Protocol of the Session on January 22, 2014

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Brumma.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Blut hilft Leben retten! Regelmäßig beklagen die Blutspendeeinrichtungen, dass die Zahl der Blutspender rückläufig ist und vor allen Dingen in Sommermonaten Blutkonserven knapp werden. Regelmäßig kommen Menschen unterschiedlichster sozialer Schicht, Alter und unterschiedlichster Herkunft zum Spenden. Nur eine Gruppe ist pauschal ausgeschlossen. Das Transfusionsgesetz erlaubt diesen Ausschluss noch, wenn diese Gruppe die Richtlinien der Ärztekammer nicht erfüllt. Ausgeschlossen werden Männer, wenn sie homosexuell sind, und Männer, die Sex mit Männern haben.

Diese Richtlinie der Ärztekammer atmet immer noch den Geist einer vergangenen Zeit, in der HIV und Aids als Schwulenseuche galt. Die Ärztekammer verwies auf das erhöhte Risiko von Sex unter Männern. Dieses allgemeine Verbot ist für uns Diskriminierung und erzeugt Vorurteile.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich habe mir einmal einige Fragebogen angesehen. Da gibt es Fragen wie: Gehören Sie selbst einer infektionsgefährdeten Risikogruppe an? Sind Sie eine Heteroperson mit Risikoverhalten, zum Beispiel wechselnden Intimpartnern? Zählen Sie zu der Gruppe von Männern, die Sexualverkehr mit Männern haben? Zählen Sie zur Gruppe von männlichen/weiblichen

Prostituierten? Der Inhalt der Fragebögen ist immer gruppenorientiert, er orientiert sich nicht an dem Verhalten.

Der Inhalt der Fragebogen wird, wie gesagt, von der Bundesärztekammer bestimmt. Inzwischen will sie auch eine Änderung des Fragebogens, allerdings sagt sie: Wir müssen den Weg über die EU gehen. Ziel soll dabei sein, dass Blutspenden erlaubt sein soll, wenn die Betroffenen seit einer bestimmten Zeit keinen riskanten Sex hatten. Der Zeitraum müsse allerdings noch definiert werden. In europäischen Ländern wie Spanien, Schweden, aber auch in Argentinien, Neuseeland, Australien, Südafrika sind es zwölf bis sechs Monate, in England, Schottland und Wales ist Spenden für homosexuelle Männer erlaubt, und die Frist beträgt zwölf Monate, in der kein riskanter Sex gemacht werden darf.

Meine Damen und Herren, die wissenschaftlichen Tests sind heute sehr viel zuverlässiger. Natürlich ist jede Infektion, die durch eine Transfusion entsteht, eine zu viel. Aber in der Zeit von 2000 bis 2010 sind nur fünf Personen durch Blutspenden infiziert worden. Die neuen Verfahren sind dabei relativ sicher. Trotz der Fragen im Fragebogen kam es zu den Infektionen. Hätten die Teilnehmer nicht gelogen, wäre das nicht passiert. Letztlich sind das Sexualverhalten und die Partnerschaftsverhältnisse und nicht die Zugehörigkeit zu einer Gruppe entscheidend.

In Deutschland gibt es 3,9 Millionen Blutspender, und deren Alter ist im Durchschnitt 44 Jahre. In diesem Zusammenhang danken wir den Spendern für ihr Engagement, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Leider decken sie nur den Bedarf ab, und es können keine Reserven gebildet werden. Es wäre gut, wenn noch einige Spender dazukämen.

Wir als SPD-Fraktion stimmen dem Antrag der Koalition zu,

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Ach!)

lehnen aber den Antrag der LINKEN ab. Wir meinen, hier müssen die Auswirkungen auf die Sicherheit der Blutspenden noch genauer untersucht werden. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Klar ist – das

