Protocol of the Session on December 11, 2013

(Beifall bei der CDU)

Erst heißt es monatelang: Wir haben kein Geld. Im Koalitionsausschuss wird faktisch der Abbruch der Ganztagsschulentwicklung beschlossen, und plötzlich ist da doch welches. Eine Zeitung, die unverdächtig ist, uns besonders nahezustehen, titelt ganz treffend und offenbar ebenso überrascht wie wir: Koalition findet Millionen. Warum nicht in Bremerhaven?

(Abg. G ü n g ö r [SPD]: Das nennt man Schwerpunktsetzung!)

Wie soll eigentlich eine angemessene Ausgestaltung und Ausstattung dieser neuen, geplanten Ganztagsschulen sichergestellt werden?

Ein anderes Beispiel aus dem Hochschulbereich: „80 Stellen an den Hochschulen zu viel“, heißt es erst, plötzlich können 40 doch finanziert werden. Warum eigentlich 40? Rein zufällig die salomonisch wirkende Mitte? Irgendwie nachvollziehbar einem Plan folgend oder doch eventuell eher eine gegriffene Zahl? Politik als Reaktion auf öffentlichen Druck, meine Damen und Herren! Bei Ihnen heißt das ja neuerdings: Auf Sicht steuern! Es ist diese Mischung aus Konzeptionslosigkeit, Intransparenz und Trostpflästerchen, die Ihre Politik so durchschaubar populistisch macht.

(Beifall bei der CDU)

Das haben die Menschen in diesem Bundesland durchschaut, und deshalb bekommen Sie nicht einmal für in der Tendenz manchmal ja sogar richtig Beifall. Das eben ist der Unterschied zwischen guter und gut gemeinter Politik, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Es fehlt einfach die Bremer CDU! – Abg. R ö w e - k a m p [CDU]: Ja, und ein Ausweg zum Beispiel!)

Wir haben vieles in den vergangenen Monaten wiederholt debattiert, wofür Sie auch jetzt noch keine Lösungen in der Substanz anbieten: die ausgebliebene Absicherung der Schulsozialarbeiterstellen, die nach wie vor nicht ausfinanzierte Inklusion und die vielfach schwierigen räumlichen Verhältnisse, die bestenfalls auf Rand genähte Unterrichtsversorgung und trotz Nachbesserungsversuchen nicht ausreichende Vertretungsreserve, der Sanierungsstau an den Schulen, der Universität und der Modernitätsrückstand insbesondere an den Berufsschulen, offene Finanzie

rungsfragen bei Schulen in nicht öffentlicher Trägerschaft, mangelhafte Bereitschaft, auch Strukturen zu hinterfragen, zum Beispiel im sogenannten Übergangssystem, bei den Oberstufen oder nur selten angewählten Schulen. Vieles begonnen und auf halbem Weg gestoppt, vieles bleibt schlicht liegen, und es fehlt an Mut, es anzugehen! Es sind nicht nur Ihre Entscheidungen in der Sache, es ist auch die Art und Weise, wie Sie politisch steuern, die uns und die Öffentlichkeit aufregt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Viel zu selten ist bei Ihnen von Qualität die Rede, und wenn, dann hat man den Eindruck, Realsatire zu lesen. Vor dem Hintergrund der kaum zwei Monate alten IQB-Ergebnisse feiern Sie, Frau Senatorin, die deutschen PISA-Ergebnisse. Wir belassen es einmal bei einem verschämten Kopfschütteln. Ich bin aber sicher, dass man andernorts nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Zeitgleich und im gleichen Zusammenhang meldet „Spiegel-Online“ in Sachsen 3 Prozent, in Bremen 36 Prozent fachfremden Unterricht im Fach Mathematik. Meine Damen und Herren, hätten Sie lieber geschwiegen, alle hätten es Ihnen wahrscheinlich gedankt! Machen Sie endlich in diesem Bereich, bei den bildungspolitischen Basics, Ihre Hausaufgaben! Schönreden und relativieren hilft da gar nichts! Am Anfang – es sei noch einmal der Blickwinkel darauf gerichtet –: Wirklich gute Politik stellt sich den Realitäten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Auch ein anderer Aspekt darf hier nicht unerwähnt bleiben, von dem man zunehmend hört: Das ist Ihre bestenfalls partielle Besoldungsanpassung im Allgemeinen und für den Bildungsbereich im Besonderen. Sie ist einfach ungerecht, es wurde bereits häufig angesprochen: Gehaltserhöhungen für angestellte und beamtete Lehrer gelten ganz unterschiedlich, für die einen ganz, für die anderen gar nicht, obwohl sie, meine Damen und Herren, Tür an Tür die gleiche Arbeit machen. Das ist nicht nur ungerecht, es stellt sich schon jetzt und wohl erst recht in Zukunft als kurzsichtig heraus. Allgemein und insbesondere in den Mangelfächern wird es einen erheblichen Bedarf an Lehrkräften in der ganzen Republik geben, und die bremische Konkurrenzfähigkeit auf diesem Arbeitsmarkt im Wettbewerb um die Besten ist eben auch von der Bezahlung abhängig. Da werden wir zunehmend abgehängt. Genau das können wir uns nicht leisten, weil unsere Kinder das nicht verdienen, aber am Ende ausbaden müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Art des Sparens und der Haushaltssanierung folgt nach wie vor der Rasenmähermethode: statt

