Ich sehe aber auch – da finde ich die Vergleichsstudien, ehrlich gesagt, ziemlich nebensächlich –, dass wir nach wie vor vor einer Menge an Problemen stehen, die man tatsächlich nicht über strukturelle Veränderungen lösen kann. Ich glaube, selbst wenn wir eine Gemeinschaftsschule eingeführt hätten, hätten wir in bestimmten Bereichen Probleme, wie wir sie auch heute mit der bestehenden Schulstruktur haben.
Meiner Meinung nach wäre es schon sinnvoll, jetzt in eine zweite Phase, und zwar eine qualitative Evaluation der Schulreform, zu gehen. Wir müssen uns genau angucken, was wir brauchen, damit wir endlich bei der Bewältigung der zentralen Probleme, vor denen heute alle Schulen stehen, aufholen. Das sind ja genau die Probleme, über die wir bei jeder Vergleichsstudie neu reden! Das ist, erstens, eine generelle Verbesserung der schulischen Leistungen – da sind wir uns, glaube ich, hier im Hause einig –, und das ist, zweitens – auch da sind wir uns weitgehend einig –, die Entkopplung des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft, und das ist, drittens – auch das wird immer wieder von uns, wenn wir in der Deputation oder in den Fachausschüssen darüber reden, genannt –, der Schulerfolg der sogenannten drei Risikogruppen, also der Kinder und Jugendlichen, deren familiärer Hintergrund geprägt ist von Migrationshintergrund, von Erwerbslosigkeit der Eltern oder von Armut oder schlimmstenfalls von allen drei Risikogruppen. Das sind die drei Kriterien, um die es geht und bei
Natürlich geht es – das hat der Kollege Dr. vom Bruch schon gesagt – auch um Ressourcen, und natürlich belastet es die Schulen in Bremerhaven und Bremen, vor allen Dingen auch in Bremen, dass sie, anders als die Schulen in einigen Flächenländern, eben nicht von einer demografischen Rendite profitieren können.
Natürlich reden wir hier seit Jahren auch immer wieder über Ressourcen, weil wir 2008 mit der Schulreform von einem ganz niedrigen Level aus gestartet sind. Auch das ist hier schon oft genug Gegenstand der Debatten gewesen. Die Lehrerstellen, die zwischen 1993 und 2007 hier gekürzt worden sind, haben natürlich viel damit zu tun, dass wir letzten Endes in allen Vergleichsstudien folgerichtig auf dem letzten Platz gelandet sind.
Wir haben natürlich immer wieder diese Ressourcendebatte, weil der Bildungsbereich immer wieder in die Vorgaben zum Personalabbau einbezogen wird, sodass die „Schippe darauf“ im Endeffekt durch die Umsteuerung im eigenen Ressort wieder zu einer „Schippe runter“ wird beziehungsweise ein Status quo hergestellt wird, aber eben nicht mehr. Darüber muss man natürlich reden, und es hat ja auch in allen Fraktionen in dieser Frage Bewegung gegeben. Ich habe durchaus erfreut zur Kenntnis genommen, dass nach der Vorstellung der ersten Eckwerte auch von den Regierungsfraktionen das Thema Ganztag noch einmal wieder auf den Tisch gebracht worden ist. Ich erwarte auch – in dem Sinne ist das nicht einmal zynisch gemeint –, dass von Ihnen noch im Dezember etwas vorgelegt wird.
Wir brauchen eine angemessene Ausstattung – das ist klar –, aber wir brauchen erheblich mehr. Als Fachpolitiker und Fachpolitikerinnen sind wir uns weitgehend einig, dass Ressourcen alleine die Probleme nicht lösen werden.
Man muss sich einfach einmal vor Augen halten, dass Schulen vor grundsätzlich neuen Herausforderungen stehen und grundsätzlich anders arbeiten als noch vor 20 Jahren. Die Situation, die wir heute an vielen Schulen haben, kann man mit nichts mehr vergleichen, was früher einmal war. Wir haben Schulen, an denen hat die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund. Wir tun aber so, als ob das eine besondere Gruppe sei, Herr Güngör. Wir tun immer noch so, als sei das eine Gruppe, die von der Norm abweicht, für die wir zusätzlich etwas in den Schulbetrieb einbauen müssten, eine Vorklasse oder einen Sprachkurs. Wir machen das nicht zur Ausgangslage, und ich glaube, das ist ein Fehler.
kommen, die geprägt sind von niedrigen Einkommen, Erwerbslosigkeit, prekärer Beschäftigung, einfach von wenig Geld. Auch da tun wir immer noch so, als sei das eine besondere Gruppe, die noch zusätzlich etwas braucht, vielleicht Sozialarbeit oder Förderangebote, damit sie so funktionieren wie alle anderen.
