Protocol of the Session on March 26, 2014

Im Bereich der Prävention, das macht der Senat deutlich, ist unser Bundesland gut aufgestellt. Wichtig erscheint uns hier, dass wir das Thema immer wieder auf die Agenda setzen. Sehr geehrte Frau Kollegin Bernhard, Sie haben es ja soeben auch noch einmal eher begrüßt, denke ich einmal, dass wir das Thema heute diskutieren, weil es natürlich schon immer noch einen Unterschied ausmacht, ob es in einem einzelnen Ausschuss diskutiert wird oder hier im Plenum. Sie haben ja soeben zu Recht auf die Querschnittsaufgabe hingewiesen, und deswegen macht es Sinn, das hier auch im Plenum zu diskutieren.

Die Frage ist ja, warum wir es eigentlich immer wieder auf die Agenda setzen sollten. Die Antwort ist, weil das Erlebnis von Gewalt im Zusammenhang mit dem Familiären immer noch ein Tabuthema ist, das ist doch vollkommen klar! Die Opfer müssen den Mut finden, sich nicht nur von Menschen zu trennen, sondern auch den Schritt zu machen, gegen Menschen, denen sie entweder familiär zugeneigt sind oder aber mit denen sie sich seit Jahren oder seit längerer Zeit in einer Beziehung befinden, eine Anzeige zu erstatten, und zwar gegen jemanden, den sie vielleicht schon über Jahre kennen. Das ist kein einfacher Schritt, und hierbei müssen der Staat und auch die Gesellschaft Hilfestellung leisten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist soeben auch klar geworden, für viele derjenigen, die Gewalt ausüben, gehört Gewalt zu ihrem Leben dazu, ist Gewalt auch Normalität, weil sie selbst – wir diskutieren etwas später diese Thematik auch noch einmal – in ihrer Kindheit Opfer von Gewalt wurden. Natürlich ist die Aussage, wer geschlagen wird, der schlägt später häufiger selbst zu, nicht von der Hand zu weisen. Dagegen gilt es auch konsequent vorzugehen!

Wenn wir davon reden, dass wir denjenigen Menschen Hilfestellungen geben müssen, die bereit sind, sich zu trennen und auch eine Anzeige zu erstatten, dann brauchen wir aus unserer Sicht zwei Dinge: Das eine ist, wir brauchen Zeit, das andere ist, wir brauchen Raum. Das heißt, es macht Sinn, dass wir den Menschen, die Opfer von Gewalt werden, die Zeit

geben, sich über ihre Situation klar zu werden, über die Konsequenzen und alles, was eine Anzeige auslöst. Wir müssen ihnen auch die nötige Zeit geben, den notwendigen Abstand gewinnen zu können. Raum heißt, dass sie den Raum haben müssen, sich diese Gedanken auch machen zu können, ohne dass die Person dabei ist, die sie im häuslichen Zusammenhang des Öfteren drangsaliert oder schlägt. Deswegen ist auch das Wegweisungsrecht eine ganz wichtige Grundlage in unserem Polizeirecht. Es gilt ja der Grundsatz, wer schlägt, der geht. Es ist genau das richtige Zeichen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

dass nicht das Opfer die heimischen Räume verlassen muss, sondern derjenige, der sich an dem Opfer vergeht.

Insgesamt stelle ich fest, dass wir in der Debatte selbst zu den Inhalten keinen politischen Dissens haben. Wir sind insgesamt der Auffassung, dass die bestehenden Hilfesysteme in Bremen eine gute Arbeit leisten und wir eine unterschiedliche Gewichtung bei der finanziellen Ausstattung – und das gestehe ich den unterschiedlichen Rollen hier in diesem Hause auch sofort zu – haben. Mein Eindruck und der Eindruck meiner Fraktion ist, die Antwort des Senats auf die Große Anfrage und die dazugehörenden Anlagen zeigen, dass wir in diesem Bereich in unserem Land gut aufgestellt sind, aber dass wir immer noch weiter gemeinsam daran arbeiten müssen, damit dieses Tabuthema enttabuisiert wird. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich knüpfe gern an diese sehr sachlich verlaufende Debatte heute an. Sie haben die wesentlichen Punkte unserer Antwort aufgegriffen. Es ist eindeutig, wer Opfer von Gewalt ist. Sie wissen, wie oft in der Woche die Polizei ausrückt, sie wird in der Regel von den Nachbarn gerufen. Es sind in erster Linie Frauen, die betroffen sind, die Männer sind die Täter. Das ist die soziale Realität, und das Thema ist breit angelegt. Es findet nicht nur an Orten statt, die wir als soziale Brennpunkte identifizieren können, sondern genauso gut passiert das in Einzelhäusern und Einzelwohnungen in der besten Nachbarschaft und in wohlsituierten Stadtteilen.

