Ich glaube, man muss noch ein paar Takte dazu sagen, dass diese Debatten nicht ohne Konsequenzen – „nicht ohne politische Weichenstellungen“ hat es jemand in dieser Debatte genannt – sein können, und darüber werden wir dann sehr ernsthaft und sehr intensiv streiten müssen.
Ich fange gleich einmal mit etwas ganz Schwierigem an. Meine Fraktion, die Fraktion der Grünen, ist der Meinung, dass ein Teil von Armutsbekämpfung ist, die Duldungen und das Arbeitsverbot von Flüchtlingen abzuschaffen. Das ist eine politische Konsequenz, die ganz direkt zur Armutsvermeidung beiträgt,
die aber nicht einfach ist und bei der man schauen wird und wo ich Sie – ich habe heute in Ihrer Rede, Herr Röwekamp, eine sehr große Offenheit gespürt
einlade zu schauen, ob das nicht Dinge sind, die wir vielleicht in Zukunft, wenn wir von Gemeinsamkeit sprechen, in Bremen auch gemeinsam hinkriegen. Das wäre ein ganz konkreter Beitrag zur Armutsbekämpfung. Wenn man Leuten verbietet zu arbeiten, wenn man sie auf Dauer in Kettenduldungen hält, haben sie gar keine Chance, ihr eigenes Leben außerhalb der Armut einzurichten. Das ist ein Punkt, den ich unbedingt für die Aktivitäten des Bürgermeisters und der Sozialsenatorin schon einmal im Namen der grünen Fraktion anmelden möchte.
Wir haben auch einen inhaltlichen Dissens. Ihre Absicht war ja, diese Punkte hier so zu thematisieren, dass diese Fragen auf den Tisch kommen. Insofern sind wir im Grundsatz gar nicht auseinander. Sie haben an einer Stelle gesagt: Es geht hier nicht um Umverteilung. Doch, wenn es da, wo wir über Armut reden, immer auch um ein wirklich hohes Maß an unanständigem Reichtum geht, dann geht es – wir Grüne sind dieser Meinung – auch um Umverteilung.
Dann geht es auch um Erbschaftssteuer. Dann geht es um Vermögensteuer. Dann geht es um die Höhe des Einkommensteuerspitzensatzes. Es ist doch klar, dass in einer Gesellschaft derselbe Euro nicht in zwei verschiedenen Familien gleichzeitig wohnt. Wenn der Euro in diesen Familien nicht liegt, liegt er ziemlich groß aufgehäuft in anderen. Das kann man natürlich durch Erbschaft, Vermögen- und Einkommensteuersätze ändern. Auch das ist eine wichtige, eine notwendige, aber auch nicht ganz einfache Konsequenz, zu der wir uns dann politisch verhalten müssen. Armut und Reichtum gehören zusammen, das sind zwei Seiten derselben Medaille, meine Damen und Herren. (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)
Es ist auch richtig – ich stimme dem zu – dass es hier um sehr viele Fachbereiche geht, dass es hier um Fragen von Wirtschaft, Arbeit und Ausbildung geht. Ich möchte einmal ein Beispiel sagen, dass diese Fragen auch dort nicht ohne Konsequenzen sind und welche Konsequenzen ich für die richtigen halte.
Es gibt im internationalen Raum – man kann sich hier als Konsumentin oder als Konsument in Deutschland daran beteiligen – das Prinzip des fairen Handels. Für mich ist der faire Handel ein wunderbares Beispiel dafür, dass Unternehmen und Konsumentinnen und Konsumenten etwas für Armutsbekämpfung tun dort, wo Kaffee, wo andere Produkte produziert werden. Das heißt, wir alle als Konsumentinnen und Konsumenten, als Unternehmen, als Mitglieder in der Gesellschaft können jeden Tag einen Beitrag dazu leisten, dass Armut bekämpft wird, und zwar überall auf der Welt, aber auch hier in Bremen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dieses Prinzip des fairen Handels, nämlich freiwilliges Engagement mit dem expliziten Ziel, dass Menschen, die Dinge zu niedrigen Löhnen produzieren, die wir hier konsumieren, lässt sich übertragen, und wir glauben, dass die Frage der Löhne, die Frage der Dumpinglöhne, die Frage des Mindestlohns, die Frage von gerechten Löhnen ein absolut zentraler Punkt in dieser Auseinandersetzung sein wird. Es geht darum, dass Menschen, die arbeiten, dafür auch gerechte Löhne kriegen – irgendwo in Ecuador, wo Kaffee gepflückt wird, aber vor allen Dingen auch hier in Bremen. Das ist unsere Zuständigkeit hier in der Bremischen Bürgerschaft.