Wir stellen fest, dass viele Schülerinnen und Schüler aus Haushalten kommen, in denen es nicht die berühmten hundert Bücher im Schrank gibt, und nennen das gerne – ich tue es nicht – bildungsfern. Dabei heißt das erst einmal, dass die Art, wie zu Hause und im Lebensalltag der jugendlichen Gesellschaft Kultur und Bildung erlebt und verstanden werden, heute in vielen Haushalten eine total andere ist als noch vor 30 Jahren, auch noch als vor 20 Jahren. Wenn wir das als neue Norm begreifen, dann reden wir nicht über Abweichungen von einer normalen Bildungsbiografie, die man mit Abweichungen beantworten muss, sondern wir müssen das zur Ausgangslage machen, wie eine neue Schule arbeiten muss. Wie das am besten geht, wissen wir hier alle immer noch nicht. Ich glaube, wir brauchen nicht so zu tun, als hätten wir schon das Rad erfunden.
Wir können immer noch nicht sagen, welche Veränderungen des Unterrichts die Ergebnisse wirklich verbessern. Meine Vermutung ist, ehrlich gesagt, da ich natürlich viele Schulen kenne, dass das von Schule zu Schule verschieden sein kann, ja sogar sein wird. Was in einer Oberschule in Gröpelingen funktioniert, muss nicht unbedingt das sein, was in einer Grundschule in Schwachhausen funktioniert; oder umgekehrt. Im Grunde müsste aus unseren Köpfen die Vorstellung verschwinden, dass diese oder jene Klasse abweicht von dem, was wir als Norm oder als normale Klasse betrachten und was wir da eigentlich vorfinden wollen, weil es im Grunde gar keine normalen Klassen mehr gibt.
Es gibt meines Erachtens auch keine Ausreden mehr. Wenn wir immer wieder feststellen, dass sich die Schulleistungsergebnisse vielleicht damit erklären lassen, dass die Risikogruppen in Bremen viel größer sind als in anderen Städten oder Kommunen, dann stimmt das sicher. Aber es hilft uns überhaupt nicht weiter, nur diesen Befund aufzumachen. Es wird auch den Gruppen nicht gerecht, deren Zugang zu Bildung und Schule vielleicht anders ist als das, wovon Schule heute ausgeht. Dazu sage ich ganz klar hier an dieser Stelle: Dann muss sich eben Schule ändern.
Es gibt bereits viele Schulen mit vielen neuen Ansätzen, und es gibt auch viele Experimente, die wirklich ausprobieren, was uns eigentlich weiterbringen könnte. Aber wir müssen – insofern verstehe ich auch den Antrag der CDU als Schritt in diese Richtung – das dann auch einmal miteinander vergleichen.
ben, sondern immer nur länder- oder bundesinterne Vergleiche. Dass wir die Ergebnisse der einzelnen Schulen in überregionalen Vergleichen nebeneinander legen und sagen: „Was die dort machen, scheint etwas für die Entkoppelung von der sozialen Herkunft oder für die Risikogruppen oder für die allgemeinen Schulleistungen zu bringen.“, damit Schulen voneinander lernen können – so einen Prozess, finde ich, müssen wir hier herstellen.
Ich sage auch ganz klar: Wir können damit nicht bis 2018 warten. Deshalb finde ich den Ansatz des CDU-Antrags im Kern völlig richtig zu sagen: Wir müssen jetzt anfangen, in eine Auswertung der Schulreform einzusteigen, und zwar nicht, um wieder aus ihr auszusteigen. Sondern wir wollen sie stärken, wir wollen nachstellen und anpassen und nachsteuern. Vor allem aber geht es darum, endlich systematisch über Qualität zu reden und darüber, mit welchen Instrumenten wir denn Schulleistungen endlich verbessern können. Man kann es vielleicht auch einfach so sagen: Die Schulreform ist ein ständiger Vorgang, und die Schulen müssen sich ständig verändern und weiterentwickeln. Dafür müssen wir als Politik die Voraussetzungen schaffen, und meiner Meinung nach jetzt und nicht erst 2018, wenn wir gucken, wie sich denn die Schulreform bewährt hat.