Wir haben zur Kenntnis genommen, dass es viele Jahre gedauert hat, bis die Opfer bereit waren, sich zu outen und auch Anzeigen zu erstatten. Das war in den Siebziger- und Achtzigerjahren, glaube ich,

noch ein großes Tabuthema, und wir sehen jetzt, dass in der Tat die Bereitschaft, zur Polizei zu gehen, deutlich gewachsen ist. Ich glaube aber, dass wir sehr wahrscheinlich keine rechte Ahnung haben, wie groß das Dunkelfeld ist, weil viele Opfer im Zweifel einiges erdulden, bevor sie dann den letzten Schritt machen und eine Anzeige erstatten.

Ich glaube auch, die Zahl ist bundesweit schon sehr beeindruckend. Wir zählen jedes Jahr 45 000 Frauen, die mit ihren Kindern in die Frauenhäuser gehen. Man kann sagen, das ist schon eine mittlere Kleinstadt, und die Zahl zeigt die Dimension dieses Problems.

Wir wissen in der Tat nicht, wie viele wieder zurückkehren, so weiterleiden und beim zweiten und dritten Mal immer noch bleiben. Wir können, glaube ich, nur ahnen, was das für die Kinder bedeutet, die dabei sind, die das miterleben, wenn ihre Väter schlagen. Sie sind häufig für ihr ganzes Leben traumatisiert.

Bremen hat dieses Problem, und wir diskutieren das heute nicht zum ersten Mal. Wenn ich auf meine Zeit in der Justiz zurückblicke, so haben wir damals das Thema Wegweisungsrecht in den Mittelpunkt gestellt. Heute ist das längst Realität, es ist gesetzlich geregelt. Die Formel war: Wer schlägt, muss gehen! Die Polizeibeamten nehmen dem Schläger den Schlüssel ab, er darf einige persönliche Sachen packen und muss die Wohnung seiner Familie verlassen. Die Frau hat dann 10 Tage Zeit, sich zu überlegen, wie es weitergeht. Dabei ist es wichtig, dass sie auch Unterstützung erfährt. In der Regel machen das die Mitarbeiter des Amtes für Soziale Dienste. Dann greift das Gewaltschutzgesetz, das heißt, durch gerichtliche Entscheidungen kann man dann den Zustand erreichen, den man haben möchte.

(Glocke)

Herr Senator, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Piontkowski entgegenzunehmen?

Gern!

Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Mäurer, ich würde gern genau an das anknüpfen, was Sie eben gesagt haben, und zwar an die Wegweisung nach Polizeigesetz und die Wegweisung, die der Richter auf einen entsprechenden Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz ausweist. Halten Sie es für richtig, dass die Reaktion des Amtes für Soziale Dienste auf diese beiden Verfahrensweisen unterschiedlich ist? Das Amt für Soziale Dienste reagiert auf polizeiliche Wegweisung dadurch, dass es innerhalb von drei Tagen einen Mitarbeiter vor Ort entsendet, der ein Gespräch

führt. Wenn es eine Gewaltschutzanordnung gibt, dann ist eben dieses Verfahren nicht vorgesehen, dann wird zwar die Gewaltschutzanordnung auch dem Amt für Soziale Dienste zur Verfügung gestellt, allerdings erfolgt keine aufsuchende Hilfe des Amtes für Soziale Dienste. Halten Sie das für richtig, und falls nein, welche Änderungen sind geplant?

Da muss ich passen. Mir ist dieser Unterschied bisher überhaupt noch nicht begegnet, und ich würde das dann auch gern an den Bereich Soziales zurückgeben.