Lassen Sie mich einen letzten Punkt sagen. Sie haben einen gesonderten Ausschuss vorgeschlagen, um uns damit zu beschäftigen. Ich sage Ihnen rückblickend auf die Debatte im November: Ich fand schon damals, dass es genug Anknüpfungspunkte in Ihrer Rede gab, über die man auch aus Sicht der grünen Fraktion sehr gut reden kann. Wir fanden den Vorschlag Enquetekommission falsch, weil er suggerierte, dass man jetzt erst einmal ein, zwei Jahre mit ganz vielen Professoren und Professorinnen, ganz vielen Experten darüber diskutiert, wie diese Armut so verteilt ist. Vielleicht war es gar nicht so gemeint. Aber das hat uns eher abgeschreckt.
Ich kann für meine Fraktion sagen: Wir werden den Vorschlag mitnehmen, wir werden ihn, wie alle diese Vorschläge, sehr offen beraten, und wir lehnen ihn heute auf keinen Fall kategorisch ab. Wir werden uns dazu verhalten. Wir werden mit unserem Koalitionspartner sprechen. Aber für uns zählen Dinge, die man gemeinsam tun kann, wenn sie denn auch tatsächlich konsequent und klar in der konkreten Ausrichtung sind, dass sie Armut auch bekämpfen und nicht nur Lippenbekenntnisse sind. Dann ist die grüne Fraktion bei diesen Dingen dabei, in welcher Form sie auch immer organisiert werden. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was den Ausschuss angeht, geht es mir so ähnlich wie Herrn Güldner. Ich werde es auch mit in die Fraktion der SPD nehmen. Wir werden gründlich darüber beraten. Was ich aber, ehrlich gesagt, ein bisschen abstrus fand, ist die Begründung, man dürfe den Senat nicht alleine tun lassen, deshalb bräuchten wir diesen Ausschuss. Solange ich hier in diesem Parlament arbeite, ist mein Anliegen immer, den Senat nicht alleine arbeiten zu lassen.
Ich behaupte einmal, das ist eine derjenigen Aufgaben, die jeder Parlamentarier hat, nämlich den Senat zu kontrollieren und dem Senat eigene Vorschläge und Anregungen als Beschlussfassung vorzulegen, die der Senat dann ja auch umsetzen soll. Ich habe eben auch sehr viel über Folgendes gehört – darüber muss man sich ein bisschen im Klaren sein –: Jede Partei hat so ihre eigene Idee, wie es gehen könnte, an bestimmten Punkten ihre eigenen Vorlieben. Wenn es denn Sinn macht zu fragen, wo wir tatsächlich eine gemeinsame Linie finden – ich will jetzt nicht sagen ideologiefrei, aber durchaus ein bisschen praktisch –, dann kann ich mir das gut vorstellen. Ich habe wenig Spaß daran, mir immer die ganz grundsätzlichen Ideen anzuhören. Ich sage noch einmal: Für uns – das sollte auch für die anderen Fraktionen eine Messlatte sein – ist die Frage der Teilhabe nicht unerheblich. Herr Röwekamp, das ist nicht einfach alimentieren. Das ist eine falsche Vorstellung davon, wie Teilhabe organisiert werden muss.
Ich sage noch einmal: Ich glaube, dass wir uns von Automatismen verabschieden müssen. Früher konnte man sagen, jemand, der das Abitur gemacht und studiert hat, kriegt mit Sicherheit auch einen ordentlich bezahlten Beruf. Das ist heute beileibe nicht mehr so!
(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das stimm- te früher auch nicht! Arbeitslose Akademi- ker hat es immer gegeben!)