Die CDU macht im Punkt 2 ihres Antrags Vorschläge zu einzelnen Themen, die bei einer vorgezogenen Evaluation und Weiterentwicklung der Schulreform besonders berücksichtigt werden sollten. Ich finde viele davon gut, einige nicht. Die Orientierung auf die Ganztagsschule, und zwar die gebundene Ganztagsschule, finde ich völlig richtig. Die Frage, dass man das dann wieder offen lässt, habe ich, ehrlich gesagt, nicht verstanden. Deswegen werden wir dem Punkt a nicht zustimmen können.
Ich finde es auch notwendig, dass wir über die Entwicklung der Oberstufen reden, den Abbau der Oberschulzentren, die Orientierung, jede Oberschule braucht ihre eigene Oberstufe, das muss man dringend kritisch überprüfen. Da haben wir schon negative Erfahrungen gemacht, und ich glaube, da muss man einfach einmal gucken, ob sich das bewährt hat. Meiner Meinung nach ist das nicht der Fall. Aber das sollten wir dringend evaluieren.
Man muss aber auch bei den Gymnasien überprüfen, wie weit sie stärker als bisher berücksichtigen müssen, dass von ihnen aus der Weg nicht nur in die Hochschule, sondern auch in die Ausbildung oder direkt in die berufliche Ausbildung führt. Was ich allerdings auch nicht will – da gebe ich meinem Kollegen Güngör recht –: Ich möchte berufliche Bildung oder Berufsorientierung und Hochschulorientierung nicht auf zwei Schulformen unterschiedlich verteilen. (Glocke)
finde es im Übrigen auch fatal, dass mit der Oberschulreform die Berufsorientierung völlig verschwunden ist, weil man die Oberschulen mit den Gymnasien gleichstellen wollte. Das heißt, meiner Meinung nach muss die Berufsorientierung an beide Schulformen – und zwar unmittelbar – wieder zurück. Ich finde es richtig schade, dass wir Lehrer für WAT, die Arbeitslehre, gar nicht mehr ausbilden und dass wir sie gar nicht mehr beschäftigen. Aber wie gesagt, Herr Dr. vom Bruch, ich möchte das nicht nur an den Oberschulen, ich möchte das auch an den Gymnasien.
Wir müssen im Endeffekt auch den Inklusionsprozess darauf überprüfen, wie er zu einer umfassenden individuellen Förderung aller weitergeführt wird. Das sehen wir ebenfalls so. Bislang haben wir Schülerinnen und Schüler, die an früher gesonderten Schulen unterrichtet wurden, eigentlich nur auf die allgemeinbildenden Schulen verteilt, und der Schritt zu einem anderen Unterricht ist bislang so mühselig gewesen, weil eben immer die Ressourcenfrage über allen schwappte und weil bestimmte Sachen nicht geklärt waren, dass wir da eigentlich erst am Anfang stehen. (Glocke)
Ich finde, wir sollten auch das aufmerksam begleiten und gucken, wo wir gegensteuern müssen. Ich komme vorerst zum Schluss.- Danke!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich im Gefolge der Wortbeiträge ein paar Anmerkungen machen. Frau Dogan, es geht nicht um Empörungsreden, aber es geht schon darum, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass es uns auch in den überregionalen Vergleichen seit Jahren nicht gelingt, den Abstand zu den anderen Bundesländern zumindest zu reduzieren. Damit werden wir nicht zufrieden sein.