Ich würde aber gern auch noch ein bisschen in der Geschichte verbleiben, weil Bremen in dieser Thematik auch Vorreiter gewesen ist. Ich erinnere mich daran, dass wir im Jahr 1984 das erste Bundesland waren, in dem ein Sonderdezernat für sexuelle Gewalt bei der Staatsanwaltschaft errichtet wurde. Das Ganze ist dann weiterentwickelt worden. Im Jahr 1991 sind die Gewaltdelikte in den Beziehungen hinzugekommen. Wesentlich für uns war einfach, dort dann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben, die erfahren und geschult sind, die wissen, wie man mit Opfern und Zeugen umgeht. Das war uns ganz wichtig, auch für die Begleitung in den Ermittlungsverfahren und in den Gerichtsverfahren.

Schließlich haben wir das dann auch erweitert. Für uns war es ganz wesentlich, dass auch die medizinische Versorgung der Opfer in gute Hände kommt. Das sind Dinge, die Bremen entwickelt hat. Es geht dann weiter – das haben Sie schon angesprochen – über die psychologische Beratungsstelle, den Notruf und was wir sonst alles haben. Zahlreiche Einrichtungen beschäftigen sich damit, sie sind miteinander vernetzt, und sie tauschen sich aus: Kliniken, Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und erfahrene Rechtsanwältinnen. Das bildet den Rahmen und das Netzwerk, das wir heute anbieten können, um diese Probleme anzugehen. Dazu haben wir in jüngster Vergangenheit auch eine Möglichkeit geschaffen, Spuren anonym zu hinterlegen. Das heißt also, das Opfer muss sich nicht sofort entscheiden, ob eine Anzeige erstattet wird. Es kann sich reiflich überlegen, wie man da vorgeht. Auch das, glaube ich, trägt dazu bei, dass diese Dinge dann auch irgendwann öffentlich werden und dann auch die Justiz damit befasst ist.

Die Kritik daran, dass wir keine Ergebnisse präsentiert haben, die die Ermittlungsverfahren betreffen, kann ich nachvollziehen. Wir haben nur ein Problem: Für den Zeitraum vom Jahr 2010 bis zum Jahr 2013 sind insgesamt 3 450 Fälle bei der Staatsanwaltschaft gespeichert. Das heißt, so viele Akten haben wir auch vorrätig. Leider haben wir kein System, das uns automatisch sagt, was dabei herausgekommen ist. Man muss diese 3 450 Akten einzeln in die Hand nehmen, um herauszufinden, wie die Verfahren abgeschlossen wurden. Ich bitte da um Nachsicht auch gegenüber der Staatsanwaltschaft, dass wir diese Ka

pazitäten nicht haben. Ich glaube aber, man kann an diesem Bericht erkennen – das ist ja nicht der erste Bericht, den der Senat Ihnen geliefert hat –, dass hier sehr viel investiert wurde und dieses Problem auch mit der ausreichenden Ernsthaftigkeit in Bremen verfolgt wird. Ich glaube, man kann sagen, wir können diese Straftaten natürlich nicht verhindern, aber wir kümmern uns um die Opfer, und vielleicht können wir hier und dort verhindern, dass sich diese Dinge wiederholen. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/1281, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Jacobs University – Gewinn und Potenzial für Bremen Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 21. Januar 2014 (Drucksache 18/1236)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 25. Februar 2014 (Drucksache 18/1282)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Heseler.

Herr Dr. Heseler, möchten Sie die Antwort mündlich noch einmal vortragen, oder wollen Sie darauf verzichten? – Das ist der Fall.

Dann treten wir in eine Aussprache ein.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grobien, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ist das Projekt Harvard an der Weser gescheitert?“ so titelte „DIE ZEIT“ in ihrer Ausgabe vom 20. Februar dieses Jahres und stellte damit eine Frage, die auch dieses Haus fast schon routinemäßig beschäftigt. Etwas ironisch könnte man sagen: Als konservativer Mensch möchte ich mit dieser Tradition nicht brechen. Anstatt sich aber einfach wieder nur die bekannten Argumente gegenseitig an den Kopf zu werfen, dachten wir uns, es könnte zur Abwechslung auch nicht schaden, Ideologie und Aufregung wenigstens einmal kurz beiseitezulegen und die Fakten zu debattieren. Diese liegen mit der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der CDUFraktion „Jacobs University – Gewinn und Potenzial für Bremen“ nun vor, und siehe da, die Ergebnisse können sich sehen lassen.