Ja, heute aber noch weniger! Ich freue mich ja immer darüber, wenn ich eine philosophisch wertvolle Diskussion mit einem Taxifahrer führen kann. Dagegen spricht ja nichts. Aber am Ende des Tages ist die Ausbildung an dieser Stelle nicht besonders gut eingesetzt. Auch da muss man schauen, dass wir eben nicht die Generation Praktikum weiterführen, sondern dass wir sehen: Wie kriegen wir tatsächlich vernünftige Arbeitsverhältnisse hin? Das war mein letzter Punkt! – Ich wollte mich eigentlich auch dafür bedanken, dass diese Debatte durchaus Elemente hatte, die zum Nachdenken anregen, die weiterführend sind. Ich hoffe, dass wir die Diskussion in dieser sachlichen, vielleicht auch manchmal ein bisschen aufgeregten, aber im Kern zukunftweisenden Richtung weiterführen. Vielen Dank an die Fraktionen, vielen Dank aber auch an den Herrn Bürgermeister, der, wie ich finde, mit seiner Neujahrsrede eine gute Tat getan hat! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Möhle, ich finde das alles sehr richtig, was Sie gesagt haben. Ich frage mich nur manchmal: Wie viel Substanz steht denn dahinter? Wir haben gestern in der Stadtbürgerschaft die Probleme mit dem Stadtticket leider nicht diskutiert. Sie sprechen von Teilhabe, aber Sie sind nicht bereit, als Senat das Stadtticket weiter auszubauen, weiter für bedürftige Menschen zu öffnen. Sie wollen keine Übertragbarkeit. Da hört es dann mit der Teilhabe auf einmal auf, und das ist mein Problem dabei. – Danke!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Herr Erlanson, das ist die Herausforderung für ein Parlament als Haushaltsgesetzgeber und für eine Regierung: mit dem Geld, das man im Portemonnaie hat, die besten Maßnahmen für die Menschen in der Stadt zu erreichen!
Da stehen wir in einem Wettbewerb. Dieser Herausforderung hat sich diese Regierung gestellt, hat von der Bevölkerung ein Votum bekommen – SPD und Grüne –, hat sich zusammengetan und Maßnahmen in bestimmte Richtungen auf den Weg gebracht.
In der letzten Debatte ist ja auch noch mal deutlich geworden, dass es eine beeindruckende Anzahl von Maßnahmen ist, die das Land Bremen in Bremen und in Bremerhaven in den letzten Jahren zur Armutsfolgenbekämpfung ergriffen hat. Ich habe gesagt: Wenn es nicht so traurig wäre – wir sind darin gut. Es kommen Leute von außen und schauen sich unsere Maßnahmen wie die präventive Schuldnerberatung an und sagen: Das macht Bremen richtig. Es gibt nicht diesen roten Knopf, auf den man drücken, damit Armut wegdrücken kann. Ich bin mir sicher, den hätte man im Sozialressort schon lange gedrückt.
Armut hat viele Ausgangslagen. Es ist eben sehr unterschiedlich. Armut in Bremen ist weiblich. Aber das heißt nicht, dass jede Frau in Bremen von Armut betroffen ist. Wir haben viele Alleinerziehende. Armut in Bremen ist jung. Wir haben aber auch eine wachsende Anzahl von älteren Menschen, die jetzt aufgrund einer löcherigen Erwerbsbiografie in der Altersgrundsicherung landen. Deswegen brauchen wir auch den Blick dafür. Herr Röwekamp, Sie haben das so vom Tisch gewischt: Es ist wichtig, dass wir hinschauen: Was ist in Bremen seit 2007 in die Wege geleitet worden, und haben sich die Maßnahmen bewährt? Ich bitte das Parlament, sich diese Sachen auch anzugucken und dann nicht einfach ein
„Weiter so!“, sondern den Mut zu finden zu sagen: Hier wird verstärkt. Wir werden beispielweise vorschlagen, dass man im Bereich der Mütterzentren, die hoch wirksame Arbeit leisten, eine stärkere Absicherung vornimmt. Aber es gibt auch Bereiche, von denen wir sagen: Da ist viel Geld ausgeben worden, das macht keinen Sinn. Ich glaube, auch das gehört in diese Debatte hinein.