Es kommt nicht darauf an, hier Einzelnen einzelne Ergebnisse vorzuhalten, es kommt nicht einmal auf Schuldzuweisungen in erster Linie an. Aber es kommt schon darauf an, dass wir einmal hingucken, woran es wirklich liegt und was wir besser machen können. Denn so wie es ist, wollen wir es für die Zukunft nicht fortschreiben. Deshalb geht es uns – das ist ein Missverständnis, Herr Güngör – bei unserem Vorschlag in diesem Antrag nicht so sehr darum, in erster Linie strukturelle Fragen zu stellen, sondern uns geht es darum, wie Unterricht wirklich in der Zukunft funktionieren soll, wie Unterricht ausgestaltet
werden soll und wie er vor Ort am besten gestaltet werden kann. Das ist im Kern unser Anliegen, meine Damen und Herren.
Deshalb, Herr Güngör, ist es auch ein Missverständnis, sich mit der Frage „Oberschule, Gymnasium, Stadtteilschule oder was auch immer?“ auseinanderzusetzen.
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Ich glaube, dass es in Wahrheit im Prinzip fast egal ist, was draußen an der Schule steht. Entscheidend ist, was sich in den Klassenräumen, im Unterricht vor Ort abspielt.
Meine Damen und Herren, Sie haben sich mit der Profilierung, mit unserem Vorschlag, eine Profilierung zu verstärken, auseinandergesetzt. Dazu möchte ich einen Punkt sagen: Zu dieser Bewertung kann man eigentlich nur kommen, wenn man Berufsqualifizierung, berufliche Ausbildung auf der einen Seite und Studium auf der anderen Seite in eine Hierarchie bringt. Für uns sind das gleichwertige Angelegenheiten, gleichwertige Ziele.
Deshalb gehen wir auch nicht davon aus, dass es unterschiedliche Ziele sind, sondern dass sie in beiden Schularten profiliert werden sollen, was nicht heißt, Herr Güngör, dass es Ausschließlichkeitskriterien sind. Wir wollen eine Gleichheit auch in der Denkweise und in der Bewertung von beruflicher Bildung und von Studium. Deshalb wollen wir das in diesen beiden Schularten widergespiegelt wissen.
Meine Damen und Herren, Sie können an dieser Stelle unseren Antrag ablehnen – das werden Sie ja voraussichtlich auch tun –, aber was Sie nicht tun können: Sie werden diese Themen nicht weiter negieren können. Diese Themen, die wir benannt haben, werden Ihnen auf die Füße fallen, und insofern werden Sie sich diesen Themen nicht entziehen können, sondern Sie werden sie an irgendeiner Stelle bearbeiten müssen, unabhängig davon, ob Sie unserem Antrag hier heute folgen oder nicht.
Ich will eine letzte Bemerkung zur Ganztagsschule machen. Meine Damen und Herren, es kommt mir hier gar nicht so sehr auf Wortklauberei an,
sondern es kommt mir darauf an, dass wir die Ganztagsschule so ausgestalten, dass sie auch wirklich eine Schule ist. Wir wollen ein flächendeckendes Angebot. Wir wollen eine Entwicklung hin zur gebundenen Form. Aber wir wollen keine Verpflichtung, sondern wir wollen die Wahlfreiheit erhalten. Das ist unsere Auffassung. Wir wollen eine Ganztagsschule, die den Unterricht verbessert, die Chancengerechtigkeit verbessert, und wir wollen keine zwanghaften Verpflichtungen, sondern wir wollen ein Angebot machen,
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eben schon ausgeführt, dass ich einige oder viele Ansätze in diesem Antrag durchaus sinnvoll und richtig finde. Ich finde, es ist auch überhaupt gar kein Widerspruch, dass sich der Senat auf Bundesebene dafür einsetzen soll, dass es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsschule gibt, weil er dann vom Bund natürlich mit Ressourcen hinterlegt werden muss; ähnlich wie bei der U3-Geschichte. Ich fände es eigentlich am sinnvollsten, diesen Antrag in die Deputation zu überweisen und ihn sich da in Ruhe anzugucken. Ich habe aber den Ausführungen der Rednerinnen und der Redner der Koalition entnommen, dass Sie ihn ablehnen werden.
Ich habe eben schon gesagt, dass ich vieles sinnvoll finde. Einiges können wir auch unter der Hierarchisierung, der Berücksichtigung der Einzelthemen allerdings nicht mitgehen. Von daher werden wir dem Antrag zustimmen. Ich beantrage getrennte Abstimmung für die Punkte 2a, b, d, g und k. Denn da kann ich nicht so problemlos in der Prioritätensetzung mitgehen. – Danke!