haben meine Vorredner betont –, der Vorschlag der Koalition soll darauf hinauslaufen, dass die Stigmatisierung oder der Generalverdacht gegen sexuell andersartige Menschen aufgehoben werden soll. Sie beziehen das in Ihrem Antrag speziell auf homosexuelle Männer, und das finden wir auch ganz richtig so. Das ist gar keine Frage. Das Spannungsverhältnis, in dem man sich bewegt, ist auf der einen Seite Generalverdacht und Stigmatisierung und auf der anderen Seite medizinische Sicherheit. Wir haben einen Antrag geschrieben und uns sehr bemüht, dass es möglicherweise einen gemeinsamen Antrag gibt, was dann aber nicht möglich war. Unser Antrag unterscheidet sich letztendlich nur in dem letzten Punkt, nämlich unserer Forderung im vierten Punkt an den Senat. Darin sagen wir – ich zitiere –, „dass zukünftig niemand nur wegen seiner Gruppenzugehörigkeit pauschal von der Möglichkeit der Blutspende ausgeschlossen wird, sondern dass ein Ausschluss allein aufgrund medizinischer Indikationen erfolgt“. Wir folgen damit der Linie. Es ist ganz interessant: Der Antrag, den die Koalition hier gestellt hat, ist ähnlich gestrickt wie der Antrag, der von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen im Dezember 2012 gestellt und auch beschlossen wurde. Es gibt hingegen einen Antrag der Grünen in Sachsen-Anhalt, der in unsere Richtung geht, der in Sachsen-Anhalt auch mit den Stimmen der CDU und aller Fraktionen verabschiedet wurde. Uns ging es dabei einfach darum zu sagen: Ja, dieser Generalverdacht gegen homosexuelle Männer muss weg, aber genauso muss man dann doch auch überlegen, wieso Menschen, zum Beispiel Prostituierte, allein aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit ein größeres Risiko tragen. Prostituierte sind in vielen Fällen durchaus geneigt, ihren eigenen Schutz höher zu stellen, weil es ihr eigenes Leben bedeutet. Aber das kann in Einzelfällen auch anders sein. Wir sind der Meinung, die Tests, die es heute gibt – das hat der Kollege Brumma deutlich gesagt; bei der Ansteckung über Blut von HIV oder so was sind hatten wir einmal beängstigend hohe Raten, die wir heutzutage eigentlich gar nicht mehr haben –, wenn man eine bestimmte Karenzzeit abwartet, sind eigentlich mehr als zuverlässig. Daran zweifelt heute eigentlich keiner mehr. Von daher ist es durchaus möglich, dass man, wenn man den einen Generalverdacht wegnimmt, nicht gleichzeitig andere Gruppen nur aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit stigmatisiert. Das ist die Intention unseres Antrags. Wir werden ohne Frage natürlich beiden Anträgen zustimmen, weil wir das generelle Anliegen für gut finden. Wir gehen da einfach nur ein Stück weiter und sagen: Es soll niemand nur aufgrund seiner Gruppenzugehörigkeit stigmatisiert werden. – Danke sehr!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bensch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke der Koalition und auch den Rednern der Koalition für Ihre Beiträge und kann Ihnen sagen: Wir können das alles, was Sie gesagt haben, lückenlos unterstreichen. Auch wir sind der Meinung: Es muss Schluss sein mit einer Regelung, die eindeutig Diskriminierung darstellt.

(Beifall bei der CDU)

Die bisherige Ausschlussregelung, die Herr Fecker sehr ausführlich beschrieben hat, ist nicht nur diskriminierend einer Gruppe gegenüber, sondern sie sendet auch eine völlig falsche Botschaft in die Gesellschaft. Diese Botschaft war bisher leider: Bist du nicht schwul, dann darfst du spenden! Damit hat man praktisch unterstellt: Bist du nicht schwul, bist du sauber, da kann nichts passieren! Das ist eine völlig falsche Botschaft, Diskriminierung gleich über mehrere Ecken, das wollen wir nicht, das lehnen wir ab, und deswegen sind auch wir dafür, dass es bald eine Neuregelung gibt, meine Damen und Herren!

(Beifall)

Nicht eine Risikogruppe zu stigmatisieren, ist der richtige Weg, sondern tatsächlich herauszufinden, und das auf eine menschenwürdige Art und Weise, wo konkretes Risikoverhalten liegt. Von daher ist mit Spannung abzuwarten, wie eine solch notwendige Neuregelung tatsächlich aussehen wird. Herr Fecker hat dargestellt, die Bundesärztekammer will einen neuen Weg gehen, aber hat den Zeitraum noch nicht definiert, wie Herr Brumma treffend gesagt hat. Sie verweist auf Europa. Ich habe mir einmal angeschaut, was europäische Abgeordnete denn so sagen. Es gibt zum Beispiel auch einen EU-Parlamentarier der CDU, der ist auch Arzt – Ärzte haben auch nicht eine einheitliche Meinung zu diesem Thema –, und er zitiert einfach nur den Rahmen, der gesetzt ist, und der gibt Spielraum. Dieser Rahmen ist ein einziger Satz. In der EU-Verordnung heißt es, ich zitiere: „Personen, deren Sexualverhalten ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragene schwere Infektionskrankheiten birgt, dürfen nicht spenden.“ Hier ist nicht eine Gruppe explizit genannt.