Zwar hätte die eine oder andere Antwort gern ein klein wenig ausführlicher sein können – insbesondere dort, wo es den Bewertungsteil der Erfolge der JUB angeht, hat man sich doch gerade etwas in Zurückhaltung geübt –, insgesamt glaube ich aber, dass uns nun endlich eine gute Grundlage vorliegt, für die ich mich bei der Wissenschaftsbehörde auch bedanken möchte. Erlauben Sie mir kurz, auf drei Punkte etwas näher einzugehen: die Leistungen der Jacobs University, die Studenten der Jacobs University und die wirtschaftlichen Effekte der JUB.

Haben wir ein Harvard an der Weser? Natürlich nicht! Das ist binnen eines Jahrzehnts nicht zu schaffen. Sieht man sich aber die Bewertungen des Zentrums für Hochschulentwicklung, kurz CHE, an, das mit Abstand wichtigste Hochschulranking in Deutschland, dann kann niemand von Ihnen bestreiten, dass sich die Jacobs University ihren guten Ruf mehr als verdient hat. Es wäre schon eine Leistung, als Neugründung in einem oder in zwei Fachgebieten Spitzenleistung zu erzielen, die Jacobs University schafft das aber über ihr komplettes Fachspektrum, von der Politikwissenschaft über den MINT-Bereich bis hin zur Psychologie. In der aktuellen Ausgabe kommt die Uni auf insgesamt 133 grüne Punkte, also eine Platzierung in der höchsten Kategorie.

Das sind beeindruckende Leistungen, die uns als Parlament stolz und dankbar machen sollten, dass sie in Bremen passieren. Ich frage ganz bewusst die Kollegen von der LINKEN: Wollen Sie darauf verzichten?

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Ja!)

Gehen wir einen Schritt weiter zu den Studenten der Jacobs University! Das ist im Übrigen ein Abschnitt, in dem der Senat sehr kurz geantwortet hat. Lassen Sie mich kurz zitieren: „Die geografische und damit kulturelle Diversität auf dem Campus der Jacobs University Bremen ist sehr hoch. Aktuell lernen Studierende aus etwa 100 Nationen auf dem Campus.“

Es geht weiter: „Bremens Anteil an erfolgreichen internationalen Absolventen ist damit fast doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Entscheidend ist, dass die Jacobs University Bremen ihre Studierenden rein nach Talent und Leistung aus einem großen internationalen Bewerberfeld rekrutiert, ungeachtet von sozialer Herkunft und/oder Nationalität. Durch dieses rein leistungsorientierte Auswahlverfahren bietet die Jacobs University auch hochbegabten Menschen eine Chance, die ansonsten eben nicht die Möglichkeit einer guten Ausbildung und der individuellen Förderung ihrer besonderen Fähigkeiten hätten.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, würde es sich nicht um eine private Hochschule, sondern um eine in öffentliche Trägerschaft handeln, hätte der Senat vermutlich zum großen Lobgesang auf die Jacobs University angesetzt. So aber bleibt es bei einer

nüchternen Sachstandsbeschreibung, die für unsere Debatte aber auch ausreichend sein soll. Die Jacobs University zeichnet sich durch eine solch hohe soziale Verantwortung aus, wie man sie sich besser kaum wünschen kann, und ich frage die Fraktion DIE LINKE erneut: Wollen Sie darauf verzichten?

Schließlich noch Punkt drei, die wirtschaftlichen Effekte, die der eigentliche Knackpunkt sind. Ja, man muss natürlich ehrlich zugeben, dass sich die Jacobs University nicht ganz so entwickelt hat, wie man sich das ursprünglich vorgestellt hat, und ja, die Erfolge, die es gibt, könnten größer ausfallen. Es könnte zum Beispiel bei den Ausgründungen schon mehr passiert sein, und es könnte auch in Sachen Science-Park schon mehr passiert sein, aber hier kommt ja wohl etwas in Bewegung, aber man braucht auch nicht darum herumzureden. Es gibt Probleme, mit denen die Jacobs University noch eine ganze Weile viel zu tun haben wird.

Ich möchte aber einfach nur auf einen Satz hinweisen und bitte Sie, hier noch einmal zuzuhören, Zitat: „Unter der Annahme, dass sich die positiven fiskalischen Effekte des Jahres 2013 auch in den Folgejahren einstellen, könnte Bremen seine bisherigen und zugesagten Zuwendungen an der Jacobs University in Höhe von insgesamt 148 Millionen Euro im Jahr 2025 ausgeglichen haben.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, damit ist endlich Schluss mit der Mär, dass die Jacobs University ein elitäres Loch ohne Boden ist.

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Fass ohne Boden!)