Protocol of the Session on March 26, 2014

Für die CDU-Fraktion ist der dargestellte Umfang der häuslichen Gewalt im Land Bremen ein Alarmzeichen und Anlass dafür, gerade die präventiven Maßnahmen in diesem Bereich deutlich zu intensivieren. Der Senat teilt dazu mit, dass es schon eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe „Häusliche Beziehungsgewalt“ gibt, deren Bericht aus dem Jahr 2011 im Übrigen dieser Großen Anfrage beigefügt war. Im Jahr 2014 soll der nächste Bericht vorgelegt werden. Ich glaube, dass die permanente Vorlage des Berichts schon sehr sinnvoll ist.

Aus den Antworten des Senats geht weiter hervor, dass die verschiedenen Ressorts versuchen, die individuellen Ursachen der häuslichen Gewalt zu erfassen und dafür zu sorgen, dass die Betroffenen das Unrecht und den Rechtsbruch der Taten erkennen.

Ferner teilt der Senat mit, dass ein umfassendes Hilfe- und Unterstützungssystem für die Opfer, aber auch für die Täter zur Verhinderung zukünftiger Taten von großer Bedeutung ist. Dabei wirken in unserem Land mehrere Vereine und Einrichtungen, wie beispielsweise die Frauenhäuser, die Beratungsstellen Täter-Opfer-Ausgleich und Stalking-KIT sowie die Arbeiterwohlfahrt mit, um nur einige zu nennen, denn die Polizei, die in der Regel als Erste zu Hilfe gerufen wird, kann das häusliche Problem nur kurzfristig lösen. Langfristig müssen dafür andere Maßnahmen der Aufklärung, Prävention und Resozialisierung greifen. Auch die Möglichkeiten der Justiz sind aus nachvollziehbaren Gründen begrenzt, denn häufig, und das ist eigentlich fatal, werden Strafanträge insbesondere von den Frauen zurückgenommen, und für viele Opfer beginnt danach das Problem von Neuem.

Meine Damen und Herren, wie wichtig die Verhinderung der häuslichen Gewalt ist, erkennen wir daran, dass nach der eingangs von mir angesprochenen Studie der Evangelischen Kirche 80 Prozent der Täter angegeben haben, als Kind selbst Opfer gewesen zu sein. Diesen Kreislauf gilt es zu unterbrechen. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema Gewalt an Frauen und Kindern, Gewalt im eigenen Haus hat hier für uns schon häufig eine Rolle gespielt. Die letzte Debatte, ich erinnere mich, haben wir anlässlich des Gewaltberichts im Jahr 2013 geführt, und viele Antworten des Senats beziehen sich eben genau auf diesen Bericht.

Gewalt betrifft in erster Linie Frauen und Kinder, die Täter sind in der Regel Männer und vor allem die Partner beziehungsweise Ex-Partner dieser Frauen. Häusliche Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das ist soeben auch gesagt worden, und betrifft alle Gruppen unabhängig von Herkunft, sozialer Schicht, Kultur- und Bildungsstand. Allerdings wissen wir auch, dass manche Gruppen von Frauen stärker betroffen sind als andere. Dazu zählen ganz besonders Frauen unter 35 Jahren in schwierigen sozialen Lagen, aber auch gut ausgebildete Frauen über 45 Jahren und Frauen mit Migrationshintergrund, insbesondere mit türkischem Migrationshintergrund im Kontext von Trennung und Scheidung. Das sind echte Risikofaktoren.

Gewalt in der Familie ist allerdings immer noch ein Tabu, daher finde ich es gut, dass Herr Hinners diese Große Anfrage gestellt hat und wir die Gelegenheit haben, erneut darüber in die Debatte einzutreten.

In Bremen werden jährlich über 400 Körperverletzungen plus 100 schwere Körperverletzungen angezeigt, in Bremerhaven sind es 100 plus 20. Bedauerlicherweise äußert sich der Senat allerdings nicht zu den Verfahrensausgängen. Mich würde interessieren, bei wie vielen dieser angezeigten Delikte es tatsächlich zu Verurteilungen kommt und wie viele davon wiederum zu Urteilen mit Freiheitsentzug führen. Wir werden heute noch eine weitere Große Anfrage debattieren, nämlich die Antwort des Senats zu dem Thema Gewalt und Straftaten gegen Kinder. In der Antwort stellen wir fest, dass eigentlich bei keiner angezeigten Straftat eine tatsächliche Haftstrafe die Konsequenz ist. Das hat mich doch sehr überrascht, als ich mir diese Antwort ansah.