Schwerpunkte zu setzen von allem ein bisschen weniger! Machen wir doch schon, sagen Sie, und irgendwie wird es schon gehen, denken Sie. Wenn es dann doch nicht geht: Bund rufen, gegebenenfalls beschimpfen!. Das ist auch und insbesondere Ihr Credo für den Wissenschaftsbereich. Die Wahrheit ist: mangelhafte Grundfinanzierungen durch die Bank, Gutachten bestellen und Beteiligte vertrösten! Handeln, das Richtige und eine gewisse Richtung und Schwerpunktsetzung erkennen lassen – Fehlanzeige! Stattdessen Infrastruktur, die zunehmend weniger den Ansprüchen an ein modernes wissenschaftliches Arbeiten genügt, Stellenknappheit im so wichtigen akademischen Mittelbau oder grenzwertige Bedingungen in der Professorenbesoldung! Auch hier drohen zunehmende Wettbewerbsnachteile. Aber Forschung und Lehre befindet sich eben im überregionalen Wettbewerb. Deshalb brauchen wir hier Vergleichbarkeit und kein Abhängen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU)

Auch Risiken, selbst wenn sie konkret absehbar sind, werden im Haushalt nur unzureichend abgebildet. Einige aktuelle Beispiele aus dem Bildungsbereich: Da sind die Finanzierung der schulischen Versorgung von Flüchtlingskindern, die offensichtlich zumindest zum Teil dem Eckwert des Bildungsressorts überlassen werden sollen, oder die Beratungsleistungen für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Es sieht danach aus, dass sie nur zum Teil durch Gebühren gedeckt werden sollen, und der Rest bleibt zumindest zunächst beim Bildungsbereich hängen. Am schwersten wiegen aber die personellen Bedarfe. Sie werden noch erklären müssen, wie Sie für 2014 72 und für 2015 gar 84 Stellen realistisch erwirtschaften wollen. Da ist die viel beschworene demografische Rendite, an der Sie hintergründig offenbar selbst inzwischen Zweifel entwickeln, schon einbeziehungsweise abgerechnet. Die vollmundig als zusätzlich bezeichneten Stellen wiegen noch nicht einmal die PEP-Quote auf. Was für eine offenkundig beabsichtigte Irreführung! Es nährt jedenfalls den Verdacht, dass Sie am Ende nicht mehr tun, sondern eher weniger tun können als bisher. Fast noch schlimmer: Es ist immer der Eindruck, dass man Risiken betreffend nur die Spitze des Eisberges kennenlernt. Die Diskussion um völlig unzureichend eingestellte Energiekosten für Schulen war so ein Fall, bei dem sich selbst Insider verwundert die Augen gerieben haben und der wohl, wenn auch in schlechter, Erinnerung geblieben ist. Es zeigt, dass Ihre Haushalte in der Substanz nicht nur unseriös, sondern auch nicht nachhaltig sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Abschließend sei deshalb noch Folgendes angemerkt: Ich bin zunehmend in Sorge, dass unterschied

liche finanzielle Leistungsfähigkeiten der Länder und Ihre verfehlte Politik zu unterschiedlichen Lebenschancen unserer Kinder, langfristig auch zu unterschiedlichen Entwicklungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Anziehungskraft unserer Gemeinwesen führen wird. Ihre Politik wird nicht nur zu einer Verfestigung ohnehin schon sichtbarer sozialer Gefälle in dieser Republik führen, sondern längerfristig auch zu unterschiedlicher wirtschaftlicher und fiskalischer Prosperität, denn Sie entscheiden nicht nur über Zahlen, Sie entscheiden über Zukunft.

Wir haben unsere bildungspolitischen und wissenschaftspolitischen Ziele vorgelegt. Entwerfen auch Sie endlich ein hoffentlich stimmiges und ambitioniertes Bild von der Zukunft und sprechen Sie mit den Menschen und den Einrichtungen! Machen Sie endlich Politik statt Verwaltung des Mangels! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der BIW)

Nächste Rednerin Frau Kollegin Dogan.