Jens Böhrnsen und ich sind froh über diese Debatte, dass das Parlament sagt, es nimmt diese Einladung an, an einem gemeinsamen Bündnis mitzuarbeiten. Das ist für uns unheimlich wichtig. Wir werden in den nächsten Wochen mit den Veranstaltern der ersten Bremer Armutskonferenz zusammenkommen. Ich hatte auch Gelegenheit, bei dieser Tagung dabei zu sein. Das Programm ist in Zusammenarbeit mit meinem Hause erarbeitet worden.
Da gab es zwei zentrale Forderungen: Die erste Forderung war, dass man in diesen Fragen eine stärkere Koordinierung braucht. Das ist heute hier im Haus auch andiskutiert worden. Wir müssen besprechen, wie das am besten gelingen kann. Im Bereich der Flüchtlingspolitik haben wir als Sozialressort jetzt sehr gute Erfahrungen gesammelt und haben einen Prozess aufgesetzt, der alle Bereiche einbezieht. Die zweite Forderung aus der Armutskonferenz war, dass wir Präventionsketten bilden. Das Thema Sprachförderung ist jetzt hier nur aufgeflammt. Man sollte Familien länger begleiten und schauen, wie man Armut konkret in Einzelfällen mit welchen Maßnahmen bekämpfen kann und wie man Familien dabei unterstützt, aus solchen Lagen herauszukommen. Das werden wir diskutieren.
Aber jetzt einfach zu sagen, Bremen stellt einen Armutsbeauftragten ein, ist nicht der Weg, den ich als Sozialsenatorin diesem Haus empfehlen mag. Das gilt auch für Forderungen, die sagen, man müsste an Universitäten weitere Gelehrte einstellen. Das sind aus meiner Sicht nicht die Maßnahmen, die wir brauchen.
Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern wir müssen gemeinsam schauen – hier sind Beispiele genannt worden –: Schaffen wir es, im Bund eine Mehrheit zu erreichen, zum Beispiel Arbeitsverbote für Asylbewerber streichen? Schaffen wir es, eine gleiche Bezahlung von Frauen und Männern zu erreichen? Das ist hier ja angesprochen worden. In der letzten Debatte habe ich ja auch deutlich gemacht: Frauen verdienen in den gleichen Jobs immer noch deutlich weniger als Männer. Das ist eine Sache, die ich auch gerne mit der Wirtschaft hier in Bremen – ich sehe das Nicken hier im Raum – politisch diskutieren würde.
ein schlechtes Zeugnis ausgestellt bekommen. Thomas Röwekamp hat richtigerweise auch gesagt, Bremen ist eine der fünf wirtschaftsstärksten Regionen – mit Oldenburg, Cloppenburg darum herum, den Gemeinden in Niedersachsen – in Europa. Wir sind eine wirtschaftsstarke Metropolregion mit 100 000 Einpendlern, die im Umland ihre Steuern bezahlen. Wenn man diese Menschen einbezieht, verändern sich natürlich auch Darstellungen. Das muss man an dieser Stelle immer mit bedenken.
Das redet jetzt nicht die Armutssituation von den Familien weg, die wir in Bremen haben. Wir wollen weiter konkrete Maßnahmen auf den Weg bringen für Rentner, die von Armut bedroht sind, für Frauen, für Kinder. Das wird nicht gehen – die Worte sind hier gefallen – ohne Umverteilung. Das Thema höhere Steuern ist ja im Bundestagswahlkampf pro und kontra diskutiert worden. Es wird auf Dauer in Deutschland nicht gehen, dass reiche Menschen nicht etwas von ihrem Einkommen abgeben, damit wir Frauen, Kinder, die in Armutslagen leben, auch ältere Menschen, Menschen, die ihre Erwerbsbiografie nicht so gestalten konnten, aus diesen Armutslagen rausholen. Es geht nicht ohne Umverteilung in Deutschland.
Wir freuen uns auf die Diskussion im Parlament. Wir werden mit Interesse die Diskussion im Parlament darüber verfolgen, zu welcher Arbeitsform man sich hier zusammenfindet. Ich finde diesen Prozess gut. Wie gesagt, eine Enquetekommission wäre auch aus meiner Sicht ein sperriges Instrument gewesen, mit dem man nicht so schnell zu Potte kommt. Ich glaube, wir brauchen auch ein bisschen Schnelligkeit und Entscheidung an bestimmten Weichen. – Danke schön!