Ich möchte auch gern noch einmal auf das eingehen, was heute Morgen in der Debatte über die

K.-o.-Tropfen eine Rolle gespielt hat. Frau Piontkowski ist darauf eingegangen, dass bei der Strafverfolgung durchaus einiges nicht in Ordnung ist und man die Strafverfolgung solcher Taten durchaus verbessern kann. Da schließe ich mich Ihnen uneingeschränkt an.

Auf die Frage nach den Resozialisierungsmaßnahmen verweist der Senat auf ein besonderes Behandlungsprogramm für Gewaltstraftäter, das darauf abzielt, den Gefangenen für das angerichtete Leid zu sensibilisieren und ihn mitfühlen zu lassen, insbesondere aber auch die bisherigen Konfliktlösungsstrategien zu hinterfragen und Alternativen zu entwickeln. Das ist mit Sicherheit wichtige Präventionsarbeit, damit eben diese Täter nach ihrer Entlassung nicht erneut zu Tätern werden und Frauen hiermit weiteres Leid erspart wird. Ich wüsste allerdings auch gern, wie viele Täter diese Maßnahme tatsächlich durchlaufen haben, und noch viel spannender ist, wie gesagt, wie viele Täter überhaupt verurteilt wurden.

So wichtig die Arbeit mit den verurteilten Tätern ist, so muss es natürlich auch Maßnahmen geben, die auch greifen, wenn die Täter eben nicht verurteilt werden. Wir wissen, dass gewalttätige Männer häufig selbst auch Gewalt erfahren haben. Wenn der Sohn zusehen muss, wie seine Mutter durch den Vater bedroht und misshandelt wird oder wenn er selbst Gewalt erfährt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass er später gewalttätig reagiert, natürlich deutlich höher, als wenn er über andere Konfliktlösungsstrategien zu verfügen gelernt hat.

Deshalb kann es aus meiner Sicht auch nicht sein, dass zum Beispiel in den Fällen, in denen Gewalt in der Familie stattgefunden hat, die Väter ein Besuchsrecht ohne Auflagen erhalten. Daran muss gearbeitet werden.

(Beifall bei der SPD)

Im Gewaltschutzbericht ist Bremerhaven als ein gutes Beispiel aufgeführt, dort sollen gewalttätige Männer aus Beziehungen, in denen Kinder leben, über soziale Trainingskurse erreicht werden, die nicht freiwillig sind. Das halte ich für richtig, ich wüsste aber auch hier ganz gern, wie viele es eigentlich sind, die solche Trainingskurse durchlaufen haben.

Wir alle wissen, dass Bremen ein vielfältiges Hilfesystem hat, das wir hier an verschiedenen Stellen bereits debattiert haben. Mit unseren Beschlüssen zum Haushalt haben wir dafür gesorgt, dass insbesondere die Einrichtungen, die für von Gewalt betroffene Frauen vorhanden sind, auch nicht unter die Kürzungsvorschläge fallen.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Das reicht aber trotzdem hinten und vorne nicht!)

Frau Piontkowski, es reicht nie! Ich finde, dass man auch immer noch besser werden kann, da sind wir

gar nicht im Zwist, aber unter den vorhandenen Rahmenbedingungen, finde ich, ist es gut, hier fast 150 000 Euro zusätzlich einzustellen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Natürlich ist es nicht genug. Es ist nicht genug, diese Institutionen mit Geld zu unterstützen beziehungsweise abzusichern, denn Gewalt gegen Frauen ist die weltweit häufigste Menschenrechtsverletzung. Der Schutz von Frauen und Kindern muss Pflichtaufgabe des Staates sein, und deshalb muss es aus meiner Sicht auch einen gesetzlichen Rechtsanspruch für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder geben.