Sehr geehrter Herr Präsident – –.

(Unruhe auf dem Besucherrang – Glocke)

Meine Damen und Herren – –. Schön, dass Sie den Raum verlassen!

(Zurufe)

Ja, das ist das Traurige! Verlassen sie den Raum? Raus!

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, wollen wir einen Moment Pause machen, bis das aufgeräumt wird?

Ich unterbreche die Sitzung für 5 Minuten.

(Unterbrechung der Sitzung 14.19 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.21 Uhr.

Meine Damen und Herren, vielen Dank fürs Aufräumen! Ich glaube, wir können die Sitzung fortfahren lassen. Frau Kollegin Dogan, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Ich möchte einen Geldregen für den

Bildungsbereich im Land Bremen verkünden, was mich als Fachpolitikerin sehr gefreut hat. Sie wissen, meine Damen und Herren, dass die dringendsten gesellschaftlichen Herausforderungen, vor allem hier im Land Bremen, ungleich verteilt sind und dass der Bildungserfolg immer noch von der sozialen Herkunft und vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Unser Ziel ist es, allen Kindern, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und vom Geldbeutel ihrer Eltern, bessere Bildungschancen zu geben. Ganztagsschulen sind jüngsten Studien zufolge die geeignete Form, um diesen Problemkreis zu durchbrechen und eine höhere Bildungsgerechtigkeit zu gewährleisten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In der Ganztagsschule werden Kinder und Jugendliche stärker individuell gefördert, indem Schülerinnen und Schüler Zeit und Raum zum Lernen und zur Kompetenzentwicklung gewährt wird. Ziel dieser individuellen Förderung ist es, jedem Schüler und jeder Schülerin auf seinem oder ihrem individuellen Weg zu einem guten Schulabschluss zu führen. Aus diesem Grund haben wir Grünen mit der SPD gemeinsam sowohl in der letzten Legislaturperiode als auch in dieser Legislaturperiode das ganztägige Lernen ausgebaut. Schülerinnen und Schüler sollen umfassend gefördert werden können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir haben uns mit unserem Koalitionspartner darauf verständigt, dass wir weitere Ganztagsschulen in der Stadtgemeinde Bremen einrichten, und deshalb haben wir in den Haushaltsjahren 2014 und 2015 die dafür nötigen Investitionen in Höhe von 4,4 Millionen Euro umgeschichtet, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es werden sechs neue Ganztagsschulen gegründet, vier offene und zwei gebundene Ganztagsschulen. Für uns waren die Kriterien bei der Auswahl dieser Schulen die soziale Lage der Stadtteile und die ausgewogene, auch regionale Verteilung von Ganztagsschulen im Stadtgebiet insgesamt.

Wir Grünen sind mit unserem Koalitionspartner der Ansicht, dass wir mit den neuen Ganztagsschulen ein attraktives Angebot für Kinder und Eltern schaffen, denn Ganztagsschulen sind sowohl pädagogisch sinnvoll als auch ein Beitrag zur Familienfreundlichkeit, weil sie es erleichtern, Familie und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Deshalb ist es auch vernünftig, ein Netz von Ganztagsschulen aufzubauen, und das haben wir jetzt mit diesem Haushalt auch für die Stadtgemeinde Bremen umgesetzt. Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren einiges geschafft, sind auf einem guten Weg und kommen unserem Ziel immer ein Stück näher.

Ich möchte kurz auf den Antrag der CDU eingehen, meine Damen und Herren. Sie schreiben, dass der Ausbau der Ganztagsschulen vorangetrieben werden soll. Das tun wir. Das habe ich ja eben auch aufgezeigt.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Aber nur in Bremen!)

Im Gegenzug verzichten wir aber nicht auf den freiwilligen Zuschuss des Mittagessens. Für uns ist es wichtig. Sie wissen, hier im Land Bremen leben ganz viele Kinder unter Armutsrisiken. Deshalb wollten wir nicht darauf verzichten. Deshalb haben wir auch nicht auf das Mittagsessen verzichtet. Ich finde es unverantwortlich, was Sie da uns da vorgeschlagen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Glocke)

Sie sehen: Trotz dieser Haushaltslage und der Schuldenbremse ist ein Schwerpunkt für uns Grünen und der SPD die Bildungspolitik, und wir haben den Willen, hier zu gestalten, um Gerechtigkeitslücken zu schließen. Der Ausbau der Ganztagsschulen und die Verbesserung der Unterrichtsversorgung ist aus diesen Gründen keine Kleinigkeit, meine Damen und Herren, sondern tatsächlich ein Kraftakt, da der Haushaltsrahmen nicht überschritten wird und keine zusätzliche Schulden gemacht werden.