Insofern bleibt abzuwarten, wie eine Neuregelung aussieht. Meine Damen und Herren, die Neuregelung steht eigentlich kurz vor dem Abschluss. Denn wenn ich richtig gelesen habe, Herr Staatsrat, ist Ende März in Hamburg die Gesundheitsministerkonferenz, und wenn ich meinen Recherchen glauben darf, wollen die Gesundheitsminister eine Lösung vorlegen, die EU-konform ist. Dann ist heute nicht nur das Thema richtig und wichtig, sondern auch der Zeitpunkt richtig und wichtig, um noch einmal ein Signal zu geben, um zu sagen: Wir alle, parteiübergreifend, wollen mit dieser Diskriminierung Schluss machen, wir wollen eine menschenwürdige Regelung ha

ben, wenn es um Blutspende und um Ausschlussregelungen geht. Meine Damen und Herren, insofern passt der Antrag auch zeitlich gut. Wir werden ihm vorbehaltlos und lückenlos zustimmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Härtl.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh und dankbar, dass Sie diese Diskussion in diesem Landtag führen. Sie ist schon in mehreren Landtagen mit ähnlichem Ergebnis geführt worden. Ich freue mich auch, dass es eine fraktionsübergreifende Übereinstimmung über die Inhalte gibt. Von daher darf ich Ihnen nur versichern, dass der Senat alles unterstützen wird, was in diese Richtung geht.

Lassen Sie mich dennoch ganz kurz zum Sachverhalt Folgendes sagen: In der Gesundheitsministerkonferenz des letzten Jahres, die im Juni stattfand, war Bremen Mitantragsteller eines Antrags, der dann einstimmig, also auch parteiübergreifend, gefasst wurde und der die Bundesärztekammer aufforderte, eine Überarbeitung der Richtlinie vorzunehmen. Die Bundesärztekammer hat sich zum Ende des letzten Quartals geäußert und gesagt: Ja, sie stimmt aus fachlicher, also medizinischer Sicht einer Aufhebung des Dauerausschlusses von Männern, die Sexualkontakt zu anderen Männern haben, zu. Sie sieht das Problem an einer ganz anderen Stelle und verweist auf eine ganz andere Stelle – da wird es etwas komplizierter –, nämlich das Paul-Ehrlich-Institut und das Bundesministerium für Gesundheit, die eine Rechtsauffassung zu einer EU-Richtlinie äußern, die von der EU selbst und dem zuständigen Kommissar ganz anders interpretiert werden, nämlich in dem Sinne, wie es hier auch schon dargestellt wurde, die eine viel größere Öffnung ermöglicht.

Wir werden also, wenn diesem Antrag stattgegeben werden soll, wovon ich ja jetzt ausgehen kann, die nächste Gesundheitsministerkonferenz wiederum zum Anlass nehmen, auf eine Weiterverfolgung dieses Ziels zu drängen. Da jetzt auch die fachliche Einschätzung der Ärztekammer vorliegt, bin ich guten Mutes, dass es zu einer Änderung kommt. – Ich danke Ihnen für die Unterstützung dieses Anliegens!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 18/1060 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Meine Damen und Herren, ich stelle Einstimmigkeit fest.

(Einstimmig)

Nun lasse ich über den Antrag der Fraktion DIE LINKE abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 18/1199 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und BIW)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Meine Damen und Herren, als nächster Punkt wäre Tagesordnungspunkt 14 mit dreimal bis zu fünf Minuten Redezeit an der Reihe. Wir haben jetzt 17.50 Uhr. Ich schlage Ihnen vor, dass ich heute keinen weiteren Tagesordnungspunkt mehr aufrufe, sodass wir am Schluss des heutigen Debattentages angelangt sind.