(Glocke)

Das bedeutet, dass es einer verlässlichen Finanzierung der Frauenhäuser bedarf. Das, was wir hier versucht haben, ist durchaus gut und richtig, aber bedarf einer besseren Lösung. Es bedarf aber natürlich auch einer fachlichen Verständigung über eine abgestimmte Täterarbeit, wie uns der Gewaltschutzbericht ausweist.

Ich habe die Glocke gehört, daher bedanke ich mich noch einmal für die Antwort des Senats und die Große Anfrage der CDU! – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich zunächst ein wenig über die Große Anfrage der CDU gewundert, was natürlich auch ein Stück weit daran liegt, dass wir im Gleichstellungsausschuss, aber auch hier dieses Thema ständig debattiert haben. Der Bericht des Jahres 2011 wurde durch einen Bericht des Jahres 2012 ergänzt, und wir haben das hier auch noch einmal dargestellt.

Trotzdem finde ich es immer gut, wenn wir noch einmal darüber sprechen, das kann gar kein Fehler sein. Ich würde trotzdem Herrn Hinners gern in die Sitzung des Gleichstellungsausschusses einladen wollen, um das Thema dort noch einmal mit uns aufzuarbeiten, denn anscheinend sind die Berichte bei der CDU nicht vollständig angekommen.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Haben Sie das Ge- fühl, dass Sie das nicht erfasst haben?)

Doch ich möchte noch einmal auf das Thema selbst eingehen. Häusliche Gewalt als solche gibt es ja nicht.

Das sind durchaus unterschiedliche Gewaltformen, mit denen wir es zu tun haben, und es ist richtig, dass sie überwiegend von Männern gegenüber Frauen ausgeübt werden, das ist auch nicht weiter verwunderlich. Im Jahr 2012 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Bericht „Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen“ veröffentlicht, auch eine sehr interessante Studie, darin wird bereits deutlich, dass sich die Herangehensweise verändert. Der Begriff häusliche Gewalt stellt den Standort Zuhause in den Mittelpunkt, doch die gemeinsame Wohnung ist es in vielen Fällen ja nicht mehr.

Meine Kollegin Frau Böschen hat darauf hingewiesen, dass gerade die Trennungssituationen ein Risiko in den Risikogruppen darstellen, das ist ganz logisch. Es geht hier darum, wenn sich Frauen aus einem bestimmten Beziehungsfeld loslösen, entsteht eine entsprechende Aggressivität. Ich finde, das ist eine sehr nachvollziehbare Argumentation.

Auch in anderer Hinsicht entspricht es ja nicht mehr der klassischen Vorstellung. Es ist so, dass dieser Tatkontext „Kultureller Hintergrund“, und dann passiert das eben üblicherweise in häuslicher Gewalt, nicht immer der Realität entspricht, damit verbindet sich nicht die Trennungssituation. Insbesondere dann, wenn es sich um einen Migrationshintergrund handelt, ist es so, dass unterschiedliche Anforderungen in diesen Kulturkreisen bestehen. Es ist interessanterweise so, dass die Suizidrate bei jungen Türkinnen entsprechend höher ist als bei vergleichbaren deutschen Gruppen im Zusammenhang. Ich finde, das muss uns zu denken geben.

Wir müssen uns also von dieser grundsätzlichen Vorstellung einer weiblichen Passivität eigentlich ein Stück weit trennen, denn es geht darum, auch die weibliche Rollenveränderung in den Blick zu nehmen, die durch diese als Auslöser wirkt.

Ich finde es wichtig, das kann man nicht oft genug betonen, dass diese Risikogruppe nicht nur die Frauen mit dem türkischen Hintergrund ausmacht – Kontext von Scheidung und Trennung –, sondern es alle Schichten betrifft, explizit auch die gut ausgebildeten Frauen ab 45 Jahren. Wir müssen uns also nicht einbilden, dass es vermehrt nur in bestimmten Zusammenhängen der Fall ist. Das finde ich ganz bemerkenswert. Das ist sozusagen etwas, bei dem wir uns dann aber auch sagen müssen – wir haben es angesprochen –, es gibt bei uns ein relativ gut ausgebautes Hilfesystem, aber es ist gnadenlos unterfinanziert. Es ist leider der Fall, da gibt es eine große Lücke, und wir müssen auch einmal sagen, für migrantische Organisationen besteht diese Lücke. Wir haben aufgrund der Berichte festgestellt, dass wir gerade in diesem Zusammenhang präventive Maßnahmen explizit brauchen und Bremen hier nicht gut aufgestellt ist.

