gibt ja auch noch zwischen dem Ausbildungs- und dem Rentenalter sehr viele Menschen mit einer Schwerbehinderung, die man ja vielleicht auch einstellen könnte. Sie können mir nicht erzählen, dass es da so wenige gibt, dass man eben nicht in Richtung 5 Prozent arbeiten könnte.

Die Zahlen, die es irgendwie so ein bisschen in sich haben, muss man sich genauer anschauen. Wenn jetzt gesagt wird, die Quote der Arbeitsplätze in Bremen, die mit schwerbehinderten Menschen besetzt ist, beträgt 7 Prozent, dann darf man nicht meinen, dass von 100 Menschen, die in der Behörde arbeiten, sieben eine Schwerbehinderung haben. Die Menschen, die schwerbehindert sind, zählen pro Arbeitsplatz anders als gesunde Menschen, und zwar kann ein schwerbehinderter Mensch dann nämlich auf zwei oder drei Arbeitsplätze angerechnet werden. Wenn man schaut, wie viele Menschen eingestellt sind, dann sind die Prozentzahlen viel niedriger als wenn man schaut, wie viele Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt sind.

Ich glaube, daher kommen auch die sehr unterschiedlichen Zahlen, einerseits wird von 7 Prozent gesprochen, andererseits werden 2 Prozent genannt.

Das liegt daran, weil eben doppelt angerechnet wird. Das ist keine Bremer Erfindung, sondern eine bundesweite Regelung, das ist so. Es ist aber wichtig, dass man das im Hinterkopf hat, weil auch ich, wenn ich in Berichten die Zahl 7 Prozent lese, immer denke, ist doch logisch, von 100 Menschen sind es 7.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.