Ich möchte an der Stelle auch noch einmal sagen, wir haben hier die Problematik der Finanzierung der

Frauenhäuser auch schon häufiger angesprochen. Selbstverständlich haben die Frauenhäuser ein riesiges Problem, wenn sie Frauen aufnehmen, die nicht über das SGB abgesichert sind. Diese Kosten werden aktuell nicht übernommen. Das trifft dann tatsächlich Frauen aus migrantischen Zusammenhängen genauso wie zum Beispiel Studentinnen. Dieses Problem haben wir nach wie vor nicht gelöst. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir jetzt 20 000 Euro in den Haushalt eingestellt, aber das ist natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Diese Maßnahmen müssen ausgebaut werden, weil wir diesen Zusammenhang ständig beklagen.

Ich komme noch einmal darauf zurück, dass ich eigentlich sagen muss, es wäre schön, wir würden das nicht nur im Gleichstellungsausschuss debattieren, sondern es würde letztendlich in allen Debatten immer wieder als Querschnittsaufgabe angesehen werden, sodass man sich das auch hier und in anderen Deputationen ansieht, und zwar in der Gesundheitsdeputation, in der Sozialdeputation und im Haushalts- und Finanzausschuss, das nur einmal als Beispiel!

(Beifall bei der LINKEN)

Insofern muss ich sagen, gute Idee, Herr Hinners, wenn ich auch davon ausgehen muss, dass nicht alles bei Ihnen angekommen ist,

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Bei mir persön- lich!)

aber gut, dass wir das hier diskutiert haben. – Danke! (Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker, Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich schließe mich auch dem Dank an den Senat für die sehr ausführliche Beantwortung der Großen Anfrage an, die ja doch in vielen Bereichen sehr aufschlussreich ist. Ich denke auch, dass die zum Teil sachliche Debatte deutlich macht, dass das hier kein Thema für einen politischen Schlagabtausch ist.

Der Senat macht deutlich, dass alle Geschlechter und alle Altersklassen in Bremen und Bremerhaven Opfer von häuslicher Gewalt werden, aber in der Mehrheit sind Frauen Opfer, die Täter männlich. Der Senat macht auch deutlich, dass Gewalt unabhängig von Stadtteilen, Berufen und sozialer Stellung stattfindet. Ich verzichte an dieser Stelle jetzt ganz bewusst darauf, die einzelnen Zahlen noch einmal zu referieren, das haben Herr Kollege Hinners und Frau Kollegin Böschen ausführlich getan, glaube ich. Wichtig erscheinen uns Grünen die nachfolgenden Punkte.

Es ist richtig und wichtig, dass diesem Problem ressortübergreifend begegnet wird. Dies erscheint uns unerlässlich, genau wie klare Regelungen für Verfahren zwischen den beteiligten Ressorts. Die Opfer dürfen nicht in die Mühlen der einzelnen Verwaltungen geraten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In der Antwort auf Frage sechs führt der Senat dies auch weiter aus, ebenso wie den Hinweis, dass es bei der Polizei Bremen jetzt auch eine einheitliche und fachkundige Bearbeitung der unterschiedlichen Deliktfelder durch eine Zusammenlegung gibt.

Im Bereich der Prävention, das macht der Senat deutlich, ist unser Bundesland gut aufgestellt. Wichtig erscheint uns hier, dass wir das Thema immer wieder auf die Agenda setzen. Sehr geehrte Frau Kollegin Bernhard, Sie haben es ja soeben auch noch einmal eher begrüßt, denke ich einmal, dass wir das Thema heute diskutieren, weil es natürlich schon immer noch einen Unterschied ausmacht, ob es in einem einzelnen Ausschuss diskutiert wird oder hier im Plenum. Sie haben ja soeben zu Recht auf die Querschnittsaufgabe hingewiesen, und deswegen macht es Sinn, das hier auch im Plenum zu diskutieren.